Der Jenseitige Mensch
Emil Mattiesen

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Kap XLVII. Hinausversetzung des Bewußtseins.                     (S. 500)

Beginnen wir mit der Feststellung, daß das Sehen des Entfernten nicht immer ein unvermittelt eintretendes ist, sondern daß Andeutungen seiner räumlichen Entfernung und des Weges zu ihm im Bewußtsein des Sehers mehr oder minder bestimmt auftreten können.

'Dies Ding fühlt sich weit weg an - this is feeling a long way off', sagt Nelly, Mrs. Thompsons Transpersönlichkeit, bei einer Gelegenheit [2] 'Mein Denken hat sich in die Ferne erstreckt', gibt eine andere Sensitive an, 'weit, sehr weit von mir habe ich einen Gegenstand gefunden, der mich affizierte’; . . . hierauf richtete ich meine 'ganze Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand, und ich gelangte endlich dazu, Ihren Freund zu sehen.' [3]

In andern Fällen kommt dem Seher nicht nur die Entfernung, sondern alsbald auch die Richtung zum Bewußtsein, in welcher das Gesuchte sich befindet.

Der Leser wird dies z.B. als Einzelheit einer psychometrischen Glanzleistung von Dr. Haddocks Emma angegeben finden. Eine Summe von 650 Pfd. Sterling, welche der Firma Arrowsmith in Bolton eingesandt worden, war unauffindbar verschwunden, und Nachforschungen bei der Bank, in welcher Herr Lomax, der Kassierer der Firma, sie eingezahlt zu haben glaubte, blieben erfolglos.

Als man Emma den Umschlag einhändigte, in welchem sich das Geld befunden hatte, beschrieb sie richtig Art und Zahl der Scheine (was sie ja noch dem Wissen des Lomax entnommen haben könnte), behauptete aber auch aufs bestimmteste, daß sie diese in der Bank sehe, deren Richtung sie wiederholt bezeichnete: 'sie könne die Spuren (marks) der Scheine in der roten Brieftasche sehen, und könne sie in der Bank sehen, und daß sie sich in einem Papier befänden, und zwar zusammen mit vielen anderen

[2] Pr XVII 223.
[3] Nach Dr. Lausanne in ATM III, 2 120f.


Kap XLVII. Hinausversetzung des Bewußtseins.                     (S. 501)

Papieren, in einem kleinen abgesondertenTeil der Bank, daß, falls sie lesen könnte [1], sie uns sagen würde, was die andern Papiere wären, daß sie auf der Bank in Empfang genommen wären von einem Manne, der sie beiseite gelegt hätte, ohne eine Eintragung zu machen.' [2]

Die Scheine wurden nach diesen Angaben in der Tat gefunden, und die Ansicht, daß Emmas Angaben nur Vermutungen des Herrn Lomax gespiegelt hätten, [3] erscheint mir unhaltbar angesichts der bereits erfolgten vergeblichen Nachforschungen auf der Bank, angesichts der Sicherheit, mit welcher E. sich gleichwohl weigerte, irgend woanders auch nur zu suchen, und angesichts anderer Leistungen der gleichen Seherin, die sogar Podmore als 'sehr bemerkenswert' bezeichnen muß.

Aber die Angaben der E. zeigen noch mehr als ein Bewußtsein der Richtung: sie springen augenscheinlich nicht auf das ferne Gesuchte zu, sondern verfolgen einen Weg, den dieses zurückgelegt hat, bis an seinen augenblicklichen Ort, und Geschehnisse auf diesem Wege, also anscheinend eine räumlich-zeitliche 'Spur'.

So sah auch Mr. Dobbies Hellseherin, E. Dixon, ein gesuchtes goldenes Bleistiftfutteral, nachdem ihr einige Schmucksachen des Besitzers eingehändigt waren, erst 'auf der Straße in einer der Vorstädte liegen,... es ist (aber) jetzt nicht (mehr) da, es ist in einem hübschen einstöckigen Hause, mit einem Garten und Eisengitter davor und einem zweistöckigen Gebäude gegenüber', worauf sie den Herrn samt seiner Frau beschrieb, der den Gegenstand im Augenblick bei sich habe, und das Kästchen, worin sich der Gegenstand befinde.

Dies alles bestätigte sich genau, als der Verlust angezeigt wurde und der Finder den Gegenstand brachte. Das Eisengitter und das zweistöckige Gegenüber waren sogar die einzigen in der ganzen Nachbarschaft.

Der Hauptzeuge, der Besitzer des Bleistiftes, Friedensrichter Adamson in Adelaide, wird als 'einer der vernünftigsten und scharfsinnigsten Männer in Südaustralien' und einer der ersten Bürger seiner Stadt’ geschildert. [4]

Aber auch dies ist noch nicht alles. Was in diesen Beispielen sich nur andeutet, erscheint in anderen Fällen als beherrschende Eigentümlichkeit: nämlich daß das Hellsehen - zumal des Entfernten und Ausgedehnten - nicht immer seinen Gegenstand gleichsam abstrakt, losgelöst von jeder Art von Umgebung darbietet, sondern häufig in der Form eines umfassenden räumlichen Bildes, innerhalb dessen der Seher selbst eine Stellung einzunehmen und das er von einem ganz bestimmten Augenpunkte aus zu betrachten meint.

Es besteht dann also wenigstens der Anschein, als sei der Seher mitten in der entfernten Szene anwesend, und demnach, als habe er sich von dem gewohnten Ausblickspunkt - aus seinem Leibe oder Kopfe - fortbegeben. [5] Nun werden gewiß auch übernormal angeregte wahre Halluzinationen zumeist diesen realistischen Zug der perspektivischen Beschauung von einem bestimmten Punkt aus darbieten; ja genau

[1] Emma war, wie schon bemerkt, Analphabetin und Dienstmagd bei Dr. Haddock.
[2] Haddock 117-124.
[3] So Podmore, Spir. I 152f.
[4] Pr VII 68f.
[5] 'Ich bin ganz aus meinem Leibe heraus und zu (meiner Mutter) geführt und stehe wie ein Geist vor ihr in der Kammer': Kerner, Gesch. 102. Vgl. Perty, M. E. I.  230f. (nach Barth).


Kap XLVII. Hinausversetzung des Bewußtseins.                     (S. 502)

betrachtet ließen sich alle bisher bezeichneten Einzelheiten - auch das Entfernungs- und Richtungsbewußtseins des Sehers - mit der idealistischen Theorie einer Vermittlung durch A recht wohl zusammenreimen. Wäre der Raum auch nur menschliche Anschauungsform, so könnte Belehrung durch ein überräumliches A doch wohl dem Einzelnen die 'unmittelbar' unschaubaren Verhältnisse bekanntgeben, die in A den räumlichen Verhältnissen entsprechen.

Was indessen auffällt - und darin besteht die neue merkwürdige Anregung, die ich nunmehr den Tatsachen des Hellsehens entnehme -, das ist, daß gerade ein Sichfortbegeben aus dem Leibe in vielen Fällen des Hellsehens dem Bewußtsein sich aufdrängt. - Hier gilt es wieder, einem für uns besonders wichtigen Tatsachengebiete durch Reihenbildung erhöhte Übersichtlichkeit und theoretische Fruchtbarkeit abzugewinnen.

Etwas zögernd eröffne ich diese Reihe mit einer Gruppe von Erfahrungen, die für die Möglichkeit einer Versetzung des Bewußtseins innerhalb des Körpers selbst zu sprechen scheinen.

Der Mensch im normalen Zustande lokalisiert sein bewußtes Ich ziemlich bestimmt im oberen Teil seiner Schädelkapsel, sagen wir: in der Stirn zwischen den Augen. Rumpf und Glieder gehören innigst zu ihm, aber weit inniger ist er sein Kopf, der einzige Körperteil, dessen Verlust er sich nicht vorstellen kann, ohne sich gleichzeitig das Aufhören seines normalen Lebens vorzustellen. -

Gewisse Personen nun in gewissen Zuständen denken und fühlen ihre Existenz wirklich an anderen KörpersteIlen, am häufigsten etwa an der Stelle, die der Laie als seine Herz- oder Magengrube bezeichnet.

Dies bekamen z.B. die Magnetiseure der klassischen Zeit immer wieder von ihren Somnambulen zu hören bei Eintritt des sog. innern Erwachens, jedenfalls in einer leidlich 'tiefen' Phase ihrer Schlafzustände. Der Leser entsinnt sich der Mitteilungen über paradoxes Wahrnehmen durch abnorme Körperstellen.

Eine dieser paradoxen Wahrnehmungsstellen war die 'Herzgrube'. Aber die Wahrnehmung durch sie ließ das Hirnbewußtsein bestehen. Es ist nun merkwürdig zu sehen, wie die Aussagen über Wahrnehmung durch 'die Herzgrube’ allmählich in Aussagen über Versetzung des wahrnehmenden Bewußtseins selbst an diese Stelle übergehen. -

'Wo bin ich? sagt eine Somnambule, ich bin nicht zu Hause im Kopfe, das ist ein seltsamer Kampf zwischen der Herzgrube und dem Kopf; beide wollen gelten, beide sehen und fühlen. .. Es ist, als müßte ich den Kopf hinabschicken in die Herzgrube, wenn ich etwas sehen soll.

Mich schmerzt die Herzgrube, wenn ich oben denke, und doch ist es noch nicht hell genug da unten.' [1] - Bei völligerer Ausbildung dieses Vorgangs erscheint dann, wie eine Somnambule Kerners es ausdrückt, 'das ganze Leben aus (den) Gliedern auf die Herzgrube getreten', Denken und Wollen sitzen dann eben dort, gehen dort vor sich und lenken von dort aus den Körper. Sie bewege, sagte eine Somnambule, die Zunge nicht vom Kopfe, sondern von der

[1] Wemer, Symbolik der Sprache 124 (du Prel, Ph. d. M. 143). Vgl. du Prel, Mag. II 139 (nach Ann. du magn. animal V 147ff.) und M. Hanák, Gesch. e. natürl., durch sich selbst entwickelten Somnambulismus (Lpz. 1833) 55.


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Kap XLVII. Hinausversetzung des Bewußtseins.                     (S. 503)

Herzgrube aus, und zwar viel leichter und freier, denke auch mit der Herzgrube viel sicherer, als wach mit dem Kopfe. .. Vor dem Erwecken, wobei sich das Leben für ihr Bewußtsein aus der Herzgrube in Kopf und Glieder zog, nahm sie von Kerner Abschied, glaubte also wohl gleichsam eine andere zu werden. [1] -

In noch älterer Zeit finden wir eine ähnliche Erfahrung sehr deutlich ausgedrückt in einer früher viel zitierten Stelle des älteren Helmont. Er hatte Nagellus-Wurzel mit der Zunge versucht. Nach kurzer Zeit 'fühlte ich’, sagt er, ’daß ich im Kopfe nichts dächte, verstünde, wüßte, noch mir einbildete nach der gewöhnlichen Weise:

aber ich fühlte mit Verwunderung, klar, unterscheidbar und beständig, [2] daß alle diese Verrichtungen in der Herzgrube vor sich gingen und sich um den Magenmund [3] verbreiteten, und ich empfand dies so bestimmt und deutlich..., daß, obgleich ich fühlte, wie Empfindung und Bewegung vom Kopfe aus sich über den ganzen Körper verbreiten, dennoch das ganze Vermögen zu denken merklich und fühlbar in der Herzgrube war, [4] mit Ausschließung des Kopfes...'

(Er sagt wiederholt, daß er sich dabei aufmerksam beobachtet habe.) 'Außerdem fand ich ganz deutlich, daß während der ganzen Zeit mein Denken und Betrachten viel klarer war,... es war eine gewisse Seligkeit in jener intellektuellen Klarheit. Es währte auch nicht kurze Zeit, widerfuhr mir auch nicht, als ich schlief, träumte oder krank war; sondern ich war nüchtern und gesund...

Etwa nach zwei Stunden befiel mich zweimal ein leichter Schwindel. [5] Nach dem ersten bemerkte ich, daß das Denkvermögen zurückgegangen war, und nach dem zweiten fühlte ich, daß ich auf die gewöhnliche Weise dachte. [6]

Ausdrücke dieser Art erscheinen mir viel zu bestimmt, als daß eine Verwechslung mit banaleren Beobachtungen der Psychiatrie in Frage kommen könnte. Dem Irren kann jedes Glied seines Körpers der Sitz erstaunlicher Verwandlungen werden; mancher Kranke klagt über Stimmen in Bauch und Brust, über Doppelt- und Dreifachsein, über Volksversammlungen in verschiedenen Teilen seines Innern.

Nichts hiervon kommt den oben bezeichneten Erfahrungen nahe. Der geisteskranke Halluzinant beobachtet den Hexensabbath in seinem Leibe ebenso gut 'von seinem Kopfe aus', wie der Gesündeste seine normalen körperlichen Empfindungen. Hingegen ist der Ekstatische, der seine gesamte Seelentätigkeit nach der Mitte seines Körpers versetzt fühlt, nichts weniger als geisteskrank.

Er schreibt sich im Gegenteil, wie wir sahen, unter Umständen erhöhte Klarheit des Geistes zu. Die Abnormität seiner Erfahrung darf darum nicht ohne weiteres als krankhaft angesehen werden.

Der nächste Schritt unserer Reihe muß zunächst als ein beträchtlicher erscheinen: er führt uns zu Erfahrungen, in denen das Bewußtsein sich bereits völlig außerhalb des Leibes weiß, ohne deshalb seine gewohnte Wahrnehmung der Außenwelt ganz zu unterbrechen, ja mehr: in denen

[1] Nach Kerner bei Perty, M.E. .I 292 f.
[2] aperte, dilucide; discursive atque constanter.
[3] os stomachi.
[4] discursuum facultas notorie et sensibiliter ...
[5] Vgl. o.S. 179 Anm. 5 üb. Synkope zwischen zwei Ichphasen!
[6] Joh. Bapt. van Helmont, ... Opera omnia... (Francofurti 1707) 264f. Eine früher ebenfalls viel angezogene Stelle des Cardanus (De rer. varietate 1. VIII c. 34) ist sehr viel weniger ausdrücklich.


Kap XLVII. Hinausversetzung des Bewußtseins.                     (S. 504)

es seinen eigenen Leib unter den Gegenständen der Außenwelt wahrnimmt. [1]

Eine Erfahrung, welche Miss Rosemary Goreham mitteilt, ist nicht zum wenigsten darum merkwürdig, weil sie zeigt, wie gering die Einschränkung äußerlich tätigen Verhaltens zu sein braucht, um eine solche 'Exkursion' des Bewußtseins auszulösen.

'Vor nicht langem in einem Landhause in Hampshire zu Gaste, stand ich eines Abends, nachdem ich eben zum Dinner mich umgezogen, in träumerische Stimmung versunken, mein Bild in einem langen Spiegel betrachtend, [2] als ich plötzlich zur Seite meines eigenen Leibes zu stehen und ihn zu beobachten glaubte.

Ein flüchtiges Gefühl äußerster Leichtigkeit begleitete diesen Eindruck, zugleich ein Gefühl tiefen Mitleids mit diesem Leibe, der so blind (durchs Leben) dahinstolperte. Wie der Blitz war ich wieder zurück (im Leibe). Das Spiegelbild zeigte (mir) ein spukig blasses Gesicht... Ich hatte geglaubt, ein ganzes Menschenleben in einem Augenblick zu durchleben...'.

Verwandt, auch in der Art der Auslösung, erscheint folgende von H. v. Gumppenberg mitgeteilte Beobachtung: 'Eine junge Dame meiner nächsten Verwandtschaft ... saß am Bett einer schwerkranken Freundin... in regungsloser Versonnenheit auf ihrem Stuhle.

Da wurde ihr plötzlich klar, daß ihr bewußtes Ich hoch oben an der Decke des Krankenzimmers sich befand, denn sie sah die Decke in unmittelbarster Nähe und sah mit vollkommenster normaler Deutlichkeit unter sich ihre eigene menschliche Gestalt sitzen, sah auch die schlafende Kranke aus der Vogelperspektive. Das Phänomen wirkte auf sie wie eine angstvolle Beklemmung, währte aber nur wenige Augenblicke...' [3]

Bedeutsamer noch für unsern Zusammenhang ist eine ähnliche Erfahrung, die der namhafte Elektrotechniker Cromwell F. Varley an sich machte, nachdem er als Mittel gegen Halskrämpfe einen Chloroformschwamm vor den Mund genommen hatte.

Er sank im Bett zurück, 'nach einer kleinen Weile wurde ich wieder bewußt, sah meine Frau eine Treppe hoch (wo sie sich tatsächlich befand) und mich selbst auf dem Rücken, mit dem Schwamm vor meinem Munde, war aber gänzlich außerstande, mich zu bewegen'. [4].

Ein ähnliches Erlebnis im verwandten Zustande des Fast-Ertrinkens berichtet Frl. Nora Alexander. '. . . Ich hatte das Gefühl, als badete ich in einem herrlichen Strome goldenen Lichtes, ein kurzer Satz von vier Worten fiel mir ein, der mir die eine ewige Wahrheit zu verkörpern schien, und im nächsten Augenblick trieb ich auf Luft und beobachtete meinen Körper, wie er tief unten von den Wogen umhergeworfen wurde, aber ohne Anteilnahme an ihm...' [5]

Das anscheinend hellseherische Moment dieser Erlebnisse liegt zunächst

[1] Ob diese Fälle mit den eben bezeichneten in einem natürlichen Zusammenhang der Steigerung stehen, mag einstweilen unentschieden bleiben. Dasselbe gilt von den Bilokationsgefühlen gewisser Scheintoter: z.B. Hack Tukes Dict. of Psychol. Med. I 425 (aus Psychol. Mag. V, 3 15) und Crowe 133 (aus Binns Anatomy of sleep).
[2] Ein bekanntes Auslösungsmittel auch des Sich-selbst-Verlierens, - was beachtenswert sein dürfte!
[3] H.v. Gumppenberg, Philosophie u. Okkultismus (München 1921) 104f.
[4] Rep. on Spiritualism of the Com. of the London Dialectical Scc. II.
[5] OR 1907 297f. Vgl. den Bericht des Hrn. Macdona, M. P. in The Times, Nr. 37, 456 (Gefühl der Bilokation während Fast-Ertrinkens) und die (freilich größtenteils fragwürdigen und nicht immer eindeutigen) Erfahrungsberichte in L'année occ. et psychol. 1907 206ff.; 1908 249ff.; auch Hemme Hayen, bei Kanne I 23.


Kap XLVII. Hinausversetzung des Bewußtseins.                     (S. 505)

in der angeblichen Wahrnehmung des eigenen Körpers von einem Blickpunkt aus, den man in der Selbstbetrachtung mit normalen Sinnen nicht einnehmen kann. Deutlicher indessen als die vorige, geht folgende Beobachtung Varley’s hierüber hinaus bis zur Wahrnehmung, im Zustande der 'Exkursion', von Teilen der wirklichen Umgebung.

Varley hatte gelegentlich auf Reisen die Absicht, rechtzeitig in der Frühe zu erwachen. 'Der Morgen kam und ich sah mich selbst im Bette fest schlafen, ich versuchte wach zu werden, konnte es aber nicht.

Da erblickte ich einen Hof, in dem ein Haufen Bauholz lag, dem sich zwei Männer näherten. Sie stiegen auf den Holzhaufen und hoben einen schweren Balken herunter. Dabei fiel mir ein zu träumen, eine Bombenkugel schlüge vor mir ein, und als die Männer den Balken herabwarfen, träumte ich, daß die Bombe geplatzt sei.

Dies weckte mich. Ohne eine Sekunde zu verlieren, sprang ich aus dem Bett und öffnete das Fenster. Da erblickte ich den Hof, das Bauholz und die Männer, genau so wie sie mein Geist soeben gesehen hatte.

Ich hatte vorher noch gar keine Kenntnisse der Örtlichkeit. Am Abend, als ich diese Stadt betreten hatte, war es dunkel gewesen und ich wußte nicht einmal, daß ein Hof vorhanden war.' [1]

In den folgenden Fällen ist wiederum die Auslösung des hellsehenden Zustandes durch ein narkotisches Mittel erfolgt, dazu treten aber Angaben, nach denen die Subjekte sich außerhalb des Leibes in gleichsam körperlicher Gestalt zu wissen glaubten, sich wenigstens dementsprechend benahmen und dabei ihre 'Immaterialität' feststellen mußten.

Als völlig einzigartig (!) unter allen seinen Erfahrungen unter Haschisch berichtet Ludlow, er habe eines Tages während des Delirs bemerkt, daß 'die Seele... den Körper verlassen hatte...

Aus der Luft, in der ich schwebte, blickte ich hinab auf mein ehemaliges Behältnis, . . . die Brust hob und senkte sich, . . . die Schläfen pulsierten und die Wangen färbten sich. Ich betrachtete den Körper prüfend und voll Verwunderung, er schien mich nicht mehr anzugehen als der eines Fremden. . .

Der Geist war sich bewußt des Besitzes aller menschlichen Fähigkeiten, Verstand, Gefühl und Wille:. . und stand doch völlig unabhängig beiseite. In diesem meinem bevorzugten geistigen Zustande wurde ich durch keinen Gegenstand der dichteren Welt gehemmt. Für mich selbst war ich sichtbar und berührbar, und doch wußte ich, daß kein körperliches Auge mich sehen könne.

Durch die Wände der Zimmer konnte ich aus- und rückwärts hindurchgehen und durch die Decke die Sterne unverdunkelt schauen. Dies war weder Halluzination noch Traum. .. Eine Stimme forderte mich auf, in den Körper zurückzukehren, indem sie sagte:'... Die Zeit ist noch nicht da.' Ich kehrte zurück...' [2]

Ähnlich behauptet Dr. F. Hartmann, unter der Einwirkung des Chloroforms beim Zahnarzt sich 'neben dem (Operations-) Stuhl stehend gesehen zu haben, in welchem mein Körper lag. Ich erschien mir selbst gerade als dieselbe Person, wie in meinem normalen Zustande. Ich sah alle Gegenstände im Zimmer, hörte alles, was gesprochen wurde, aber als ich versuchte, eins von den Instrumenten auf einem

[1] Dial. Soc. Rep. II 113.
[2] Ludlow 74f.; vgl. o. S. 289. 290. 291. 393 über 'Rücksendung'.


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Kap XLVII. Hinausversetzung des Bewußtseins.                     (S. 506)

kleinen Tisch neben dem Stuhl aufzuheben, war ich dazu nicht imstande, da meine Finger hindurchgingen.' Ähnliches will er oft erlebt haben. [1]

Noch drastischer als Dr. Hartmann beschreibt Dr. E. v. Krasnicki seine Versuche, sich im Zustande der Exkursion seiner körperlichen Wirklichkeit zu versichern: Dreimal 'steht' er vom Nachmittagsschlummer 'auf', um sich immer wieder mit einem 'Ruck' auf dem Sofa zu finden.

Während er im Zimmer 'umhergeht', versucht er nach dem Ofen zu schlagen, um seines Wachens gewiß zu werden, fühlt aber fast nichts, und selbst als er schließlich die Hand an den Ofen 'schmettert', keinen Schmerz. [2]

Der folgende Bericht bedeutet eine weitere Steigerung, sowohl was die beschriebenen gegenständlichen Wahrnehmungen, als auch was das tätige Verhalten der Exkurrierenden anlangt.

Das Subjekt, Frl. Sophie Swoboda, die unter heftigen Kopfschmerzen auf einem Sofa eingeschlafen ist, glaubt zu bemerken, daß ihre Mutter leise das Zimmer verlasse, erwacht daraufhin anscheinend, fühlt sich leicht und schmerzlos, erhebt sich und eilt der Mutter nach, um ihr die günstige Veränderung zu berichten.

Sie findet die Mutter strickend beim Vater sitzen, der aus Schellings 'Mystischen Nächten' vorliest, stellt sich neben die Beiden, bleibt aber andauernd unbeachtet. Selbst als die Mutter sich nach einiger Zeit erhebt, um nach der Tochter auf dem Sofa zu sehen, kann sich diese ihr nicht bemerklich machen.

Während die Mutter der eintretenden Schwester zuruft: Wie bleich ist sie! sieht sich Sophie selbst leichenblaß und mit geschlossenen Augen auf dem Sofa liegen. Als sie herantritt, fühlt sie sich wie von einem Schlage auf das Ruhebett geworfen, öffnet schwer und mühsam die Augen und richtet sich mit Hilfe der Damen auf.

Sie setzt ihre Eltern darauf in Erstaunen, indem sie 'ihnen die gelesene Stelle und (im Gespräch) geäußerte Ansichten z. T. wortgetreu wiederholt, da sie doch drei Zimmer weit entfernt und die Tür geschlossen war'. [3]

Der nachstehende Bericht geht insofern wieder über den vorigen hinaus, als die Wahrnehmung sich auf Örtlichkeiten erstreckt, die dem Subjekt normalerweise unbekannt waren, und sich mit Erscheinungen von Autoskopie verbindet.

Herr H., ein begabter Radierer, Sohn 'medial' veranlagter Eltern, aber angeblich bisher ohne jedes Interesse an 'spiritistischen' Erfahrungen, hat sich eines Tages heimkehrend 'seltsam matt' gefühlt und auf einem Sofa ausgestreckt.

'Ich empfand Schwindel und Leere (im Kopf) und die Dinge der Umgebung schienen sich um mich zu drehen. Plötzlich fand ich mich in die Mitte des Zimmers versetzt, . . . ich sah mich selbst auf dem Sofa liegen, . . . sah (sogar) das Glimmen (der Zigarre in meinem Munde). ..

Ich hatte den Eindruck, daß nichts in (meinem) Leben je so völlig wirklich gewesen sei (wie diese Erfahrung). . .Er glaubte tot und ein Geist zu sein und dachte mit Bedauern an Arbeiten, die er unvollendet gelassen. 'Ich näherte mich dem Körper,... sah mich selber atmen, aber mehr als das, ich sah mein eigenes

[1] OR März 1908 160, Eine übereinstimmende Selbstbeobachtung bei Wyld 205.
[2] ÜW VII 31. Man lese und wäge den sonderbaren Bericht. Vgl. OR Febr. 1906 213 (Bericht eines Honours graduate, d.i. cum laude Promovierten).
[3] PS VI 294 (mehrfach ähnl. Erfahrungen). Man beachte das 'Niedergeworfenwerden'.


Kap XLVII. Hinausversetzung des Bewußtseins.                     (S. 507)

Inneres und bemerkte, daß mein Herz langsam und schwächlich, wiewohl regelmäßig schlug. Ich sah mein Blut rot durch große Gefäße strömen.' Er versuchte die Lampe auszudrehen, die in gefährlicher Nähe des Bettes stand.

'Ich konnte das Rädchen mit dem gekerbten Rande vollkommen deutlich fühlen, . .. aber meine Finger waren gänzlich außerstande (es) zu drehen. Ich sah (auch), daß, obschon ich meine Hand durch mich selbst hindurchziehen konnte, ich dennoch meinen Körper zu fühlen vermochte, der mir (falls ich mich recht entsinne) weiß angetan erschien.

Er bemerkte dann, als er vor den Spiegel trat, daß sein Blick die Wand durchdrang, daß er die Rückseiten der Bilder und Möbel in seines Nachbarn Stube sehen konnte, deren Inneres vor ihm offen lag. '(Obgleich) kein Licht darin war, sah ich doch alles deutlich vermittelst eines Lichtstrahles, der von meiner Magengrube ausging...

Sobald ich den Wunsch hatte, (diesen Raum) zu betreten, fühlte ich mich dahin versetzt... zum erstenmal in meinem Leben.' Er prägte sich den Anblick des Zimmers genau ein, merkte sich insbesondere die Titel mehrerer Werke auf einem Bücherständer u. a. m. Das weitere ist ihm aber nur dunkel erinnerlich.

Er meint in Italien gewesen zu sein, weiß aber nicht, was er dort getan. Der bloße Gedanke führte ihn hierhin und dahin. .. Früh um 5 erwachte er auf seinem Sofa, 'steif und kalt'. Am selben Tage noch betrat er unter einem unschuldigen Vorwande das Zimmer seines Nachbarn und überzeugte sich, wie er versichert, von der Richtigkeit seiner nächtlichen Beobachtungen in jeder Einzelheit. [1]

Die Berichte häufen sich und wiederholen sich doch nur. Ein Leutnant, in dessen Stube Kohlengas entweicht, 'steht' gleichfalls plötzlich mitten in seinem Zimmer, liest in einem Buche auf seinem Tisch, vermag aber das Blatt nicht umzuschlagen, geht durch die Wand ins nächste Zimmer, spricht zu dem dort zeichnenden Kameraden, berührt ihn, bläst ihn an, aber ohne sich bemerkbar machen zu können,

kehrt in sein Zimmer zurück, sieht seinen Körper noch auf dem Bette liegen, geht durchs Fenster auf die Straße, zum Bahnhof, beobachtet das Manövrieren der Züge, betritt einen Tunnel, von dessen Dasein er nichts gewußt, wo er die Arbeiter beobachtet; er sieht schließlich seinen Burschen seinen Körper rütteln und das Fenster aufreißen...

Die Wahrnehmungen des zeichnenden Freundes, des Tunnels und der Arbeiter darin werden am nächsten Tage nachgeprüft und als richtig festgestellt. [2]

Endlich stoßen wir auch auf Berichte experimenteller Exkursion: das Subjekt versetzt sich willkürlich aus dem Leibe hinaus, den es dann vor sich liegen sieht.

So schreibt Mlle. Haemmerle am 25.-26. Aug. 1902: 'Als ich mich abends zu Bett begab, fühlte ich mich aufgelegt zur Erzeugung eines Doppelgängers. Ich machte zuerst einen Versuch und sah auf sechs Schritte Entfernung meinen Körper im Bette liegen.

Wieder zu mir kommend, sagte ich mir, daß ich imstande sei, einen größeren Versuch zu machen. Ich fühlte mich nach Frankreich versetzt,... (dachte) an Sie (Rochas) und befand mich gleich darauf am Fuße Ihres Bettes' usw. [3]

[1] Gibier 146ff. Vgl. Dr. Wiltses Erfahrung Pr VIII 180, auf die ich in anderem Zusammenhang zurückkomme.
[2] OR März 1908 159f. Vgl. Kerners Magikon IV 197ff.
[3] Rochas in ASP Sept. 1906; daraus in PS XXXIV 83f. Vgl. Galmeil I 244f.; L'ann. occ. et psych. 1908 251ff. Chinesische Parallelen im Lie sien tschuan (übs. v. Laloy), ref. in AR XVIIl 432.


Kap XLVII. Hinausversetzung des Bewußtseins.                     (S. 508)

Halten wir hier zu einiger kritischer Besinnung inne. Die vorgeführten Berichte entsprechen natürlich nicht den Anforderungen, die an Beobachtungen von so großer möglicher Wichtigkeit gestellt werden müssen.

Der geistige Rang der Zeugen, die zeitliche Unmittelbarkeit der Zeugnisabgabe, die Möglichkeiten nachträglicher Verfälschung - dies alles bleibt vielfach im Ungewissen. Den vorletzten Bericht (eines Exleutnants) erhalten wir überhaupt nur aus zweiter Hand, dazu aus weiblicher und liebender, vielleicht bewundernd ausschmückender:

von der Braut des Perzipienten. Ludlow berichtet zwar Selbstgeschautes, zeigt sich aber in seinem Bekenntnisbuch als ein Schilderer von phantastischem Hochflug; Dr. Hartmanns Bericht ist 24 (!) Jahre nach dem beschriebenen Erlebnis abgefaßt, er selbst ein 'Okkultist' im weniger Vertrauen erweckenden Sinn des Wortes.

Dr. Gibier glaubte anfangs selbst an Mystifizierung durch seinen Gewährsmann und wurde erst durch dessen Ernst und augenscheinliche Bestürzung über das Erlebnis davon abgebracht. So rät vieles zur Vorsicht in der Abschätzung gerade der Einzelheiten.

Immerhin ist die Beweislast, die auf diesen Einzelheiten des Gesamtvorgangs ruht, eine sehr ungleiche. Die Tatsache der subjektiven Empfindung einer Hinausversetzung aus dem eigenen Körper, selbst in Verbindung mit dem Anblick dieses Körpers, wird ja auch von der geltenden Psychologie nicht bestritten. Nur ihre Verarbeitung ist 'hüben' und 'drüben' eine verschiedene.

Der akademische Psychologe könnte ihre Deutung etwa an Beobachtungen über Anästhesien und Parästhesien der Muskulatur oder der Haut zu knüpfen suchen; die Erfahrung des Sichdoppeltfühlens ist vielen krankhaften Zuständen geläufig: man glaubt noch Einen neben sich im Bette, glaubt zwei Paar Beine, zwei Köpfe oder dgl. m. zu haben.

Störungen der Innervationsgefühle führen mitunter zu Wahnvorstellungen über die Haltung der Glieder und Halluzinationen von Bewegungen einzelner Gliedmaßen, [1] Fälschungen des Muskelgefühls zur Empfindung des Versinkens. [2]

Die Einbildung des Fliegens ist wohl den Meisten aus dem normalen Traume vertraut, ihre vielfach beliebte 'okkultistische' Deutung aber durch mannigfache wissenschaftliche Deutungen wirksam bekämpft worden, in denen Atmungsempfindungen, Druckanästhesien der tragenden Körperfläche oder vorstellungsmäßige Anreize im Sinne der Psychanalyse eine Rolle spielen.

Die Exkursionsempfindungen der Hexen älterer Zeit werden jetzt meist auf das Hyoszyamin zurückgeführt, das in dem Bilsenkraut der Hexensalbe enthalten war und - neben narkotischem Rauschzustand - Erleichterung der Atmung und eben damit die Empfindung des Fliegens bewirkt habe. [3] Prof. Oesterreich beschrieb, unter dem Namen der Pseudolokalisation, Empfindungen von Kranken, die, während sie sich im Spiegel betrachten, nicht sicher sind,

[1] Janet, Névr. I 22.
[2] Nach Hitzig bei Dr. A. Cramer, Die Halluz. im Muskelsinn bei Geisteskranken... (Freib. 1889) 8ff.
[3] Hennig, Wunder u. Wissensch. I 89.


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Kap XLVII. Hinausversetzung des Bewußtseins.                     (S. 509)

wo sie sich lokalisieren sollen: ob sie nicht 'hinter sich' seien, [1] – ähnlich der obigen Schilderung Rosemary Gorehams. Und er verweist auf die Äußerungen von psychasthenischen Kranken Hesnards, die sich fragen, wo sie seien: 'Ich bin außerhalb meines Leibes', sagt einer geradezu, 'seine Person ist entfernt von ihm selber'. [2]

Von diesen Tatsachen der anerkannten Pathologie haben die erstgenannten, wie mir scheint, kaum etwas mit den hier fraglichen Erfahrungen gemein, die letztgenannten sind wahrscheinlich mit ihrer einfachsten Phase identisch. Aber sind diese Erfahrungen damit abgetan, daß ihr Vorkommen in krankhaften Zuständen festgestellt wird?

Man begegnet nicht selten diesem eigentümlichen Schlusse. In Wahrheit ist doch, was bei Irren, Hysterischen oder Nervenschwachen beobachtet wird, damit noch nicht einer möglicherweise metapsychischen Deutung entrückt, vielmehr mag eine solche selbst dereinst zum Verständnis dieser noch keineswegs übermäßig verständlichen Leiden beitragen. [3]

Die eigentliche Kritik der fraglichen Erfahrungen dürfte woanders anzugreifen haben: sie müßte das Element übernormaler Wahrnehmung bezweifeln, auf das sie vor allem ihren Anspruch auf mehr als pathologische Bedeutung gründen. Nun ist dieser Anspruch in den angeführten Fällen unleugbar kein starker.

Das Erblicken des eigenen Körpers wird man mühelos als Bestandteil eines parästhetischen Traumes zu begreifen glauben, und wo zu dieser Selbstwahrnehmung noch Beobachtungen der Umwelt treten, ist deren subjektive Färbung nicht nur leicht zu vermuten, sondern gelegentlich auch sicher zu erweisen.

Da mehrere der angeführten Beobachtungen Narkosen betreffen, so darf uns z.B. die Feststellung interessieren, daß Beschreibungen Chloroformierter, welche vorgaben, ihrer Operation Schritt für Schritt gefolgt zu sein, mit den wirklichen Vorgängen unter dem Messer mehrfach nicht die geringste Ähnlichkeit hatten. [4]

Diejenigen der oben angeführten Fälle, in denen außer dem eigenen Leibe noch ein Teil der örtlichen Umgebung, auch der normalerweise unbekannten, gesehen sein sollte, entbehren durchaus der genügenden und unabhängigen Bezeugung des wirklichen Zutreffens dieser angeblich nicht traumhaft zu deutenden Elemente.

Gegenüber Varleys zweiter Beobachtung mag man argwöhnen - was argwöhnt man nicht Berichten dieser Art gegenüber? -, er habe 'im Schlaf' die Arbeiter auf dem Hofe reden gehört, das Vorhandensein von Bauholz aus Geräuschen erschlossen und das Bild eines Hofes zurechtgeträumt, dessen später festgestellte Ähnlichkeit mit der Wirklichkeit größtenteils auf Einbildung beruht habe. Frl. Swobodas Bericht wiederum möchte man entgegenhalten, sie

[1] Oesterreich I 268f.
[2] Hesnard 61. 141.
[3] Gänzlich verschiedenartige Dinge vermengt Jastrow (247), wenn er einen unzweideutigen Fall von extra-bodily feeling mit Beobachtungen über sog. Pseudointellektionen (vgl. o. Kap. XXXIV) zusammenstellt.
[4] S. z.B. Dunbar in JSPR XI 268.


Kap XLVII. Hinausversetzung des Bewußtseins.                     (S. 510)

habe das Lesen und Reden, das Gehen und Kommen im Halbschlaf gehört, alles weitere aber sei hinzugeträumt.

Immerhin ist anzuerkennen, daß die Einschätzung dieser Berichte wesentlich von dem Urteil abhängen wird, das man sich betreffs der Tatsächlichkeit von Hellsehen überhaupt gebildet hat. Gilt uns die Tatsache des Hellsehens durch das früher Beigebrachte für erwiesen, so wäre es am Ende unklug, ihre mangelhafte Erweisung in den vorstehenden Fällen übermäßig zu betonen, anstatt vielmehr nur das hinzutretende Besondere der subjektiven Exkursion in Betracht zu ziehen.

Dieses Besondere bildet dann unstreitig einen neuen Typ, eine jener natürlichen Gruppen von Tatsachen, die sich bei erweiterter Einsicht in das weite Gebiet des Metapsychischen von selbst herausschälen.

Dann aber erhebt sich die Frage, wie dieses Besondere selbst aufzufassen sei: ob es nämlich ein wirkliches Hervor- und Hinausgehen aus dem Leibe von etwas Wesenhaftem, dinghaft in sich Zusammenhängendem beweise, etwa gar (wie das Subjekt so häufig offenbar sich einbildet) von einem Leibe mit Gliedmaßen, die das Subjekt bewegen, mit denen es zu fassen vermöge, oder ob dies alles nur ein Bestandteil seines Träumens sei, wieviel auch wahres Erfahren in dieses Träumen sich mengen mag.

Es erhebt sich also die Frage, ob überhaupt diese Wahrnehmungen im Zustande der Exkursion für echte Wahrnehmungen wirklicher Dinge zu halten seien - Wahrnehmungen mit den Sinnesorganen jenes Leibes, den der Exkurrierende zu besitzen glaubt -, oder ob auch sie nur eben wahre Halluzinationen seien, wie das bisher alle hellsehenden Wahrnehmungen zu sein schienen,

ob also am Ende auch das Heraustreten aus dem Leibe, das Hingelangen an einen andern Ort und Wahrnehmen daselbst wie von einem natürlichen Blickpunkt aus nur eine sonderbar realistische Einzelheit jenes Schöpfens aus dem Wissen von 'A' sei, soz. ein Sich-Umherversetzen des Subjekts in den quasi-räumlichen Verhältnissen oder dem Raumwissen von A in den Formen des räumlichen Sehens.

Wie man sieht, eine Alternative von einschneidender Bedeutsamkeit, die zahllose weitere Fragen in ihrem Schoße birgt. Sei einstweilen nur festgestellt, daß in den bisher berichteten Tatsachen kein zwingender Grund enthalten scheint, über die Einschätzung der Wahrnehmungen-in-der-Exkursion als Halluzinationen, wenn auch wahrer, d.h. Wirklichkeit wiedergebender hinauszugehen.

Und daß diese Deutung überhaupt, daß sie jedenfalls auch zutreffend sein könne, beweist ja jeder beliebige Fall, in welchem sich das Gefühl von Exkursion mit unbestreitbar halluzinatorischem Erkennen verbindet.

Hier ist einer: Mrs. Finch berichtet über einen Versuch, den Prof. Richet mit ihr machte, ihr den Namen eines Freundes und andere Einzelheiten über ihn telepathisch mitzuteilen. Dieser Versuch mißlang eine Nacht und einen Tag lang. 'In der nächsten Nacht ging ich zu Bett mit dem festen Entschluß, den Namen des Freundes


Kap XLVII. Hinausversetzung des Bewußtseins.                     (S. 511)

zu finden, oder wenigstens seinen Anfangsbuchstaben. Kaum hatte ich den Kopf auf die Kissen gelegt, so glaubte ich mich außerhalb meines Körpers zu befinden. Letzteren sah ich regungslos auf dem Bette liegen.

Ich bewegte mich vom Bette fort, um Prof. Richet aufzusuchen, als zu meiner Freude (sein) Traumbild.. . hereinkam. Sogleich ergriff mein Traum-Ich dieses Traumbild Richets bei der Hand - es war alles so lebendig, daß ich die ganze Szene wieder vor mir sehe - und sagte zu ihm: Nun wir beide außerhalb des Körpers sind, können Sie mir den Namen Ihres Freundes sagen.

Das Traumbild, in einer Unterredung, verweigerte dies brüsk: sie müsse ihn selbst finden, und wandte sich wie zum Gehen, 'und in diesem Augenblick sah ich die zwei großen Buchstaben P.P. aus seiner Stirne springen', was sie ihm triumphierend nachrief. 'Dann wandte ich mich schnell zu meinem Körper, in der Absicht, aufzuwachen und die eroberte Erkenntnis niederzuschreiben . . .

Ich wachte in der Tat auf und notierte die Zeit. Ich hatte genau eine halbe Stunde geschlafen. . . Und als ich die Anfangsbuchstaben aufschrieb, strömten andere Einzelheiten über den Freund in meine Seele. (Alles war) völlig zutreffend.' [1]

[1] Aus Light in PS XXXIV 592f. Andere Selbstbeob. Scheintoter, Narkotisierter und Ekstatischer betr. ein Ineinander von anscheinend objekt. Wahrnehmungen und traumhaft-halluz. Bildern s. de Ferriem 12f. 34; OR  Aug. 1907 73ff.; St. Martin, Corresp. (with) Kirchberger (Exeter 1863) 21.

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