Der Jenseitige Mensch
Emil Mattiesen

  zum Inhaltsverzeichnis 


Kap LV.  Phantom und Medium.             (S. 574)

Eins nun scheint hier unbestreitbar: daß Phantome wie auch meta-physikalische Leistungen (deren Verwandtschaft ja schon ihr unmerkliches Ineinanderübergehen bezeugt) in irgendeinem Sinn und Umfang immer Leistungen eines Mediums sind.

Beide erfordern von diesem eine gewisse körperliche und seelische Aufgelegtheit und Gesundheit, [2] nehmen 'Kraft' in Anspruch, [3] erschöpfen im Maße ihres Auftretens, [4] und machen daher nach leistungsreichen Zeiten Perioden des Aussetzens zum Zwecke neuer 'Ansammlung von Fluidum' nötig. [5]

Besonders während reicher Phantombildung ist das Medium vielfach mehr oder minder gelähmt, im Atmen behindert, seelisch gehemmt - 'wie im Traume' -, wenn nicht in ausgesprochenem Trans. [6]

Mrs. Finch beschreibt in einem solchen Falle 'Ziehen im Magen und Zittern im ganzen Körper... Während der ganzen Zeit, in der die Materialisationserscheinung den Teilnehmern sichtbar blieb, hatte ich das Gefühl, als wäre ich buchstäblich in Stücke zerrissen und als sollte mein Leben aus meinem Körper fließen... Instinktiv verließen meine Füße den Boden und es überkam mich ein sonderbares

[2] Vgl. Vesme III 152 (üb. Angél. Cottin); Home, Révél. 166; ÜW IV 282.
[3] Vgl. ASP V 122, Abs. 3; PS XXIV 341; Crookes 94 ('power exhausted') u. oft.
[4] Vgl. Mme. d'Espérance’s typisch-psychasthenische Symptome nach erfolgreicher Sitzung: PS XXIV 214.
[5] S. Mrs. Finch in PS XXXIV 718ff.
[6] d'Espérance 231; vgl. Aksakow, Démat. 179f. 183; Seiling in ÜW II  20.


Kap LV.  Phantom und Medium.             (S. 575)

zusammenziehendes Gefühl, als würde mein Körper ganz starr und wie ein Ball, Kopf und Füße verbunden.' Sie war sich der außerordentlichsten Nervenanstrengung bewußt, zeigte starke Überempfindlichkeit für geringe Geräusche, konnte kein Wort hervorbringen, und die Zeit erschien ihr außerordentlich verlängert.

Dabei war sie sich bewußt, daß nicht ein 'Geist', sondern 'ein Teil (ihrer) eigenen Individualität' in solcher Weise mit ihrem Körper verführe. [1] -

Entsprechend steigt die Erschöpfung nach Abschluß erfolgreicher Materialisationssitzungen zuweilen bis zu ohnmachtartigen Zuständen an: das Medium liegt sprachlos, bleich, in kalten Schweiß gebadet da, selbst das kräftigste fühlt sich matt und leidend, hat schnellen Puls und schweren Atem. [2]

Die Frage, welcher Art die Ausgaben seien, die diese Erschöpfung herbeiführen, drängt uns freilich alsbald in jenes dichte Gestrüpp von Verlegenheiten, das auf dem jungfräulichen Boden künftiger Wissenschaften zu wuchern pflegt.

Subjektive Empfindungen wie objektive Wahrnehmungen deuten darauf hin, daß es sich dabei nicht so sehr oder nicht allein um eine Verausgabung von 'Kräften' handle (etwa infolge Zerfalles chemischer Verbindungen im Körper), sondern mindestens auch um eine Abgabe von etwas Stofflichem.

Die gewöhnlichsten jener subjektiven Empfindungen werden in auffallender Einmütigkeit des Bildes von den meisten Medien mit der Auflagerung von feinsten Geweben, 'Spinneweben', zumal auf Gesicht und Händen verglichen. [3] Nehmen diese 'Sommerfäden' zu, so könne man sich einbilden, einen feinen seidenen Schleier über den Kopf oder die Hände geworfen zu haben. [4]

Bei noch aufmerksamerer Selbstbeobachtung scheint sich eine Deutung dieser Empfindungen einzustellen: das Medium glaubt nämlich zu fühlen, 'wie feine Fäden aus den Poren seiner Haut herausgezogen würden'. [5]

Bei einem 'Planchette'-Schreibenden geht 'ein eigentümlich ziehendes Gefühl in den Handnerven' (das wir vielleicht als Äquivalent der 'Spinneweben' deuten können) in eine Empfindung über, 'als ob mit feinen Saugpumpen aus den Nerven an den Fingerspitzen etwas herausgezogen würde.

Die Planchette (auf welcher die Hand auflag) begann zu knistern und krachen..., (dann) sich zu bewegen' usw. [6] - Maxwell, der verschiedene Empfindungen von Jucken in den Handflächen und Fingerspitzen sowie von Spinneweben auf Händen, Gesicht, Rücken und Schenkeln beschreibt, führt auch Angaben Anderer an, welche die Haut 'ihrer' Hände gleichsam von 'kleinen Löchern durchbohrt empfänden, durch die etwas entwiche'. [7]

Ja eins seiner Subjekte, ein begabter und hochgebildeter Mann und durchaus imstande, seine eigenen Symptome zu zergliedern, gibt an, 'es scheine ihm, als ob etwas aus seiner Magengrube entweiche', und daß er bei besonders lauten Klopftönen ein krampfähnliches Gefühl in der epigastrischen Gegend habe, oder die Empfindung, 'als ob etwas Materielles in solchen Augenblicken aus ihm gezogen würde'. [8]

[1] PS XXXIV 722ft. - Beschreibungen wahrer 'Wehen' des Med. während Materialis. s. in v. Schrenck-Notzing, Materialisationsphänomene.
[2] S. ÜW IV 282; X 466 (E. Palladino); APS V 380f.; PS XXVIII 518 (Mrs. Salmon); Perty, Spir. 52 (Home).
[3] OR 1907 I 115.
[4] S. das.; vgl. Maxwell 329. 331; PS XVIII 550f.
[5] d'Espérance 229.
[6] PS XXIV 292f.
[7] Maxwell 114. 116.
[8] das. 88. 119. 270.


Kap LV.  Phantom und Medium.             (S. 576)

Mme. d'Espérance’s Schilderungen ihrer Materialisationssitzungen gehen einen Schritt weiter. Auch sie gibt an, daß sie im Kabinett alsbald das Gefühl habe, als seien ihr Rumpf und Hände mit Spinneweben eingehüllt, ein Gefühl, das sie veranlaßt, sich zu reiben, und das dann vorübergeht.

'Dann habe ich die Empfindung, als ob die Luft mit Stoffen sich anfülle, und mein Atem ist gehemmt.' Auf jene Empfindung der Lufterfüllung folge die Wahrnehmung von 'Dampfmassen', die sich nicht fassen lassen, nach allen Seiten sich wälzen, dann plötzlich stillstehen, 'und dann weiß ich, daß (eine Gestalt sich bildet, daß) ein lebendes Wesen mir zur Seite ist.

Der Dampf kann auch nur auf einen Augenblick auftreten und die Gestalt alsbald da sein. Aber immer habe ich ein Gefühl der Leere, welches einsetzt, sobald ich die Spinneweben spüre.' [1]

Diesen Empfindungen des Mediums entsprechen Wahrnehmungen Dritter.

Herrn Gibson, der den 'feinen seidenen Schleier' über seinem Kopfe fühlt, wird von Sensitiven gesagt, sie sähen etwas, 'was sich als grauer Nebel beschreiben lasse, um mein Haupt (gelagert)'. [2]

Auch die milchigen, leuchtenden, leidlich formlosen Wolken oder Nebel fallen einem ein, die in vielen Sitzungen von den Teilnehmern durch den Raum sich hinbewegend oder in der Luft hängend, meist in der Nähe von Kabinett oder Medium wahrgenommen werden. [3]

Zeitliche und örtliche Zusammenhänge lassen sie zuweilen als eine Vorbereitungsstufe von Phantomteilen oder Phantomen erscheinen [4] und liefern einen Grund (neben andern) gegen ihre durchgehende Rückführung auf optische Illusionen, zu denen an sich das Auge gerade im Dunkel oder Halbdunkel ja reichlich neigt. Sind die Ausscheidungen vollends von jener schon erwähnten 'breiigen' Art, so ist an Sinnestäuschung nicht länger zu denken.

Wir hätten also Tatsachen in eine Reihe geordnet, die von Ausströmungen aus dem Medium bis zu geformten Gestalten führt und somit diese als eine Leistung eben des Mediums erscheinen lassen könnte. - Ein anderer bedeutsamer Zusammenhang zwischen beiden zeigt sich in einer gewissen Gemeinsamkeit motorischer und sensibler Vorgänge.

Eine Gemeinschaft der ersteren Art kündigt sich ja bereits in der Abhängigkeit des Verlaufes metaphysikalischer Leistungen vom Willen des Mediums an.

Das Medium weiß es nicht nur voraus, wenn etwas sich ereignet, - wie denn die Palladino häufig durch ein 'Aufgepaßt' die Blicke Aller darauf hinlenkt, [5] – es leitet auch die Ereignisse, will sie also im Einzelnen, dies beweist nicht nur die 'Vernünftigkeit' so vieler dieser Leistungen, z.B. das allbekannte Buchstabieren oder Kodexreden durch Klopflaute oder Bewegungen von Gegenständen, [6] sondern auch das (namentlich bei Eusapia) hundertfältig beobachtete Zusammenfallen der metaphysikalischen Leistungen mit gewissen, an sich oft ganz unähnlichen Muskelanstrengungen des Mediums.

Eine Bewegung der Hand auf die Tischplatte zu, ein Ballen der Faust, ein Niederdrücken der Fußsohle oder dgl. genügt

[1] Aksakow. Démat. 175; vgl. 226.
[2] OR 1907 I 115.
[3] z.B. Maxwell 142ff.; APS V 357 (Eusapia); Home, Révél.: une clarté phosphorescente se glissant, tremblante, le long des murs, ou bien encore des émanations lumineuses s'exhalant des corps humains...
[4] z.B. Maxwell 143. 146.
[5] z.B. APS V 121.
[6] S. z.B. Maxwell 106. 310; Jacolliot 214,u.v.a.


  nach oben   

Kap LV.  Phantom und Medium.             (S. 577)

anscheinend, um Klopflaute ganz außerhalb des Bereiches dieser Bewegungen zu erzeugen; Seufzen, krampfhafte Windungen der Arme und Hände begleiten eine Erhebung des Tisches und enden mit ihr, [1] ein Kneifen der kontrollierenden Hand 'erzeugt' scheinbar ein Zupfen der Gitarre, Stoß- oder Zugbewegungen der Hände bewirken Fortgestoßen- oder Herangezogenwerden entfernter Gegenstände usw. [2] -

Oder um mit ausgesprochenen Phantomleistungen zu belegen: während der Erzeugung von plastischen Abdrücken im Kabinett reibt Eusapia ihre entsprechenden Fingerballen auf dem Sitzungstisch außerhalb des Kabinetts, indem sie sagt:

'Wie hart es ist, es ist zu hart, bringen Sie die Kreide fort'; [3] und Mme. d'Espérance behauptet, daß sie ihre Muskeln sich zusammenziehen fühle, als griffen ihre Hände, während das Phantom die Handlung des Greifens ausführt. [4]

Die letzte Erwähnung der Eusapia zeigt übrigens neben einer Gemeinsamkeit der Bewegungen auch eine solche der Empfindungen, oder vielleicht richtiger: ein Empfinden seitens des Mediums dessen, was das Phantom empfinden müßte, wenn das vorauszusetzende Glied einem bewußt empfindenden Phantom angehörte.

Diese anscheinende Verlegung der Reizbarkeit des Mediums in den Körper des Phantoms hat sich auch in zahlreichen Fällen voller und sichtbarer Ausbildung des letzteren, und hätte sich vielleicht bei noch mehreren - oder allen? - feststellen lassen, wenn diese Feststellung stets gesucht worden wäre.

So empfand Eusapia Schmerzen, wenn die in ihrer Nähe beobachteten Arme gestochen wurden, 'als wären sie ihre eigenen'. [5] Und Mme. d'Espérance will bei Versuchen, Paraffinabgüsse der Hand des Phantoms zu erhalten, das Brennen des geschmolzenen Stoffes an ihrer eigenen Hand verspürt haben.

Berühre sie selbst ihr Phantom Yolanda, so habe sie die Empfindung, 'als berühre ich mich selbst', als 'berühre ich etwa die eigenen Hände'. Berühren andere das Gesicht des Phantoms, so habe sie die Empfindung, 'als ob Finger sich in meine Wange eindrückten'. [6]

Diese Gemeinschaft der Empfindung zwischen Medium und Phantom findet nun eine merkwürdige Beleuchtung durch gewisse behauptete Beobachtungen über eine besondere Art seiner Bildung.

Ich habe früher Angaben Rochas' über die Exteriorisierung empfindender 'Schichten' angeführt. [7] Aber bereits Rochas behauptete, bei Fortführung des Vorgangs der Exteriorisierung bildeten diese Schichten hinausverlegter Empfindung soz. zwei Halbphantome zu beiden Seiten des Körpers, die sich dann zusammenschlössen (zuweilen durch Aufstieg über den Kopf der Versuchsperson) und - wie er meinte – den 'Astralkörper' zur Darstellung brächten, der durch ein 'Band' - ich bitte dies im Auge zu behalten - mit dem Körper des Subjektes in Verbindung stehe.

'Beweise' für diese sonderbaren Aufstellungen scheint er,

[1] PS XIX 535; XX 5.
[2] APS VI 275f. ('vieni, vieni'); ÜW VII 65; Maxwell 104. 173f.; Pr XXIII 514. 517. 547. 562 u. oft.
[3] PS XXXIV 525.
[4] Aksakow, Démat. 180. 182.
[5] Lombroso 88; vgl. ÜW V 86; XIV 204.
[6] Aksakow, Démat. 182. 185. 191; vgl. d'Espérance 298; PS 485; XXII 484; XXIV 338 (Eusapia).
[7] s. o. S.415f.


Kap LV.  Phantom und Medium.             (S. 578)

abgesehen von Aussagen von Versuchspersonen, [1] wesentlich durch Abtasten der Luft gewonnen zu haben. [2]

Unabhängig davon will H. Durville in jahrzehntelangen Versuchen zwar ähnliche, jedoch in wesentlichen Einzelheiten abweichende Beobachtungen gemacht haben.

Auch er fand, daß seine Subjekte 'unter der Einwirkung des Magnetismus' ihre Empfindung bis zu einer Entfernung von 3 m nach außen verlegten und dies Organ dann in Gestalt eines Dampfes, eines weißlichen oder grauen Fluidums in einer Entfernung von 20-80 cm zu beiden Seiten ihres Körpers sich verdichten sahen.

Er fand aber nicht, wie Rochas, selbst bei dessen eigenen Subjekten, die beiden (auch gefärbten) Halbphantome zu beiden Seiten des Körpers von völlig naturwahrem Äußern: vielmehr fanden bei seinen Versuchen die Verdichtungen in colonnes flottantes mit unregelmäßigen Umrissen statt.

Bei fortgesetzter Magnetisierung vereinigten sich diese beiden Säulen, etwa an der Stelle der linken, zunächst zu einer unbestimmten dampfigen Masse, höher und breiter als das Subjekt, die dann aber, bei noch fortgesetzter Magnetisierung des letzteren, schrumpfte, leuchtender wurde, allmählich menschliche Form annahm und schließlich der genaue Doppelgänger des Subjektes wurde, zumal in der oberen Körperhälfte.

Der Bildungsstoff dieses Phantoms - und hier wiederholen sich uns bereits vertraute Angaben - entwich aus allen Teilen des Körpers des Subjektes in Gestalt von Effluvien, besonders aber aus der Stirn, dem Scheitel, der Brust, der Magengrube und der Milz.

Dieses Ausströmen ist, wenigstens während der ersten Versuche der Verdoppelung, von unangenehmen, selbst schmerzlichen Empfindungen begleitet, die aber rasch nachlassen. Außer diesem, angeblich durch den Magnetiseur beständig ersetzten, Stoff sollte das Phantom aber noch weiteres Bildungsmaterial aus der Atmosphäre beziehen.

Dies Phantom ahmte dann alle Stellungen und Gesten des Subjektes nach; seine Objektivität erwies sich angeblich durch die Möglichkeit, es im Spiegel zu sehn und zuweilen auch zu photographieren. Auch konnte das Phantom angeblich physische Wirkungen ausüben.

In einem Falle wurden, wenn es den Tisch verrücken oder schlagen wollte, seine Hände auf oder dicht über dem Tisch so undurchsichtig, daß weder das Subjekt noch andere Sensitive den Tisch noch durch sie hindurch erblicken konnten.

Bei noch fortgesetztem Magnetisieren des Subjektes wurde das Phantom selbständiger, im Ausdruck dem Subjekt angeblich unähnlicher (auch in seinen Bewegungen) und schließlich der Sitz des persönlichen Bewußtseins des letzteren. Es gehorchte aber noch vielfach dem Willen des Magnetiseurs.

Stets war das Subjekt mit seinem Phantom vermittelst einer 'fluidischen Schnur' verbunden, die zum Schluß die Dicke etwa eines kleinen Fingers hatte, meist zylindrisch, mitunter aber auch bandförmig war, stellenweise Schwellungen aufwies, gewöhnlich, aber nicht immer, am Nabel des Subjektes ansetzte oder einige Zentimeter oberhalb und links des oberen Randes der Milz, und etwa an der entsprechenden Stelle des Phantomes mündete.

Dies Band war gewissermaßen elastisch und konnte, wenn gereckt, einen deutlich empfundenen

[1] S. bes. die entsprech. Aussagen von Lecomtes Subjekten Mireille u. Laurent, ref. in ÜW IV 204.
[2] Üb. Photographierung von anschein. Zwischenstufen zwischen couches und Phantom s. Petrowo-Solowowo 190f.; von exteriorisiertem Phantom: du Prel, Mag. I 71f.


Kap LV.  Phantom und Medium.             (S. 579)

Zug auf das Subjekt ausüben. Durch diese Verbindung sollte nach Durvilles Meinung ein Austausch in beiden Richtungen stattfinden: indem das Subjekt dem Phantom Substanz zuleitete und dieses jenem, wie auch die Empfindungen, die das Subjekt mehr oder weniger vermittelst seiner verschiedenen Organe ausdrückt [sic].

Das Phantom sei zu Beginn sehr empfindlich, und die leichtesten Berührungen würden schmerzlich vom Subjekt empfunden. Die Verdoppelung hörte langsam auf, indem das Subjekt erwachte, in rückwärtiger Bewegung durch die Phasen seiner Einschläferung.

Bisweilen verschwand das Phantom plötzlich infolge einer starken Erregung. - Durville nennt im ganzen 8 Subjekte bei Namen, mit denen er seine Versuche angestellt habe, ohne daß es ausgeschlossen ist, daß er andere nicht namentlich aufführt.

Seine Beschreibung scheint teils auf den Aussagen anwesender Sensitiver, teils auf denen der Subjekte zu beruhen. Selbst gesehen hat er wohl nichts, wenn auch einige Ausdrücke dies anzudeuten scheinen könnten. [1]

Daß seine Beobachtungen der Nachprüfung bedürfen, ehe sie Vertrauen verdienen, ist ebenso sicher, wie daß sie große Wichtigkeit besäßen, wenn sie es verdienten.

Darauf deutet schon die bemerkenswerte Übereinstimmung, die zwischen ihnen und so vielen anderen besser verbürgten Beobachtungen der hypnotischen und der spiritistischen Praxis in Einzelheiten besteht, deren unabhängige Erfindung oder Halluzinierung in verschiedenen Gegenden der Forschung kaum wahrscheinlich erscheint und von denen wir einigen immer wieder begegnen werden:

ich erwähne z.B. die 'Ausströmungen', die eigentümlichen Empfindungen des Subjektes während dieser, seine Empfindungslosigkeit während der vorgeschrittenen Leistung, die sonderbare Einzelheit eines Phantom und Medium verknüpfenden 'Bandes'. -

Dieses letztere bildet anscheinend den Mittel- und Ausgangspunkt einer andern Gruppe von Beschreibungen der Phantombildung, die mit denjenigen Durvilles vielleicht mehr Verwandtschaft besitzen, als auf den ersten Augenblick scheinen könnte.

Bei 'Dr.' Monck sah Colley die phantomhafte Bildung 'aus (des Mediums) linker Seite hervorwachsen. Zuerst erschienen mehrere Gesichter von großer Schönheit, eins nach dem andern...

(Darauf), während ich dicht neben dem Medium stand, es sogar berührte, sah ich so deutlich wie möglich mehrere Male Haupt und Körper einer Frau in vollkommener Bildung teilweise aus Dr. Monck etwa in der Gegend des Herzens hervorgehen.

Dann, nach mehreren Versuchen, verließ eine voll ausgebildete Gestalt das Medium, erst in einem nebligen Zustande, aber während des Hervorgehens fester werdend, und stand als gesonderte Persönlichkeit (in verklärtem, weißem Licht) zwei oder drei Fuß (von ihm) entfernt, mit ihm durch ein dünnes Band wie von Spinneweben verbunden, welches auf meine Bitte Samuel die 'Kontrolle' mit des Mediums linker Hand abtrennte...

Dieser verbindende Faden erschien nach einiger Zeit wieder, als das Phantom sich dem Medium zu nähern begann, und während Colley angeblich aufmerksam hinblickte, wurde die Gestalt langsam in den Leib des Mediums 'zurückgesogen'. [2]

[1] H. Durville in JM 1. trimestre 1908 (auch Année occ. et psych. 1008 291ff.).
[2] Dr. Monck befand sich während dieser Vorgänge im Trans und im Zustande veränderter Persönlichkeit. - Aus The Spiritualist bei Podmore, Spir. lI 245f. Vgl. APS II 392ff.; ÜW XIV 201ff.


  nach oben   

Kap LV.  Phantom und Medium.             (S. 580)

Archidiakonus Colley ist nun im allgemeinen ein, wenn auch grundehrlicher, so doch im übrigen so wenig Zutrauen erweckender Beobachter, als Monck ein völlig einwandfreies Medium ist.

Und obgleich die geschilderten Beobachtungen so krasser Natur sind, daß man fast meinen möchte, ein Schwachsinniger hätte sie anstellen und beschreiben können, so würde Herrn Colleys Beschreibung vielleicht mit dem Schlagwort Halluzination beiseite zu schieben sein, wenn nicht die gleichen Vorgänge bei anderen Medien, wie auch bei Monck selbst, von bessern Beobachtern bezeugt würden.

Und mag auch selbst ein Alfred Russell Wallace durch seinen radikalen Spiritismus bei Vielen das Vertrauen verloren haben, das seine wissenschaftlichen Leistungen ihm sichern sollten, so wird es doch schwer fallen, angesichts der grobschlächtigen Einfachheit der fraglichen Erscheinungen und der ausgezeichneten Bedingungen ihrer Beobachtung dem großen Empiriker in diesem Falle das Recht zum Zeugnis abzustreiten.

Noch in einer seiner letzten Veröffentlichungen fand er es möglich, folgende Beschreibung einzurücken:

'Bei vollem Tageslicht (an einem hellen Sommernachmittage), einige Fuß entfernt vor uns stehend, schien Monck in Trans zu fallen, zeigte auf seine Seite und sagte: 'Sehen Sie!' Wir sahen nun einen matten weißen Fleck auf seinem Rock auf der linken Seite.

Dieser wurde heller, schien zu flackern und sich nach oben und unten auszudehnen, bis er ganz allmählich eine wolkenartige Säule bildete, welche von der Schulter bis zu den Füßen (des Mediums) reichte, nahe seinem Leibe.

Dann trat (Monck) etwas zur Seite, während die wolkige Gestalt stillstand, aber mit ihm verbunden durch ein nebliges Band in der Höhe der Stelle, an welcher sie sich zuerst zu bilden begonnen. Monck trennte dann mit der Hand dieses Band, und er und das Phantom entfernten sich voneinander bis auf 5 -6 Fuß.

'Die Gestalt hatte jetzt das Aussehen eines dicht eingehüllten weiblichen Wesens angenommen, dessen Arme und Hände eben zu sehen waren.' Monck sagte: 'Sehen Sie', und klatschte in die Hände, worauf das Phantom die Hände ausstreckte und schwächer, aber deutlich hörbar auch klatschte.

'Die Gestalt bewegte sich dann langsam zurück zu ihm, wurde blasser und kleiner und anscheinend in seinen Körper eingesogen, wie sie aus ihm hervorgewachsen war.' Wallace hält dafür, daß die Einzelheiten der Beobachtung 'irgendwelche normale Art der Erzeugung dessen, was wir sahen, schlechterdings ausschlossen' [1] -

Halten wir hier inne, um die angeführten Beweise für einen Lebenszusammenhang von Phantom und Medium im Lichte der Fragestellung zu überschauen: ob das Phantom eine Leistung bezw. eine feinere Leiblichkeit des Mediums, oder eine solche von abgesonderter Bedeutung sei. -

Von den angeführten Beobachtungen waren die ersten - über das Erschöpfende der Leistung - augenscheinlich mehrdeutig, gleichsam theoretisch indifferent: sie könnten allen Formen der Deutung, selbst einer

[1] A. R.W., My Life II 330 f. Vgl. auch PS IX 83f. (aus The Banner of Light, 15. Dez. 1881); ÜW XIV 446; Col. Leans Zeugnis das. 408; PS XXI 485; Delanne 250.


Kap LV.  Phantom und Medium.             (S. 581)

doketistischen, wie der v. Hartmannschen Hülsentheorie, dienstbar gemacht werden. Und das gleiche gilt am Ende von jenen Beobachtungen, welche eine Stoffabgabe seitens des Mediums andeuten: diese Stoffe könnten auch dazu dienen, den 'feineren' Leib des Mediums oder den eines Andern sichtbar zu machen, ja selbst eine Phantomhülse aufzubauen.

Aber die Zweideutigkeit geht weiter: sie betrifft auch die Beobachtungen über Gemeinschaft von Bewegung und Empfindung zwischen Medium und Phantom. Ja die ersteren würden sich sogar besonders leicht einer rein doketistischen Theorie unterordnen,

sofern die direkte Ausführung einer 'magischen' Bewegung sehr wohl das Medium selbst zu entsprechenden normalen Bewegungen seiner Glieder veranlassen könnte: soz. als normal-motorischem Echo seiner Zielvorstellung, nicht unähnlich den unwillkürlichen Bewegungen, mit denen wir einer beobachteten schwierigen Muskelleistung Anderer soz. nachhelfen.

Sieht man das Phantom als einen selbständigen fremden 'Astralkörper' an, so müßte man zur Erklärung der motorischen Synchronie annehmen, daß infolge der mediumistischen Beihilfe zu seiner Sichtbarmachung ein inniger psychischer (telepathischer ?) sowie dynamischer Zusammenhang zwischen ihm und dem Medium bestehe, -

eine Annahme, die mehr Probleme aufstellt, als sie löst. Faßt man dagegen das Phantom als den feineren Leib des Mediums selber auf, so läge sogar eine Schwierigkeit darin, daß sich letzteres bei zeitweiligem Verlust eines so lebenswichtigen Gebildes überhaupt noch bewegen könnte.

Schiebt man diese Schwierigkeit beiseite, so würde allerdings gerade unter dieser Voraussetzung die motorische Synchronie wieder besonders natürlich erscheinen. [1] Die Tatsache der Hinausverlegung der Empfindung ins Phantom anderseits ist in jedem Falle so seltsam vieldeutig und unverständlich, daß man ihr zunächst wenig Anregung für die eine oder andere Theorie entnehmen dürfte.

Was endlich die bisher mitgeteilten Beobachtungen über die Bildung von Phantomen anlangt, so wird man eine Verlockung zu doketistischen Gedankengängen allenfalls in der Beschreibung der sog. Schichten suchen können.

Erscheint hier nicht die Ausgestaltung menschenähnlich geformter 'Hülsen' als etwas beinahe naturnotwendig und abseits von aller Absicht experimenteller Materialisation Eintretendes? Nun, auch wenn wir die Schilderungen auf Einzelheiten hin pressen dürfen (während sie doch wohl im besten Falle nur erste Andeutungen unbestimmtester Art bieten), so scheint – selbst nach Durvilles Angaben - die Ausbildung eines Phantomes ein weit über Schichtenlagerung hinausgehender Vorgang zu sein.

Nichts widerspricht ausdrücklich der Auffassung, daß die schließlich einheitliche colonne flottante gewissermaßen eine Matrix sei, eine Zusammenballung von Materie in besonders verwendbarem Zustande,

[1] S. z.B. Ochorowicz in PS XXI 100f.


Kap LV.  Phantom und Medium.             (S. 582)

die zur Sichtbarmachung einer zunächst unsichtbaren Leiblichkeit des Subjektes verwendet werden solle. Und betrachten wir, im Zusammenhang mit den Schilderungen Durvilles, aufmerksamer diejenige Wallaces, so dürfte eine ähnliche Auslegung auch ihr gegenüber statthaft erscheinen.

In der Tat ist die Verwandtschaft beider Arten von Darstellung, wie ich schon andeutete, gar nicht zu verkennen. Die zweite geht nur eben von der Wahrnehmung dessen aus, was die erstere nach Abschluß des Vorgangs erwähnt: jenes sonderbaren 'fluidischen Bandes', einer Art Nabelschnur, zwischen Medium und Phantom.

Im übrigen bildet sich das Phantom in jener nebligen Mutterlauge, die durch das entstehende 'Band' hindurch vom Medium auszugehen schien, vielleicht aber nur scheinbar ausschließlich durch dieses hindurch angehäuft worden war.

Dürften wir aus allgemeinen Gründen die Deutung des objektiven Phantoms als wirklichen entwickelten Lebewesens für die vergleichsweise 'natürlichste' halten, so wäre durch die bisher mitgeteilten Einzelheiten seiner Entstehung und Abhängigkeit vom Medium allerdings noch nicht zweifelsfrei festgestellt, ob es den feineren Leib des Mediums, oder ein sichtbar gewordenes selbständiges Wesen vorstelle.

Im ersteren Falle möchte man allerdings erwarten, daß sich die Entstehung des Phantoms etwa als Hervortreten oder seitliche Absonderung eines fertigen Körpers darstelle, ein Vorgang, der leicht durch die Schilderungen verdeckt werden könnte, falls die wahrgenommenen Vorstufen wirklich nur eine Ansammlung von Material zur Sichtbarmachung bedeuten.

Im übrigen haben wir Andeutungen einer solchen Entstehung schon oben erhalten, und wenigstens als Ursprung von Teilphantomen (oder Phantomteilen) scheint der unmittelbare Austritt nicht ganz selten beobachtet zu werden.

So schreibt z.B. Herr Berisso im Bericht über eine Sitzung mit der Palladino vom 15. Juli 1895: 'Eusapia wurde unruhig und aufgeregt. Plötzlich wölbte sich die rechte Seite des (hinter ihr hängenden) Vorhangs hervor und bedeckte teilweise den Vorderarm des Mediums, der von Dr. Venzano kontrolliert wurde.

Kurz darauf sahen meine Frau, Dr. Venzano und ich deutlich eine Hand und einen Arm in einem dunklen Ärmel aus der vorderen und oberen Gegend der rechten Schulter des Mediums hervorgehen. Dieser Arm bewegte sich über das Vorhangstück hin, das auf dem Tische lag, ergriff das Glas und führte es an Eusapias Mund, sie lehnte sich zurück und trank mit Gier.

Danach stellte der Arm das Glas auf den Tisch zurück und wir sahen, wie er sich schnell zurückzog und verschwand, als kehrte er in die Schulter zurück, aus der wir ihn hatten hervorgehen sehen.' Beide Hände lagen während dieses Vorgangs sichtbar auf dem Tisch unter Kontrolle. [1]

Ja wenn wir der Beobachtungsgabe gewisser 'Okkultisten' größeres Vertrauen schenken dürften, als sie mir in der Tat zu verdienen scheint, so wäre bei Mme. d'Espérance sogar das Sicherheben einer ganzen Gestalt unmittelbar 'aus (dem sitzenden Medium)

[1] APS VI 100f. Zwei linke Arme bei Eusapia (Beob. Dr. med. Galeotti): PS XXXIV 528; zwei linke Hände (Prof. Ochorowicz): PS XXI 100. Vgl. ÜW IV 14 Anm. 37.


  nach oben   

Kap LV.  Phantom und Medium.             (S. 583)

heraus' - ja 'anscheinend das Medium selber' – gesehen worden, welches doch 'auf seinem Stuhle regungslos sitzen' blieb, während sein Doppelgänger sich in eine weißliche Lichtsäule hineinbegab, welche sich 'ungefähr zwei Schritte vor dem Medium' gebildet hatte, wie eine draußen vorbereitete Matrix zur Verdichtung des Phantoms, das sich nach diesem 'Bade' alsbald wie eine Lebende zu benehmen vermochte. [1]

Unstreitig enthalten solche Beobachtungen eine gewisse Verlockung, in ihnen ein einfaches Hervortreten feiner Duplikate der betreffenden Körperteile zu sehen. Und doch ist dieser Gedanke weder unabweislich, noch ohne Alternative.

Denn auch abgesehen von einem Rückgriff auf die Theorie der Hülsen oder gar der organischen Neubildungen, könnte man diese überzähligen, 'ektenischen' Gliedmaßen immerhin auch für die 'feineren' Gliedmaßen eines dritten, selbständigen Wesens halten, welches sie dadurch bis zur Sichtbarkeit materialisierte, daß es sie durch die entsprechenden Gliedmaßen des Mediums hindurchführte, etwa wie wir ein feinmaschiges Modell durch eine gesättigte Lösung hindurch bewegen, um es in Kristallen des gelösten Stoffes darzustellen.

Ja wir können die Möglichkeit voraussetzen, daß ganze Körper dritter Wesen, wenn nicht gerade aus dem Medium heraustreten, so doch im engsten Zusammenhang mit ihm, scheinbar aus, in Wahrheit vielleicht viel mehr in jenen Wölkungen sich sichtbar machen, die in allgemeiner Weise die Beteiligung des Mediums an der Materialisation beweisen.

Ein erster Grund für die Annahme solchen fremden Ursprungs könnte gegeben scheinen, wenn Phantome nicht nur selbständig handeln (was ja auch das exteriorisierte Medium vermöchte), sondern gelegentlich auch soz. gegen dieses, wie wenn die sich neugierig umwendende Eusapia von einer der Kabinetthände einen Stüber ins Gesicht erhält. [2]

Aber nach dem, was wir über seelische Abspaltungen charakterfremder 'zweiter Persönlichkeiten' wissen, kann auch dies nicht als Beweis des persönlich-gesonderten Ursprungs von Phantomen gelten.

Stärker erscheint das Argument, welches sich auf die körperliche und seelische Übereinstimmung des Phantoms mit bestimmten Persönlichkeiten (meist natürlich Verstorbener) gründet: wofür einige der oben beschriebenen Vollphantome Beispiele abgeben. Ich will von der psychologischen Frage solcher Identifizierung hier ganz absehen.

Aber man überlege z.B. Phantome, die in irgendwelchen 'besonderen Kennzeichen' - polizeilich gesprochen - einem Dritten gleichen, sei dies auch ein Verstorbener: wie in dem Fehlen bestimmter Finger oder Zähne, in bestimmten Verkrüppelungen u. dgl. m., [3] und die unter Umständen erst durch diese besonderen Kennzeichen nachträglich identifiziert werden.' [4]

[1] ÜW I 11 f. (Der Bericht, von A. Weinholtz u. M. Rahn, flößt nur mäßiges Vertrauen ein.)
[2] PS XIX 557.
[3] z.B. Spiritual Mag. 1873 122; Light 1884 71; APS VI 159.
[4] z.B. PS XXXII 701 (Tonabdruck).


Kap LV.  Phantom und Medium.             (S. 584)

Die Strenge dieses Argumentes bricht sich nun freilich an der denkbaren Annahme - die ja unter Spiritisten häufig und sogar von einem Manne wie A. R. Wallace gemacht worden ist -, daß selbst der hervorgetretene 'feine' Leib des Mediums vermittelst einer Art von Selbstplastik fremde Gestalten nachahmen könne.

Zwar finde ich keine ausreichenden Belege für diese Behauptung, aber fordert nicht die Annahme der Neuschöpfung von Phantomen durch das Medium noch weit höhere Grade plastischer Leistung?

Einen Grund gegen die spiritistische Deutung solcher Eigengestalt des Phantoms und zugunsten der mediumistischen Plastik würde jene vielfach behauptete Tatsache abgeben, die man als individuelle Polymorphie des Einzelphantoms bezeichnen könnte:

die Tatsache nämlich, daß ein und derselbe 'Geist' sich zu verschiedenen Zeiten in verschiedener Gestalt gezeigt habe, z.B. entsprechend verschiedenen Lebensaltern, oder gar, um sich für die Anwesenden erkennbar zu machen, vor ihren Augen die erwachsene Form abgelegt und die kindliche angenommen habe. [1]

Indessen zählen die mir bekannten Belege für diese Behauptungen durchweg zu den fragwürdigeren Beobachtungen, wozu ich auch die der berühmten 'Katie King' zählen möchte, deren Abarten sich übrigens nur durch geringe Äußerlichkeiten, wie schwärzeres oder weißeres Aussehen, unterschieden haben sollen. [2]

In andern, eher glaubhaften Fällen besagt die Angabe, daß das Phantom 'bald als Erwachsener, bald als Kind erschienen' sei, ausdrücklich nur, daß es seinem Umfange nach bald größer, bald kleiner erschienen sei, was dann auf die wechselnde 'medianime Kraft' des Mediums zurückgeführt wird; Beweis: die anscheinend größere Erschöpfung bei Entwicklung des Phantoms zu größerem Umfang. [3]

Aber auch wenn wir hierbei nicht an betrügerische Unterschiebung ausdehnbarer Puppen denken, bliebe die Tatsache im Sinne unserer Frage durchaus mehrdeutig; denn auch halbes Versinken sowie mancherlei Zufälligkeiten der äußern Beobachtung mögen ein und dasselbe Phantom bald größer und bald kleiner erscheinen lassen.

Eine Gruppe von Tatsachen endlich wird einstweilen den Anschein des selbständigen Ursprungs gewisser Phantome aufrechterhalten: nämlich die Beobachtung ihrer gelegentlichen Entstehung ohne erkennbaren äußeren Zusammenhang mit dem Medium, ihrer Bildung aus 'Wölkungen', wie den oben beschriebenen, aber in einiger Entfernung und anscheinend unabhängig vom Medium, gleichsam von einem abgesonderten Zentrum aus, sei es, daß dieses die nötigen 'Materialien' aus den Sitzern [4] aus dem Raum oder aus dem Medium (dann aber in einer mehr mittelbaren Weise) an sich zieht.

Die Beschreibungen solcher Vorgänge sind

[1] S.-A. Bracketts Bericht bei Erny, Le psychisme expérimental... (Par, 1895) 151, Entsprechende Selbstbezeugungen von Phantomen z.B. PS XXVIII 519; XXXIV 716; ÜW IV 77. Dadurch würde natürlich die Voraussetzung unmöglich, daß die Materialisation die bloße Sichtbarmachung einer schon zuvor - und dann doch wohl in bestimmt gegebener Form - bestehenden Wesenheit sei,
[2] The Spiritualist 1873 87, 120; 1874 I 206; 1876 II 257 (nach Aksakow).
[3] S. APS V 313 (Dr. Mucchi in Lombrosos Klinik über Eusapia); vgl. PS XXVIII 577 (Mrs. Salmons 'Ellan').
[4] Vgl. hierzu das nächste Kap.


Kap LV.  Phantom und Medium.             (S. 585)

zuweilen sehr merkwürdig und werden, wenn erst Wiederholung oder Verbesserung der Methoden die wichtigen Einzelheiten verläßlich herauszuheben gestatten, unstreitig zur Aufhellung dieser dunklen Tatsachen viel beitragen.

So 'sah Dr. Venzano in einer Sitzung mit der Palladino am 29. Dez. 1900 in Gegenwart von Prof. Morselli plötzlich 'zu seiner Linken, etwa eine Handbreit von seinem Gesicht entfernt, gewissermaßen eine kugelförmige, dampfartige weißliche Masse sich bilden,

die sich zu einer deutlichen Form verdichtete, (nämlich) einem Oval, welches allmählich die Gestalt eines menschlichen Kopfes annahm, dessen Nase, Augen, Schnurrbart und spitzer Bart genau unterschieden werden konnten.

Diese Form kam und berührte sein Gesicht, und er fühlte eine warme und lebende Stirn sich an die seine drücken und ein oder zwei Sekunden lang verweilen. Dann empfand er die Berührung des ganzen Umrisses des Gesichts an seinem eigenen..., dann das Aufdrücken eines Kusses, worauf die Masse sich nahe dem Vorhang in Dampf aufzulösen schien.' [1]

Sonderbarer, bei genauer Betrachtung aber leidlich übereinstimmend mit der vorigen, ist die Schilderung, die Dr. Paul Gibier von einem Materialisationsvorgang entwirft: 'Auf dem Fußboden am Kabinett zeigt sich ein weißer Punkt...

Nach 2 oder 3 Sekunden nimmt er die Größe eines Eies an und bewegt sich wie die Eierschalen, die man in einer Schießbude auf einem Wasserstrahl tanzen sieht. Schnell verlängert er sich, wird eine Säule von ungefähr 1 m Höhe und 10 cm Durchmesser, dann 1,5 m mit zwei Querbalken am obern Ende in T - Form.

Es sieht aus wie Schnee oder eine dichte Dampfwolke. Die Seitenarme des T bewegen sich und entsenden eine Art von Schleier, der Gegenstand wird größer und nimmt erst undeutlich, dann immer klarer die weißliche Gestalt einer verschleierten Frau an.

Zwei weiße Arme kommen unter dem Schleier hervor und werfen ihn zurück. Er verschwindet, und wir sehen eine reizende Mädchenfigur. . ., die mit kaum vernehmlicher Stimme uns den Namen Lucie angibt. [2]

Es wäre albern, über derartige Berichte, die sich leicht sehr vermehren ließen, [3] ausführlich zu theoretisieren, ist es doch ganz ungewiß – selbst ihre Glaubwürdigkeit als Ganzes zugegeben -, wieviel Gewicht man den Einzelheiten der Schilderung beilegen darf. Gleichwohl möchte ich dem Leser anheimgeben, sie im Lichte der einzelnen zur Wahl gestellten Theorien zu erwägen.

Eine unverkennbare Verwandtschaft der Angaben miteinander kann um so weniger verfehlen, Eindruck zu machen, je mehr von solchen Berichten man unter die Lupe nimmt. Immer hören wir von dem Anschein ansteigender Massen - vielleicht einer nach oben zu fortschreitenden Verdichtung irgendwelchen Materials entspringend -, von eigenartigen Bewegungen innerhalb dieses Bildungsraumes des Phantoms,

[1] Sitzung v. 29. Dez. 1900, in Gegenwart v. Prof. Morselli. - APS VI 117; vgl. 10Bf. (wo Kollektivität der Beob. deutlicher ist). Auch die 'Gliedmaßen' bei der Palladino entspringen durchaus nicht immer aus ihr. (Vgl. auch PS XXI 342 üb. Mme. d'Espérance.)
[2] Aus ASP in PS XXVIII 516. Vgl. die 'schnelle kreisende Bewegung' in Bozzanos Bericht o. S. 562.
[3] d'Espérance 254f.; PS XXIV 311; XXVII 236; ÜW XIV 447f.; Erny aaO. 184 (Med. Roberts in einem Käfig mit verschlossener, vernähter u. versiegelter Tür).


  nach oben   

Kap LV.  Phantom und Medium.             (S. 586)

von zunehmender Ballung, schließlich von einem meist plötzlichen Abschluß des Vorgangs, gleich einem schnellen Auskristallisieren aus übersättigter Lösung nach Erreichung eines kritischen Punktes: dem Hervortreten des fertigen Phantoms. [1]

Ich sehe in allem diesem nichts, was gegen eine Theorie streiten könnte, die wenigstens in gewissen Materialisationen die Sichtbarmachung eines unsichtbaren Körpers innerhalb einer Matrix materieller Verdichtung erblickt.

Ja einer der Schriftsteller, die mit wissenschaftlichen Begriffen die Denkbarkeit eines 'feinen' Leibes verteidigen, hat gerade aus seinen Voraussetzungen die Wahrscheinlichkeit von Bildungsvorgängen wie den beobachteten gefolgert; ein Gedanke, der sich leicht auf abgeänderte Formen seiner Theorie übertragen ließe.

'Die physikalische Theorie der Ionisierung und Kondensierung’, sagt Herr Fournier d' Albe, 'hat uns mit der Tatsache vertraut gemacht, daß die kleinsten geladenen Partikeln die wirksamsten Beförderer der Kondensation sind.

In der Tat würde es genügen, einen sehr kleinen Teil der zahllosen Elektronen innerhalb des Körpers zu extrahieren, um eine starke Kondensierung in der umgebenden feuchten Luft zu erzielen.' Schon ihre Aufgabe innerhalb der Ökonomie des Lebenden habe ja zum Teil in einer Kondensation und Assimilation des ihnen zugänglichen Materials bestanden.

Eine zeitweilige teilweise Wiederaufnahme dieser Tätigkeit würde die Erscheinungen der Materialisation ergeben: 'Der unsichtbare Seelenkörper wird zuerst als feiner dünner Nebel, dann als Wolke, als hohe Dampfsäule erscheinen, aus der eine vollendete Gestalt. .. hervorgehen würde, um (nach einiger Zeit) sich wieder in Nebel aufzulösen und unsichtbar zu werden.' [2]

Gerade auch die Besonderheiten dieses umgekehrten Vorgangs der Dematerialisierung wird man mit den angedeuteten Vorstellungen nicht übel zusammenstimmend finden.

Einige Berichte sprechen von einem stückweisen Zerfallen, Verschwinden, Sichauflösen, [3] wie wenn Teile mit ungleicher Geschwindigkeit in einen weniger dichten Zustand übergingen; alle aber scheinen darin einig, daß das Phantom gleichzeitig - oder doch schließlich - verschrumpfe, in sich zusammenbreche und gleichsam versinke, [4] - ein Vorgang, den die eben wieder berührte Theorie geradezu zu fordern scheint. [5]

Ehe ich aber die Besprechung des Sitzungsphantoms zu Ende bringe, muß ich auf eine Einzelheit eingehen, deren Berücksichtigung der Leser gewiß schon mit Ungeduld gefordert hat, um so mehr, als sie geeignet scheint, wenn nicht geradezu die Objektivität von Phantomen überhaupt unglaubhaft zu machen, so doch wenigstens die Hypothese des feineren Leibes in beiderlei Sinne zu widerlegen: ich meine den Umstand, daß

[1] Vgl. hierzu Bozzanos Bericht, o. S. 562, und etwa noch J. Farmer. zit. in ÜW XIV 446.
[2] Fournier d' Albe, New light on immortality 148f. 159. Betr. Anwendbarkeit dieses Gedankens auf die Tatsachen des Emporwachsens u. der Größe-Verschiedenheit der Phant. s. das. 149.
[3] S. Erny, aaO. 145.
[4] S. z.B. PS XXVII 237; XXVIII 517.
[5] S. Fournier d' Albe, aaO. 149.


Kap LV.  Phantom und Medium.             (S. 587)

Phantome nicht nackt, sondern bekleidet erscheinen. [1] Zwar mag, wer die plastische 'Herstellung' von menschlichen Gestalten irgendwelcher Art für denkbar hält, auch die Herstellung von Geweben und Kleidungsstücken annehmen.

Aber wer in Phantomen bloß sichtbar gemachte  Leiber feinerer Art sieht, muß offenbar entweder wegen der Kleider dieser Gespenster auch an Gespenster von Kleidern glauben, oder seine Hypothesen mischen, d.h. die Leiber für nur sichtbar gemacht, ihre Kleider aber für ad hoc erzeugt erklären und damit offenbar eine starke Stütze seiner Voraussetzungen fahren lassen.

Das Problem wird sich schwerlich beseitigen lassen, indem man als objektiv nur gelten läßt, was ohne Kleider auftritt (z.B. für sich erscheinende Köpfe und Hände), jedes bekleidete Phantom dagegen für halluziniert oder schwindelhaft erklärt; die Feststellungen phantomhafter Kleidungsstücke erscheinen an sich nicht weniger sicher als die von Phantomen selbst. [2]

Bei einigen jener Abdrücke im geschlossenen Kasten z.B., die zu den bündigsten Beweisen für objektive Phantombildungen zählen, ist aufgefallen, daß die sich abdrückenden Hände und Köpfe augenscheinlich von einem stofflichen Gewebe bedeckt gewesen waren - 'fein wie Seidenbatist oder auch stärker, so daß es an gewöhnliche Leinwand erinnert' -, dessen Muster, ja auch Falten sich deutlich auf dem plastischen Material abzeichneten. [3]

Dürfen wir den Berichten Begünstigter trauen, so ist die Materialisierung und Dematerialisierung solcher Gewebe, gerade wie die von Phantomen selbst, nicht ganz selten unmittelbar beobachtet worden.

'In einer Sitzung reichte (W. Crookes' berühmte) Katie etwas zum Anfühlen hin mit den Worten: Fühlt dieses, es ist Geistergewebe. Als man es durch die Finger zog, fühlte es sich an wie Spinneweben, feine Seide war grob und rauh dagegen. Nun fühlt es materialisiert, fuhr sie fort, und jetzt fühlte es sich an wie ein dichter gewebter Stoff.'

Den Vorgang der Dematerialisierung eines Stücks phantomhafter Kleidung wollen unter günstigen Umständen die Herren Livermore und Dr. Gray beobachtet haben: sie schnitten ein Stück von der Kleidung eines Phantomes ab und nahmen es soz. unter die Lupe.

'Eine Zeitlang, berichtet Owen, war das Gewebe stark, so daß man daran ziehen konnte, ohne es zu zerreißen. Sie hatten beide Zeit, es kritisch zu untersuchen, ehe es dahinschmolz - melted away.'[4]  

Sind nun wirklich die Kleider mancher Phantome weder Halluzinationen noch schwindelhaft beschaffte 'normale Kleider', so können sie wohl nur entweder übernormal apportierte wirkliche oder ad hoc 'erschaffene' oder magisch sichtbar gemachte sein, nachdem sie unsichtbar bereits bestanden.

[1] Ausnahmen scheinen selten zu sein; s. z.B. Caimet (deutsch) I 3I3ff.
[2] Vgl. APS VI 100 (Berisso üb. Eusapia, 15. Juli 1905). üb. abgeschnittene Gewandproben bei Mme. d'Espérance (nicht recht überzeugend) s. PS XXI 340. 342. 394f.
[3] Acevedo II 250ff.; vgl. PS XXXII 702 (Dr. Gellona). Eine direkte Beob. dieser Benutzung will du Prel gemacht haben (PS XIX 558).
[4] Owen, Deb. Land 397.


Kap LV.  Phantom und Medium.             (S. 588)

Das erstere sollen manche 'Geister' behaupten, [1] und zwar soll nach diesen 'Gewährsmännern' die Beschaffung zuweilen auch so erfolgen, daß Teile der Kleidung des Mediums dematerialisiert und zur Materialisierung von Gewandungen des Phantoms benutzt werden.

Man mag darin eine Verbindung der ersten und dritten Möglichkeit sehen, und ob die letztere in reiner Form jemals auch nur als verwirklicht behauptet worden sei, vermag ich nicht zu sagen. Dagegen wäre jenes kombinierte Verfahren sogar experimentell erwiesen, wenn wir gewissen Beobachtungen und Berichten trauen dürfen.

Es wird nämlich mehrfach behauptet, daß die Versuchsleiter Stücke der Gewandung eines Phantoms herausgeschnitten und entsprechende 'Wunden' sich nach dem Verschwinden des letzteren am Kleide des Mediums wiedergefunden hätten.

Dieser Umstand müßte natürlich im höchsten Maße verdächtig erscheinen, wenn uns nicht gleichzeitig versichert würde, daß das ausgeschnittene Stück gelegentlich sehr viel größer gewesen sei als die später entdeckte entsprechende Schnittwunde der Kleidung des Mediums, oder daß z.B. die angeschnittene Gewandung des Phantomes weiß und von feinem Gewebe, das verwundete Kleid des Mediums aber dunkel und dichter gewesen sei.'

Crookes ging übrigens weiter und forderte Katie King auf, nachdem er ein Stück aus dem Saum ihres Gewandes geschnitten, dieses wieder ganz zu machen: Katie habe darauf den verwundeten Teil mit einem andern Teil des Gewandes bedeckt, und nach 3-4 Sekunden bereits habe er (Crookes) durch Prüfung sich überzeugen können, daß die Wunde verschwunden war. [3]

Die Hypothese der bloßen Sichtbarmachung 'ätherischer' oder 'astraler' Kleider faßt sich am natürlichsten in die allgemeinere Annahme zusammen, daß jedes sichtbare Ding sein 'feineres', unsichtbares, ätherisches Ebenbild in sich trage, welches u. U. extrahiert werden, wie auch seine materielle Form überdauern könne.

Man mag sogar sagen, daß sich eine solche Annahme eigentlich von selbst verstehe, sobald man erst der Hypothese eines unsichtbaren Menschenleibes in irgendeiner Form zugestimmt hat. Auch haben 'Sensitive' zuweilen behauptet, diese ätherischen Duplikate oder Gegenstücke (counterparts) in den Dingen zu sehen.

Andere Hinweise auf Tatsächlichkeiten dieser Art wird man vielleicht dort erblicken mögen, wo sich die anscheinende 'Verdoppelung' eines Gliedes des Mediums bekleidet zeigt wie dieses selbst, so daß der Anschein entsteht, als habe das abgespaltene 'feinere' Glied auch das entsprechende Duplikat der umschließenden Kleidung gleichsam mitgeführt.

Ein Beispiel hierfür könnte vielleicht der oben angeführte Arm mit Hand sein, der aus der rechten Schulter der Eusapia hervorkam, um ein Wasserglas an ihren Mund zu führen: 'bedeckt von einem dunklen Ärmel'. Auch bei dem als Medium hervorragenden W. Stainton Moses beobachtete man zuweilen 'Phantomarme

[1] Nach Dr. Gibier, in PS XXVIII 580.
[2] The Spiritualist 1876 II 257; d'Espérance 337f.; PS XXII 490,
[3] S. ÜW XIV 461.
[4] APS VI 100.


  nach oben   

Kap LV.  Phantom und Medium.             (S. 589)

und -hände, die eine Verdoppelung der Arme des Mediums, der Rockärmel, Hemdmanschette und alles übrigen darstellten und sich gewöhnlich, von der Schulter ausgehend, oberhalb der wirklichen Arme hinausstreckten'. [1]

Wir befinden uns hier augenscheinlich in der Nähe jenes altehrwürdigen, so oft durch Mediums Mund und Hand verkündeten Glaubens an eine ganze Welt des Unsichtbaren, worin nicht Kleider bloß, sondern so ziemlich alles zu finden wäre,

was unsere Erde besitzt, und der Gläubige mag dann aus jener Welt auch alle sonst in Sitzungen zutage geförderten Dinge herleiten, er mag z.B. wirklich Blumen aus der Äther- oder Astralwelt in jenen Blüten sehen, von denen Owen berichtet, daß sie vor den Augen der Umsitzenden verschwunden seien.

'Wendet euer Auge nicht von den Blumen, sagte die Kontrolle, beobachtet sie genau. Wir taten es. Sie nahmen allmählich an Umfang ab, während wir darauf hinblickten, bis sie zu bloßen Flecken wurden und dann vor unsern Augen verschwanden.' [2]

Wir wollen diese Gedanken hier nicht weiter verfolgen. Wer in ihnen oder ähnlichen keine Deutung dafür finden kann, daß auch Phantome ihrer Abneigung gegen Nacktheit [3] folgen können, und dennoch die Hypothese des ätherischen Leibes nicht ebenso bündig ausschließen will, der mag hier eben doch die Theorien mischen, d.h. Kleider und Besitz des objektiven Phantoms allein als magische Schöpfungen aus ungestalteter Materie oder aus ähnlich gestalteten Dingen auffassen.

Und schließlich - warum sollen nicht auch die mannigfachen Verschiedenheiten der Phantome, die uns nirgends in einem Begriffe völlig zur Ruhe kommen ließen, in Wahrheit auf eine Verschiedenheit des Wesens zurückführen?

Die Geisterstimmen des Trans haben diese weitherzige Form der Lehre vertreten, und ernstere Forscher, wie Wallace, neigen ihr auf Grund von Beobachtungen zu.

'Zuweilen', sagte Hornes Kontrolle, während er im Trans lag, 'erzeugen wir das wirkliche Ebenbild dessen, was wir waren, so daß wir genau so erscheinen, wie ihr uns auf Erden fandet, zuweilen projizieren wir ein Bild, das ihr seht; zuweilen veranlassen wir seine Erzeugung in eurem Hirn, zuweilen seht ihr uns, wie wir sind, mit einer wolkenartigen Aura von Licht umgeben.’ [4]

Ob dies nun hohle Phantasien eines träumenden Mediums sind oder die ersten lallenden Andeutungen einer künftigen Wissenschaft - wer will es sagen?

Uns selbst mag solches Geständnis möglicher Mehrdeutigkeit als ein mageres Ergebnis so langatmiger und dornenvoller Erörterungen erscheinen. Dennoch möchte ich darum nicht bedauern - und hoffe, daß auch der Leser nicht bedauern werde -, diesen Weg gegangen zu sein, der doch auch für uns noch lange nicht zu Ende gegangen ist. Soviel man auch

[1] 'darstellten' - reproduced. - Myers II 546.
[2] Owen, Deb. L. 395.
[3] Vgl. d'Espérance 244.
[4] Home 413; vgl. ÜW XIV 452.


Kap LV.  Phantom und Medium.             (S. 590)

von allem Berichteten abstreift (bei der offenbaren Minderwertigkeit so vieler Beobachter und Beobachtungen in diesem Felde), so bleiben doch gewisse Tatsachen bestehen, an denen m. E. der Vorurteilslose nicht mehr rütteln kann.

Dies Mindestmaß aber schon ist von so unerhörter Natur, daß es zu völlig neuartigen Begriffsbildungen zwingt. Auch wirft es einen Schimmer der Wirklichkeit auf Vorgänge, deren Bezeugung an sich von geringerem Gewicht ist, vor allem wenn wir eine Übereinstimmung in seltsamen Einzelheiten feststellen zwischen wohlverbürgten Berichten und solchen, von denen jeder einzelne für sich genommen nur wenig Beachtung verdienen würde.

So verstrickt uns der Zusammenhang des Ganzen unentrinnbar in Vergleichungen, Hypothesen, Spekulationen, deren Abenteuerlichkeit es fast unmöglich macht, bei ihrer Durchführung völlig ernst zu bleiben und uns das Gefühl zu erhalten, daß wir von Wirklichkeiten reden und nicht in papierenem Spintisieren verloren sind.

Sooft uns aber dies Gefühl vollkommen zu verlassen droht, ruft es ein Blick auf die unverrückbaren Ausgangspunkte der Erörterung wieder zurück, und wir machen uns klar, daß die traumhafte Sonderbarkeit des Erörterten mit der Neuartigkeit der Tatsachen allen gangbaren wissenschaftlichen Begriffen gegenüber ganz natürlich gegeben ist.

Auch ist ja an sich wahrscheinlich, daß die wirklich wesentlichen Elemente der fraglichen Tatsachen einstweilen noch völlig unsrer Beobachtung entschlüpfen und nur ihr äußerer Saum, beinahe nur ihr zufälliges Äußere uns zugänglich wird. Aber da mit der Wissenschaft von diesen Dingen doch einmal ein Anfang gemacht werden muß, so ist es nicht zu tadeln, wenn man nun wenigstens einige allgemeine Züge der Tatsachen zu fassen, zu ordnen und selbst zu deuten sucht.

Bleibt man sich nur der durchaus vorläufigen Natur solcher Versuche bewußt, so können sie, weit entfernt, schädlich und verwirrend zu wirken, sogar als Schulung des Blickes für künftige Arbeit Wert gewinnen.

  nach oben                  nächstes Kapitel 


Sie befinden sich auf der Website: 

Hier geht es zur Homepage!