FRIEDRICH JÜRGENSON
Sprechfunk mit Verstorbenen
Praktische Kontaktherstellung mit dem Jenseits

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 ZWEIUNDDREISSIGSTES KAPITEL

Hugos Tod, dreimal kommentiert von ihm selbst - Die uralte Frage nach dem Grund und Sinn des Leides - Ein Gruß von Hugo als Trost und Verheißung

Seite 164 Am nächsten Tag - es war ein Sonnabend und Hugos Freunde waren aus Stockholm angekommen - erzählte ich Hugo meinen Traum.

"Eigentümlich, höchst eigentümlich", sagte Hugo erstaunt; "ich habe keinen Verwandten, der Hugo F. hieß, gehabt, aber selber bin ich ja in meiner Jugend Kavallerieoffizier gewesen..."

Wir besprachen den Traum auch mit Hugos Freunden, jedoch konnte keiner den Vorfall mit jenem mystischen Verwandten erklären.

Mittwochnachmittag zog ein heftiges Gewitter über Mölnbo hinweg. Ich wohnte öfters im Sommer in der Waldhütte, und da diese keinen Blitzableiter hatte, stand ich auf und weckte meine Schwester, die in der unteren Wohnung schlief.

Das Gewitter dauerte einige Stunden und wurde von einem Platzregen begleitet.

Am nächsten Morgen stand Hugo vor meiner Tür. Er sah leidend und mitgenommen aus, und seine Stirn war mit Schweißtropfen bedeckt.

"Ich habe eine schreckliche Nacht erlebt", begann er mit heiserer und gequälter Stimme. "Ich glaube, ich habe Angina pectoris bekommen, denn meine ganze Brust und das Herz schienen von Schmerzen in Stücke zu springen. Es war furchtbar, grauenhaft! Ich wußte nicht, was ich mit mir anfangen sollte..."

Ich war entsetzt und riet Hugo, sofort zum Arzt zu fahren. "Jedesmal, wenn ein Blitz aufleuchtete", erzählte Hugo weiter, "krampfte sich mein Herz zusammen, und ein brennender Schmerz riß mir den Atem weg. Ich glaube, es Seite 165 hing mit den elektrischen Entladungen in der Atmosphäre zusammen.

Nach längeren Diskussionen beschloß Hugo, einen bekannten Arzt anzurufen.

Am nächsten Tag fühlte er sich bedeutend besser, soweit sogar, daß er im Treibhaus wieder zu arbeiten begann. Dieses Mal aber griff ich energisch ein. Ich schickte Hugo in die Stadt und bat ihn dringend, sich gründlich untersuchen zu lassen.

Ich machte mir große Sorgen über Hugos Gesundheit, vor allem wußte ich, daß er körperliche Beschwerden grundsätzlich überhaupt nicht zu beachten pflegte. Sobald es ihm nur etwas besser ging, vergaß er alle Schmerzen und nahm keinerlei Rücksichten mehr auf seinen Körper.

Am Samstagabend sollte Hugo wieder mit seinen Freunden nach Nysund kommen. Der Tag war schwül und feucht gewesen, und gegen Abend begannen Nebelbänke aufzusteigen. Ich hatte noch gründlich Hugos Hütte durchgeheizt, denn ich wollte ihm das Holzhacken ersparen.

Es war nach neun Uhr abends, als Hugo mit seinen Freunden eintraf Er war munter und guter Laune. Ich rief ihm zu, daß die Hütte geheizt sei, dann ging ich zu Bett. Ich war müde und schlief sogleich ein. Obwohl ich einen sehr leichten Schlaf habe, pflege ich meistenteils sehr ruhig und entspannt zu schlafen.

Dieses Mal aber stimmte etwas nicht. Alle Traumbilder blieben aus, dafür aber fühlte ich eine quälende Unruhe, die irgendwie halbbewußt und wie aus weiter Ferne an mir herumzerrte. Es war ein beängstigendes und alarmierendes Gefühl, ich wollte aufwachen, wurde aber ständig wieder von der bleiernen Schwere der Müdigkeit übermannt.

Plötzlich erwachte ich. Es war die Stimme meiner Frau, die mich draußen beim Namen rief Es war ein beklemmendes Erwachen, denn ich wußte augenblicklich, daß Hugo im Sterben lag.

Seite 166 Ohne meine Schwester zu wecken, eilte ich im Morgenrock dem großen Hause zu, von wo aus meine Frau und Birgitte R. gerade eine Ambulanz aus Södertölje angerufen hatten. Draußen herrschte dichter Nebel, und meine Frau beschloß, nach Mölnbo der Ambulanz entgegenzufahren. Hugo saß am Bettrand in eine Decke gehüllt. Seine Augen glänzten fieberhaft, und seine Stirn war mit Schweißperlen bedeckt. Ein furchtbares Röcheln kämpfte sich aus seiner Brust hervor. Dennoch war Hugo bei vollem Bewußtsein. Als er mich kommen sah, warf er mir kurz zu: "Ich kann nicht sprechen..."

Ich öffnete sofort das Fenster, setzte mich an seine Seite und wedelte ihm mit irgendeiner Zeitschrift Luft zu. Hugos Freund Gunnar R. ging rastlos im Zimmer auf und ab. Er war selber herzleidend und sah sehr mitgenommen aus.

"Wir haben Hugo meine Nitroglyzerin-Tabletten gegeben", sagte er, "aber sie halfen nicht."

Später kam Birgitta, wir setzten uns neben Hugo und stützten ihn von beiden Seiten. Ich fühlte Hugos Puls ab; er schlug unheimlich rasch. Meine ganze Aufmerksamkeit war aber auf Hugos Röcheln gerichtet. Ich litt schrecklich an seiner Atemnot. Ich konnte ihm aber nicht helfen.

Für eine kurze Weile schien es ihm besser zu gehen, und er warf sogar Birgitta ein paar zärtliche Worte zu, dann aber begann der Endkampf mit dem Tode. Diejenigen, die den Todeskampf eines ihrer Liebsten mit angesehen haben, wissen Bescheid. Sie wissen auch, wie machtlos wir Menschen vor der Gewalt des Todes stehen.

Nur einmal sprach Hugo noch, und zwar sagte er kurz und sachlich: "Es ist leichter geworden..."

Ein Gedanke blitzte in mir auf: "Hugo verläßt seinen Körper - dann nehmen auch die Schmerzen ab..."

Zwanzig Minuten nach ein Uhr traf die Ambulanz ein. Alle Wiederbelebungsversuche erwiesen sich als erfolglos, denn Hugo hatte bereits vor zehn Minuten das Atmen aufgegeben.

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Seite 167 Als man Hugos leblosen Körper in den Wagen getragen hatte und der Sanitäter gerade im Begriffe war, ihm eine Gazebinde um das Kinn zu binden, erlebte ich etwas sehr Eigentümliches. Ich fühlte mich innerlich gespalten, durch den Schock des Todes wie in zwei Welten versetzt, und deswegen erstaunte es mich nicht, als ich plötzlich Hugo mit zufriedener Stimme sagen hörte: "Das ging gut". Allerdings weiß ich nicht mehr, ob ich seine Stimme in mir oder außerhalb im Freien hörte.

Draußen herrschte dichter Nebel. Hugos Hütte war hell erleuchtet, auch hatte die Ambulanz alle Lichter eingeschaltet. Es war eine spukhafte Szene, mit hellen Lichtern, langen Schatten, die sich irgendwo in einer milchigen Masse verloren.

Da erklang wieder Hugos Stimme: "Zu spät, zu spät!", sagte er belustigt, und ich hörte, wie er mit Mühe ein Lachen unterdrückte.

Als ich gegen fünf Uhr morgens müde und benommen zu Bett ging, hörte ich Hugo zum dritten Mal sprechen, und zwar gerade, bevor ich einschlief. "Welch ein herrliches Gefühl der Befreiung!" sagte er mit tiefer Erleichterung. Ich habe Hugo selten so überzeugend sprechen gehört.

In den folgenden drei Tagen erlebte ich die umformende Kraft des Todes auf eine völlig neue Art. Der Leser wird sich hier vielleicht die Frage stellen, wieso mich das Abscheiden meines Freundes so schmerzen konnte, wo ich doch genau wußte, daß er weiterlebte und von allen physischen Qualen erlöst war.

Zunächst erfaßte ich, daß der Tod in den meisten Fällen als eine furchtbare Brutalität empfunden wird. Nur bei sehr alten oder durch unheilbare Krankheiten gequälten Menschen kann man von einer Erlösung sprechen, aber auch dann hinterbleibt eine Leere und Stille, die die Angehörigen als bedrückend empfinden.

Es begann damit, daß ich die Todesszene mit grausiger Deutlichkeit wieder erlebte. Ich sah Hugos hilflose Gestalt zusammengesunken auf dem Bettrand sitzen, ich Seite 168 hörte jenes furchtbare Röcheln, fühlte seinen Puls in rasendem Tempo schlagen, und ein würgendes Gefühl von Machtlosigkeit und tiefem Mitleid schnürte mir die Kehle zusammen. Auch der Gedanke, daß man Hugo vielleicht hätte helfen können, verfolgte mich erbarmungslos.

Als Birgitta und Gunnar am Nachmittag nach Stockholm gefahren waren, beschloß ich, in Hugos Hütte zu gehen. Es war ein klarer Sommerabend, und die Abendsonne schien warm und friedlich in das Zimmer herein. Obwohl Birgitta liebevoll die Räume in Ordnung gebracht hatte, wurde ich von einem Gefühl beklemmender Verlassenheit überrascht.

Alles stand unverändert auf seinem Platz. Auf dem Tisch lagen Hugos Brille, ein paar Lupen und sein elektrischer Rasierapparat. Ich betrat das Schlafzimmer. Da stand das Bett, die blaue Decke. Alles war noch so schmerzhaft nahe; hier stand die Zeit noch still.

Es war ein grausames Spiel, überall, wo ich auch hinblickte, strömten Erinnerungen mir entgegen. Es war aber nicht nur die Vergangenheit, sondern plötzlich merkte ich, daß auch die Zukunft sich in das Spiel mit hereingeschlichen hatte. Die Dinge riefen mir nicht nur fragend zu: kannst du dich noch erinnern? weißt du noch - damals? -, sondern sie verkündigten von dem, was sich nie mehr ereignen würde. Das Gartenmesser, die Arbeitsschuhe, der Morgenrock, alle privaten Sachen riefen mir das gleiche zu: "Nie mehr wieder, nie mehr wieder!"

Doch Zukunft und Vergangenheit - waren sie nicht reine Fiktionen meines Geistes?

Als ich mir dieses Manövers bewußt wurde, das im Grunde genommen eine automatische Reaktion des Gedächtnisses darstellte, begann meine Trauer merkbar abzunehmen. Diese entnüchternde Entdeckung änderte nicht nur meine Sinnesstimmung, sondern sie gab mir meine innere Ruhe zurück. Stop! sagte ich zu mir, hier geht was Sonderbares vor, etwas, was ich auf der Stelle ergründen muß.

Seite 169 Ich setzte mich in Hugos Lehnstuhl und versuchte, meine Gedanken zu überbücken. Warum, so fragte ich mich, leiden wir und wieso kommt das Leiden zustande? War es nicht so, daß man zwischen die Mühlsteine der in Vergangenheit und Zukunft zerrissenen Zeit geraten war, zwischen zwei Gegensätze, und durch deren Wechselwirkung hin und her gezerrt wurde?

Gerade dieses "Sowar-es-einmal..." und "So-wird-es-nie-mehr-sein..." erzeugt das Leiden. Dieser Zustand kann aber nur bestehen, solange man die falschen Voraussetzungen dieses Schlusses nicht durchschaut hat.

Die Behauptungen "so-war-es-einmal" und "so-wird-es-nie-mehr-sein" stimmen nur teilweise, und zwar nur in bezug auf unseren physischen Körper. Da der Mensch aber nicht nur aus seinem Körper besteht, sondern gleichzeitig eine ganz andere, von uns noch kaum erforschte geistige Individualität ist, so hatte sich gerade hier ein irreleitender Glaube bilden können, eine halbe Wahrheit, die wir aus Unwissenheit als ganze Wahrheit akzeptiert haben.

Ich verließ Hugo Hütte mit einem gemischten Gefühl von Wehmut und Zuversicht, denn noch wirkte der Schmerz des unmittelbaren Verlustes in mir nach. Gleichzeitig wurde ich aber von einer leisen Ahnung erfüllt, daß ich eine seelische Operation glücklich überstanden hatte.

Es war so gegen acht Uhr abends, als ich mich wieder vor den Apparat setzte, der übrigens ein letztes Geschenk von Hugo war, denn mein altes Tonbandgerät war so gut wie völlig abgenutzt.

Als ich das Radio eingeschaltet hatte, meldete sich sofort Lena. Ich fixierte die Welle und ließ das Tonband laufen. Die Mitteilung, die sich jetzt ergab, war kurz gefaßt, aber sehr aufschlußreich. Sie enthielt nicht nur einen Gruß von Hugo, sondern ebenfalls einen aufklärenden Hinweis zu meinem "Besuch in der astralen Aufnahmestation", der eine Woche vor Hugos Tod stattgefunden hatte.

Es Seite 170 sprach eine mir bekannte Männerstimme, die ich schon öfters gehört hatte und die einen typischen estnischen Akzent erkennen ließ.

Der Mann bediente sich vier Sprachen, und zwar Englisch, Schwedisch, Russisch und Deutsch. Das, was er sagte, lautete übersetzt: "Direkt vor dem Basenfeuer - Hugo kommt zurück selbst als Entschlafener (pokojnik russ.), es ist die Selbstkontrolle ..."

Hier entstand eine Pause, und dann hörte man Hugo freundlich und munter "Freddie!" rufen.

Der Rest der Sendung ließ sich nicht mehr richtig erkennen. Nur die Worte: "Wer fährt (kört - schw.), ist in Bas von Churchill", glaubte ich erfassen zu können. Ich mußte sofort an meinen Traum vom 30. Juni denken, als ich, eine Woche vor Hugos Tod, jene sonderbaren Grabkapellen und Badeanstalten besucht hatte. "Basenfeuer!"

Mir fielen die verkohlten Körper jener Badenden ein, die alle durch irgendeinen mystischen Reinigungsprozeß gegangen waren. "Basenfeuer..." vielleicht war hier der wahre Sinn einer längst vergessenen Wirklichkeit verborgen, der uns aus uralten Zeiten unter dem Namen Fegefeuer überkommen ist und um dessen Kern sich so viele Widersprüche gebildet haben.

Allerdings blieb die Frage offen, denn ich war nicht ganz im klaren, ob es sich um ein Feuer in einer Basis handelte oder ob bei den Verstorbenen irgendwelche "Basen" ausgemerzt werden müssen.

Und dann - es zuckte wie ein Blitz in mir auf - ich war ja Hugo in seiner eigenen Person begegnet, als jenem "Gesichtslosen", der sich als Hugo F. vorgestellt und mir sein sonderbares Familienemblem gezeigt hatte, einen messingähnlichen Kranz, der wohl das Wappen der verstorbenen Familienmitglieder darstellte.

Es war offenbar, daß unsere Begegnung außerhalb der Grenzen von Zeit und Raum stattgefunden hatte, und da solche prophetischen Seite 171 Einblicke anscheinend niemanden erschrecken dürfen, so mußte unsere Begegnung als ein Geheimnis bestehen bleiben, solange jedenfalls, bis durch Hugos Tod die Lösung sich ganz von alleine ergab.

Durch Hugos Auftreten auf dem Tonband verblaßte der Rest meiner Trauer. Gewiß vermißte ich Hugo auch noch weiterhin, jedoch die Gewißheit, daß er vorhanden war und mit mir in Verbindung treten konnte, erfüllte mich mit Ruhe und froher Zuversicht.

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