Der «Geller-Effekt» - eine Interview- und Fragebogenuntersuchung
HANS BENDER, RAINER HAMPEL, HELMUT KURY UND SUSANNE WENDLANDT


Teil I: Anlaß, Methode und Teilergebnisse der Untersuchung

Übersicht
Im Januar 1974 demonstrierte Uri Geller im Zweiten Deutschen Fernsehen seine weltweit umstrittenen Experimente mit «Löffelbiegen» und dem Wiederingangsetzen defekter Uhren. Anschließend forderte die «Bild»-Zeitung ihre Leser auf, Besteckteile und defekte Uhren zu einer bestimmten Zeit bereitzuhalten, in der sich Geller auf sie konzentrieren würde.

Die außerordentliche Reaktion des Publikums - ein sozialpsychologisches und vermutlich auch parapsychologisches Unikum - wurde zum Gegenstand einer Interview- und Fragebogenuntersuchung gemacht. Aus 2550 Meldungen von Berichterstattern (1100 Adressen vom Fernsehen - BRD und Schweiz - und 1450 Briefen and die «Bild»-Redaktion) wurde eine regional gleichmäßig verteilte Zufallsstichprobe für 80 Interviews auserwählt.

Aufgrund dieses Materials wurde ein Fragebogen erstellt, der in zwei ersten Teilen (A und B) den behaupteten Vorgang (Wiederingangsetzen defekter Uhren und Deformation von Besteckteilen) differenziert festzustellen versucht und in einem allgemeinen dritten Teil C Fragen nach der Meinung über die Art der Bewirkung, Kenntnisfragen über Parapsychologie und Einstellungsfragen über das «okkulte Umfeld»: Ufos, Leben nach dem Tode, Reinkarnation, Astrologie etc., sowie über die wirtschaftliche und politische Zukunftsperspektive (Angstfaktor) enthielt.

Ein Persönlichkeitsfragebogen (Freiburger Persönlichkeitsinventar in Kurzform: FPI-K) war beigegeben. In einem Vortest wurden 150 Berichterstatter erfaßt, in einem Haupttest weitere 850. Die hohe Rücklaufquote der postalisch versandten Fragebogen (72 % beim Haupttest) ließ die starke Motivation der Befragten erkennen.

Der vorliegende erste Teil der Veröffentlichung stellt die Ergebnisse der Fragebogenteile A und B dar, ergänzt durch Fallbeispiele aus den Interviews und aus Briefen. Diese machen es im höchsten Grade wahrscheinlich, daß echte PK-Phänomene geschehen sind.

Im Haupttest berichteten 402 Personen 559mal von wieder in Gang gesetzten Uhren, 151 nannten 243 Besteckdeformationen, darunter behaupteten 36, das Besteckteil sei zerbrochen. 24% der Uhren-Berichterstatter gibt an, daß das Phänomen spontan eingetreten sei, bei Bestecken sind es 17%. 56 Uhren- und 30 Besteck-Berichterstatter haben den Versuch wiederholt, die Erfolgsquoten sind 79 bzw. 56%. 

In Bezug auf die Statusdaten unterschied sich die Geller-Stichprobe nur in Bezug auf Alter und Geschlecht von der Gesamtpopulation (Überwiegen der über 60jährigen und der Frauen), was mit dem Zeitpunkt der «Bild»-Experimente zusammenhängen kann.

Das kasuistisch dargestellte Material wird in Analogie zu «Spuk»-Fällen interpretiert mit der Hypothese, daß die von Geller offenbar ausgehende Faszination PK-Reaktionen «okkult» ansprechbarer Personen auslöste. Die erstaunlichen Reaktionen, die sich in vielen Ländern zeigten, sind eines der Symptome der «okkulten Welle».


Teil II: Einstellungen, Psi-Informationsstand und «okkultes Umfeld» der Berichterstatter

Übersicht
Im vorliegenden Teil II der Untersuchung wird - wiederum ergänzt durch Aussagen aus Interviews - der Abschnitt C des Fragebogens (N = 612) auf Itemebene ausgewertet. Er ermittelt Meinungen über die Bewirkung der Phänomene (Besteckdeformationen und Wiederingangsetzen von Uhren) und über den Eindruck, den Uri Geller macht, untersucht ferner den Informationsstand in bezug auf die Bedeutung parapsychologischer Begriffe und die Vertrautheit mit paranormalen Sachverhalten.

Zur Bewertung der «Okkult-Bezogenheit»  («okkultes Umfeld») der Geller-Stichprobe wurden die Befragungsergebnisse einer Kontrollgruppe herangezogen. Nach Parallelisierung umfaßten die beiden Stichproben je 191 Personen.

Weitere Einstellungsfragen bezogen sich auf die Beziehung zum Religiösen und auf Politisch-Weltanschauliches. 51% der Befragten sind der Meinung, daß Uri Geller die Phänomene direkt bewirkt hat, 19% halten sich selbst, von Geller beeinflußt, für die Auslöser, 36% haben keine Erklärung. 47% führen die Phänomene auf «unbekannte Kräfte» zurück, 22% auf «übernatürliche». 75% der Befragten finden Geller «sympatisch» und 44% «wie andere junge Männer auch».

Nur 13% halten ihn für «einzigartig». Die Informationsfragen ergaben, daß von drei angebotenen Möglichkeiten 83% die Bedeutung des Begriffes «Telepathie» kannten, 54%  «Parapsychologie» und 43,5%  «Psychokinese» richtig zuordneten.

Im Vergleich zur Kontrollgruppe wies die Geller-Stichprobe im Verhältnis 50:30 eine stärkere «Okkult-Bezogenheit» auf (Astrologie, Vorzeichen, Prophetie, Wahrträume, UFOs), was eine Lebenseinstellung vermuten läßt, wie sie in der «okkulten Welle» zum Ausdruck kommt - der in der gesamten westlichen Welt feststellbaren Hinwendung zum Irrationalen.

Doch sind auch deutlich kritisch-informierte Tendenzen bemerkbar: mehr als die Hälfte der Geller-Stichprobe interpretiert die Phänomene im Rahmen der Parapsychologie. Mehr als die Hälfte der Kontrollgruppe hält die behaupteten Phänomene für Trick, während sich nur 2% der Geller-Berichterstatter für diese Möglichkeit entscheiden. Die Geller-Stichprobe steht der Kirche ferner als die Kontrollgruppe.


Teil III: Typische Einstellungen (Syndrome) und Persönlichkeitsmerkmale

Übersicht
In Teil III der vorliegenden Untersuchung wird die Frage gestellt, welches die Einstellungshintergründe der Berichterstatter sind, die im Sinne des «Geller-Effekts» reagierten.

Der Auswertung liegt Teil C des Fragebogens zugrunde, der mehr als 100 Items umfaßt. Gefragt wurde nach der Haltung zu Uri Geller, dem «okkulten» Umfeld im allgemeinen, der religiösen und weltanschaulichen Haltung (Zukunftsperspektive), weiter nach den damit verbundenen Persönlichkeitserlebnissen wie Träume, Wetterfühligkeit, Glücks- und Pechsträhnen.

Zudem hatten die Berichterstatter einen Persönlichkeitsfragebogen, das Freiburger Persönlichkeitsinventar in Kurzform (FPI-K), auszufüllen. Diese Vielzahl von Items wurde, ihrer  Zusammengehörigkeit entsprechend, mit Hilfe der Faktorenanalyse zu Einstellungsmustern (clusters) zusammengefaßt.

Die so gewonnenen Syndrome wurden folgendermaßen verbal etikettiert:  «Schicksalsgläubigkeit», «Geller- und Wundergläubigkeit»,  «intellektuelles Interesse am Okkulten», «unmittelbare oder mittelbare Okkulterfahrung»,  «magisches Eigenmachtsgefühl»,  «religiöse Gebundenheit» und  «gehobenes vs. gedrücktes Lebensgefühl».

Die faktorenanalytisch gewonnenen Itemzusammenhänge (Syndrome, Dimensionen) wurden dann in Beziehung gesetzt: a) zu Statusmerkmalen, b) zueinander, c) zu Persönlichkeitsmerkmalen des FPI-K. die Korrelation mit Statusmerkmalen ergab keine signifikanten Skalen-Mittelwertsunterschiede in bezug auf  «Schicksalsgläubigkeit». Die Dimension «Geller- und Wundergläubigkeit» zeigte, daß Frauen, Ältere und Volksschüler in erhöhtem Maße  «gellergläubig» sind.

Bei den «intellektuell Okkultgläubigen» gab es, wie zu erwarten stand, signifikante Bildungsunterschiede. Die Interkorrelation der Syndrome zeigte, daß «Geller- und Wundergläubigkeit» nicht mit anderen Syndromen signifikant korreliert, also als autonomes Syndrom betrachtet werden muß, als eine Einstellung sui generis.

Ein «Geller-Fan» ist demnach nicht notwendig «okkultbezogen» oder schicksalsgläubig, braucht keine mittelbare oder unmittelbare «Okkulterfahrung» zu haben. Das Persönlichkeitsinventar FPI-K zeigte, daß die Geller-Stichprobe sich insgesamt im Hinblick auf die erfaßten Persönlichkeitszüge nicht bedeutsam von der Gesamtbevölkerung unterscheidet.

Allerdings korreliert das einige Syndrome übergreifende Merkmal «Okkultbezogenheit»  positiv mit Aggressivität und Neurotizismus. Dieser Bezug zeigte sich jedoch auch in der Kontrollstichprobe.


 

Diese Beiträge erschienen in der
"Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie", und zwar
Teil I:   im  Jg. 17/1975, Heft Nr. 1, S. 219
Teil II:  im  Jg. 18/1976  Heft Nr. 1, S. 1
Teil III: im  Jg. 18/1976  Heft Nr. 1, S. 105


Wir danken Herrn Eberhard Bauer vom IGPP für die zur Verfügungstellung der Zusammenfassungen der Untersuchungen und  für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung hier auf der Website.
(März 2008)


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