FRIEDRICH JÜRGENSON
Sprechfunk mit Verstorbenen
Praktische Kontaktherstellung mit dem Jenseits

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 ELFTES KAPITEL

Das Silvester-Tonband - "Gnade der Welt, Allelujah!"- Glockenklänge mit Chorbegleitung - "Das war Hitler, der sich nicht schämt ... "

Seite 58 Wie sich später herausstellen sollte, war diese Art der Verbindung über das Mikrophon nur ein zeitweiliges Provisorium, ein Notbehelf, dessen Möglichkeiten sehr beschränkt waren und der in hohem Maße von physischen Lautfrequenzen abhängig war. Deswegen konnte sich mit diesen begrenzten Mitteln auch keine einwandfreie und ausgiebige Konversation ergeben.

Das war zugleich der Grund, warum das Ganze oft so unzusammenhängend und sporadisch wirkte. Trotzdem aber stellen diese ersten Kommunikationsversuche ein ungewöhnlich interessantes Phänomen dar, wenn es auch mit den später folgenden Verbindungen nicht verglichen werden kann.

Am Silvesterabend sollte sich noch eine weitere, recht interessante Einspielung ergeben, worüber ich hier wenigstens kurz berichten möchte. Gegen 23 Uhr hatte ich ein neues Band aufgesetzt in der Hoffnung, über Mitternacht hinweg eine Einspielung zu erhalten.

Der Apparat stand wie gewöhnlich im Atelier und das Mikrophon in der Ecke des Gesellschaftsraumes, etwa drei Meter vom Radioapparat entfernt, der in gedämpfter Lautstärke das Silvesterprogramm brachte.

Ich hatte eine stille Frage an meine unbekannten Freunde gestellt; ich wollte wissen, wer sie waren. Gleich zu Beginn der Aufnahme, kurz nach dem Einschalten, rief jemand "Bismarck!" Dann erklang eine melodische Frauenstimme, die singend und sich in der Tonart der Radiomusik anpassend "nur Deutsche!" sagte.

Nach einer kleinen Weile hörte man wieder die gleiche Frauenstimme, die aber jetzt - wie aus der Ferne - die Worte: "Gnade der Welt - Allelujah!... " rezitierte.

Seite 59 An der sehr hellen, beinahe kindlichen Stimmfärbung kann man deutlich das Timbre eines sehr hohen Koloratursoprans erkennen. Den Rest des Liedes übertönten unsere eigenen Stimmen. Wir unterhielten uns völlig unbefangen, und außer mir dachte niemand an das Aufnehmen von "Geisterstimmen" durch das Mikrophon. Die Kinder waren froh und ausgelassen und erwarteten mit Ungeduld die Mitternachtsglocken.

In einer kleinen Gesprächspause erklang plötzlich die Stimme meines verstorbenen pompejanischen Freundes Pasquale, der mich gefühlvoll beim Namen rief. Pasquale war einer meiner ergebensten Freunde gewesen. Er starb ganz plötzlich, einen Monat nach meiner Abfahrt aus Pompeji im August 1958.

An diesem Silvesterabend wurde ich mehrmals von verschiedenen mir unbekannten Frauenstimmen mit meinem Vornamen angesprochen.

Dann erklang wieder der schon erwähnte Koloratursopran und begann feierlich zu rezitieren: "Federici... - Gnade wird sein, verzeih uns im Herzen..."

Die übrigen Worte erstarben im Schwalle unserer Stimmen.

Als ich am nächsten Tage diese Wortfolge auf der Geschwindigkeit 3¾ überprüfte, ergab sich folgende erstaunliche Sprachmetamorphose: "Haltet uns wach - heute kannst du fragen..." murmelt auf Deutsch eine schlaftrunkene Männerstimme.

Als kurz vor Mitternacht der schwedische Rundfunk ein Orgelkonzert brachte - es waren Brahms Choralvariationen - erklang wieder die helle Frauenstimme, die, dem Orgelsolo folgend, eine eigene Improvisation zu singen begann. Das Konzert wurde aus Schwedens "Gamlakyrkan" (Alte Kirche) übertragen und stellte ein ausgesprochenes Orgelsolo dar. Nichtsdestoweniger sang - natürlich wiederum nur beim Abhören des Tonbandes - eine helle Frauenstimme dazu, und zwar fein intoniert und mit einem warmen Vibrato.

Seite 60 Leider störten unsere lauten Stimmen, und man konnte nur hier und da eine einzelne Passage heraushören. "Friede der Welt... Gnade, Gnade... Amen... ", waren die am besten zu verstehenden Worte, die sich zwischen unserem Wortschwall hindurchkämpften. Der Gesang kam wie aus weiter Ferne.

Um Mitternacht begannen Stockholms Altstadtkirchen zu läuten. Es war ein betäubendes Gedröhne, da wir inmitten der Altstadt wohnten und schräg uns gegenüber sich die deutsche Kirche befand.

Plötzlich erklang auf dem Bande ein kräftiger Männerchor. Es war insofern ein kurioses Lautphänomen, als der Männerchor die Töne gewisser Glockenklänge als tragende Begleitung benutzte.

Wir empfingen das neue Jahr mit lauten Skolrufen (Skol = Prost) und stießen mit den Sektgläsern an. Draußen läuteten die Kirchenglocken im mächtigen Chor; die Kinder sprachen lebhaft durcheinander und zwischendurch summte - für uns natürlich zunächst unhörbar - ein Männerchor sein bewegtes "Friede - Friede!" Wir aber brachten laute Skols aus auf uns und unserer Freunde Gesundheit und auf das neue Jahr 1960.

Ich war zum Mikrophon gegangen, um meinen noch anonymen Freunden Skol zuzurufen, jedoch bevor ich mein Glas gehoben hatte, kam mir - beim Abhören des Bandes deutlich hörbar - eine freundliche Frauenstimme zuvor, die in gebrochenem Schwedisch laut "Federico war so süß!" ausrief, worauf sogleich mein" Skol!" folgt.

Als es später in der Nacht ruhiger geworden war, begann eine Männerstimme zu sprechen. Es war die Stimme eines älteren Herrn, die gebrochen, dumpf und etwas heiser klang. Man kann aus dem monotonen Tonfall der Stimme eine gewisse Resignation und Trauer heraushören. Das ganze Gespräch wirkt wie ein versonnener Monolog oder wie ein im Halbschlaf gehaltenes Selbstgespräch.

"Wir lebten in der tiefsten Wirrnis..." begann die Stimme auf Deutsch, "die Menschen herunterzudrücken und Seite 61 knechten... die anderen entzogen sich - ich nicht... darum bin ich..."

Die folgenden Worte wurden von unseren Stimmen übertönt. Nach einer kurzen Welle fing der Mann wieder an zu sprechen. Er fügte nur einen Satz hinzu mit dem sonderbaren Inhalt: "Wir lebten in bösem Kompott" (nicht Komplott). Dann brach die Stimme ab.

Gleich danach aber ertönte wieder jene Frauenstimme, die vorher "Federico war so süß" gesagt hatte und rief ein langgestrecktes und spöttisches "Heil!" aus. Im nächsten Augenblick fügte sie erregt hinzu: "Das war Hitler - er schämt sich nicht - er war hier..." Obschon die Frau Deutsch sprach, konnte man deutlich einen jüdischen Akzent erkennen, und zwar den einer polnischen Jüdin.

Noch einmal erklang ihre Stimme, und zwar gerade, bevor das Tonband zu Ende war: "Das war Hitler - er sieht euch!" rief sie laut und erregt und fügte plötzlich mit veränderter und etwas verlegener Stimme hinzu: "Ich sage Hitler - er liebt mich!"

Nach dieser merkwürdigen Erklärung beendete ich die "Geisterstimmen-Aufnahmen" für diese Nacht.

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