Der Jenseitige Mensch
Emil Mattiesen

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Kap  LII.  Materialisationen.                 (S. 555)

Die bisher angeführten metaphysikalischen Leistungen decken sich augenscheinlich z.T. mit denjenigen, die als anscheinende Beweise der Objektivität spontaner Phantome oben zusammengestellt wurden. Aber ihre Bedeutsamkeit für unser Problem erhellt doch eigentlich erst daraus, daß sie - handgemäß ihrer Art nach - auch als von Händen phantomhafter Art ausgeführt beobachtet werden.

In seinem oben angeführten Bericht über Hornes Ziehharmonika, die dieser angekündigtermaßen fahren ließ, fährt A.R. Wallace fort: 'Ich sah (nunmehr) eine abgesonderte Hand (das Instrument) halten, während Homes zwei Hände von allen Anwesenden über dem Tische gesehen wurden.' [1]

Die Frage, ob eine andre 'abgesonderte' Hand die Tasten spielte, bleibt hier ohne Antwort. Doch lesen wir anderswo und häufig genug, daß Leistungen, wie das Spielen von Musikinstrumenten, während der Ausführung durch 'Hände', die keines Lebenden normale Hände waren, beobachtet worden seien. [2]

In einer Sitzung der Herren Wallace und Crookes mit Home am 22. Mai 1871 hielt dieser - nach den Worten Crookes' - die Harmonika 'unter den Tisch,... und ein sehr schönes Musikstück mit Baß und Oberstimme wurde gespielt...

A.R. Wallace blickte unter den Tisch und sagte, daß er deutlich eine Hand das Instrument auf- und niederbewegen und auf den Tasten spielen sehe. Home hatte eine Hand auf dem Tisch und hielt mit der andern das obere Ende der Harmonika, während Wallace jene Hand am unteren Ende sah, wo die Tasten sich befanden.' [3]

Was das Schreiben ohne Menschenhand anlangt, so bezeugt Zahnarzt R. Wiesendanger, er habe, während seine Rechte Slades Linke auf dem Tische festhielt (was er außer durchs Gefühl auch in einem Spiegelbilde feststellen konnte), unter den Tisch blickend 'im Tageslicht' die dem Versuche dienende Schreibtafel von seiner und Slades freier Hand gehalten gesehen, 'und über der Tafel eine fremde Hand, den Griffel haltend...’ [4]

Ein Bericht über eine Knoten schürzende oder lösende Hand ist mir nicht gegenwärtig, doch finde ich einen über eine ähnliche Leistung bei Crookes, indem dieser einen Finger und Daumen die Blütenblätter einer Blume in Hornes Knopfloch zerpflücken und einzelne davon vor mehreren Personen in seiner Nähe niederlegen sah. [5]

Auch die Bewegung von Gegenständen auf soz. willkürlichen Bahnen hat die Beobachtung schon seit langem auf dem Getragenwerden durch 'Hände'

[1] Wallace, My Life II 287.
[2] Ich übergehe im folgenden die höchst bedeutsamen Feststellungen Crawfords (Dublin) und v. Schrenck-Notzings über metaphysikalische Leistungen durch (anscheinend) verhältnismäßig ungestaltete Ektoplasmen des Med. (rutenartige Projektionen, Fasern, Kabel usw.) und gehe im Sinn und Interesse des weiteren Gedankengangs sofort auf menschlich-anatomisch gestaltete Werkzeuge der Leistung ein. Vgl. W. J. Crawford, The reality of psychic phenomena, 2. Aufl. (London 1919); Experiments in psychical science (London 1919); v. Schrenck-Notzing, Die physikalischen Phänomene des Mediumismus (München 1920).
[3] Mehrfaches Kerzenlicht. - Pr VI 106. Vgl. Home, Révél. 78. 80.
[4] PS XIII 152; Crookes 93 (leuchtende Hand, schreibend gesehen); vgl, Home, R6v61. 81; Petrovo-Solowowo 205ff.
[5] Crookes 42. Vgl. Jacolliot 267; Aceved II 82.


Kap  LII.  Materialisationen.                 (S. 556)

beruhend gefunden. So sah Prof. Zöllner unter einwandfreien Bedingungen das Hintragen einer Schelle durch eine Hand, die dann auf seinen Wunsch sich in seine Rechte legte und sie herzhaft drückte, während er gleichzeitig mit seiner 'linken Handfläche beide Hände SIades bedeckte und festhielt'. [1]

Hände und ihre Tätigkeit sind aber unter den schärfsten Bedingungen auch in vielen Sitzungen der Palladino in einer Weise beobachtet worden, die m. E. einen Zweifel an der Wirklichkeit dieser Tatsache ausschließt.

Die niederste Stufe der Wahrnehmung dieser Hände ist gegeben, wenn der Beobachter sie hinter dem Vorhang des Kabinetts durch ihn hindurch fühlt, während die Hände des Mediums einzeln von Zweien kontrolliert werden. [2] Hier ist natürlich am ehesten illusive Umdeutung eines bloß harten Gegenstandes denkbar.

Doch werden auch dann zuweilen deutlich die einzelnen Finger unterschieden. - Kommt die Hand hervor, so ist die Feststellung ihrer Formen durchs Getast fast immer eine sichere. In der VI. Sitzung in Neapel1908  diktiert Baggally: 'Eine Hand kommt hinter dem Vorhang hervor und drückt mich fest auf meine Schulter. Ich fühle den Daumen und die vier Finger, die jetzt mit sehr beträchtlicher Kraft abwärts drücken.

Ihre (Eusapias) rechte Hand ruht auf meiner linken. Ich kann ihre beiden Knie mit meiner Rechten fühlen, die ich unter den Tisch gestreckt halte. Ihr rechter Fuß ist auf meinem linken Fuß und unsere Knie berühren sich.' Gleichzeitig diktiert Carrington: 'Ich hielt ihre linke Hand am Daumen auf ihrer linken Hüfte. Ihr linker Fuß dabei auf meinem rechten.

Ihr Kopf gegen meinen gedrückt.' (Licht von einer 110 Volt-Rubinglasbirne, jetzt aber mit einem Bogen braunen Seidenpapiers und einem seidenen Taschentuch abgedämpft, um ihr blendendes rotes Licht zu mildern. [4] Zehn Minuten später diktiert Feilding: 'Ich werde wieder berührt; ich werde gefaßt von Fingern und ich kann die Nägel ganz deutlich fühlen.' Gleichzeitig sind Carrington und Baggally der Kontrolle je einer Hand des Mediums 'schlechthin gewiß.' (Licht wie oben.) [5]

Auch Carrington gibt an, daß er in dieser Sitzung die einzelnen Finger und den Daumen während der Berührung wiederholt fühlte. [6]

Solche gefühlte Hände nun werden auch gesehen, zuweilen sogar im Akte der Berührung oder des Greifens selbst, und zwar nicht nur mehrsinnig von einer Person, sondern auch kollektiv mehrsinnig von mehreren. [7]

Einen Fall kollektiver Wahrnehmung einer solchen Hand durch zwei verschiedene Sinne bringt der stenographische Bericht der VII. Sitzung mit folgenden Worten:

'12.9 a.m. Baggally: Ich sah deutlich eine Hand von der äußersten Rechten des Vorhangs hervorkommen, sie packte meine linke Schulter und ich fühlte ihren Daumen und vier Finger. Meine Kontrolle ist dieselbe wie zuvor, d.h. ich kontrollierte die Rechte des Mediums die ganze Zeit.

Carrington: Ich sah die weiße Hand, die mir etwa 3 Sekunden lang außerhalb (des Kabinetts) zu bleiben schien...

[1] Zöllner III 273f.
[2] S. z.B. Pr XXIII 434; vgl. PS XIX 555 (Mailänder Sitzungen).
[3] Pr XXIII 448.
[4] das. 421.
[5] das. 448. 449.
[6] das. 457; vgl. 453. 518. Ähnliche gute Beob. (von Podmore verschwiegen) s. Owen, Deb. L. 307-11.
[7] Ein Beispiel bloßen Erblickens s. Pr XXIII 430 (stenogr. Bericht 11 Uhr 10 Min.).


Kap  LII.  Materialisationen.                 (S. 557)

Feilding: 'Ich halte ihre linke Hand unbedingt (sicher) in meiner Linken und ihren linken Fuß auf meinem rechten und meine rechte Hand über ihren beiden Knien.' [1]

Derselbe Beobachter wurde bei anderer Gelegenheit von einer gleicherweise gesehenen und gefühlten Hand gepackt und so heftig gegen das Kabinett gezogen, 'daß sie mich fast von meinem Stuhl herabzog'. Beide Hände des Mediums wurden derweil laut Stenogramm gleichzeitig von Carrington und Baggally gehalten. [2]

Abgesehen von dem Umstande, daß zuweilen zwei Hände gleichzeitig sichtbar oder durch Zusammenschlagen hörbar werden, während die berühmte 'Vertauschung' doch nur eine befreien könnte, [3] liegt ein weiterer Hinweis darauf, daß diese Hände nicht die des Mediums sind, in den Abweichungen jener von diesen in Größe und Charakter.

Die Phantomhände sind (nach Dr. Venzanos zusammenfassenden Worten) von verschiedener Länge, zuweilen groß und robust, wie die eines Mannes von herkulischem Körperbau, zu andern Zeiten zart und weich, als gehörten sie einer Frau an, zuweilen sind es kleine Hände wie die von Kindern verschiedenen Alters. [4] Prof. Foà glaubte diese Verschiedenartigkeit noch objektiver feststellen zu können.

Als er eine dreifach in schwarzes Papier gehüllte photographische Platte über den Kopf der Eusapia hielt, strengte sich eine unsichtbare Hand an, sie ihm zu entreißen. Die Platte zeigte nachher das Abbild von vier großen Fingern, die weder die Foàs, noch die des Mediums gewesen sein sollen. Dies Abbild will Lombroso auf die Ausstrahlungen der Phantomhand zurückführen. [5]

Aber die gründlichste Methode, die Objektivität dieser Hände zu erweisen, besteht wohl darin, daß man während ihres Bestehens in irgendwelchem Material bleibende Abformungen von ihnen zu gewinnen sucht.

Man arbeitet dabei neuerdings vielfach mit Flächen plastischen Tons, der in oben offenen Kästen eingeschlossen und durch darübergespannte Papier- oder Stoffüberzüge normal-unzugänglich gemacht wird.

Unter solchen Bedingungen, welche die Verhütung von betrügerischen Machenschaften sehr erleichtern, wurden Abdrücke von Händen auf dem Ton erzielt, die sich in Einzelheiten, z.B. der Form der Finger und der Hautoberfläche bedeutend von denen des Mediums unterschieden. [6]

Prof. Acevedo beschreibt u.a. Abdrücke einer Kinderhand, die er im Ton unter versiegeltem Papier erhielt, wobei Nägel und Furchen deutlich zu unterscheiden waren. [7]

Solche Eindrücke scheinen überdies zuweilen von der Art gewesen zu sein, daß ihr normales Zustandekommen aus inneren Gründen überhaupt undenkbar erscheint. Schon die ältere Experimentiertechnik arbeitete z.B. mit zwei Gefäßen, von denen das eine geschmolzenes Wachs oder Paraffin, das andere Wasser 

[1] das. 477.
[2] das. 450f. Vgl. das. 477f. 498f. 549; Maxwell 148; APS III 31f. (!); Documente 478.
[3] Fälle bei Lombroso 73.
[4] APS VI 97; vgl. 103f.; V 306; Acevedo I! 241; Barzini in PS XXXIV 288.
[5] Lombroso 232 Abb.54.
[6] S. PS XXXI! 699f. (Eusapia P.) Vgl. auch Lombroso 91f. ; PS XIX 557f.
[7] Acevedo I ! 250ff. Vgl. PS XX 26; APS V 211 Abs. 2.


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Kap  LII.  Materialisationen.                 (S. 558)

enthielt; die Phantomhand hatte sich dann abwechselnd in diese Gefäße einzutauchen, bis sich aus mehreren nacheinander aufgetragenen und abgekühlten Wachs- oder Paraffinschichten eine Hohlform der Hand gebildet hatte, die nach der 'Dematerialisierung' zurückblieb.

Der Beweis für den übernormalen Ursprung dieses steifen 'Handschuhs' sollte dann darin liegen, daß sein Handgelenk-Teil zu eng war, um eine materielle Hand durch ihn herausschlüpfen zu lassen, ohne die Form zu zerbrechen.

Daß dieser Beweis in den besten Fällen (was man auch über die Fähigkeit von Taschenspielern, ihre Hände 'dünn' zu machen, sagen mag) ein strenger sei, erscheint mir unleugbar. Man kann sich über mehrere derartige Beobachtungen  in Aksakows bekanntem Werk unterrichten [1]. 

Solche Hohlformen in Paraffin erzielten aber auch neuerdings in einwandfreier Weise die Herren Dr. Geley, Prof. Richet und M. A. de Gramont im Pariser Metapsychischen Institut mit dem Medium Franek-Kluski.

Die mit Paraffin bedeckte Hand pflegte dabei, ehe sie sich ins kalte Wasser tauchte, die Hände der Kontrollierenden zu berühren und nach Vollendung des Versuches den leeren Paraffinhandschuh eben dort niederzulegen. Fast alle Abgüsse hatten die Größe (aber nicht die sonstigen Eigentümlichkeiten) der Hand eines Kindes von 5-7 Jahren, konnten also schon deshalb nicht von der Hand des Mediums hergestellt sein.

Das Paraffin wurde auch mehrmals kurz vor der Sitzung und unbemerkt vom Medium blau gefärbt, bezw. mit unsichtbarem, erst nachträglich durch Zusatz von Schwefelsäure sichtbar zu machendem Cholestearin vermischt, so daß eine betrügerische Herstellung der Gussformen außerhalb der Sitzung sogleich entdeckt worden wäre.

Ferner unterschieden sich die Gussformen von den Händen des Mediums auch bezüglich der Handlinien, der Nägel und der Länge der Finger. Und im übrigen geben die Sitzungsberichte die Gewißheit einer sorgfältigen Kontrolle der Hände des Mediums seitens der Experimentierenden. [2]

Mit dem Vorstehenden befinden wir uns bereits inmitten der dornenvollsten Probleme einer künftigen Wissenschaft: im Tatsachengebiet der Materialisationen. Daß nicht alles Schwindel sei auf diesem fruchtbarsten Boden des Schwindels, scheinen mir die angeführten Beobachtungen bereits unwiderleglich zu beweisen.

Anderseits ist, sobald sie als wahre Tatsachen anerkannt sind, durchaus kein Halten mehr. Denn gibt uns das objektive Phantom der Experimentalsitzung nur erst den sprichwörtlichen kleinen Finger, so drängt es geradezu alsbald nicht nur die ganze Hand uns auf, sondern alles, was noch 'daran hängt'.

Glauben wir ihm erst die Hand, so ist schlechterdings nicht abzusehen, warum wir ihm nicht auch den Arm, den Rumpf, den Kopf, die ganze Gestalt glauben sollten. Ich will und darf mich daher über diesen beträchtlichen und doch nunmehr fast geringfügigen Rest entsprechend kürzer fassen.

In der Tat hängt für die Beobachtung diese Hand - welche greift, zieht, stößt, trägt, in Ton sich abdrückt - an einem sichtbaren, fühlbaren und

[1] Animismus u. Spiritismus I 165 ff. Andere verwandte Beobachtungen und ihre Erörterung s. PS XXXIII 9ff. (Gellona) und Acevedo 252.
[2] Dr. G. Geley, Materialis.-Exper. mit M. Franek-Kluski (Lpz. 1922) 35ff. Weitere Erörterung völlig unzulässiger normaler Deutungen der Entstehung der Gußformen das. 46ff.


Kap  LII.  Materialisationen.                 (S. 559)

handelnden Arm; [1] dieser Arm geht in eine Büste über, und auf dieser Büste sitzt ein Kopf, der sicherlich nicht der Kopf des Mediums ist.

Ich habe dabei nicht jene dunklen, höckerigen, kopfartigen Gebilde im Auge, 'der Schnecke einer Kniegeige vergleichbar', oder Dinge, die der Zweifel allenfalls dahin auslegen mochte, es habe 'eine große Hand sich die Gardine umgelegt und mit den gekrümmten Fingern ein schwarzes Profil nachgeahmt', [2] - wiewohl die Kontrolle während dieser Erscheinungen es ausschließt, daß diese Finger die der Eusapia gewesen seien. [3]

Sondern ich meine Dinge, die ausdrücklich als menschliche Köpfe und Gesichter beschrieben werden, [4] die dem Auge einen bestimmten Ausdruck zeigen [5] und sich mit der Hand abtasten lassen: 'Ich unterschied', sagt der bekannte Barzini, sicherlich ein scharfer und nüchterner Beobachter,

'(unter dem sich auswölbenden Vorhang hinter dem Medium) die Stirn und bewegte meine Handfläche abwärts über die Backen und die Nase, und als ich die Lippen berührte, öffnete sich der Mund und faßte mich unter dem Daumen, ich fühlte deutlich den Druck eines scharfen Bisses.

Im selben Augenblick drückte eine Hand gegen meine Brust und schob mich zurück, die Vorhänge bauchten sich aus und fielen kraftlos zurück. Diese ganze Zeit über blieb das Medium sichtbar. Es war durch einen Abstand von mindestens anderthalb Fuß von dem 'unsichtbaren Menschen' getrennt.' [6]

Vor allem aber hat die Palladino auch (unter Bedingungen, die Betrug ausschlossen) eine ganze Reihe von Kopfabdrücken geliefert, deren Anblick (selbst in der Wiedergabe) beinahe genügt, um ihren ganz 'besonderen' Ursprung glaubhaft zu machen.

Dies mag albern klingen, der Leser sehe indessen selber zu, ob er nicht auch den Eindruck davonträgt, daß dies nicht vorbereitete Kunstprodukte, geschweige Abdrücke des Mediums seien, dessen Bild man dazu nicht einmal zu kennen braucht. [7]

Daß Phantome, die soweit gediehen sind, auf eigenen Füßen zu stehen beanspruchen, kann ihnen am Ende nicht verdacht werden, so wenig wie dem Forscher, daß er die 'Besonderheit' dieser Füße durch Messungen festzustellen sucht, die sie als länger oder kürzer, verglichen mit denen des Mediums, erweisen sollen. [8]

In manchen Fällen werden die handelnden, mechanisch wirkenden Gliedmaßen - Hände, Arme oder Füße - ausdrücklich als Teile von Phantomen beobachtet.

So beschreibt Crookes in seiner klassisch gewordenen kleinen Schrift 'eine dunkle, schattenhafte, halbdurchsichtige Gestalt', welche 'den Vorhang mit ihrer Hand bewegte, die Harmonika spielend durch das Zimmer glitt, allen Anwesenden mehrere Minuten lang sichtbar'. [9] - Mit solchen Angaben stehen wir endgültig der berüchtigten vollmaterialisierten Menschengestalt der mediumistischen

[1] S. z.B. Geley, aaO.30; Falcomer 32.
[2] Dessoir, Vom Jens. d. Seele, 2. Aufl. 168. Vgl. Pr XXIII 370. 440. 445f. 453. 475f. usw. Abb. in APS V 313.
[3] Pr XXIII 446. 453. 546.
[4] z.B. APS VI 277.
[5] APS V 306.
[6] das. 124 (auch PS XXXIV 219); ebenso APS V 310. Ein Fall stereoskop.-kollektiver Wahrnehmung eines Kopfes: APS VI 111. 71 z.B. in Rev. Spirite 1887 427. Porträts der Eusapia in Pr XXIII 320/1; APS VI 215; Documents (Phot. I).
[8] S. z.B. Wallace, My Life II 328f. (1¼ Zoll länger). Ebenso Dr. Venzano in APS VI91.
[9] Crookes 94.


Kap  LII.  Materialisationen.                 (S. 560)

Sitzung gegenüber, den meisten wenigstens aus Crookes' bekannten Schilderungen der 'Katie King' vertraut [1], die aber in allem erreicht und in manchem überboten wurde von zahlreichen andern Berühmtheiten der spiritistischen Literatur:

Herrn Livermores 'Gattin', die vor seinen Augen in ihrer echten Handschrift direkte Schrift lieferte und in hundert Sitzungen ihm hundert Beweise ihrer Wirklichkeit und persönlichen Identität gab, [2] Dr. Grays 'Franklin', dessen Gesichtsausdruck alle Vorgänge um ihn her verständig begleitete; [3]

Mme. d'Espérances Yolanda, die ihre Glieder im Takte der Musik bewegte und Melodien nachahmte, die man ihr auf dem Harmonium vorspielte, aber 'den Gebrauch der Blasebälge nicht verstehen konnte', [4] und hundert anderen Phantomen in allen Formen und Größen beider Geschlechter, die sich benehmen wie Menschen, gehen und reden, Dinge anfassen und heben, Hände schütteln und Küsse austeilen. [5]

Wollten wir die soz. apokryphe Literatur des Gegenstandes nur einen Augenblick gelten lassen, der Satz stände sogleich fest, daß Phantome von lebenden Wesen überhaupt nicht zu unterscheiden seien [6]. Die romanhaft-phantastische Art der Berichterstattung und die völlige Mißachtung von Maßregeln gegen Betrug verbieten indessen die Berücksichtigung dieser Literatur von vornherein.

Aber selbst wo von anscheinend zureichenden Vorsichtsmaßregeln berichtet wird - wo dem Medium, das in Trans liegt, die Ärmel an die Hosen genäht, die Glieder mit dünnsten Fäden an die Stuhllehne gebunden, die Hände mit Reis gefüllt, die nackten Füße in Mehlschüsseln gesteckt sind -, hören wir von voll ausgebildeten Phantomen, die umhergehen, lebhaft gestikulieren, fließend und sinnvoll sprechen, die Hände der Sitzer bis zum Wehtun drücken, hörbar und fühlbar küssen u. dgl. m. [7]

Nur erscheinen die Gewährsmänner selbst nicht immer in jeder Hinsicht vertrauenswürdig, es fehlt an Mehrfachbezeugung, und die Berichte sind vielfach allzu kurz und offenbar nicht sorgfältig abgefaßt.

Ich will in das undurchdringliche Dornengestrüpp der Einzelkritik dieser Berichte keinen Schritt tun. Ihre Unzulänglichkeit nach heutigen Begriffen erschwert ihre Einschätzung ebenso sehr, wie sie die großartige Verwerfung in Bausch und Bogen dem Nichtkenner erleichtert.

Immerhin sind wir auf jene älteren oder leichter in Frage zu ziehenden Berichte nicht angewiesen: denn von voll-erwachsenen Materialisationen meldet auch das Eusapianische Schrifttum, das einer nicht nur neueren, sondern auch in allem, was Kontrolle von Medien betrifft, sehr viel erfahreneren Zeit angehört, dessen verhäItnismäßig seltene Vollgestalten überdies an Glaubwürdigkeit sehr gewinnen durch ihre Verbindung mit einem Medium, dessen Teilmaterialisationen wohl den höchsten Grad von Glaubwürdigkeit besitzen, der überhaupt von Tatsachen erreicht werden kann, die nicht jederzeit von jedermann und unter jederlei Bedingungen feststellbar sind.

[1] das. 103ff.
[2] Owen, Deb. L. - Vgl. das. 378.
[3] das. 403. (Dr. Gray  - 'one of the most accurate and dispassionate of observers'.)
[4] d'Espérance 247ff.
[5] das. 275 ff.; Ferriem 36f.; ÜW XIV 456. 465; PS XXIV 168; OR Dez. 1907.
[6] Vgl. Werke wie Flor. Marryat, There is no death (Lond. 1891); The spiritual world (Lond. 1894) u.a.m.
[7] S. z.B. Acevedo II 86; PS XXVIII 513ff.; XXXII 581. 583. 636. 638f. (Politi); ÜW IV 75ff. ; X 465f. ; APS II 392ff. ; Falcomer 77f.; d'Espérance 282f. 285ff.


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Kap  LII.  Materialisationen.                 (S. 561)

Ein Beispiel solcher Eusapianischen Höchstleistungen enthält der Bericht einer Sitzung, die am 26. Dez. 1901 im Minerva-Glub zu Genua stattfand. Die Türen und Fenster des Zimmers waren 'hermetisch geschlossen und versiegelt.

Das Kabinett wurde gebildet durch die Nische eines der beiden Fenster des Zimmers, die durch den üblichen Vorhang abgesperrt war, vor welchem der bekannte weiße Holztisch stand; zwischen Tisch und Vorhang befand sich der Stuhl des Mediums. Herr Vassallo kontrollierte das Medium zur Linken, Frau Ramorino zur Rechten.

Zur Linken des ersteren saßen Dr. Venzano und der Ingenieur Ramorino, zur Rechten der letzteren - Prof. Porro und Gav. Erba. Gegen Ende der Sitzung und in völliger Finsternis 'sagte Herr Vassallo, daß eine Hand, die einer jungen Person anzugehören scheine, seine rechte Backe liebkosend streichle.

Er fragte, ob es die Hand (seines Sohnes) Naldino sei, und der Tisch antwortete bejahend. V. äußerte darauf den Wunsch, Naldino solle an seinem (Vassallos) Leibe einen Gegenstand suchen, den er zu Lebzeiten. sehr gerne gemocht habe. Gleich darauf fühlte er, daß eine Nadel aus seiner Krawatte gezogen wurde, sie gehörte seinem Sohne (Naldino) und dieser hatte sie sehr wertgeschätzt.

Darauf fühlte sich (V.) plötzlich in den Armhöhlen von zwei Händen gefaßt, die ihn aufhoben... und etwa zwei Schritte außerhalb des Kreises der Teilnehmer und hinter seinen eigenen Stuhl zogen, d.i. über drei Fuß entfernt vom Medium.

Unter diesen Umständen legte er die Hand des Mediums, um sie nicht fahren zu lassen, aus seiner Rechten in seine Linke, welche die des Dr. Venzano hielt, so daß Eusapia, welche reglos verharrte, unter der wachsamen Beobachtung dreier Kontrollpersonen war.

Danach fühlte V., wie ein menschlicher Körper etwa von seiner eigenen Größe sich auf seine linke Schulter lehnte und ein Gesicht, das nach seiner Meinung dem des verstorbenen Naldino glich, sich einige Zeit hindurch an sein Gesicht drückte.

Er erhielt mehrere Küsse, deren Klang von Allen gehört werden konnte, und während dessen waren in einer weichen Stimme abgerissene Sätze hörbar, die auf die wiederholten Fragen Vassallos Antwort gaben. Dr. Venzano, welcher aufstand, ohne die Kontrolle fahren zu lassen, folgte der Richtung der Stimme und vermochte mehrere Worte in Genueser Dialekt zu verstehen. ..

Fast gleichzeitig (damit) verschwand die materialisierte Form und der Tisch forderte Licht. Sobald die weiße elektrische Lampe angedreht war, sah man eine menschliche Gestalt, eingehüllt in den Vorhang des Kabinetts, dem noch aufrecht stehenden Vassallo sich nähern und ihn umarmen, während eine Hand, ebenfalls vom Vorhang bedeckt, V. faßte und einige Zeit hindurch festhielt.

Das Medium verharrte alle diese Zeit über reglos auf dem Stuhl und seine Hände verblieben in Berührung mit denen der Kontrollierenden.' [1]

Ein anderes Beispiel entnehme ich Bozzanos Bericht über die Sitzung vom 16. Juni 1901 im Hause der Familie Avellino. 'Zu meiner Linken und etwa einen Meter entfernt war eine kleine Tür, durch deren Öffnung ein schwaches Licht drang.

Plötzlich erfaßten Johns [2] Hände meine Schläfen und drehten meinen Kopf in dieser Richtung. Ich verstand, daß diese Handlung einen Zweck hätte, und verdoppelte die Sorgfalt meiner Beobachtungen. Sehr bald bemerkte ich ganz am Boden etwas wie einen schwarzen Kegel von ungewissen, rauchigen und wechselnden Umrissen. Es hatte den Anschein, als wäre diese kleine Masse, die sich allmählich vor mir

[1] APS VI logf. (Sofortige Niederschrift, aber nicht gleichzeitiges Stenogramm.) Über Naldino vgl. auch Lombroso 89; ferner Bozzano in PS XXVIII 629. Dauerndes Schattenwerfen s. auch ÜW X 464f.; APS VI 172.
[
2] Eusapias Transpersönlichkeit.


Kap  LII.  Materialisationen.                 (S. 562)

verdichtete, von einer schnellen, kreisenden Bewegung erfüllt, oder besser gesagt: erschüttert. Sie nahm sehr rasch an Umfang und Länge zu, bis sie in wenigen Augenblicken die Höhe und den Umfang eines Mannes erreichte. Dann, in weniger Zeit, als ich brauche um es zu erzählen, wurde ich gewahr, daß diese Form das Aussehen und die Umrisse eines menschlichen Wesens angenommen hatte.

Diese Form war nicht mehr als zwei Schritte von mir entfernt. Meine Genossen bemerkten alle, daß das Licht, welches durch die Tür drang, unerwartet und fast völlig abgeschnitten wurde. ..[1] Zwei Hände ergriffen meine Hand und hoben sie empor.

Ich fühlte darauf einen weichen, langen Bart, der mehrmals über den Rücken meiner Hand hinfuhr und mir ein Kitzeln verursachte. Danach wurden meine Finger veranlaßt, über die Züge eines Gesichtes hinzufahren. Ich konnte mich so vergewissern, daß es nicht Johns Gesicht war...'

Dr. Venzano machte dann ähnliche Erfahrungen, er fühlte u.a. das Innere des Mundes der Gestalt ab, deren rechtem Oberkiefer mehrere Zähne fehlten. Dies, erklärt er, entsprach genau den Zahnverhältnissen eines verstorbenen nahen Verwandten. [2]

Ich füge endlich noch folgende Beobachtung des scharfsinnigen Venzano bei, enthalten in einer gleich nach der betreffenden Sitzung gemachten Aufzeichnung: 'Trotz des matten Lichtes konnte ich deutlich Frau Palladino und die übrigen Sitzer sehen.

Plötzlich nahm ich wahr, daß sich hinter mir eine Gestalt von ziemlicher Größe befand, die ihren Kopf auf meine linke Schulter lehnte und heftig schluchzte, so daß die Anwesenden es hören konnten, sie küßte mich wiederholt.

Ich nahm deutlich die Umrisse dieses Gesichtes wahr, welches mein eigenes berührte, und fühlte das sehr dünne und reiche Haar in Berührung mit meiner linken Backe... Klopflaute des Tisches gaben den Namen einer nahen Verwandten an, die keinem Anwesenden außer mir bekannt war. Sie war vor nicht sehr langer Zeit gestorben, und aus Unverträglichkeiten des Temperamentes hatten sich ernsthafte Zwistigkeiten mit ihr ergeben.

So wenig erwartete ich diese typtologische Auskunft, daß ich zunächst an eine zufällige Übereinstimmung des Namens dachte, aber während ich im Geiste dies überlegte, fühlte ich einen Mund mit warmem Atem mein linkes Ohr berühren, welcher mit leiser Stimme in Genueser Mundart eine Reihe von Sätzen flüsterte, deren Gemurmel den Sitzern hörbar war.

Diese Sätze, mehrmals unterbrochen von Weinen, baten mich um Verzeihung wegen des mir geschehenen Unrechts, mit einer Fülle von Einzelheiten in bezug auf Familienangelegenheiten, die nur der betreffenden Person bekannt sein konnten. . .

Ich hatte kaum die ersten Silben (einer Bitte, auch mir zu verzeihen,) geäußert, als zwei Hände  sich mir auf die Lippen legten und mich verhinderten weiterzusprechen. Die Gestalt sagte dann zu mir: Ich danke dir, umarmte und küßte mich und verschwand.' [3]

[1] Vgl. hierzu oben S. 525ff. 
[2] APS VI 158f. (kritische Bedingungen).
[3] Aus Vassallo, Nel mondo degli Invisibili und Bozzano, Ipotesi Spiritica e Teoriche Scientifiche in APS VI 164. - Ich übergehe eine Erörterung der zahlreich hergestellten Photographien von Materialisationen. Sie würde sehr umständlich sein und in jedem Falle gesonderte Beweise für die Phantomhaftigkeit des Photographierten voraussetzen. - Ebenso glaube ich die Hypothese, nach welcher die 'physikalischen' Leistungen in jedem Falle vom Med. direkt bewirkt, alle Wahrnehmungen von Gliedmaßen oder Gestalten aber als Halluzinationen vom Med. den Sitzern aufgezwungen werden, ihrer äußerst unglaubhaften Voraussetzungen wegen übergehen zu dürfen. Vgl. hierzu Pr XXIII 341ff.

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