DER ALLTAG AUS SPIRITUELLER SICHT
- Wie unsichtbare Kräfte das tägliche Leben beeinflussen -
Charles W. Leadbeater
© Aquamarin Verlag, Grafing

 


Auszug aus: Teil Vier - Wie wir andere Menschen beeinflussen - Kapitel eins - Unsere Charakterzüge

Glücklichsein

Die Gottheit möchte zweifellos, dass der Mensch glücklich ist. Glücklich zu sein, ist eine Verpflichtung. Ich meine damit nicht die philosophische Ruhe, obwohl dies auch eine gute Sache ist. Ich meine tätiges Glück. Wir sind nicht nur der göttlichen Macht, sondern auch uns selbst und anderen Menschen gegenüber dazu verpflichtet, eine Verpflichtung, der man leicht nachzugehen vermag, wenn man die unschätzbare Fähigkeit des gesunden Menschenverstandes einsetzt. Dennoch scheinen die meisten Männer und Frauen oft unglücklich zu sein. Warum?

 

Unglücklich zu sein, ist ein geistiger Zustand. Obwohl das durch Krankheit oder Unfall entstandene Leiden streng genommen nicht zu unserem Thema gehört, gibt es einen mentalen Aspekt, der durch den Einsatz der Vernunft stark eingeschränkt werden kann. Die Welt wird von ewiger Gerechtigkeit regiert und deshalb geschieht uns nichts, das wir nicht verdient haben. Da die ewige Gerechtigkeit gleichzeitig ewige Liebe bedeutet, trägt alles, was uns geschieht, zu unserer Entwicklung bei, wenn wir es nur in der richtigen Weise verstehen und versuchen, unsere Lektion zu lernen.

 

Viele, die tief in die Geheimnisse von Leben und Tod eingedrungen sind, wissen, dass es nicht nur eine sinnlose Kraftvergeudung ist, zu murren und zu schimpfen, sondern eine völlig unrichtige und törichte Sichtweise des Lebens, und was als Gelegenheit bestimmt war, wird vergeudet. Betrachten wir einige der häufiger vorkommenden Ursachen des Unglücklichseins, um zu sehen, wie man es vermeiden kann. Der Mensch hat einen großen Einfallsreichtum bewiesen, Gründe anzuführen, weshalb er sich miserabel fühlt. Die meisten von ihnen lassen sich in vier Kategorien einordnen – Verlangen, Bedauern, Furcht und Sorge.

 

Verlangen. Unglücklich zu sein, beruht oft darauf, dass die Menschen sich unentwegt nach etwas sehnen, das sie nicht haben – nach

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Reichtum, Ruhm, Macht, sozialer Stellung oder Erfolg in allen ihren Unternehmungen. Zufriedenheit mag bisweilen Stagnation bedeuten. Die sogenannte »göttliche Unzufriedenheit« ist die Voraussetzung für Fortschritt. Dass wir uns unaufhörlich bemühen, Fortschritte zu machen, unsere Position zu verbessern sowie unsere Kraft, anderen zu helfen, stärken, all das ist gut und schätzenswert und trägt zu unserer Entwicklung bei. Aber unsere Unzufriedenheit ist meistens alles andere als göttlich, da es nicht darum geht, Fortschritte zu machen und sich als nützlich zu erweisen, sondern darum, selbstsüchtig nach persönlicher Freude zu trachten, die wir von Reichtümern oder Macht erwarten.

 

Aus diesem Grund entsteht so viel Elend. Dränge so stark vorwärts, wie du willst, aber sei dabei glücklich und trage es gelassen, wenn du versagst, und sei niemals zu geschäftig, um deinen Mitwanderern eine helfende Hand entgegenzustrecken.

 

Die giftigsten der vielfältigen Formen des großen Unkrauts Verlangen sind Neid und Eifersucht. Wenn die Menschen sich doch nur um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern wollten und die anderen Leute in Ruhe ließen, gäbe es weniger Gründe, unglücklich zu sein. Was bedeutet es dir, dass jemand mehr Geld oder ein größeres Haus, mehr Diener oder bessere Pferde besitzt oder seine Frau sich herausputzen kann? All das bietet ihm eine bestimmte Art von Gelegenheit – eine Prüfung, ob er in der Lage ist, sie richtig zu nutzen. Er mag erfolgreich sein oder versagen, du aber bist in keinem Fall sein Richter. Deine Aufgabe besteht darin, deine Zeit nicht damit zu vergeuden, ihn zu kritisieren oder zu beneiden, sondern darauf zu achten, dass du die Pflichten, die zu deinem eigenen Lebensstatus gehören, bestmöglich erfüllst.

 

Die lächerlichste Leidenschaft, der die arme Menschennatur frönt, ist die Eifersucht. Sie gibt vor, inbrünstig zu lieben und wehrt sich gleichzeitig dagegen, diese Hingabe mit jemand anderem zu teilen. Selbstlose Zuneigung freut sich um so mehr, wenn sie feststellt, dass der Gegenstand ihrer Bewunderung allgemein geschätzt wird. Die Eifersucht verabscheut vor allem den Beweis für die Zuneigung, die andere ihrem Idol entgegenbringen, und achtet dennoch begierig darauf, den Verdacht bestätigt zu sehen und wird keine Mühe scheuen, die Existenz dessen zu beweisen, das sie am meisten hasst. Wie viel

 

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unnötiges Missbehagen kann derjenige vermeiden, der stark und sensibel genug ist, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern und sich weigert, in das Netz von Neid oder Eifersucht gezogen zu werden.

 

Halte das Verlangen im Zaum und kultiviere die Zufriedenheit. Habe nur wenige, schlichte Wünsche und setze deinen Ehrgeiz für den Fortschritt und die Nützlichkeit ein, nicht für Besitztümer, und du wirst feststellen, dass du eine der mächtigsten Ursachen des Elendsausgemerzt hast.

  

Bedauern. Es ist bedauernswert, wenn man sieht, dass jeden Tag Tausende von Menschen unter den unnötigen, hoffnungslosen und sinnlosen Qualen der Reue leiden. Vielleicht hast du dein Geld oder deine Stellung verloren. Dies ist kein Grund, Zeit und Kraft zu vergeuden und sich in nutzlosem Gejammer zu ergehen. Fange sofort an, mehr Geld zu verdienen oder dir eine neue Stellung zu suchen. »Lasse die tote Vergangenheit ihre Toten begraben«, und denke an die Zukunft.

 

Dies gilt auch dann, wenn du den Verlust selbst verschuldet hast oder das, was du bereust, ein Sünde ist. Vielleicht hast du versagt, wie viele vor dir, aber du kannst keine Zeit mit Gewissensbissen verschwenden. Bist du gefallen, bleibe nicht jammernd im Dreck liegen, sondern erhebe dich augenblicklich und setze deinen Weg fort, nur umsichtiger. Blicke nach vorne und dränge entschlossen vorwärts. Wenn du tausendmal fällst, so erhebe dich tausendmal und mache weiter. Es ist völlig sinnlos, entmutigt zusammenzusinken. Der tausendste Versuch ist ebenso begründet wie der erste, und wenn du durchhältst, wird dir der Erfolg sicher sein, denn deine Stärke nimmt mit wiederholter Anstrengung zu. Ein Meister erklärte einmal: »Das einzige Bedauern, das nicht wertlos ist, ist der Entschluss, denselben Fehler nicht noch einmal zu begehen.«

 

Das größte Bedauern, das ich nur allzu gut kenne, ist die Trauer um die »Berührung der entschwundenen Hand und den Klang einer Stimme, die verstummte«. Selbst dieser heiligste aller Schmerzen kann zerstreut werden, falls wir uns bemühen zu verstehen. Wenn unsere Lieben sich unserem irdischen Blick entziehen, bleiben wir nicht zurück und starren gegen eine schwarze Wand oder klammern uns

 

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verzweifelt an eine verschwommene Ungewissheit, in der Hoffnung auf eine ferne Vereinigung, wie viele unserer Vorfahren.

 

Die Wissenschaft verdrängt die Unwissenheit, und jeder, der bereit ist, die verfügbaren Beweise zu untersuchen, mag sich davon überzeugen, dass der Tod nichts anderes bedeutet als von einem Zimmer in das andere zu gehen. Er ist das Tor zu einem höheren und reicheren Leben, und wir haben nicht unsere Freunde verloren, sondern vorübergehend die Fähigkeit, sie zu sehen. Ein geduldiges Studieren der Tatsachen wird uns bald befähigen, nicht mehr selbstsüchtig über die Illusion unseres schmerzlichen Verlusts nachzugrübeln, sondern uns der wunderbaren Gewissheit zuzuwenden, die sich unseren Lieben eröffnet, was unseren Schmerz nicht vollkommen zu beseitigen, ihn aber sehr zu mildern vermag.

 

Furcht. Ich vermute, nur diejenigen sind sich des Ausmaßes bewusst, in dem die Menschheit unter der Todesangst leidet, denen es gegeben ist, um das Innere des Menschen zu wissen. Viele, nach außen hin tapfere Leute leiden innerlich unter dem Druck einer verdrängten Angst, da sie wissen, dass der Tod auf sie zukommen wird. Dies ist völlig unnötig und entspringt nur der Unwissenheit, wie übrigens jede Angst, denn diejenigen, die den Tod begreifen, erschrecken nicht vor ihm.

 

Sie wissen, dass der Mensch nicht stirbt, sondern nur seinen Körper wie ein abgetragenes Kleidungsstück ablegt. Sie empfinden den einen Vorgang nicht schrecklicher als den anderen. Ein Mensch der Gegenwart, dem die Tatsachen hinsichtlich des Todes unbekannt sind, hat sich nur noch nicht damit beschäftigt. Wenn er unter Angst vor dem leidet, was es überhaupt nicht gibt, dann hat er sich dies selbst zuzuschreiben.

 

Viele verfolgt die Angst, ihr Eigentum zu verlieren und in die Armut abzurutschen. Es gibt Tausende, die mit dem zurechtkommen, was sie verdienen, aber befürchten, dass sie durch Krankheit oder aus  anderen Gründen in eine Notlage geraten. Selbst wenn diese Gefahr bestehen sollte, ist nichts damit gewonnen, darüber nachzugrübeln. Die ständige Angst hilft ihnen nicht. Sie sind keinen Deut sicherer, weil diese Angst über ihnen schwebt und ihren Tag verdunkelt. Diese armen Seelen sollten ebenfalls versuchen, das Leben zu verstehen und den Sinn dieses wunderbaren Evolutionsplanes zu erfas-

 

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sen, von dem sie ein Teil sind. Denn wenn sie nur ein wenig davon verstehen, erkennen sie, dass es keinen Zufall gibt, sondern alles auf das Gute hin wirkt und Schmerz, Kummer und Sorge erst auftauchen, wenn sie eine Rolle auf dem Entwicklungsweg zu spielen haben. So werden sie hoffnungsvoll, nicht ängstlich, nach vorne blicken und wissen, dass sie sich nichts vorzuwerfen haben, wenn sie jeden Tag ihr Bestes geben, gleichgültig, was die Zukunft bringen mag.

 

Sorgen. Die gleichen Überlegungen zeigen die Sinnlosigkeit, sich zu sorgen und zu murren. Wenn die Welt in den Händen Gottes liegt und wir alle unter Seinen unwandelbaren Gesetzen wirken, besteht unsere Aufgabe darin, unsere Pflicht in unserer Ecke zu erfüllen und zu versuchen, uns klug im Strom des Fortschritts zu bewegen. Über die Art, wie dies vonstatten geht, zu murren oder sich über den Ausgang zu sorgen, ist offensichtlich die Krönung der Torheit. Wie oft hört man: »Wenn mich die ungünstigen Umstände nicht daran hinderten, wäre ich wirklich ein feiner Kerl und würde meine Fähigkeit unter Beweis stellen, aber eingeengt wie ich bin, was kann man da von mir erwarten?«

 

Jemand, der so spricht, hat keine Vorstellung von der Bedeutung des Lebens. Jeder Mensch wünscht sich zweifellos eine Reihe von Umständen, die es ihm ermöglichen, die Kräfte, die er bereits besitzt, unter Beweis zu stellen. Aber die Natur wünscht, dass wir uns in alle Richtungen entwickeln, nicht nur in eine einzige. Aus diesem Grunde werden wir oft in Situationen gestellt, in denen wir genau das tun müssen, was wir unserer Meinung nach nicht können, damit wir die Lektion lernen und die Kraft entfalten, die in uns schlummert.

 

Anstatt nun dazusitzen und zu klagen, dass uns widrige Umstände in Schranken halten, sollten wir uns erheben und diese Umstände meistern. Der Schwache ist Sklave seines Umfelds. Der Starke lernt, es zu beherrschen, und genau darin liegt die Absicht.

 

Wir sorgen uns, was die anderen Leute über uns denken, und vergessen, dass es sie nichts angeht, solange sie nicht beeinträchtigt werden, und ihre Meinung nicht die geringste Bedeutung besitzt. Unser Bestreben sollte es sein, unsere Pflicht zu erfüllen; und wenn es nötig ist, unseren Mitmenschen möglichst zu helfen. Wenn dein Gewissen deine Handlungsweise billigt, erübrigt sich die Sorge über die Kritik der anderen. Deinem Vater im Himmel gegenüber bist du für deine

 

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Taten verantwortlich, nicht Herrn oder Frau So-und-so, die nebenan neugierig durch das Rollo späht.

 

Vielleicht erzählt dieselbe »achtbare Person« etwas Boshaftes über dich, und ein halbes Dutzend »netter Freunde« sorgen dafür, dass es wiederholt und übertrieben wird. Bist du töricht genug, fühlst du dich mächtig beleidigt, und es mag ein Streit beginnen, der monatelang anhält und in den eine Menge unschuldiger Leute mit hineingezogen werden. Du versuchst, die Verantwortung für diese alberne Misshelligkeit deinem Nachbarn aufzuhalsen, dessen Bemerkung dich beleidigt hat. Nutze einen Augenblick lang deinen gesunden Menschenverstand und erkenne, wie lächerlich das Ganze ist.

 

In neun von zehn Fällen hat zudem der Nachbar überhaupt nichts gesagt oder es nicht so gemeint, wie du es aufnimmst, so dass du ihm wahrscheinlich ein grobes Unrecht zufügst. Selbst im zehnten Fall, wenn es wirklich so gesagt und gemeint wurde, gab es vielleicht einen ärgerlichen Grund, den du nicht kennst. Vielleicht hat die betreffende Person die ganze Nacht wach gelegen, hatte Zahnschmerzen oder ein unruhiges Baby.

 

Natürlich ist es weder freundlich noch würdevoll, von einem unter dem Einfluss von Gereiztheit hastig dahingeworfenen Wort Notiz zu nehmen. Natürlich war es nicht richtig von ihr, und sie hätte die gleiche engelhafte Nächstenliebe zeigen sollen, die du immer an den Tag legst. Ich will sie keineswegs verteidigen. Weil sie eine Torheit begangen hat, gibt es keinen Grund, dass du eine andere begehst.

 

Schließlich, welchen Schaden hat jene Person angerichtet? Nicht sie ist für deinen Ärger verantwortlich, sondern deine eigenen Gedanken. Ihre Worte sind bloß eine Luftschwingung. Hättest du nichts  davon gehört, hättest du dich nicht gekränkt gefühlt. Ihr Anteil an der ganzen Sache bleibt genau derselbe. Das Gefühl von Ärger ist demnach dein, nicht ihr Fehler. Du hast dich unnötigerweise über etwas aufgeregt, das in Wirklichkeit keine Macht besitzt, dich zu beeinflussen. Dein eigener Stolz hat deinen Gefühlsausbruch hervorgerufen, nicht ihre Worte.

 

Denke darüber nach, und du wirst es erkennen. Gesunder Menschenverstand, sonst nichts! Doch kaum jemand sieht die Dinge klar genug, um es so zu nehmen. Wieviel Unglück könnte vermieden werden, wenn wir unseren Verstand und weniger unsere Zunge benutzten.

 

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Diese Überlegungen zeigen, dass Wissen und Vernunft die Wolke der Unzufriedenheit aufzulösen vermögen, und es ist unsere Pflicht und liegt in unserem eigenen Interesse, diese Auflösung sofort und energisch in Angriff zu nehmen. Es liegt in unserem Interesse, weil wir dann ein längeres und fruchtbareres Leben führen werden. »Ein fröhliches Herz geht den ganzen Tag, ein trauriges ermüdet in einem Lächeln.« Mache das Beste aus allem, nicht das Schlimmste. Halte nach dem Guten in der Welt Ausschau, nicht nach dem Bösen.

 

Deine Kritik sei von jener glücklichen Art, die sich auf eine Perle genau so begierig stürzt wie die übliche scharfe Kritik auf einen Fehler fliegt. Du hast keine Ahnung, wie viel leichter und angenehmer dein Leben sein wird. Schönheit gibt es überall in der Natur, wenn wir nur unseren Blick dafür öffnen. Es gibt immer unzählige Gründe, fröhlich zu sein, wenn wir nur danach suchen, anstatt nach Ursachen zu jagen, die uns Anlass geben zu klagen.

 

Es ist unsere Pflicht, denn man weiß, dass Glücklichsein und Trübsal ansteckend wirken. Diese Materiewellen, die so fein sind, dass wir sie mit unseren physischen Augen nicht wahrzunehmen vermögen, die wir aber in alle Richtungen aussenden, tragen unsere Gefühle der Freude und Trübsal in unsere Umwelt. Wenn du deiner Traurigkeit und Mutlosigkeit nachgibst, verbreitest du Trübsinn und verdunkelst für deine Brüder das Sonnenlicht Gottes und erschwerst es ihnen, ihre Bürde zu tragen. Dazu hast du kein Recht.

 

Bist du glücklich, überträgt sich diese Freude auf deine Mitmenschen; du wirst so zur wahren Sonne, die Licht, Leben und Liebe in deinem kleinen Bereich hier auf der Erde ausstrahlt, so wie die Gottheit selbst das ganze Universum mit Leben, Licht und Liebe überflutet. Auf diese Weise leistest du deinen winzigen Beitrag und wirst zu Seinem Mitarbeiter.

 

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