Der Jenseitige Mensch
Emil Mattiesen

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Kap LXVIII. Metapsychologie des mystischen Erkennens:  4. Unaussprechbare Einsichten.          (S. 705)

Gestehen wir aber erst soviel zu, so führt uns nunmehr ein kleiner Schritt - immer in gleichen oder ähnlichen Grundbegriffen erfolgend - zur mindestens teilweisen 'Rettung' auch einer weiteren Gruppe mystischer Erkenntniserlebnisse: nämlich jener Einsichten, deren Tiefe und Weite im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Ausdrückbarkeit zu stehen schien; in denen der Mystiker Unendliches, ja 'Alles' begriffen zu haben glaubte, ohne doch bei wachem Bewußtsein etwas Genaueres über sie aussagen zu können. [1]

Durch diese ihre Unaussprechlichkeit in 'diskursiven' Begriffen oder anschaulichen Bildern charakterisierten sie sich als Intuitionen im verwegensten Wortsinn. Auch der - nach gewöhnlichem Sprachgebrauch - intuitiv Erkennende weigert sich ja meist, sein Wissen zu zerlegen und auszudeuten, und beschränkt sich auf die Behauptung, er wisse eben; nur kann er wenigstens den Inhalt seines Wissens bezeichnen.

Der Mystiker kann nicht einmal dies. Wir einigten uns daher früher darüber, daß ein sinnvoller Inhalt dieser angeblichen Erkenntnisakte überhaupt nicht gegeben sei und daß das täuschende Erkenntnisgefühl durch den ungehemmten Ablauf beliebiger Vorstellungen (ohne erkenntnismäßige Verknüpfung untereinander) in einem gelösten, 'dissoziierten' Zustande des Seelenlebens erzeugt werde.

Nun ist aber die neuere Psychologie von sich aus darauf aufmerksam geworden, daß 'Gefühls'erlebnisse häufig nicht völlig ohne Erkenntniseigenschaft seien. [2] Ohne daß wir uns in Einzelheiten dieser tiefgreifenden Frage verlieren, mag doch so viel hier gesagt werden:

Der Anteil von Gefühl einerseits und von Diskursivität, d. i. inhaltlicher Zerlegbarkeit und schrittweiser Angebbarkeit anderseits ist bei den einzelnen Erkenntnisvorgängen ein sehr verschiedener.

Nehmen wir an, daß letzten Endes ein solches Zerlegen und Angeben doch immer möglich sei, so muß doch eingeräumt werden, daß die zur Erkenntnis zusammengefaßten Einzelinhalte in vielen Fällen völlig unter der Schwelle des Bewußtseins bleiben, so daß das Bewußtsein tatsächlich nichts weiter zeigt, als ein blitzartiges Erfassen des Ergebnisses, umspült von starken Gefühlen der Gewißheit, des Wertes des Erkannten usw.

Eben darum sprechen wir von gefühlsmäßigem Erfassen einer Wahrheit.

Hierzu tritt aber noch die Feststellung, daß an jedem Erkenntnisvorgang außer den (etwa anschaulich) angebbaren Inhalten auch 'formale' Funktionen beteiligt sind, die als solche überhaupt nicht im gewöhnlichen Sinne bewußt und aufzeigbar werden, sondern nur dadurch glaublich zu machen sind, daß man den Unterschied zwischen einem erkenntnismäßigen Zusammenfassen gewisser

[1] S. o. S. 326 ff.
[2] Vgl. zB. Maier, Theorie des emotionalen Denkens.


Kap LXVIII. Metapsychologie des mystischen Erkennens:  4. Unaussprechbare Einsichten.          (S. 706)

Inhalte und dem bloßen (assoziativen) Ablaufen eben derselben Inhalte sich zu Bewußtsein führt. Vollkommen richtig bezeichnete ja deshalb Kant diese Denkfunktionen als eine 'verborgene Kunst in den Tiefen der menschlichen Seele, deren wahre Handgriffe wir schwerlich jemals unverdeckt vor Augen legen werden'.[1]

- Endlich aber: wie aus der Einzelvorstellung - über Vorgänge der Aussonderung, der Gliederung, des Inbeziehungsetzens, der sprachlichen Fixierung hin [2] - der Weg zur AIlgemeinvorstellung, zum Allgemeinbegriffe führt, so wird auch aus dem Einzelurteil (das als solches schon inhaltliche und formale Elemente vereinigt) das allgemeine Urteil, der abstrakte Satz, die umfassende Erkenntnis, deren Umfänglichkeit durch den Umfang ihrer beherrschenden Begriffe, die Reichweite ihrer Beziehungen bestimmt wird.

Dabei erscheint indessen - wenigstens auf wichtigen Erkenntnisgebieten - diese Entwicklung von unten nach oben zwar als das Natürliche menschlicher Urteilsentstehung, nicht aber als die Rechtfertigung des Abstrakten durch das Konkrete.

Vielmehr ruht im machtvollen Denken die Allgemeinerkenntnis in sich selbst, entsteht gleichsam durch ein Teilhaben des Denkers an einer Welt der Ideen und Begriffe und ihrer Beziehungen, zumal in ihrer Anwendung auf die allgemeinsten Formen der Anschaulichkeit. [3]

Die Anwendbarkeit dieser Gedanken auf die 'unaussprechbaren' mystischen Einsichten gründet sich nun vor allem darauf, daß die früher erarbeitete Theorie des übernormalen Erkennens uns eine ungeheuer erweiterte Vorstellung von dem unterschwelligen Gebiete des Menschengeistes verschafft hat.

Die Ausdehnung dieses menschlichen 'Unterbewußtseins' fällt ja letzten Endes zusammen mit der Ausdehnung des Allgeistes, nach welchem zu jenes 'offen' steht, in welchen hinein sich der Einzelgeist erheben, in welchem er sich vorübergehend beinahe verlieren kann. In Zuständen des Ich-Verlustes wird der Besitz jedes beliebigen Übergeistes an Anschaulichkeit, an formalen Zusammenfassungen des Weltwissens, an Allgemeinvorstellungen (oder was wir an quasi-psychischen Äquivalenten davon in ihm voraussetzen wollen) der Möglichkeit nach zum Besitz des Einzel-Ich.

Der Möglichkeit nach, - denn in der Wirklichkeit muß nachgerade erwartet werden, daß eine vorübergehende Versenkung in das Erkenntnisleben des Über-Ich den Einzelnen mit Gaben beschenken werde, die seinen Händen entgleiten, wenn er in seine Endlichkeit zurückkehrt; wie ein zum Meeresboden versenktes Gefäß, über die Oberfläche zurückgehoben, eben nur den Inhalt seines geringen Fassungsvermögens dauernd sich erhalten kann.

Nach allen psychologischen Analogien müssen wir annehmen, daß keine Brücke der Erinnerung zwei Zustände von so verschiedenen Ausmaßen der Synthese vereinigen werde. Ein zweijähriges Kind, das auf Minuten 'zum Erwachsenen würde', könnte nach der Rückkehr zu seinem beschränkten Bewußtsein offenbar nicht mehr davontragen, als das überwältigende 'Gefühl', etwas erlebt,

[1] Kant, Kritik d. rein. Vern. (Kehrb.) 145. Ich verweise auch auf die Arbeiten der Külpeschen Schule zur Psychologie des Denkens.
[2] S. zB. Wundt III 574.
[3] 'Ideales Sein' von 'Wahrheiten an sich' nach Husserl. Bolzano u. a.


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gesehen, begriffen zu haben, was es in den lallenden Silben seines Sprachschatzes gar nicht ausdrücken kann. 'Erkenntnis' war da, aber nichts von ihr verbleibt. Dies ist es genau, was der Mystiker von den fraglichen Erlebnissen behauptet; und wiederum dürfen wir sagen, daß wir nach unabhängig gewonnenen Grundanschauungen solche Erlebnisse nicht nur begreiflich finden und also zugestehen mögen, sondern geradezu fordern und zu finden erwarten müssen.

Es wäre also nicht einmal nötig zu leugnen, daß die 'unaussprechlichen' Erkenntnisse der Mystiker letzten Grundes auf anschauliche Inhalte zurückgehen. Nur wären dies nicht anschauliche Erlebnisse eines Einzel-Ich; es wäre die dem Einzelnen umfaßliche Wissens- und Schauensfülle des Über-Ich.

Gewiß sind Diskursivität und Intuition, soweit diese auf angebbare Einzelinhalte Bezug nimmt, nicht bloß Gegensätze, sondern auch Verwandte: lange Einzelerfahrung bereitet ein schließliches 'intuitives' Überblicken und urteilsmäßiges Zusammenfassen großer Inhaltsmassen vor.

Umgekehrt aber müßte sich die Intuition eines übermenschlichen Geistes für das Einzel-Ich in eine schier unvollziehbare Masse von diskursiven Denkschritten zerlegen. Darum versagt es, wenn es von seiner vorübergehenden Teilnahme an jener Intuition etwas aussagen soll.

Durch zunehmende Allgemeingültigkeit der Begriffe erhebt sich zwar auch die Diskursivität des Einzelnen zu Sätzen von geradezu kosmischer Bedeutsamkeit: die letzten Grundlehren der mathematischen Naturwissenschaft sind solcher Art. Wodurch indessen unterscheiden sich diese von den letzten Erkenntniserlebnissen des Mystikers (deren Bedeutsamkeit zugestanden)?

Vermutlich durch ihren - metaphysisch betrachtet - annäherungsweisen, vorläufigen, teilwahren Charakter. Dies werden alle diejenigen zugeben, die eine mechanistische Metaphysik für unmöglich halten; und wir wissen, daß es deren selbst im Lager der zünftigen Naturwissenschaftler gibt.

Die begriffliche Mechanisierung der Welt ist zum großen Teil gelungen, und darum wird sie zum mindesten einen Teil der letzten Wahrheiten ausdrücken. Aber das, was jenen Teil überragt, bliebe weiterem anschaulichem Erfassen vorbehalten, welches nicht mechanistisch 'lauten' und vielleicht über die anschaulichen Grundlagen des mechanistischen Weltbildes - Raum, Zeit, Bewegung - überhaupt hinausführen würde.

Das Erleben der Welt tritt damit in Gegensatz zu ihrer abstrakten Beschreibung, die Diskursivität der letzteren zur Intuition des ersteren in seiner umfassendsten, 'göttlichen' Form; an welcher nur der Ekstatische auf Augenblicke teilnehmen könnte.

Und wissen wir denn, ob in diesem göttlichen Bewußtsein die uns geläufige Scheidung von Ich und Sinnenwelt, Subjekt und Objekt, nicht nachgerade einen anderen Sinn empfängt; so daß der darin Untertauchende in einer ihm unbegreiflichen Weise zu dem würde, was er 'erkennt'? Gerade sofern jede Art von Metaphysik zuletzt in irgendwelcher Form die Daseins- und die    


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Kap LXVIII. Metapsychologie des mystischen Erkennens:  4. Unaussprechbare Einsichten.          (S. 708)

Erkenntnisgrundlagen der Welt zusammenfallen lassen muß (um überhaupt die Möglichkeit eines Erkennens der Welt zu begreifen), wird man zur Vermutung geneigt sein, daß in der Intuition, sofern sie über diskursives Erkennen hinausgreift, der Mystiker mit dem Seienden oder der Natur Eins werde.

Die klassische deutsche Philosophie, die der Mystik näher steht, als Mancher ahnt, und die in ihren späteren Vertretern wahrscheinlich ohne Erlebnisse halbmystischer Intuition überhaupt nicht abgeleitet werden kann, geriet auf diesen Gedanken in dem berühmten Begriff der intellektuellen Anschauung oder des mystischen Verstandes.

Schon bei Kant besagte dieser Begriff, daß der göttliche Geist die Vernunft sei, welche mit ihren Formen zugleich den Inhalt erzeuge; [1] die Vereinigung mit dem göttlichen Geiste, könnte der Mystiker also schließen, müsse den Erleuchteten recht eigentlich erleben lassen, wie die Welt (das Seiende und Erscheinende) 'gemacht' wird.

Ganz mystisch behauptete Fichte, seine Lehre setze voraus 'ein ganz neues inneres Sinnenwerkzeug, durch welches eine neue Welt gegeben wird, die für den. gewöhnlichen Menschen gar nicht vorhanden ist. Sie ist nicht etwa Erdenken und Schaffen eines Neuen, nicht Gegebenen, sondern Zusammenstellung und Erfassung eines durch einen neu zu entwickelnden Sinn Gegebenen'. [2]

In der Redeweise der späteren Identitätsphilosophie ist jene intellektuelle Anschauung das unentbehrliche Organ alles transzendentalen Philosophierens, der unbeweisbare, in sich selbst evidente Grund aller Evidenz, der absolute Erkenntnisakt, - eine Art der Erkenntnis, welche für den bewußten empirischen Standpunkt stets unbegreiflich bleiben muß, weil sie nicht wie dieser ein Objekt hat, weil sie gar nicht im Bewußtsein vorkommen kann, sondern außerhalb desselben fällt. [3]

Alles Philosophieren, lehrte also Schelling, besteht in einem Erinnern des Zustandes, in welchem wir eins waren mit der Natur. .. Die Zeit wird kommen, da die Wissenschaften mehr und mehr aufhören werden und die unmittelbare Erkenntnis eintreten, . . . wo 'das reale Leben des All geistig mitzuleben' möglich ist. Menschen, in denen 'die Natur sieht', die 'in ihrem Sehen Natur geworden sind', sind die 'wahren Seher, die echten Empiriker'. [4]

Dies ist augenscheinlich echt mystisch gedacht, wenn nicht gar erlebt. Indessen fällt ja schließlich weder die Heranziehung von Autoritäten, noch die abstrakte Erwägung von Möglichkeiten unter die beherrschende Methode dieses Buches, sondern die ständige Anknüpfung an Einzelbeobachtungen metapsychischen Inhalts.

In dieser Hinsicht könnten für uns wichtig werden Erfahrungen, welche die unfaßbare mystische Intuition wenigstens zeitlich verschlungen zeigen mit übernormalem Erkennen der 'nachprüfbaren' Art (also den Grundlagen aller metapsychischen Hypothesen); sodann Beobachtungen, nach denen die mystische Intuition in Zustände fällt, die sich eindeutiger, als die 'Ekstase' schlechthin, als metapsychisch-abnorm zu erkennen geben:

nämlich Zustände der Exkursion, d. h. einer ersten Annäherung aus dem sinnlichen

[1] Krit. d. Urteilskr. § 77.  
[2] Nach v. Hartmann 313 (aus: Einl. zur Wissenschaftslehre).
[3] Schelling, WW. I, 1 181f.
[4] Nach N. Losskij, Die Grundlegung des Intuitivismus (Halle 1908) 153ff.


Kap LXVIII. Metapsychologie des mystischen Erkennens:  4. Unaussprechbare Einsichten.          (S. 709)

Ichzustande heraus an den der Ich-Versenkung im All. - Meine eigene Ausbeute an Belegen dieser Art ist gering; doch fehlt es nicht völlig daran.

Um ein Beispiel der ersteren Art zu geben, so glaubt zB. der narkotisch 'verstehende' Mr. Fielde, während ihm Gedanken kommen, mit denen er 'endlose Bücher füllen' will, auch 'alle Vorgänge des Hellsehens zu verstehen' und, 'an verschiedenen Orten lebend, mehrere Zeitgenossen zu sein.. .',[1] was anscheinend ein Bewußtsein telepathischer Gemeinschaft oder der Verschmelzung mit ihnen andeutet.

Ein mögliches Beispiel für den zweiten Zusammenhang betrifft ein Subjekt, dem wir sowohl mehrere Bekenntnisse narkotischer Einsichten verdanken, als auch die deutliche Beschreibung einer Exkursion: den mehrfach zu Worte gekommenen Ludlow.

Ich finde nämlich an einer Stelle seines Buches eine Beschreibung, welche nahelegt, daß er diese Erfahrung in maskierter Form - also ohne die einleitenden optischen Wahrnehmungen der körperlichen Umgebung - gerade während seiner Intuitionen öfter gemacht habe.

'Im Augenblick der hingerissensten Seligkeit [auch des mystischen Begreifens, dürfen wir nach Früherem ergänzen] vernimmt die Seele den Schrei der physischen Natur, der aus den Mauern des Fleisches sich zu ihren Höhen des Schauens emporschwingt...

Die Bande (cords I), welcbe die beiden geheimnisvollen Teile unserer Zweiheit zusammenbinden, sind bis aufs äußerste gespannt... Häufig inmitten der hinreißendsten Einsichten habe ich es empfunden, wie mich diese Bande abwärts zogen, so deutlich, wie wenn es wirkliche Sehnen wären.' [2]

Auch Cahagnets Subjekt Gaspart macht Angaben, die auf Exkursion schließen lassen, neben sonstigen, die eine telepathische Gemeinschaft mit Andern andeuten, also den eben zuvor berührten Punkt betreffen. 'Ich habe, sagte er zu Cahagnet, den Todeskampf und den Tod durchgemacht, . ..

ich habe meine Seele, ebenso wie die deine, unter menschlicher Gestalt gesehen, aber durchsichtig und soz. phosphoreszierend; ... ich kann dir nicht sagen, mit welcher Leichtigkeit die Seele sich von der Materie trennen kann, um mit der Welt der Ursachen in Verbindung zu treten; . . . sie kann in die Gedanken eines jeden eindringen, sich mit ihm identifizieren, er sein und ihn in sich glauben.' [3]

Solche Vorgänge, wenn sie die Deutung vertragen, die ihnen hier versuchsweise beigelegt wird, wären in der Tat die greifbarste Illustration jener Überzeugung des platonischen Sokrates, daß 'wenn wir je etwas rein erkennen wollen, wir uns vom Leibe losmachen und mit der Seele selbst die Dinge schauen müssen'; weshalb er die 'Weisheit' erst nach dem Tod erwartete. [4]

Bedeutet wirklich der Tod den Beginn einer anhaltenden Exkursion, so enthielte freilich erhöhtes Erkennen in einer solchen auch ein Versprechen wenigstens möglicher vermehrter Einsicht nach der Auflösung. Oder gar bei beginnender Auflösung - nämlich des Zusammenhangs zwischen dem Ich und seinem Leibe -, welche demnach

[1] A.-M. Fielde, ref. in RS 3. sér. XVI (1888) 221f.
[2] Ludlow 165. Vgl. über 'Herabgezogenwerden' o. S. 578 u. 663.
[3] Vgl. Cahagnet, Heil. 189 und Engelbrechts 'Verständnis' der Bibel während seiner Exkursion, o. S. 289.
[4] Phädon p. 66f. (ed. Bipont. I 149ff.).


Kap LXVIII. Metapsychologie des mystischen Erkennens:  4. Unaussprechbare Einsichten.          (S. 710)

die Einleitung einer Exkursion bedeutete? In der Tat darf an dieser Stelle die Versuchung verzeihlich erscheinen, auch jene Erlebnisse unaussprechlicher Einsicht kurz vor dem Tode oder in der Todesstunde der naturalistischen Deutung zu entziehen, der sie gewöhnlich anheimfallen.

Von einigen Fällen, die Daumer zusammenstellt, sei nur der Theologieprofessor Möhler genannt, der im Sterben ausrief: 'Jetzt habe ich's gesehen; jetzt weiß ich's. Jetzt wollte ich ein Buch schreiben, das müßte ein Buch werden - aber nun ist es vorbei.' [1] -

Und anscheinend ganz typisch berichtet ein für tot gehaltener Verletzter, während seines Scheintodes seien die herrlichsten Gedanken durch seine Seele gegangen; doch könne er kaum mehr erinnern, als daß sie herrlich, groß und - unaussprechlich gewesen. [2]

Die vorstehenden tastenden Versuche einer Rechtfertigung der mystischen Intuition beruhen teils auf abstrakt-theoretischen Ableitungen von Wahrscheinlichkeiten, teils suchen sie aus dem Zustande des Begreifenden ein Vorurteil zugunsten seiner Intuitionen zu schaffen.

Der an sich nächste Weg der Rechtfertigung, nämlich aus dem Inhalt der Intuitionen selbst, ist uns ja meist schon darum versperrt, weil dieser Inhalt nicht einmal angedeutet werden kann. Zuweilen indessen, wie der Leser sich erinnert, ist das ratlose Schweigen des Sehers kein völliges, und es liegt nahe, die meist unbestimmten Andeutungen, die wir dann erhalten, mit den Anschauungen zu vergleichen, die wir selbst über das Jenseits-der-Sinne entwickelt haben.

Man wird im allgemeinen sagen dürfen, daß eine solche Vergleichung unser Vertrauen in die mystische Intuition eher stärkt, als abschwächt.

Soweit solche halbwegs zur Äußerung gelangende Intuitionen unmittelbarer einem philosophischen Interesse dienen, befürworten sie augenscheinlich jenen spiritualistisch oder - wenn man will - psychologisch-vitalistisch eingestellten Pantheismus, der auch unsere theoretischen Folgerungen aus den 'nachprüfbaren' metapsychischen Leistungen ausdrückt.

Sie liefern Lehren von harmonistischem, auf Synthese gerichtetem Charakter, daneben Andeutungen eines allgemeinen Dynamismus des gesetzlich wirkenden göttlichen Willens. Gott - die überragende Einheit alles natürlichen und geistigen Geschehens - ist mit seinem Wissen und Willen überall gegenwärtig; seine rastlose Energie durchflutet das All;

in seiner höheren Einheit schwinden alle Gegensätze der Dinge dahin. Er ist nicht Materie; vielmehr Immaterialität das wahre Wesen der Welt, zum mindesten der Welt, in welcher der innere Mensch ein Bürger ist. In diesen Worten, Worten, Worten - aber wie soll man anders diesen letzten Dichtungen der Wirklichkeit zu Leibe rücken? --' drücken sich vielleicht die Grundlinien jener früher angeführten stammelnden

[1] Gest. 12. 4. 1838. - Daumer 298f.
[2] Dr. Hoze v. Richterswyl. bei Perty. M. E. I 49. Vgl. Rohde I 55. bes. Anm. I.


Kap LXVIII. Metapsychologie des mystischen Erkennens:  4. Unaussprechbare Einsichten.          (S. 711)

Rauschbekenntnisse angeblich Schauender aus; [1] in einem Falle sogar, nach eigenem Zeugnis des Sehers, im Gegensatz zu 'tiefsten bisher festgehaltenen Überzeugungen des [wachen] Verstandes'.

[1] Man lese o. die Aussagen James' (S. 328) und der beiden Ungenannten (S. 329).

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