Der Verkehr mit der Geisterwelt Gottes - seine Gesetze und sein Zweck

von  Johannes Greber
 

 Teil 3 von 4


 

 

Die Lehre Christi und das heutige Christentum

 

Sehet zu, dass euch niemand gefangennehme durch die sogenannte Wissenschaft,

sowie durch die törichten und irreführenden Lehren, die sich auf menschliche

Überlieferungen stützen und von den bösen, die Welt beherrschenden Geistermächten

herrühren, aber mit der Lehre Christi nichts gemein haben.

(Kolosser 2, 8)

 

 

Die Geisterwelt Gottes als Quelle der Wahrheit

 

In der ersten spiritistischen Sitzung, die ich mitmachte, hatte ich an den durch das Medium sprechenden Geist die Frage gestellt: Wie kommt es, daß die Lehre Christi auf das heutige Christentum keinen Einfluß mehr auszuüben scheint? - Es wurde mir geantwortet, daß wir heute die Lehre Christi nicht mehr in ihrer ursprünglichen Reinheit und Klarheit besäßen, sondern daß sich im Laufe der Zeit viele menschliche Irrtümer in das Christentum eingeschlichen hätten.

 

Später wurde mir darüber eine eingehende Belehrung zuteil, in der die wirkliche Lehre Christi in Vergleich gestellt wurde mit den Glaubensbekenntnissen der heutigen christlichen Kirchen, besonders mit dem der katholischen Religion, deren Priester ich war.

 

Diese Belehrung lautete: Wo ist das Wasser eines Baches am reinsten und klarsten? An der Quelle oder an der Mündung? - Sicherlich an der Quelle. Fließt jedoch das Quellwasser als Bächlein weiter, dann verliert es seine Frische, verliert auch seine Reinheit und Klarheit. Trübe Wässerlein von rechts und links vermischen sich mit ihm in seinem Lauf. Die Abwässer menschlicher Behausungen nimmt es in sich auf, den Schmutz von Menschen und Tieren und menschlichen Betrieben.

 

Und wer dann seinen Durst daran stillen will, dem ist es keine Erquickung mehr. Nur mit Widerwillen trinkt er es in der äußersten Not, wo ihm kein Quellwasser zur Verfügung steht.

 

So geht es auch mit der Wahrheit. Aus der Quelle geschöpft, ist sie für den Menschengeist ein erfrischender, stärkender Trank, der neues Leben spendet. Aber aus dem Bach geschöpft, der schon eine weite Strecke durch die Niederung menschlicher Irrtümer und irdischer Leidenschaften hindurchgeflossen ist, hat sie ihre Reinheit und Frische verloren. Von den Beimischungen der Unwahrheit und des Irrtums hat sie einen üblen Geschmack bekommen. Von dem durstigen Wahrheitssucher wird sie nur mit innerem Widerstreben getrunken. Er schöpft nur dann aus diesem trüben Bach, wenn ihm das Quellwasser der Wahrheit versagt bleibt.

 

Auch die Lehre Christi hatte das Schicksal des Quellwassers, das als Bächlein durch irdische Behausungen fließt. Auch sie wurde bei ihrem Lauf durch die Menschheit verunreinigt. Das Böse im Menschen und die ihn umgebenden bösen Mächte haben die reine Lehre Christi so getrübt und ungenießbar gemacht, daß sie ihre lebenspendende Kraft verloren hat.

 

Die Quelle der Wahrheit ist Gott. Zu dieser Quelle kann der Mensch als irdisches Wesen nicht hinaufsteigen. Er ist auf die Wasserträger der Wahrheit angewiesen, die aus jener Quelle schöpfen. Es sind die Geisterboten Gottes. Nur sie haben Zutritt zu dieser Quelle. Nur sie besitzen die reinen Gefäße, in denen sie die Wahrheit frisch und ungetrübt der Menschheit überbringen können.

 

Der erste und größte Vermittler der Wahrheit war Christus als Geist in den Zeiten vor seiner Menschwerdung. Er war es, der teils selbst, teils durch die ihm unterstellte Geisterwelt der ersten Menschheit den Trunk der Wahrheit reichte. Daher der rege Geisterverkehr bei der ermatteten und kranken Welt des Alten Bundes. Daher das Auf- und Absteigen der Geister der Wahrheit im Anfang des Neuen Bundes, die immer wieder das Wasser der Wahrheit aus der Gottesquelle schöpften und es im Auftrage Christi den wahrheitsdurstigen Menschenseelen spendeten.

 

Es ist daher eine grundlegende Lehre des wahren Christentums, daß nicht Menschen aus sich Wahrheitskünder sein können. Menschen können dabei nur als Werkzeuge der Geisterwelt Gottes dienen.

 

Auch Christus konnte als Mensch von sich aus nicht zu der Quelle der Wahrheit emporsteigen. Als Mensch wußte er von der Wahrheit aus sich nicht mehr, als die anderen Menschen. Sein Wissen aus der Zeit, wo er als erstgeschaffener Geist bei Gott weilte, war durch seine Menschwerdung infolge seiner Einhüllung in den materiellen Leib ebenso erloschen, wie es bei allen anderen Menschen erloschen ist, obschon auch sie einst als Geister Gottes beim Vater weilten.

 

Die Eigenschaft der Materie, die Rückerinnerung an das frühere Dasein auszutilgen, wirkte bei dem menschgewordenen Christus in derselben Weise, wie bei jedem anderen Geist, der als Mensch verkörpert wird. Daher war auch Christus nach seiner Menschwerdung auf die Geisterboten angewiesen, die ihm der Vater sandte. Das bestätigte er mit den Worten: ‘Ihr werdet die Boten Gottes über dem Menschensohn auf- und absteigen sehen’ (Joh. 1, 51).

 

Er war nur ein Gesandter Gottes und hatte in diesem Punkte vor den bisherigen Gottgesandten nichts voraus. Denn auch diese waren von den Geistern Gottes belehrt worden. Ein Henoch, ein Abraham, ein Mose, alle Propheten des Alten Bundes haben nicht von sich aus geredet. Von allen gilt das Wort des Petrus: ‘Von einem heiligen Geiste geleitet haben diese Männer von Gott aus geredet. ’ Ein Geist Gottes gab ihnen ein, was sie reden sollten.

 

Christus selbst weist immer wieder darauf hin, daß er nicht aus sich rede, sondern nur das ausspreche, was er von seinem Vater gehört habe. Der Vater gab ihm die notwendigen Belehrungen durch seine Geisterboten, die beständig über dem Menschensohn auf- und abstiegen. ‘Ihr werdet erkennen, daß ich nichts von mir selbst tue, sondern so rede, wie mein Vater mich gelehrt hat’ (Joh. 8, 28). - ‘Was ich von ihm gehört habe, rede ich zu der Welt’ (Joh. 8, 26).

 

Aus derselben Quelle der Wahrheit, aus der Christus schöpfte, sollten alle diejenigen immer von neuem schöpfen, die seine Lehre weitertrugen. Also zunächst seine Apostel. Sie sollten das von Christus Vernommene nicht einfach nach eigener Auffassung weitergeben. Denn bei Menschen schleichen sich leicht Mißverständnisse ein, wenn sie das wiedergeben sollen, was ein anderer gesagt hat. Wenn Hundert dasselbe vortragen hören, so wird jeder dieser Hundert nachher bei der Wiedergabe des Gehörten in diesem oder jenem Punkte etwas anderes vorbringen, als der Vortragende gesagt oder gemeint hat.

 

Darum sollten auch die Apostel über das, was sie aus der menschlichen Rede Christi vernommen hatten, von den Geistern der Wahrheit von neuem unterrichtet werden, damit sich ja kein Irrtum infolge falscher Auffassung einschleichen könne. Sie sollten durch Gottes Geister sowohl eine Bestätigung der von Christus vorgetragenen Lehre erhalten, als auch in neue Wahrheiten eingeführt werden, die ihnen Christus hatte vorenthalten müssen, weil sie entweder nach dem Heilsplan Gottes vor dem Erlösungstod noch nicht verkündigt werden durften, oder weil die Apostel für diese Wahrheiten noch nicht reif waren und sie daher nicht verstanden hätten.

 

Die Richtigkeit dieser Darlegungen findest du in den Worten Christi selbst bestätigt: ‘Ich will den Vater bitten, daß er euch einen anderen Beistand senden möge, damit er für immer bei euch bleibe, die Geisterwelt der Wahrheit’ (Joh. 14, 16). - ‘Ich hätte euch noch viel zu sagen, doch ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jene Geisterwelt der Wahrheit gekommen ist, dann wird sie euch in die ganze Wahrheit einführen’ (Joh 16, 12-13). - ‘Der Beistand aber, die heilige Geisterwelt, die der Vater in meinem Namen senden wird, sie wird euch über alles Weitere belehren und euch an alles das erinnern, was ich euch gesagt habe’ (Joh. 14, 26).

 

Nach diesen Worten hatten also die Geister der Wahrheit eine doppelte Aufgabe. Zunächst sollten sie die Gläubigen an das erinnern, was Christus als Mensch sie gelehrt hatte. Sie sollten es als Wahrheit bestätigen. Dann aber hatten sie die von Christus begonnene Belehrung fortzusetzen und ihnen auch die Wahrheiten zu verkünden, die Christus aus den vorhin angeführten Gründen absichtlich übergangen hatte. Ferner sollten die Geister Gottes für immer bei ihnen bleiben.

 

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Denn die Gefahr des Irrtums war wegen der Macht des Bösen und der menschlichen Schwäche eine beständige. Es sollten also die später Lebenden nicht auf die religiösen Überlieferungen ihrer Vorfahren angewiesen sein. Denn solche menschlichen Überlieferungen boten ihnen keine Gewähr für die Wahrheit. Sie hätten daraus nicht erkennen können, was davon aus der Wahrheitsquelle Gottes und was aus menschlichem Irrtum stammte.

 

So kamen denn gemäß der Verheißung Christi nach seinem irdischen Tode beständig die Boten Gottes als Geister der Wahrheit. Auf sie berufen sich stets die Apostel, wenn sie von den Menschen Glauben für ihre Lehre fordern. Besonders bei Paulus findet ihr immer wieder den Hinweis auf diese Wahrheitsboten. ‘Meine Rede und meine Predigt erfolgte nicht mit eindrucksvollen Weisheitsworten, sondern mit Erweis eines Geistes Gottes und der Kraft Gottes.

 

Denn euer Glaube sollte nicht auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft gegründet sein... . Uns aber hat Gott dies durch seinen Geist geoffenbart ... Wir haben nicht einen Geist der Welt empfangen, sondern einen Geist, der von Gott stammt. Wir reden nicht mit Worten, wie menschliche Weisheit sie lehrt, sondern mit solchen, wie ein Geist Gottes sie lehrt, indem wir geistgewirkten Inhalt mit geistgewirkter Sprache verbinden. Ein weltlich gesinnter Mensch nimmt freilich nichts an, was von einem Geiste Gottes kommt. Es gilt ihm als Torheit. Er ist nicht imstande, es zu verstehen, weil es geistig beurteilt werden muß’ (1. Kor. 2, 4-5+ 10 + 12-14). -

 

‘Ihr seid ein Brief Christi, der von uns als seinen Dienern angefertigt ist, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit einem Geist des lebendigen Gottes’ (2. Kor. 3, 3). - ‘Ich weise euch darauf hin, liebe Brüder, daß die von mir verkündete Lehre nicht Menschenwerk ist. Ich habe sie ja auch von keinem Menschen empfangen und durch keinen Unterricht gelernt, sondern durch eine Offenbarung Jesu Christi’ (Gal. 1, 11-12).

 

Aber nicht nur die Apostel empfingen ihre Lehre von Geistern Gottes, sondern auch die ‘Medien’, die allenthalben in den Gemeinden angetroffen wurden. Man nannte sie, wie du weißt, ‘Propheten’. Paulus schreibt, daß die Geheimnisse Christi jetzt ‘seinen heiligen Aposteln und Propheten durch einen Geist Gottes geoffenbart worden sind’(Eph. 3, 5).

 

Durch diese Medien als Werkzeuge der guten Geister konnten die Gläubigen jederzeit Gewißheit erlangen, ob eine Lehre richtig und wie sie aufzufassen sei. Darum schreibt Paulus an die Philipper: ‘Wenn ihr über irgend etwas anderer Meinung seid, so wird Gott euch darüber Klarheit geben’ (Phil. 3, 15). Sie konnten Gott in ihren gottesdienstlichen Versammlungen befragen und erhielten die Antwort durch die Geister Gottes, die durch die Medien sprachen.

 

Petrus sagt sowohl von den früheren Propheten, als auch von denjenigen, die zu seiner Zeit die Heilsbotschaft verkündigten, daß sie ‘in der Kraft eines vom Himmel gesandten heiligen Geistes gepredigt haben’ (1. Petrus 1, 12) und fügt in einem anderen Brief hinzu: ‘Denn noch niemals ist eine Weissagung durch menschlichen Willen zustandegekommen, sondern von einem heiligen Geiste geleitet, haben die Menschen von Gott geredet’ (2. Petrus 1, 21).

 

Das in der Bibel so oft gebrauchte Wort ‘Weissagung’ bedeutet nicht, wie ihr meint, das Vorhersagen eines zukünftigen Ereignisses, sondern jedes Sprechen eines Geistes Gottes durch ein menschliches Medium.

 

Im Alten Bunde fordert Gott die Menschen auf, bei ihm die Wahrheit zu suchen: ‘Fragt mich!’ - und er gab sie ihnen durch seine Geisterboten. Christus empfing als Mensch nach seinem eigenen Geständnis die Wahrheit von Geistern Gottes. Er verspricht seinen Aposteln die Einführung in alle Wahrheit durch Geister der Wahrheit. Die Apostel bezeugen, daß diese Verheißung Christi bei ihnen in Erfüllung gegangen ist, daß sie also ihre Lehre von Gottes Geistern empfangen haben.

 

Und woher schöpft das heutige Christentum die Wahrheit? Können die christlichen Prediger der verschiedenen Religionsgemeinschaften auch von sich sagen, ein Geist Gottes rede aus ihnen? Können sie mit Paulus bekennen, sie hätten ihre Lehre nicht von Menschen empfangen und nicht durch menschlichen Unterricht erworben, sondern durch eine Offenbarung Christi? - Nein, das können sie nicht. Sie sind Angestellte ihrer Kirchen.

 

Die Religion dieser Kirchen haben sie in einem menschlichen Unterricht erlernt, in Schulen, Seminaren, Universitäten. Menschenweisheit, Professorenweisheit mit allen ihren Irrtümern haben sie in sich aufgenommen und predigen sie ihren Gläubigen.

 

Von Geistern als Boten Gottes und Kündern der Wahrheit wissen sie nichts. Es gilt ihnen, wie Paulus sagt, als Torheit, daß auch heute noch eine Lehre von einem Geiste Gottes kommen sollte. Das ist nach ihrer Ansicht in den jetzigen Zeiten nicht mehr erforderlich. Das war, wie sie meinen, wohl früher nötig, als die Menschheit angeblich noch viel unwissender war, als in eurem aufgeklärten Zeitalter.

 

Ein Mann wie Mose mußte sich noch mit dem Geisterreich Gottes in Verbindung setzen und ‘Gott befragen’, um die Wahrheit zu erfahren. Die großen Propheten mußten es, Christus mußte es, sowie die Apostel. Aber heute gilt das alles als veraltet, als überlebt. Ihr seid ja in euren Wissenschaften so weit fortgeschritten, ihr könnt alle lesen und schreiben und habt Millionen Bücher. Aus ihnen schöpft ihr. Und dazu habt ihr ja so viele gelehrte Theologen, Doktoren und Professoren.

 

Diese müssen doch wohl wissen, was Wahrheit ist. In Wirklichkeit haben gerade diese Doktoren und Professoren der ‘heiligen Theologie’ jene Lehren eingeführt, vor denen Paulus mit den Worten warnt: ‘Sehet zu, daß euch niemand gefangennehme durch die Wissenschaft und eitle Täuschung, die sich auf menschliche Überlieferung, auf die Geistermächte der Welt gründet, aber mit der Lehre Christi nichts zu tun hat’ (Kol. 2, 8) . -

 

‘Sie möchten als Gelehrte angesehen werden; aber sie besitzen nicht das geringste Verständnis für die Bedeutung der von ihnen gebrauchten Ausdrücke noch für die Dinge selbst, über die sie so zuversichtliche Behauptungen aufstellen’ (1. Tim. 1, 7). - ‘Das sind die Leute, die Parteiungen verursachen, bloße Sinnesmenschen, die einen heiligen Geist nicht erhalten haben’ (Jud. 19).

 

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Menschliche Irrtümer in den Lehren der christlichen Kirchen

 

Die Geisterwelt Gottes ist in den christlichen Kirchen schon seit langem ausgeschaltet. Die Leiter der Kirchen haben den heiligen Geist ausgelöscht. Wo aber die Geister Gottes haben weichen müssen, da stellen sich andere Geistermächte ein, von denen Paulus an Timotheus schreibt: ‘Der Geist aber sagt ausdrücklich, daß in späteren Zeiten manche vom rechten Glauben abfallen werden, indem sie sich irreführenden Geistern und Lehren zuwenden, die von den Dämonen stammen’ (1. Tim. 4, 1).

 

Anstelle der Geister des Guten wurden die Mächte des Bösen wirksam. Diese haben ja das größte Interesse daran, die Wahrheit zu verdunkeln und in ihr Gegenteil zu verkehren. Sie benutzen alle Schwächen der Menschen dazu, um zu ihrem Ziele zu kommen. Menschliche Eitelkeit und irdischen Gelehrtenstolz, menschlichen Hunger nach Macht, Ehre, Geld und Wohlleben. Das alles dient ihnen dazu, die Wahrheiten der Weisheit, der Liebe und des Erbarmens Gottes zu verfälschen und daraus Fesseln zu schmieden, mit denen die Leiter der Kirchen das arme, unerfahrene Volk ketten und sich dienstbar machen.

 

Die Wurzel alles Bösen ist die Habsucht - die Liebe zum Geld. Auch in euren christlichen Kirchen spielt das Geld eine große Rolle. Satan hat gewußt, was er tat, als er das Geld als Lockmittel auch in die Religionen hineinwarf. Er wußte, daß er damit die geistlichen Führer am festesten an den Irrtum binden konnte. Er wußte, daß keiner von ihnen so leicht seine gutbezahlte Lebensstellung als Religionsdiener einer Kirche aufgeben werde, selbst wenn er das Irrige der von ihm gepredigten Lehre einmal einsehen sollte.

 

So drangen denn seit der Zeit, wo man auf die Verbindung mit der Geisterwelt Gottes als den einzigen Weg zur Wahrheit verzichtete, die mannigfachsten und folgenschwersten Irrtümer in das Christentum ein. Von Jahrhundert zu Jahrhundert wurde es schlimmer. Eine Wahrheit nach der anderen wurde vom Irrtum verseucht und ungenießbar gemacht.

 

Und was war die Folge? Heute steht ihr vor einem hundertfältig gespaltenen Christentum, vor zahllosen Religionsgemeinschaften, die alle etwas anderes als Wahrheit verkünden und von denen jede ihr Glaubensbekenntnis als die wahre Lehre Christi ausgibt. Und da wundert ihr euch, daß ein so verfälschtes und zerrissenes Christentum keinen Einfluß mehr auf die Menschheit ausübt? Gebt dem Volk das Christentum der ersten Christen wieder!

 

Nehmt die geistigen Lasten von seinen Schultern, die ihr durch eure Menschensatzungen aus Herrschsucht darauf gelegt habt, und setzt die Menschheit wieder in Verbindung mit den Wahrheitsboten Gottes - und ihr werdet staunen, welche Wirkung das echte Christentum auch auf die heutige Menschheit auszuüben imstande ist.

 

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Es gibt kein unfehlbares Papsttum

 

Die katholische Kirche sucht die Zersplitterung in so viele christliche ‘Sekten’, wie sie es nennt, damit zu erklären, daß alle anderen christlichen Gemeinschaften von ihr als der allein wahren und seligmachenden Kirche abgewichen seien. Aber ich werde dir zeigen, daß auch die katholische Kirche von dem Christentum Christi und der Apostel fast nichts mehr besitzt.

 

Sie hat es allerdings verstanden, für die im ersten Christentum wirkenden Geister Gottes einen menschlichen Ersatz zu schaffen. Sie führte ein ‘unfehlbares Papsttum’ ein. Das war die einfachste Lösung der Wahrheitsfrage. Nun war Christus der Mühe enthoben, die Geister der Wahrheit zu den irrenden Menschen zu senden, wie er es verheißen hatte. Auch brauchte er sein Versprechen, daß er selbst bei seinen Gläubigen alle Tage bis zum Ende der Welt bleiben werde, nicht mehr zu erfüllen. Denn es war ja ein ‘Stellvertreter Christi’ auf Erden. Wo ein Stellvertreter ist, braucht der nicht zu erscheinen, der vertreten wird.

 

Durch die Lehre von einem unfehlbaren Stellvertreter Christi auf Erden wurde die Vermittlung der göttlichen Wahrheiten ganz in die Hände irrender und sündiger Menschen gelegt unter Ausschluß der Wahrheitsboten Gottes. So war der menschlichen Willkür und irdischen Machtgelüsten Tür und Tor geöffnet.

 

Zwar erklärt ihr, daß auch bei der Papstwahl der ‘Heilige Geist’ mitwirke. Aber ihr könnt keinen einzigen Fall angeben, in dem ein Papst durch einen Geist Gottes für sein Amt bestimmt worden wäre. Oder hat je ein Geist Gottes bei den Papstwahlen durch einen der Wähler als Werkzeug Gottes angegeben, wer Papst werden solle, wie es die Geister Gottes in den ersten christlichen Gemeinden durch die Medien taten, wenn einer als Ältester oder als Bischof bestellt werden sollte?

 

Schaue dir in der Geschichte des Papsttums die Vorgänge bei den Papstwahlen an. Ging es dabei oft nicht recht teuflisch zu? Hat man nicht sogar Waffengewalt angewendet, um Anhängern und Günstlingen gewisser Familien die Tiara aufs Haupt zu setzen? War nicht eine Reihe von Päpsten in ihrem Tun und in ihrer ganzen Lebensführung eher ein Werkzeug der Hölle, als ein ‘Stellvertreter Christi’?

 

Doch, um diesen Einwand zu beseitigen, seid ihr auf eine merkwürdige Erklärung verfallen. Ihr unterscheidet zwischen dem Papst als Mensch und dem Papst als ‘Stellvertreter Christi’. Ihr behauptet, daß auch der schlechteste Mensch, sobald er Papst sei, Christi Stelle vertrete und die Gabe der Unfehlbarkeit besitze. Also ein Werkzeug Satans und gleichzeitig Christi Stellvertreter! Ist das nicht die größte Lästerung, die ihr Christus und Gott zufügen könnt?

 

Würde irgend ein Mensch seinen größten Feind auch nur für eine Stunde zu seinem Stellvertreter machen? Gewiß nicht. Und Gott und Christus sollten das tun? Gott sollte die hohen Gaben seiner Heilsordnung einem Diener der Hölle anvertrauen?

 

Euer gesunder Menschenverstand muß euch sagen, daß dies unmöglich ist. Die Geister Gottes kommen mit ihren Gaben nur zu dem gottestreuen Menschen und verbleiben nur so lange bei ihm, als seine Treue währt. Das siehst du in der Geschichte des Königs Saul. Solange dieser begnadete König Gott gehorsam war, stand er täglich mit der Geisterwelt Gottes in Verbindung und konnte ‘Gott befragen’, wenn er in irgend einem Punkte nicht die Wahrheit erkannte, und er erhielt stets die Antwort Gottes durch die Geister der Wahrheit.

 

Als er aber Gott die Treue brach, hörte in demselben Augenblicke der Verkehr mit der Geisterwelt Gottes auf. Auf seine Fragen, die er an Gott richtete, erhielt er keine Antwort mehr. Anstatt der Geisterboten Gottes nahmen die bösen Geister von ihm Besitz. Alle hohen Gaben waren ihm genommen.

 

Ein schlechter Mensch kann nie und nimmer Träger heiliger Gaben Gottes sein - auch kein schlechter Papst. Also besaßen wenigstens die schlechten Päpste niemals die Gabe der Unfehlbarkeit. Da ihr aber bei keinem Papste, wie überhaupt bei keinem Menschen, die Gewißheit habt, ob er innerlich ein Freund oder Feind Gottes ist, so könnt ihr auch niemals wissen, ob die Lehre eines Papstes Wahrheit oder Irrtum ist.

 

Also nur Gott wählt sich die Menschen aus, zu denen er die Geister der Wahrheit sendet. Nicht menschliche Wahl kann einen Menschen zum Träger der Wahrheiten Gottes machen. Nicht einmal Christus wählte sich seine Apostel nach seinem eigenen Gutdünken aus. Denn die Apostelgeschichte sagt euch ausdrücklich, daß er sie ‘kraft eines heiligen Geistes’ erwählt habe (Apg. 1, 2).

 

Daraus folgt, daß Gott erst recht nicht an ein menschliches Amt, wie es das Papsttum ist, die Gabe der Unfehlbarkeit knüpfen kann. Ganz irrig sind daher auch die Auslegungen, die ihr manchen Stellen des Neuen Testamentes gebt, um die Lehre von dem unfehlbaren Papsttum zu beweisen.

 

Ihr weist auf die Worte Christi an Petrus hin: ‘Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Auch will ich dir die Schlüssel des Himmelreiches geben; und was du auf der Erde bindest, das wird auch im Himmel gebunden sein; und was du auf der Erde lösest, das wird auch im Himmel gelöst sein’ (Matth. 16, 18-19).

 

Aus diesen Worten schließt ihr, daß Petrus als Mensch das Fundament der Kirche Christi gewesen sei; daß er als Leiter dieser Kirche in der Verkündigung der Wahrheit nicht irren könne und daß er die Binde- und Lösegewalt über die Glieder der Kirche empfangen habe. Nun sei das Amt des Petrus auf seine Nachfolger übergegangen. Diese Nachfolger aber seien die römischen Päpste. Infolgedessen hätten auch sie dieselben Gaben und Gewalten, die ein Petrus besaß.

 

Dies alles sind große Trugschlüsse. Nicht der Mensch Petrus wurde von Christus als der Fels bezeichnet, auf dem er seine Kirche bauen wolle. Nur dem Glauben des Petrus gab er diese Verheißung. Der Petrusglaube an Christus als den von Gott gesandten Messias ist das Dauernde, Unvergängliche und von der Hölle nicht zu Überwältigende - nicht die Person des Petrus.

 

Diesen Petrus hatte die Hölle schon bald nachher überwältigt, als er Christus unter einem Eidschwur dreimal verleugnete. Gerade Petrus zeigt, wie wenig Gott auf einen Menschen sich verlassen und daß er auf Menschen keine Heilsordnung aufbauen kann. Das hieße auf Sand bauen. Nur eines ist unwandelbar: Die Wahrheit und der Glaube an die von Gottes Geistern übermittelte Wahrheit.

 

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Auch Petrus hatte die Wahrheit, daß Christus der Messias sei, von Boten Gottes empfangen. Denn Christus sagte zu ihm: ‘Nicht Fleisch und Blut hat dir das geoffenbart, sondern mein Vater im Himmel. ’ Und weil Petrus diese Wahrheit von Geistern Gottes empfangen hatte, glaubte er sie. Mit diesem Glauben stand er auf unerschütterlichem Felsgrund. Denn die Geisterwelt Gottes lügt nicht. Und jeder andere, der so tut, wie Petrus getan, steht auf demselben Felsen, auf dem Petrus mit seinem Glauben stand.

 

Wer die Wahrheit Gottes aus der Hand der Wahrheitsboten Gottes entgegenzunehmen und daran zu glauben bereit ist, gehört zur Kirche Christi. Sie ist daher eine geistige Kirche. Sie kennt keine äußere Zugehörigkeit in der Form der Mitgliedschaft einer irdischen Kirchenorganisation. Sie kennt keine Priester und Bischöfe mit den Machtvollkommenheiten, wie sie die Geistlichkeit der katholischen Kirche für sich in Anspruch nimmt. Sie kennt keinen unfehlbaren Papst. Christus hat keinen Stellvertreter auf Erden. Zur Kirche Christi gehören Menschen aus allen Religionen der Welt.

 

Diese geistige Kirche Christi kann nie vom Bösen überwunden werden. Denn sie ist die Quelle der Wahrheit, und die Wahrheit ist unüberwindlich. Ihre Wahrheitsboten sind nicht Menschen nicht Päpste, Bischöfe und Priester - sondern die Geister Gottes.

 

Die ‘Schlüssel des Himmelreiches’, die Christus dem Petrus wegen seines Glaubens zu übergeben versprach, sind die Wahrheiten Gottes. Mit ihnen sollte er binden und lösen, indem er die Schlüssel der Wahrheit an die im Irrtum Befangenen weiterreichte. Wer die Schlüssel nicht annahm, indem er sich durch Unglauben der Wahrheit widersetzte, wurde noch fester an seinen Irrtum gebunden. Wer jedoch willig nach dem dargereichten Schlüssel griff, dessen Fesseln des Irrtums wurden gelöst.

 

Das Gebunden- und Gelöstwerden hatte seine Wirkung sowohl für das irdische, als besonders für das jenseitige Leben. Dasselbe Bild von den ‘Schlüsseln des Himmelreiches’ wendet Christus bei den geistlichen Führern des damaligen jüdischen Volkes an. Diese hatten durch ihre falsche Lehre dem Volke den verkehrten Schlüssel gegeben, mit dem man die Tür des Reiches Gottes nicht öffnen konnte.

 

Und den richtigen Schlüssel, den ein Johannes der Täufer und Christus selbst ihm anbot und den das Volk auch anzunehmen bereit war, riß die jüdische Geistlichkeit ihm aus der Hand. Darum rief Christus aus: ‘Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr schließt das Himmelreich vor den Menschen zu. Ihr selbst geht ja nicht hinein; aber ihr laßt auch die nicht hinein, die hineingehen möchten’ (Matth. 23, 13).

 

Die Worte: ‘Weide meine Lämmer, weide meine Schafe!’, die Christus nach seiner Auferstehung an Petrus richtete, deutet ihr ebenfalls als eine Bevorzugung des Petrus. Doch mit Unrecht. Petrus hatte seinen Meister unter Eidschwüren dreimal öffentlich verleugnet. Nach menschlichem Ermessen mußte man annehmen, daß Christus den ungetreuen Jünger entlassen und ihm das Apostelamt entziehen würde. Auch Petrus selbst war überzeugt, daß der Meister ihn verstoßen werde gemäß seinen eigenen Worten: ‘Wer mich vor den Menschen verleugnet, den werde ich auch vor meinem himmlischen Vater verleugnen.’ (Matth. 10,33) -

 

Ihr Menschen würdet es jedenfalls unter ähnlichen Umständen getan haben. - Aber Christus hatte Erbarmen mit dem reuigen Petrus. Er stellte ihn wieder den übrigen Aposteln gleich und übertrug auch ihm das Hirtenamt. Auch er sollte gleich seinen bisherigen Mitaposteln, trotz der begangenen Untreue, seine Mitmenschen auf die Weide der Wahrheit führen. Seine dreimalige Frage: ‘Petrus, liebst du mich?’ sollte den tiefgefallenen Petrus an die dreimalige Verleugnung erinnern und ihm zum Bewußtsein bringen, wie groß die Güte Gottes gegen ihn war, die trotz allem Vorgefallenen ihn doch als Verkünder des Reiches Gottes und als Werkzeug der Geister Gottes beibehalten wollte.

 

Du siehst, wie irrig die Auslegungen der angeführten Bibelstellen durch deine bisherige Kirche sind und daß sie daraus keinen Beweis für eine bevorzugte Stellung des Petrus und die Unfehlbarkeit des römischen Papstes ableiten kann. Die Hölle hat diese Kirche längst überwunden, und das Böse ist auch die Urheberin der Unfehlbarkeitslehre. Denn da die meisten Lehren dieser Kirche große Irrtümer sind, ist die Hölle bemüht, jene Irrtümer in der Menschheit möglichst lange zu erhalten.

 

Das erreicht sie am besten mit dem Machtmittel der Unfehlbarkeit. Die Kirche kann ja die Irrtümer nicht mehr rückgängig machen, weil sie dieselben unter dem Siegel der Unfehlbarkeit lehrt. Sie aufzugeben hieße sich selbst vernichten. In eurer Papstlehre häuft sich Unwahrheit auf Unwahrheit.

 

So ist es auch eine geschichtliche Unwahrheit, daß der römische Bischof ein direkter Nachfolger des Petrus im Apostelamt sei. Denn die Bischöfe der ersten Christengemeinden wurden weder von einem Apostel, noch durch eine menschliche Wahl für ihr Amt bestimmt, sondern nur durch die sich kundgebenden Geister Gottes. Und wenn in einzelnen Fällen ein Apostel oder Apostelschüler einen als Bischof in sein Amt einführte, so tat er es erst dann, wenn ein Geist Gottes jenen als Bischof bestimmt hatte.

 

Außerdem hatte ja kein Bischof vor einem anderen einen Vorzug und kein Apostel eine höhere Gewalt, als seine Mitapostel. ‘Mir ist es gleichgültig’ , sagt Paulus, ‘wie groß das Ansehen der Apostel war. Denn Gott nimmt auf das Ansehen eines Menschen keine Rücksicht’ (Gal. 2, 6). - Und an derselben Stelle schildert er, wie er einmal dem Apostel Petrus mit aller Schärfe entgegengetreten sei und ihm vor der ganzen Gemeinde vorgehalten habe, daß er nicht in Übereinstimmung mit der Wahrheit des Evangeliums wandle.

 

Wenn es genügt hätte, daß Gott dem Apostel Petrus als dem ersten unfehlbaren Papst die Heilswahrheiten offenbarte, dann brauchten die Geister Gottes erst recht nicht zu den ersten Christengemeinden zu kommen. Sie besaßen ja dann in Petrus eine unfehlbare Quelle der Wahrheit. Und warum wurde denn Paulus nicht zu Petrus geschickt, um von ihm die Wahrheit zu empfangen? Er war doch in seiner nächsten Nähe. Warum wurde er anstatt dessen gemäß seinen eigenen Worten von Christus selbst belehrt?

 

Die Einzelwahrheiten der Lehre Christi möchte ich dir nun in ihren Hauptzügen vor Augen führen. Ich will sie dabei in Vergleich stellen mit den Lehren des heutigen Christentums, vor allem mit den Lehren, die du bisher als Priester der katholischen Kirche gepredigt hast. So erfülle ich einen von dir längst gehegten Wunsch. Damit ist dann auch jede andere, von der wahren Lehre Christi abweichende Lehre der übrigen christlichen Kirchen als irrig dargetan.

 

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Es gibt keinen dreipersönlichen Gott

 

Christus lehrte einen einpersönlichen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Er kennt keinen Gott in drei Personen, wie es die katholische Kirche und andere christliche Kirchen lehren. Nur der Vater ist Gott. Kein anderer ist ihm gleich, weder der Sohn, noch das, was ihr ‘Heiliger Geist’ nennt.

 

Nach seiner Auferstehung sagte Christus: ‘Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott’ (Joh. 20, 17).

 

Nach den Worten Christi steht der Vater über allem. ‘Mein Vater, der die Schafe mir gegeben hat, ist größer als alles, und niemand vermag sie der Hand des Vaters zu entreißen’ (Joh. 10, 29). Wenn der Vater größer als alles ist, dann gibt es nichts, was ihm gleichkommt. Dann ist er auch größer als der Sohn. Das bestätigt Christus mit den Worten: ‘Der Vater ist größer als ich’ (Joh. 14, 28). - Auch nennt er den Vater den allein Guten. Wenn einer Jesus mit ‘guter Meister’ anredete, pflegte er zu sagen: ‘Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut, als Gott allein’ (Lk. 18, 19).

 

Weil Gott über allem steht, darum kann er auch Macht geben, wem er will. Alle Macht hat er dem Sohne verliehen. ‘Du hast dem Sohn die Macht über alles Fleisch verliehen, damit er allem, was du ihm gegeben hast, ewiges Leben verleihe’ (Joh. 17, 2). Daß Christus nicht Gott ist, habe ich dir in ausführlicher Weise an Hand der Heiligen Schrift dargetan, als ich dich über sein Leben und sein Werk belehrte. Auch nach der Lehre der Apostel ist bloß der Vater Gott und nicht der Sohn.

 

Denn Paulus schreibt: ‘Wir wissen, daß es keinen anderen Gott gibt als den einen. Denn mag es auch sogenannte Götter, sei es im Himmel, sei es auf Erden, geben - es gibt ja viele solcher Götter und viele Herren - , so gibt es für uns Christen doch nur einen Gott, den Vater, von dem alle Dinge sind und für den wir geschaffen sind. ’ (1. Kor. 8, 4-6).

 

Ferner nennt Paulus den Vater ‘den Gott Christi’. ‘Der Gott unseres Herrn Jesus Christus wolle euch einen Geist der Weisheit geben’ (Eph. 1, 17). - Nach ihm wird die Erscheinung Jesu Christi herbeigeführt ‘durch den allein Gewaltigen, der allein Unsterblichkeit besitzt, der da wohnt in unzugänglichem Lichte’ (1. Tim. 6, 15-16).

 

Wenn der Vater allein Unsterblichkeit besitzt, dann besitzt sie der Sohn nicht. Wenn der Vater der allein Gewaltige ist, dann ist es nicht der Sohn. Dann besitzt der Sohn aus sich keine Allmacht. Also ist der Sohn nicht Gott, sondern er ist das, als was er sich selbst bezeichnet und als was ihn die Apostel einstimmig ausgeben - er ist der ‘Sohn Gottes’, geringer als der Vater, ein Geschöpf des Vaters.

 

Die ganze Bibel, sowohl des Alten als auch des Neuen Testamentes, kennt nur einen Gott in einer Person. Der Vater ist Gott und zwar der alleinige Gott. Keiner der Söhne Gottes, weder der Erstgeborene noch die anderen Söhne Gottes, sind Gott.

 

Weil ihr Christus zum Gott macht, habt ihr die unüberwindlichen Schwierigkeiten, die Persönlichkeit, das Leben, Leiden und Sterben Jesu zu verstehen. Es hindert euch, seine so klare Lehre über seine Stellung zum Vater als das zu nehmen, was sie in Wirklichkeit ist: Nämlich als die Stellung eines Geschöpfes Gottes, wenn auch des höchsten Geschöpfes, zu seinem Schöpfer. Zu welch törichten Erfindungen müssen doch eure Theologen ihre Zuflucht nehmen, um die unleugbaren Tatsachen im Leben Jesu und seine eigenen Worte in Einklang zu bringen mit seiner angeblichen Gottheit.

 

Sie konstruieren sich die Person Jesu in der Weise zusammen, daß sie sagen, in dem Menschen Christus seien zwei Geister gewesen: Der göttliche Geist und ein menschlicher Geist. Daher habe Christus zweierlei Willen und zweierlei Wissen gehabt: Einen göttlichen und einen menschlichen Willen, ein göttliches und ein menschliches Wissen. Trotzdem seien die beiden Geister nur eine Persönlichkeit. - Das alles sind Wahngebilde.

 

Jeder Geist ist eine selbständige Persönlichkeit, und selbst Gott kann nicht zwei Geister zu einer Persönlichkeit verschmelzen, wie er auch nicht zwei Menschen zu einem Menschen verschmelzen kann. Er kann es trotz seiner Allmacht nicht, weil es in sich ein Widerspruch ist, daß zwei gleich eins sein soll.

 

Euer gesunder Menschenverstand muß euch sagen, daß Christus, wenn er Gott gewesen wäre, am Kreuze nicht hätte ausrufen können: ‘Mein Gott, warum hast du mich verlassen?’ Gott kann sich doch nicht selbst verlassen. Und wenn es in der Heiligen Schrift heißt, durch die Kraft des Vaters sei Christus von den Toten erweckt worden, weshalb war denn die Kraft des Vaters dazu nötig, wenn Christus selbst Gott war?

 

Nach seinem irdischen Tode hatte er doch alles Menschliche abgelegt und war nur noch Gott und als solcher dem Vater in allem gleich, wie ihr lehrt. Er hatte also dieselbe Kraft wie der Vater. Warum denn die Kraft von einem anderen benötigen, wenn man sie selbst besitzt? Das sind doch unlösliche Widersprüche.

 

Wie könnt ihr es ferner erklären, daß Christus nicht ein einziges Mal sagt: ‘Ich bin Gott - dem Vater in allem gleich. ’ Er hat doch an zahllosen Stellen über sein Verhältnis zu Gott gesprochen, und er sollte nicht ein einziges Mal die Wahrheit gesagt haben, nämlich daß er selbst Gott sei. Aber er nennt sich bloß den ‘Sohn Gottes’ und beteuert, daß er in allem vom Vater abhängig sei. Er erklärt feierlich: ‘Darin besteht das ewige Leben, daß sie dich, den allein wahren Gott, erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus. ’

 

Er ist nur der Gesandte Gottes - aber nicht Gott. Paulus nennt ihn den ‘Erstling der Schöpfung’. Er ist also von Gott geschaffen und somit ein Geschöpf Gottes und ebensowenig Gott, wie alle anderen Geschöpfe Gott sind.

 

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Bibelfälschungen

 

Weil man keinen Anhaltspunkt für die falsche Lehre, daß Christus Gott sei, im Neuen Testament finden konnte, verlegte man sich auf das Mittel der Fälschung mehrerer Bibelstellen, um so Beweisstellen für die Gottheit Christi zu schaffen. Einige davon will ich dir anführen. Im Briefe an die Römer schreibt Paulus: ‘Gern wollte ich selbst aus der Gemeinschaft mit Christus ausgestoßen sein, wenn ich dadurch meine Brüder, meine Stammesverwandten nach dem Fleische retten könnte:

 

Sie sind ja Israeliten, denen die Annahme zum Gottesvolk und die Herrlichkeit, die Bündnisse und die Gesetzgebung, der Gottesdienst und die Verheißungen zuteil geworden sind; denen die Erzväter angehören und aus deren Mitte der Messias leiblich hervorgegangen ist. Der über allem waltende Gott sei dafür gepriesen in Ewigkeit. Amen. ’ (Röm. 9, 3-5)

 

Aus innigem Dank dafür, daß der Messias als Mensch aus demselben Volke hervorgegangen ist, dem er selbst angehört, spricht hier Paulus einen Lobpreis Gottes aus, wie er das öfters in seinen Briefen tut. Nun hat man diese Stelle zu einer Fälschung benutzt, indem man übersetzte: ‘... aus deren Mitte der Messias leiblich hervorgegangen ist, der da ist der über allem waltende Gott, gepriesen in Ewigkeit. ’

Durch diese Fälschung hat man den Messias zum Gott gestempelt.

 

Eine ähnliche Fälschung nahm man vor bei folgender Stelle in dem Brief des Paulus an Titus: ‘Dabei sollen wir auf unser seliges Hoffnungsgut und auf die Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und auf die unseres Heilandes Christus Jesus warten. ’ (Tit. 2, 13)

 

Hier spricht Paulus von der Herrlichkeit des großen Gottes, zu der zu gelangen das Ziel der ganzen materiellen Schöpfung ist und von der Herrlichkeit unseres Heilandes Christus Jesus, durch die wir in die Herrlichkeit Gottes eingeführt werden nach den Worten Christi: ‘Niemand kommt zum Vater außer durch mich. ’ Paulus unterscheidet also hier die Herrlichkeit des Vaters von der Herrlichkeit Christi. Diese Stelle hat man nun in die falsche Fassung gebracht:

 

‘Dabei sollen wir auf unser seliges Hoffnungsgut und auf die Erscheinung unseres großen Gottes und Heilandes Christus Jesus warten. ’ Durch diese Übersetzung soll bei dem Leser der Eindruck erweckt werden, als sei Christus der große Gott, auf dessen Herrlichkeit wir warten sollen.

 

Solche Fälschungen werden freilich demjenigen sofort zum Bewußtsein kommen, der mit den Briefen des Apostels Paulus vertraut ist. Denn er weiß, wie scharf dieser Apostel in allen seinen Schreiben die Person Christi von der Person Gottes unterscheidet; wie er den Vater den ‘Gott Christi’ nennt und Christus bloß als den vom Vater bestimmten ‘Herrn’ bezeichnet; wie er lehrt, daß Gott alle Feinde dem Sohn unterwerfen werde, und zwar als letzten Feind den Todesfürsten Luzifer selbst; daß aber dann der Sohn auch sich selbst dem unterwerfen werde, der ihm alles unterworfen habe, damit Gott alles in allen sei (1. Kor. 15, 27-28). -

 

Sein Gruß lautet stets: ‘Gnade sei mit euch und Frieden von Gott, unserem Vater und vom Herrn Jesus Christus. ’ Er sagt nie: ‘Und von Gott dem Sohn.

Wenn daher aus irgendeiner Stelle eurer jetzigen Bibel etwas anderes herausgelesen wird als die Wahrheit, daß nur der Vater Gott ist, dann ist entweder die Übersetzung in eure Sprachen falsch oder es liegt schon eine Fälschung des griechischen Textes vor, aus dem eure Übersetzungen angefertigt sind. Manchmal liegt sowohl eine Fälschung des griechischen Textes, als auch eine falsche Übersetzung in eure Sprache bei ein und derselben Stelle vor.

 

Eine solche hast du im Briefe des Paulus an die Philipper, die nach eurer heutigen Übersetzung lautet: ‘Ein jeglicher sei gesinnt, wie Jesus Christus es war. Obwohl dieser in göttlicher Gestalt war, hielt er es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an’ (Phil. 2, 5-6).

 

Der richtige Text lautet: ‘Dieselbe Gesinnung sei in euch allen, wie sie in Christus Jesus war; denn wiewohl er in seiner äußeren Gestalt wie ein Gott aussah, hat er es doch nicht als eine Selbstberaubung angesehen, sich vor Gott zu demütigen, sondern er hat sich entäußert und die äußere Gestalt eines Sklaven angenommen. ’ Daß Christus in der Gestaltung seines himmlischen Leibes als Geist wie ein Gott aussah, ist die Wahrheit, und alle Geister, die ihn zum erstenmal sehen, meinen Gott zu sehen - so herrlich hat Gott seinen Erstgeborenen ausgestattet.

 

Die grobe Fälschung in diesem Text besteht darin, daß anstatt der Worte: ‘... sich vor Gott zu demütigen’ die Worte eingeschoben wurden: ‘Gott gleich zu sein. ’

 

Da soeben der Ausdruck gebraucht wurde: ‘Wie ein Gott aussehen’, so möchte ich hier die Stelle aus dem Anfang des Johannes-Evangeliums anschließen, die ihr ebenfalls als Beweis für die Gottheit Christi anführt: ‘Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. ’

 

Zunächst heißt es nicht: Gott war das Wort, sondern ‘ein Gott’ war das Wort.

 

Hier gebraucht Johannes die Bezeichnung ‘ein Gott’, wie sie im Sprachgebrauch der damaligen Zeit für diejenigen angewandt wurde, die besondere Werkzeuge Gottes waren und als Gesandte Gottes mit dem allein wahren Gott in besonderer Verbindung standen. Denselben Sprachgebrauch wandte einst Gott bei Mose, dem großen Gottgesandten und Vorbild Christi an, indem er zu Mose sagte: ‘Aaron soll für dich zum Volke reden; er soll dein Mund sein - und du sollst sein ‘Gott’ sein’ (2. Mose 4, 16).

 

Dasselbe bestätigt Christus den Juden gegenüber, die ihm vorwarfen, er mache sich Gott gleich, weil er sich als ‘Sohn Gottes’ bezeichnete. Er fragte sie: ‘Steht nicht in eurem Gesetz geschrieben: Ich habe gesagt: ihr seid Götter? Wenn nun die Schrift die Männer, an die ein Auftrag Gottes erging, ‘Götter’ genannt hat, wie könnt ihr da mir, den der Vater geweiht und in die Welt gesandt hat, Gotteslästerung vorwerfen, weil ich gesagt habe: Ich bin Gottes Sohn?’

 

Christus sagt also in diesen Worten: ‘Wie könnt ihr behaupten, ich mache mich Gott gleich, indem ich mich als Sohn Gottes ausgebe? Selbst wenn ich mich ‘einen Gott’ genannt hätte, wäre dies keine Gotteslästerung. Denn diejenigen, die bisher als Gesandte Gottes auftraten, wurden ‘Götter’ genannt, weil sie Aufträge Gottes zu verkünden hatten. Um wieviel mehr könnte ich mich daher ‘einen Gott’ nennen, da mir die höchste Aufgabe übertragen ist, die je einem Gesandten Gottes zuteil wurde.

 

Aber ich vermeide absichtlich die Bezeichnung ‘Gott’, um keine falsche Deutung dieses Wortes zu veranlassen und nenne mich den ‘Sohn Gottes’, der ich auch in Wirklichkeit bin.’

 

Ebenso schreibt Paulus: ‘mag es auch sogenannte ‘Götter’, sei es im Himmel, sei es auf Erden, geben - es gibt ja viele solcher Götter und viele Herren - , so gibt es doch für uns Christen nur einen Gott, den Vater ... und nur einen Herrn, Jesus Christus’ (1. Kor. 8, 5-6).

 

Paulus möchte also den Ausdruck ‘Gott’ bei den Christen nicht mehr in dem uneigentlichen Sinn gebraucht wissen, in dem er bisher auch auf Geschöpfe Gottes angewandt wurde, sondern sie sollen die Bezeichnung ‘Gott’ nur dann gebrauchen, wenn sie den einen wahren Gott, ‘den Vater’ damit meinen und niemand als ‘Herrn’ bezeichnen außer Jesus Christus. Also auch Jesus Christus durften sie nicht als ‘Gott’ bezeichnen.

 

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Eine andere Fälschung findet sich im Briefe des Johannes. Die Stelle lautet in der richtigen Fassung: ‘Wir wissen, daß der Sohn Gottes gekommen ist und uns Einsicht verliehen hat, um den Wahrhaftigen zu erkennen. Und wir stehen in der Gemeinschaft mit dem Wahrhaftigen, indem wir in Gemeinschaft mit seinem Sohne sind. Dieser ist wahrhaftig und ewiges Leben.’ (1. Joh. 5, 20).

 

Hier hat man außer anderen Fehlern vor allem das Wort ‘Gott’ im letzten Satz hinzugefügt, so daß dieser lautet: ‘Dieser ist der wahrhaftige Gott und ewiges Leben. ’

 

Johannes lehrt hier dasselbe, was Christus und die Apostel an so vielen Stellen ausgesprochen haben, nämlich: Gott ist der Wahrhaftige. Aber auch der Sohn ist wahrhaftig. Denn er spricht die Worte Gottes. Er lehrt ja bloß das, was der Vater ihm aufgetragen hat. Er ist also in allem, was er verkündigt, ebenso wahrhaftig wie der Vater selbst. Diejenigen, die daher in der Gemeinschaft mit dem Sohne stehen, sind dadurch auch in der Gemeinschaft mit dem wahrhaftigen Gott. Und da Gott seinem Sohn ewiges Leben verliehen hat, so ist der Sohn für alle, die in Gemeinschaft mit ihm sind, ebenfalls ewiges Leben.

 

Als Hauptbeweisstelle für die Lehre, daß in Gott drei Personen seien, die zusammen nur einen Gott ausmachen sollen, dient jene große Fälschung im Briefe des Apostels Johannes, deren richtiger Text lautet: ‘So sind es also drei, die Zeugnis ablegen: Der Geist, das Wasser und das Blut, und diese drei stimmen in ihrem Zeugnis überein’ (1. Joh. 5, 7-8).

 

Die Fälscher haben hier den Satz hinzugefügt: ‘Und drei sind im Himmel, die Zeugnis geben: Der Vater, Das Wort und der Geist, und diese drei sind eins. ’ Daß dieser ganze letzte Satz eine erfundene Einschiebung ist, wissen auch eure katholischen Theologen. Trotzdem ist sie immer noch in den katholischen Bibelausgaben enthalten, während andere christliche Kirchen sie daraus entfernt haben.

 

Außer dieser Fälschung habt ihr im ganzen Neuen Testament auch nicht einmal einen scheinbaren Anhaltspunkt für die Lehre, daß das, was ihr ‘Heiliger Geist’ nennt, gleicher Gott mit dem Vater sein soll.

 

Was das Neue Testament mit ‘Heiliger Geist’ bezeichnet, bedeutet die Gesamtheit der guten Geisterwelt. Gott ist ein heiliger Geist. Er ist der höchste und heiligste aller Geister. Der Sohn Gottes ist ein heiliger Geist. Er ist der höchste und heiligste der geschaffenen Geister. Die hohen Himmelsfürsten, ein Michael, ein Gabriel, ein Raphael und viele andere sind heilige Geister. Alle Heerscharen Gottes sind heilige Geister. Auch Luzifer war vor seinem Abfall ein heiliger Geist. Alle Menschen und die ganze materielle Schöpfung waren einmal heilige Geister.

 

Das große Mißverständnis, das durch die Bezeichnung ‘der Heilige Geist’ hervorgerufen wurde, rührt von den falschen Übersetzungen des griechischen Textes des Neuen Testamentes her. Wo dort ‘ein’ heiliger Geist zu lesen ist, haben eure Übersetzer unbegreiflicher Weise ‘der’ Heilige Geist geschrieben. Man muß sich deshalb darüber wundern, weil die Übersetzer doch Männer waren, welche die griechische Sprache beherrschten und genau wußten, wie streng gerade diese Sprache im Gebrauch des bestimmten und des unbestimmten Geschlechtswortes ist.

 

Du hast ja früher während deiner Studien die griechische Sprache gelernt, in der das Neue Testament euch abschriftlich überliefert ist. Soviel wirst du von dieser Sprache wohl noch verstehen, daß du an Hand des griechischen Neuen Testamentes meine Behauptung nachprüfen kannst.

 

Ich will nur einige Stellen aus der überaus großen Anzahl herausgreifen. Ich nehme das Evangelium des Matthäus. Da heißt es gleich in den ersten Kapiteln von Maria, daß sie von ‘einem’ heiligen Geist guter Hoffnung war, nicht von ‘dem’ Heiligen Geist. Und einige Zeilen weiter: Das von ihr zu erwartende Kind stammt von ‘einem’ heiligen Geist - nicht von ‘dem’ Heiligen Geist, als ob es bloß einen einzigen heiligen Geist gäbe. Wenn du das Evangelium des Lukas nachschlägst, so wirst du dasselbe finden. Auch hier heißt es:

 

‘Ein’ heiliger Geist wird auf dich kommen und die Kraft ‘eines’ sehr Hohen wird dich überschatten - und nicht, wie eure Übersetzung lautet: ‘Der’ Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft ‘des Allerhöchsten’ dich überschatten . Es war nicht der Allerhöchste, der sie überschattete, sondern einer von den höchsten Geistern Gottes.

 

Ebenso heißt es schon vorher von der Geburt des Johannes: Mit ‘einem’ heiligen Geist wird er von Geburt an erfüllt sein. Und nachher von Elisabeth: Sie wurde mit ‘einem’ heiligen Geist erfüllt. Ebenso bei Zacharias: Er wurde mit ‘einem’ heiligen Geist erfüllt.

 

Christus sagt: ‘Wenn ich aber die bösen Geister durch ‘einen’ Geist Gottes austreibe... ’(Matth. 12, 28). Und Johannes, der Täufer erklärt: ‘Der nach mir kommt, wird euch mit ‘einem’ heiligen Geist taufen’ (Mark. 1, 8).

 

Die Apostelgeschichte sagt in den ersten Zeilen von Jesus, daß er sich die Apostel kraft ‘eines’ heiligen Geistes erwählt hat und schildert, wie am Pfingstfest ‘ein’ heiliger Geist auf jeden der Anwesenden kam und sie erfüllt wurden von ‘einem’ heiligen Geist.

 

Bei der Erklärung des 12. und 14. Kapitels des 1. Korintherbriefes habe ich dich bereits auf diesen verhängnisvollen Übersetzungsfehler aufmerksam gemacht, durch den in euch die Meinung erweckt wird, es gäbe bloß einen einzigen heiligen Geist, und dieser sei eine göttliche Person, eines Wesens mit dem Vater, wie ja auch deine bisherige Kirche lehrt. An allen Stellen, an denen der griechische Text ‘ein’ heiliger Geist oder ‘ein’ Geist sagt, haben eure Übersetzer ‘der’ Heilige Geist oder ‘der’ Geist geschrieben.

 

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Wenn es in den griechischen Bibelurkunden ‘ein’ Geist heißt, dann ist einer von vielen gemeint. Ihr begeht daher einen sinnentstellenden Fehler, wenn ihr ‘der’ Heilige Geist dafür setzt. Es gibt in jenen Urkunden allerdings auch Stellen, in denen es ‘der’ Heilige Geist oder ‘der’ Geist heißt. In diesen Stellen bedeutet es entweder den Geist im Gegensatz zur Materie, wie in dem Satz: ‘Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach’ , oder es bedeutet den Geist Gottes, also Gott selbst oder eine bestimmte Art von Geistern, wie: Der Geist des Lichtes, der Geist der Finsternis, der Geist der Wahrheit, des Trostes.

 

Damit soll nicht gesagt werden, daß es bloß einen einzigen Geist des Lichtes, der Finsternis, Der Wahrheit, des Trostes, der Stärke gibt. Hier steht die Einzahl anstelle der Mehrzahl. Es ist dieselbe Ausdrucksweise, wie ihr sie auch in den heutigen Sprachen habt. Auch ihr sagt zu dem Kranken: ‘Ich will dir ‘den’ Arzt holen. ’ Ihr wollt damit gewiß nicht zum Ausdruck bringen, daß es bloß eine einzigen Arzt gäbe. So sagt ihr auch: ‘Der’ Bauersmann hatte dieses Jahr eine gute Ernte und meint damit den ganzen Bauernstand. So wendet ihr die Bezeichnung: ‘Der’ Handwerker, ‘der’ Jurist, ‘der’ Künstler, ‘der’ Theologe an, wenn ihr alle Handwerker, Juristen, Künstler, Theologen meint.

 

Wenn also Christus sagt: Ich werde euch ‘den’ Geist der Wahrheit senden, so meint er ‘die’ Geister der Wahrheit. Denn du weißt bereits, daß die Geister Gottes gemäß ihren Aufgaben nach Berufen eingeteilt sind . Es gibt Geister des Schutzes, Geister des Kampfes, Geister des Trostes, Geister der Stärke, Geister der Weisheit und zahllose andere Arten.

 

Ein Geist der Wahrheit hat ganz andere Aufgaben und daher auch andere Fähigkeiten als ein Geist aus den Legionen Michaels. Ein Geist des Kampfheeres kann nicht die Aufgabe eines Geistes des Trostes oder der Weisheit oder der Wahrheit übernehmen. Jeder Geist hat seinen bestimmten Beruf und die zur Ausübung dieses Berufes erforderlichen Gaben und Kräfte.

 

Auch Luzifer hat seine Geisterscharen nach besonderen Aufgaben gegliedert. Auch er hat sein Kampfheer, seine Geister der Lüge, der Trostlosigkeit, der Habsucht, des Stolzes, des Neides, der Rache, der Unzucht und jeder anderen Schlechtigkeit.

 

Die einzelnen Arten sowohl der guten als auch der bösen Geister sind Spezialisten in ihrem Fach und wissen die, an denen sie arbeiten, für das Gute oder das Schlechte ihres Spezialfaches reif zu machen.

 

Du siehst, wie die Lehre von dem dreipersönlichen Gott nicht nur dem gesunden Denken widerspricht, sondern auch in der Heiligen Schrift keinerlei Stütze hat. Wenn nun auch nur der Vater Gott ist, während der Sohn und die übrigen Geister seine Geschöpfe sind, so besteht doch zwischen Vater, Sohn und der guten Geisterwelt eine innige Zusammengehörigkeit und Einheit. Es ist die Einheit des Wollens und Wirkens. Was der Vater will, das will auch der Sohn und das wollen auch die dem Sohne unterstellten Geisterscharen.

 

Gott ist der Herr und Eigentümer der ganzen geistigen und materiellen Schöpfung. Ihm gehört alles. Dem Sohn hat er die Leitung der Schöpfung übertragen in ähnlicher Weise, wie nicht selten eure irdischen Fabrikherren dem ältesten Sohne die Leitung der Fabrik übertragen und ihm das gesamte Fabrikpersonal unterstellen. In einem solchen Falle empfängt der betreffende Sohn die Anweisungen und Aufträge von seinem Vater und ist von ihm in allem abhängig.

 

Denn der Vater ist und bleibt der Herr und Eigentümer der Fabrik und der Sohn kann in der Leitung des gesamten Betriebes nur nach den Anweisungen handeln, die er von seinem Vater erhalten hat. Aber den Angestellten und Arbeitern des Betriebes gegenüber ist der Sohn der ‘Herr’, dessen Anordnungen sie Folge zu leisten haben. Und alle Wünsche , die sie dem Vater als dem Fabrikeigentümer vortragen möchten, haben sie durch den Sohn als den Beauftragten und Stellvertreter des Fabrikeigentümers an diesen gelangen zu lassen.

 

Übertrage dieses menschliche Beispiel auf das Verhältnis zwischen Gott und dem Sohne Gottes, und alle Aussprüche Christi über seine Stellung zu Gott, seinem Vater, werden dir klarwerden. Alle Macht, deren der Sohn als Stellvertreter des Vaters zur Leitung der Schöpfung Gottes bedarf, hat er vom Vater erhalten. Er hat sie nicht aus sich. Alles ist dem Sohne unterstellt, aber nur auf Anordnung des Vaters.

 

Alles, was der Vater in der Schöpfung als seinem Eigentum wirken will, wirkt er durch den von ihm dazu beauftragten Sohn, und alles, was zu dem Vater gelangen soll, kann nur durch den Sohn zu ihm kommen. Daher der Ausspruch Christi: ‘Niemand kommt zum Vater, außer durch mich. ’

 

Der Sohn nimmt die Aufträge Gottes entgegen. Die er nicht selbst auszuführen hat, gibt er an diejenigen Geister weiter, die kraft ihres besonderen Berufes dafür in Frage kommen. Diese vollziehen sie im direkten Auftrage des Sohnes und im indirekten Auftrage des Vaters. Das ist auch der Sinn der Worte, die Christus bei der Aussendung der Apostel gebrauchte und die in eurer Bibel nicht ganz genau wiedergegeben sind. Er sagte: ‘Gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes, in einem heiligen Geiste’ (Matth. 28, 19).

 

Den Auftrag, den Christus den Aposteln gab, hatte er vom Vater erhalten. Darum handelten die Apostel bei der Ausführung des Auftrages indirekt im Namen des Vaters. Da sie ihn aber direkt durch den Sohn erhalten hatten, geschah die Ausführung im Namen des Sohnes. Weil die Ausführung aber nur möglich war, wenn ein Geist Gottes ihnen durch seine Kraft dabei half, so geschah sie in der Kraft eines heiligen Geistes oder ‘in einem heiligen Geiste’.

 

Die heiligen Geister, die sie dabei benötigten, wurden ihnen von Christus selbst zugewiesen. Auf sie berufen sich daher auch immer wieder die Apostel bei ihrer Lehrverkündigung und betonen, daß sie die Wahrheiten empfangen hätten durch Zuteilung eines heiligen Geistes.

 

So ist es auch bei allen euren gottgewollten Werken. Ihr tut sie in Erfüllung des Willens Gottes - also im Namen des Vaters: Der Wille Gottes ist kundgetan durch den Sohn, so daß ihr auch handelt im Namen des Sohnes, und die Kraft, die ihr dazu benötigt, empfangt ihr durch einen heiligen Geist. Ihr tut also das Werk in einem heiligen Geiste.

 

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Alles kommt wieder zu Gott

 

Über die Schöpfung Gottes und ihr Schicksal enthält das Neue Testament nicht viel. Die Wahrheiten über die Geisterschöpfung, den Abfall eines Teiles der Geisterwelt unter der Führung Luzifers, über die von Gott geschaffenen Besserungsstufen, auf denen die abgefallenen Geister wieder zu Gott zurückgeführt werden, über die Einhüllung der Geister in die Materie waren für die damaligen Zeiten ebenso schwer verständlich, wie sie es für eure jetzige Zeit sind.

 

Auch in den Briefen der Apostel findet ihr nicht viel davon. Denn dieser Wahrheitsstoff eignete sich sehr schlecht für eine briefliche Belehrung. Er konnte nur im mündlichen Vortrag dem Verständnis der Gläubigen nähergebracht werden.

 

Doch Paulus deutet an verschiedenen Stellen seiner Briefe diese Wahrheiten wenigstens an. Ihr versteht seine Ausführungen nicht, weil sie eurer religiösen Anschauung fremd geworden sind. So schreibt er in seinem Brief an die Römer: ‘Das sehnsüchtige Verlangen der ganzen Schöpfung wartet auf das Abstreifen der Hülle als Kinder Gottes.

 

Denn der materiellen Vergänglichkeit ist die Schöpfung unterworfen worden, nicht auf eigenen Wunsch hin, sondern auf Veranlassung dessen, der ihre Unterwerfung bewirkt hat, wegen der Hoffnung auf Rettung, weil ja auch die Schöpfung von der Knechtschaft des Verderbens erlöst und dadurch zu der Freiheit gelangen wird, die in der Herrlichkeit der Kinder Gottes besteht. Wir wissen ja, daß bis jetzt die ganze Schöpfung überall seufzt und mit Schmerzen einer Neugeburt harrt.

 

Und nicht sie allein, sondern auch wir selbst, die wir doch den Geist als Erstlingsgabe bereits besitzen, seufzen gleichfalls in unserem Inneren nach der Kindschaft, indem wir auf die Auflösung unseres Leibes warten. ’ (Röm. 8, 19-23)

 

Du kennst infolge meiner Belehrung die Zusammenhänge, von denen hier die Rede ist. Paulus sagt, daß die ganze Schöpfung mit Sehnsucht auf das Abstreifen der Hülle wartet. Es warten also darauf die Steine, die Pflanzen, die Kräuter, die Blumen, die Tiere, die Menschen. Ein sehnsüchtiges Warten ist nur möglich in einem Wesen, in dem ein Geist verkörpert ist. Es sind daher in der ganzen Schöpfung Geister in die verschiedenen Arten der Materie eingehüllt.

 

Es sind die einst abtrünnig gewordenen Geister, die zuerst als gehorsame Kinder Gottes und heilige Geister in Glanz und Herrlichkeit dastanden, dann aber ungehorsame Kinder wurden und sich dadurch den Ausschluß aus dem Vaterhaus Gottes zuzogen.

 

Aber Kinder Gottes sind sie heute noch, wenn auch verstoßene Kinder. Sie sehnen sich nach dem Vaterhaus zurück und ringen danach, wieder frei zu werden von der materiellen Hülle, mit der sie umgeben wurden, so wie das Kind in den Geburtswehen danach ringt, frei zu werden von der Hülle des Mutterschoßes. Jene Geister haben sich nicht aus eigener Entschließung diese Hülle bereitet, sondern Gott war es, der sie ihnen aus Erbarmen gab, um sie durch Läuterung und Prüfung zu retten.

 

Alle materiellen Wesen sehnen sich nach dieser Rettung, wenn sie auch nicht den Weg und das Ziel dieser Rettung kennen und wünschen den Tag herbei, wo ihnen die materielle Hülle nach erfolgter Läuterung zu Kindern Gottes wieder weggenommen wird.

 

Diese Sehnsucht haben vor allem die gottesgläubigen Menschen. Denn wenn sie auch schon, wie dies bei den ersten Christen der Fall war, mit den Geisterboten des himmlischen Vaterhauses in täglicher Verbindung stehen und in ihnen bereits die Erstlingsgabe und den Vorgeschmack des Gottesreiches empfangen haben, so sind sie doch dieses Reiches so lange nicht teilhaftig, als sie noch im materiellen Leibe leben.

 

Die Aufwärtsentwicklung in den Naturstufen deutet Paulus in seinem Brief an die Epheser mit den Worten an: ‘Dahin ging nämlich der Ratschluß Gottes, dessen Ausführung er sich vorgenommen hatte, sobald die Zeit zum Vollmaß der von ihm geordneten Entwicklung gelangt wäre: Er wollte in Christus als dem Haupte alles einheitlich wieder zusammenfassen, was im Himmel und auf der Erde ist’ (Eph. 1, 9-10).

 

Auf der Erde sind aber nicht bloß die Menschen. Sie bilden nur einen ganz geringen Bruchteil dessen, was auf der Erde existiert. Wenn nun Gott alles, was auf der Erde ist, mit Christus als dem Haupte vereinigen will, so folgt daraus, daß in allem Geister sind, die in der von Gott geordneten Entwicklung immer höher steigen, bis sie als reine Geister in die große Gemeinschaft mit Christus eingegliedert werden, der sie einst vor ihrem Abfall angehört haben.

 

Daß es im Heilsplan Gottes liegt, alles wieder zu Gott zurückzuführen und zwar nicht bloß die Menschen, sondern auch die ganze übrige Schöpfung, sagt Paulus im Römerbrief: ‘Ich will euch nämlich, meine Brüder, über dies Geheimnis nicht in Unkenntnis lassen, damit ihr nicht in vermeintlicher Klugheit eigene Ansichten hegt: Verstockung ist über einen Teil der Israeliten gekommen bis zu der Zeit, da die Heiden vollzählig in das Reich Gottes eingegangen sein werden.

 

Alsdann wird ganz Israel gerettet werden ... Denn Gott hat alles wegen des Ungehorsams eingeschlossen, weil er Erbarmen an allem üben will. ’ (Röm. 11, 25-26 + 32)

 

Ich habe diese Stelle so wiedergegeben, wie sie richtig ist. Wenn der letzte Satz in der Übersetzung, die du vor dir hast, so lautet: ‘Denn Gott hat die ganze Menschheit in Ungehorsam fallen lassen, um Erbarmen an allen zu üben’, so hat der Übersetzer darin zwei Fehler gemacht: Er hat zunächst geschrieben ‘die ganze Menschheit’, obschon im griechischen Text ‘alles’ steht. Ferner hat er übersetzt: ‘In Ungehorsam fallen lassen’, während es heißt:

 

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‘Er hat alles im Hinblick auf den Ungehorsam eingeschlossen. ’ Er hat nämlich alles eingeschlossen in die materielle Hülle, die den einzelnen Besserungsstufen entspricht. Gott verschließt niemand in Ungehorsam. Er will im Gegenteil, daß alle zum Gehorsam zurückkehren, die einst wegen ihres Ungehorsams aus dem Reiche Gottes ausgeschlossen werden mußten.

 

Das Israel der früheren Jahrtausende waren diejenigen, denen der reine Gottesglaube übermittelt worden war. Es sollte diesen Gottesglauben auf die Mitwelt übertragen und so als Sauerteig der Wahrheit wirken. Nach treuer Erfüllung dieser Aufgabe wäre es nach erfolgter Erlösung als erstes in das vom Erlöser erschlossene Reich Gottes eingegangen. Dieser Aufgabe hat sich jedoch der größte Teil Israels unwürdig gemacht.

 

Darum wird das Heil zuerst den Nicht-Israeliten zuteil, also denjenigen, die früher nichts von Gott wußten. Und erst wenn alle Nicht-Israeliten zu Gott gelangt sind, werden diejenigen gerettet werden, die früher den Gottesglaube besaßen, aber nicht danach lebten. ‘Die Ersten werden die Letzten sein. ’ Aber alles ohne Ausnahme wird gerettet werden.

 

Über den Verlauf des Rettungswerkes Gottes macht der Apostel Paulus kurze, aber klare Angaben in seinem ersten Brief an die Korinther: ‘Wie durch Adams Schuld alle starben, so werden umgekehrt durch Christi Verdienst alle wiederum zum Leben kommen, und zwar ein jeder, wann die Reihe an ihn kommt: Als Erstling Christus. Hierauf die, welche Christus angehören bei seiner Wiederkunft. Darauf der Rest, wenn er Gott, dem Vater, das Reich übergibt, sobald er jede andere Herrschaft und jede Macht zum Aufhören gebracht hat.

 

Er muß ja als König herrschen, bis er Gott alle Feinde unter die Füße gelegt hat. Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der ‘Tod’. Denn alles hat er ihm unter die Füße gelegt. Wenn er aber aussprechen wird: ‘Alles ist unterworfen!’, so wird doch selbstverständlich derjenige ausgenommen sein, der dem Sohne alles unterworfen hat (nämlich Gott). Wenn ihm (Gott ) aber alles unterworfen ist, dann wird sich auch der Sohn selbst dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei. ’ (1. Kor. 15, 22-28)

 

Also alles wird wieder zu Gott kommen, was von Gott getrennt und als geistig ‘tot’ dem Fürsten des geistigen Todes unterworfen war. Christus wird alles zu Gott zurückführen. Er war der erste, der aus der Hölle, dem Reiche des Todesfürsten, wieder herauskam, nachdem er dorthin zum Kampfe mit Luzifer hinabgestiegen war und ihn besiegt hatte. Das war die erste Auferstehung von den geistig Toten. Nach und nach werden alle geistig Toten folgen, indem sie zur Erkenntnis und Liebe Gottes gelangen, jeder, wann er an der Reihe ist.

 

Die Reihenfolge hängt von den geistig Toten selbst ab. Wer sich beeilt und sich Mühe gibt, Gott zu suchen und nach dem Willen Gottes zu leben, kommt eher an die Reihe, als der, welcher an seine Rückkehr überhaupt nicht denkt oder sie sehr nachlässig und langsam betreibt. Alles hängt von seinem freien Willen ab. Wer in den Examina immer wieder durchfällt, wird erst spät zum Ziele gelangen. So ist es in eurem menschlichen Leben, so ist es auch im jenseitigen. -

 

Der letzte, der zu Gott kommt, ist der Todesfürst selbst - Luzifer. Paulus nennt ihn den ‘Tod’. Er ist ja die Ursache allen Abfalles vom Reiche Gottes und dadurch des geistigen Todes. Er ist der ‘Mörder von Anbeginn’, der den geistigen Tod aller von Gott Getrennten verschuldet hat und Millionen Jahre hindurch alles aufbot, die Rückkehr seiner Untertanen zum Reiche des Lebens in Gott zu verhindern. Er ist daher die verkörperte Trennung von Gott - der verkörperte Tod.

 

Wenn es daher in der Offenbarung des Johannes heißt: ‘Der Tod gab seine Toten heraus’(Offenb. 20, 13), so heißt das nichts anderes als: ‘Der Todesfürst Luzifer mußte die geistig Toten, die seinem Reiche angehörten, wieder herausgeben. ’

 

Wenn ich dir sagte, daß die Reihenfolge der Rückkehr von dem freien Willen der gefallenen Geister abhänge, so muß ich in diesem Punkte eine einzige Einschränkung machen: Nämlich Luzifer allein kann nicht eher wieder zu Gott kommen, bis der letzte der von ihm Verführten das Ziel - Gott - erreicht hat. Er kann es nicht, auch wenn er es infolge einer Gesinnungsänderung zu erstreben suchte.

 

Auch darf er, selbst wenn ihm eine bessere Erkenntnis früher käme, keinen der gefallenen Geister zur Besserung antreiben oder ihm zur rechten Erkenntnis verhelfen, um dadurch selbst schneller zu Gott zu gelangen. Das ist das gerechte Schicksal, das auf ihm als dem einstigen Rädelsführer lastet und das er nicht zu ändern vermag.

 

Die Rettung aller von Gott Abgefallenen - auch Luzifers - ist die große Freudenbotschaft, die nicht bloß in den Briefen des Apostels Paulus verkündet wird, sondern die auch den Propheten des Alten Bundes in ihren Visionen gezeigt wurde. Es ist die Freudenbotschaft, auf welche die Offenbarung des Johannes mit den Worten hinweist: ‘In den Tagen, wo die Stimme des siebten Engels erschallt, sobald er sich anschickt, in die Posaune zu stoßen, dann ist auch der geheime Ratschluß Gottes zum Abschluß gekommen, wie er ihn seinen Knechten, den Propheten, als Freudenbotschaft mitgeteilt hat’ (Offenb. 10, 7).

 

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Es gibt keine ewige Hölle

 

Wenn es wahr wäre, daß die Hölle ewig ist, wie ihr es heute lehrt, worin sollte dann am Ende der Tage die ‘Freudenbotschaft’ bestehen, die Gott als Abschluß seines Heilsplanes in Aussicht stellt? Ein Abschluß mit der ewigen Verdammnis zahlloser Geister wäre wahrlich kein Tag der Freude, sondern ein Tag des Entsetzens für die ganze Schöpfung Gottes.

 

Wo bliebe da die Wahrheit der Erlösung aller, auf die Paulus so oft und so eindringlich hinweist? Wo bliebe die Wahrheit des Wortes, das Gott beim Propheten Jesaja geschworen hat: Daß der Tag komme, wo jedes Knie sich beugen und ihm jede Zunge schwören soll, und wo alle zu ihm kommen, auch die, welche ihm feindselig widerstrebt hatten? Wo bliebe da die Erfüllung all der Stellen, die ich dir vorhin angeführt habe? Alle Feinde Gottes werden durch Christus dem Vater zu Füßen gelegt, nicht mit Gewalt, sondern durch erbarmende Liebe, der auch ein Luzifer auf die Dauer nicht widerstehen kann.

 

Gott zwingt keinen gefallenen Geist mit Gewalt vor seine Füße. Wenn er das wollte, dann brauchte er nicht so lange zu warten. Das hätte er schon längst tun können. Unter der Allmacht Gottes steht die Hölle von jeher. Wenn die Hölle sich einst vor Gott verdemütigt, dann geschieht es mit freiem Willen in reumütiger Erkenntnis der Gerechtigkeit, der Liebe und Langmut Gottes.

 

An der Lehre von einer ‘ewigen Hölle’, welche die ersten Christen nicht kannten, haltet ihr mit erstaunlicher Zähigkeit fest. Auf dieses Schreckmittel scheint ihr nicht verzichten zu wollen. Glaubt ihr denn, mit einer grausamen Unwahrheit bei den armen Menschen mehr erreichen zu können, als mit den Wahrheiten der Liebe und des Erbarmens? Und welche Anstrengungen ihr macht, um jene unwahre Lehre zu begründen! Ihr sagt, daß eine sogenannte ‘Todsünde’ eine ewige Strafe zur Folge haben müsse. Denn ein Todsünde sei eine unendliche Beleidigung Gottes.

 

Das sind irrige und selbsterfundene Begriffe. Ein Geschöpf kann Gott nicht unendlich beleidigen und daher auch keine unendliche Bestrafung für sein Vergehen verdienen. Je tiefer derjenige steht, der dich beleidigt, um so geringfügiger siehst du die Beleidigung an. Aber was ist ein armseliges Geschöpf seinem Schöpfer gegenüber? Ein Stäubchen. Eure Beleidigung reicht an Gott überhaupt nicht heran. Ihr fügt ihm nichts Böses zu, sondern euch selbst.

 

Und dann, wenn eine Todsünde eine unendliche Beleidigung Gottes wäre, dann könnte sie ja auch in eurem irdischen Leben nicht mehr vergeben werden. Wenn sie aber nach eurer Lehre den irdischen Menschen vergeben werden kann, warum sollte sie denn den Geistern des Jenseits nicht vergeben werden. Es sind doch dieselben Geister, ob sie nun in einem materiellen Körper sich befinden oder ob sie den Körper im irdischen Tode verlassen haben. Es ist dasselbe ‘Ich’ im Diesseits und im Jenseits mit denselben geistigen Fähigkeiten. Im Jenseits ist daher dem Geiste dieselbe Gesinnungsänderung möglich, wie im irdischen Leben.

 

Man beruft sich auf die Bibel, um den Beweis für die Ewigkeit der Höllenstrafen zu erbringen. Man klammert sich an das Wort ‘ewig’, das in euren Übersetzungen des Neuen Testamentes in Verbindung mit den jenseitigen Strafen gebraucht wird. Aber wie lautet denn das Wort, das ihr mit ‘ewig’ übersetzt habt, im griechischen Urtext? Denn nicht auf eure Übersetzungen kommt es an, sondern auf den Sinn des Wortes, das im Urtext steht.

 

Nun findest du aber an allen Stellen, an denen eure deutschen Bibelübersetzungen das Wort ‘Ewigkeit’ oder ‘ewig’ gebrauchen, im griechischen Text das Wort ‘Aeon’. Auch ihr sprecht unter Benutzung desselben Wortes von ‘Aeonen’. Ihr wollt damit große Zeiträume bezeichnen. Auch im Griechischen bedeutet das Wort ‘Aeon’ niemals ‘Ewigkeit’ oder den Begriff des ‘Ewigen’. Auch dort hat es nur die Bedeutung eines Zeitraumes von unbestimmter Dauer. Das Altertum war ein ‘Aeon’, das Mittelalter war ein ‘Aeon’, die Neuzeit ist ein ‘Aeon’. Nach der Anschauung der Römer war ein ‘Aeon’ ein Zeitraum von hundert Jahren.

 

Ein ‘Aeon’ ist also eine Zeitdauer, deren Grenzen bald weiter auseinander-, bald näher zusammenliegen. Sogar ein Menschenalter wird manchmal mit dem Wort ‘Aeon’ wiedergegeben. Aber niemals kann damit eine nie endende Zeitperiode ausgedrückt werden. Du darfst daher das Wort ‘Aeon’ nie mit Ewigkeit und das davon abgeleitete Eigenschaftswort nie mit ‘ewig’ übersetzen, sondern mußt dafür die Bezeichnung ‘Zeit’ und ‘zeitlich’ gebrauchen.

 

Nun möchte ich dich zunächst auf die merkwürdige Tatsache aufmerksam machen, daß eure Übersetzer an zahlreichen Stellen der Bibel das Wort ‘Aeon’ und das davon abgeleitete Eigenschaftswort in richtiger Weise mit ‘Zeit’ und ‘zeitlich’ wiedergeben, weil das Wort ‘ewig’ an jenen Stellen widersinnig wäre. Nur dort, wo von einer jenseitigen Strafe die Rede ist, gebrauchen sie das Wort ‘ewig’. Man merkt deutlich, daß sie da unter dem Einfluß der christlichen Religionen stehen, die eine Ewigkeit der Höllenstrafe lehren.

 

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Greifen wir nun einige von den zahlreichen Stellen der Bibel heraus, wo das Wort ‘Aeon’ mit ‘Zeit’ oder ‘zeitlich’ übersetzt werden muß. So heißt es von der Sünde wider den Geist, daß sie weder in diesem noch in dem anderen ‘Aeon’ vergeben werde, also weder in diesem Zeitalter noch dem folgenden oder weder in diesem Leben, noch in dem kommenden. Man könnte ja nicht übersetzen: Sie wird weder in dieser Ewigkeit noch in der zukünftigen vergeben werden. Denn es gibt keine zwei Ewigkeiten.

 

Bei dem Gleichnis von dem Sämann wird gesagt, daß bei einigen der Same erstickt wird durch die Sorgen dieses ‘Aeon’, was ihr richtig übersetzt mit ‘zeitlichen Sorgen’. Von dem Begriff ‘ewig’ kann auch hier nicht die Rede sein.

 

In dem Gleichnis von dem Unkraut unter dem Weizen sagt Christus, daß die Ernte das Ende dieses ‘Aeon’ sei, also das Ende dieser Zeit oder dieser Welt. Auch hier kann es nicht ‘Ewigkeit’ heißen. An dieser Stelle kommt das Wort ‘Aeon’ noch zweimal in der Bedeutung von zeitlich vor.

 

Ich nehme noch einige Stellen aus den Briefen des Apostels Paulus. ‘Gestaltet eure Lebensführung nicht nach der Weise des jetzigen ‘Aeon’ (der jetzigen Zeit). ’ - ‘Was wir vortragen, ist nicht die Weisheit dieses ‘Aeon’ oder der Machthaber dieses ‘Aeon’, sondern verborgene Weisheit, die Gott vor allen ‘Aeonen’ vorherbestimmt hat. ’

 

Aus diesen Stellen, die noch durch eine große Anzahl ähnlicher Stellen vermehrt werden könnten, magst du ersehen, daß das Wort ‘Aeon’ nicht die ‘Ewigkeit’ bedeutet, sondern einen begrenzten Zeitabschnitt.

 

Nun steht dasselbe Wort ‘Aeon’ an den Stellen, wo von einer jenseitigen Strafe die Rede ist. Wer gibt euch daher das Recht, dasselbe Wort, das ihr an zahlreichen anderen Stellen mit ‘Zeit’ und ‘zeitlich’ übersetzt, gerade dort mit ‘ewig’ wiederzugeben, wo es sich um die Höllenstrafe handelt? Man sollte fast meinen, ihr hättet eine besondere Freude an einer ewigen Hölle.

 

Christus sagt nach eurer Übersetzung: ‘Es ist besser für dich, verstümmelt und lahm zum Leben einzugehen, als daß du zwei Hände und zwei Füße habest und in das ‘ewige’ Feuer geworfen werdest. ’

 

Was hier mit ‘ewigem’ Feuer bezeichnet wird, ist auch bloß ein Feuer, das einen ‘Aeon’ hindurch dauert, also zeitlich ist. Und merkwürdiger Weise stand im Urtext an dieser Stelle nicht einmal das Wort ‘Aeon’, sondern ist hineingefälscht worden. Denn im Urtext heißt es: ‘In das Feuer der Hölle’ und nicht: ‘In das ewige Feuer’.

 

Auch an anderen Stellen hat man nachträglich ähnliche Fälschungen begangen. So heißt es in euren jetzigen Übersetzungen: ‘Weichet von mir, ihr Verfluchten, in das ‘ewige’ Feuer!’, während es im richtigen Text heißt: ‘Weichet von mir, ihr Verfluchten, in die äußerste Finsternis!’

 

Ich denke, dich durch meine Darlegungen davon überzeugt zu haben, daß ihr für eure grausame und unwahre Lehre von einer ‘ewigen’ Hölle in der Bibel keinen Anhaltspunkt finden könnt. Wie lange die Strafe für die einzelnen Geister dauert, hängt vor allem von den Geistern selbst ab. Je länger sie bei ihrem Abfall verharren, um so länger dauert die Trennung und die Strafe der Trennung. Selbst Gott weiß nicht, wann die einzelnen Geister zu ihm zurückkehren, da die Rückkehr von der freien Entscheidung des Geistes abhängt; und ich habe dir ja gesagt, daß die zukünftigen freien Entscheidungen der Geister selbst dem Vorauswissen Gottes entzogen ist.

 

Auch das, was ihr in falscher Übersetzung ‘ewiges Leben’ nennt, indem ihr auch hier das Wort ‘Aeon’ mit ‘ewig’ wiedergebt, ist bloß ein Leben in den zukünftigen ‘Aeonen’ oder in den zukünftigen Zeiten. Wie lange dieses Leben bei Gott für euch dauern wird, hängt von euch selbst ab. Wenn ihr Gott stets treu bleibt, dann wird jenes Leben endlos, also tatsächlich ‘ewig’ sein. Aber wer weiß, ob später nicht noch einmal ein Abfall der Geister von Gott erfolgen wird, an dem ihr euch beteiligt, wie ihr euch an dem ersten Abfall unter Luzifer beteiligt habt.

 

Denn die Freiheit des Willens ist bei den Geistern des Himmels dieselbe wie damals, und die Möglichkeit des Mißbrauches der Willensfreiheit ebenso vorhanden, wie vor dem ersten Abfall. Ob ein solcher Abfall wieder einmal kommen wird, weiß auch Gott nicht, aus dem Grunde, den ich dir bereits angegeben habe.

 

Ihr könnt also ebensowenig von einer ‘ewigen Belohnung’ sprechen, wie von einer ‘ewigen Bestrafung’. Wenn nun in der Bibel von einem ‘Feuer’ der Hölle gesprochen wird, so soll damit ein Sinnbild des übergroßen Schmerzes derer gegeben werden, welche die Strafen der Hölle zu erdulden haben. Auch ihr sprecht von einem brennenden Schmerz, ohne daß ihr wirkliches Feuer darunter versteht.

 

Die Qualen der Hölle sind so groß, daß ihr euch keine menschliche Vorstellung davon machen könnt. Christus sagt: ‘Die Verdammten werden mit Feuer gesalzen. ’ So wie das Salz alles durchdringt, so durchströmt der Schmerz jene Geister. Aber Christus fügt an dieser Stelle hinzu: ‘Das Salz ist etwas Gutes. ’ So ist auch die Qual der Geister im Hinblick auf ihre Rettung in Wirklichkeit etwas Gutes, wenn sie sich auch noch so grausam ansieht und von den Menschen nicht verstanden wird, da sie ihnen nicht im Einklang mit der Barmherzigkeit eines Gottes zu stehen scheint.

 

Und doch ist es nur die Liebe Gottes, die auch in den Qualen der Hölle spricht. Wenn eine Mutter ihr Kind dem Messer des Arztes hinhält, damit er es durch eine schmerzliche Operation von einer tödlichen Wunde heilen soll, dann ist es die Mutterliebe, die sie dazu antreibt. Sie muß dieses schmerzliche Mittel der Heilung wählen, weil es kein anderes gibt.

 

So wird auch die Gesinnung der Geister der Tiefe nur durch die Qual geläutert, die sie zu erdulden haben. Ein anderes Mittel gibt es nicht. Aber für alle, auch die Verstocktesten, wird die Stunde kommen, wo sie als unglücklich gewordene Kinder infolge ihrer Qual sich aufmachen und heim zum Vater gehen.

 

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Der Ursprung des Menschengeistes und die Erbsünde

 

Weil das heutige Christentum das große Weltgeschehen nicht versteht, ist es in den wichtigsten Jenseitsfragen so ratlos. Darum kann es weder den Ursprung des Menschengeistes, noch die auf dem Menschengeist lastende Sünde des Abfalles von Gott, noch den Zweck der materiellen Schöpfung erklären. In allen diesen Fragen stellt es völlig irrige Lehren auf.

 

Wenn man von den heutigen christlichen Religionen über den Ursprung des Menschengeistes Aufschluß erbittet, so geben sie euch zur Antwort: ‘Der Menschengeist wird im Augenblick der menschlichen Zeugung von Gott geschaffen. Er ist jedoch mit einer Sünde belastet, der sogenannten ‘Erbsünde’, weil der irdische Stammvater Adam in einem irdischen Paradies gesündigt hat und diese Sünde auf alle seine Nachkommen übergeht.

 

Sie bedenken nicht das Törichte einer solchen Lehre. Sie erwägen nicht, daß alles, was Gott schafft, rein und ohne Fehl aus seiner Hand hervorgeht, und daß die Befleckung eines Geistes nur durch persönliches Verschulden erfolgen kann; daß daher auch der Menschengeist, wenn er bei der menschlichen Zeugung von Gott geschaffen würde, ganz rein und unbefleckt wäre.

 

Von einer ‘Erbsünde’ könnte in diesem Falle keine Rede sein. Denn wie sollten die Nachkommen Adams deswegen von Gott mit einer Knechtschaft der Sünde und einem Ausschluß vom Reiche Gottes bestraft werden, weil der Stammvater gesündigt hat? Von demselben Gott, der gesagt hat: ‘Ein jeder, der Sünde tut, soll sterben; aber ein Sohn soll die Schuld des Vaters nicht mittragen’ (Hes. 18, 20).

 

Demnach können die Nachkommen Adams nicht wegen des Abfalles ihres Stammvaters von Gott bestraft werden, wenn sie nicht selbst diesen Abfall mitgemacht haben. Tatsächlich sind sie, wie ich dich bereits belehrt habe, persönlich abtrünnig geworden, indem sie dem Beispiel Adams als Geist folgten und sich gleich ihm den Ausschluß aus Gottes Reich mit all seinen furchtbaren Folgen durch eigenes Verschulden zuzogen.

 

Es ist also richtig, daß der Menschengeist von der Geburt an eine Sünde auf sich hat, die ihr ‘Erbsünde’ nennt. Aber unrichtig ist eure Lehre, daß der Geist des Menschen erst bei der menschlichen Zeugung ins Leben tritt und eine Sünde auf sich habe, ohne persönlich gesündigt zu haben. Wie wollt ihr ferner bei eurer falschen Lehre über den Ursprung des Menschengeistes das Leid in der Welt erklären? Sollte Gott Geschöpfe zum Leiden ins Leben rufen und unter Qualen sterben lassen, ohne daß sie persönlich etwas Unrechtes begangen haben? Betrachte die Millionen von Kindern, die jährlich in größter Qual ihre Seele aushauchen! Womit haben sie das verdient?

 

Haben sie etwa in ihrem jetzigen Dasein Gott beleidigt, daß er sie so schwer bestraft? Sie konnten ja noch gar nicht sündigen; sie konnten gut und böse nicht unterscheiden. Und doch sollte der unendlich gütige und gerechte Gott unschuldige Kinder quälen? Wo bliebe da seine Güte und vor allem, wo bliebe seine Gerechtigkeit? So grausam und ungerecht ist nicht einmal der brutalste irdische Vater, daß er sich an einem harmlosen Kind vergreift, das ihm nichts zuleide getan hat. Und Gott sollte das tun? Ihr mögt alle erdenklichen Ausflüchte suchen, um dies zu erklären, es gelingt euch nicht, die grausame Ungerechtigkeit wegzudiskutieren, die in dem Schicksal dieser Kinder läge. -

 

Das gilt von dem Menschenschicksal überhaupt. - Aber wenn ihr wißt, daß euer Geist schuldbeladen aus einem früheren Dasein in das jetzige tritt, dann sind alle Schicksalsrätsel mit einem Schlage gelöst. Dann steht euch sowohl der große Abfall von Gott vor Augen, den der Geist des Menschen einst begangen, als auch etwaige frühere Menschenleben, die der Mensch mit Freveln belastet hat, deren Strafe und Sühne das jetzige Leben bedrücken.

 

Wenn ihr das bedenkt, dann wird euch nicht mehr die Frage auf die Lippen kommen, die ihr so oft in den Stunden tiefen Leides auszusprechen pflegt: ‘Womit habe ich das verdient?’ Wenn Gott euch auf diese Frage euer ganzes vergangenes Dasein in einem Bilde vor Augen stellen wollte, dann würdet ihr vor Grauen verstummen.

 

Auch so vieles aus den biblischen Schriften würde euch verständlich sein, was euch bis jetzt dunkel geblieben ist. So würdet ihr den scheinbaren Widerspruch von selbst lösen können, der in den Worten des Alten Testamentes enthalten ist, indem es einmal heißt: ‘Ein Sohn soll die Schuld des Vaters nicht mittragen’ und ein anders Mal: ‘Ich will die Sünden der Väter an den Kindern strafen bis ins dritte oder vierte Glied’.

 

Wenn Gott die Sünden der Väter an den Kindern straft, so geschieht es nicht in der Weise, daß er unschuldige Kinder für das Vergehen des Vaters leiden läßt. Das wäre ein Unrecht. Vielmehr verkörpert er in dessen Kindern solche Geister, die von sich aus ein schweres Schicksal verdient haben, aber infolge dieses Schicksals auch für ihren Vater eine sichtbare Strafe sein sollen. Und da ein Vater seine Nachkommen höchstens bis ins dritte oder vierte Glied erlebt, so kann diese Strafe für ihn bis ins vierte Glied dauern.

 

Wie erklärtest du ferner bisher bei deiner bisherigen Lehre von der Erschaffung des Menschengeistes im Augenblick der Zeugung den Satz der Bibel: ‘Gott kann auch aus diesen Steinen Kinder Abrahams erwecken. ’?

 

Du sagst vielleicht, daß Gott in seiner Allmacht aus den Steinen Menschen erschaffen könne. Aber solche Menschen wären doch keine Kinder Abrahams. Denn Menschen können nur auf dem Wege der Zeugung Kinder Abrahams werden, indem sie durch ihre menschlichen Vorfahren von Abraham abstammen. Wie aber können Steine auf dem Wege der Zeugung Kinder Abrahams werden? Mit all eurer theologischen Weisheit vermöget ihr das nicht zu erklären.

 

Wenn du aber weißt, daß in den Steinen, wie überhaupt in der Materie, Geister verkörpert sind, dann ist die Erklärung von selbst gegeben. Dann begreifst du, daß Gott die in den Steinen verkörperten Geister ihrer Hülle entkleiden und sie den Kindesleibern einverleiben kann, die auf dem Wege der Zeugung im Schoße der Nachkommenschaft Abrahams ins Dasein treten. Dasselbe gilt von den Worten Christi: ‘Ich sage euch: Wenn diese schwiegen, würden die Steine schreien’ (Lukas 19, 40). Steine können selbstverständlich nur dann schreien, wenn ein Geist in ihnen lebt.

 

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Der Begriff der Sünde

 

Wie ihr eine ganz falsche Lehre von der Erbsünde aufgestellt habt, so ist auch eure Auffassung von der Sünde überhaupt eine verkehrte.

 

Die Bibel unterscheidet zwischen der Sünde als ‘Abfall von Gott’ und den Sünden als menschliches Straucheln der Gottesgläubigen. In dem ersten Brief des Apostels Johannes steht eine Stelle, deren Erklärung euch große Schwierigkeiten bereitet. Sie lautet: ‘Wenn jemand seinen Bruder sündigen sieht, und es ist keine Sünde zum Tode, so soll er für ihn beten und ihm so Lebenskraft geben, nämlich denen, die keine Sünde zum Tode begehen. Es gibt auch eine Sünde zum Tode. Wenn jemand eine solche begeht, sage ich nicht, daß man für ihn beten soll. Jedes Unrecht ist eine Sünde. Aber nicht jede Sünde führt zum Tode’ (1. Joh. 5, 16-17).

 

Hier macht also Johannes einen Unterschied zwischen der Sünde, die zum Tode führt und den Sünden, die nicht zum Tode führen. Und - was euch in den Worten des Apostels am unverständlichsten klingt - ihr braucht für einen, der die Sünde zum Tode begeht, nicht einmal zu beten.

 

Den Sinn dieser Worte kann ich dir am besten an einem Beispiel klarmachen. Die Soldaten haben bei ihrem Eintritt zum Militär einen Fahneneid zu leisten. Dadurch werden sie Soldaten ihres Vaterlandes. Nun kommen ja auch bei den Soldaten Fehler vor, für die sie nach den militärischen Gesetzen bestraft werden, ohne daß sie dadurch aufhören, Soldaten ihres Vaterlandes zu sein. Aber eine Soldatensünde gibt es, durch die einer aufhört, Soldat seines Vaterlandes zu sein und auf der die Todesstrafe ruht.

 

Es ist dies die Fahnenflucht durch Übergehen zum Feinde des Vaterlandes. Dadurch wird er tot für die eigene Heimat. Es ist militärisch ‘die Sünde zum Tode’. Und wenn die Mutter eines solchen Deserteurs bei der Regierung ihres Landes um Gnade für ihren fahnenflüchtigen Sohn bitten würde, so wäre dies zwecklos. Denn er untersteht ja nicht mehr der Gewalt des eigenen Staates, sondern hat sich unter die Herrschaft eines feindlichen Staates begeben und ist jetzt dessen Gesetzen unterworfen.

 

Dieser Staat läßt ihn nicht mehr frei, selbst wenn der Fahnenflüchtige zurückwollte. Aber er will ja auch gar nicht zur alten Heimat zurückkehren.

 

Die an die heimatliche Regierung gerichteten Gnadengesuche der Mutter sind also vollkommen zwecklos. Wende dieses Beispiel auf eure Stellung zu Gott an. Als gottesgläubige Menschen seid ihr Untertanen des Reiches Gottes. Wenn ihr auch als schwache Erdenpilger täglich kleinere oder größere Fehler begeht, so sind das Sünden, für die ihr zwar von Gott bestraft werdet, durch die ihr jedoch nicht aufhört, Untertanen des Reiches Gottes zu sein.

 

Kehrt ihr aber Gott den Rücken durch Unglauben, Gottesleugnung oder indem ihr lebt, als ob es keinen Gott gäbe, so ist das die Sünde der Fahnenflucht. Es ist die Sünde, durch die ihr euch vom Reiche Gottes trennt und in das Reich der bösen, gottfeindlichen Mächte übergeht. Ihr gebt den Gehorsam gegen Gott vollständig auf, wie ja ein Deserteur durch die Fahnenflucht sich dem Gehorsam gegen seinen Landesherrn entzieht. Ihr seid tot für das Reich Gottes. Ihr habt ‘die Sünde zum Tode’ begangen.

 

Was sollte also das Gebet eines anderen für einen solchen Überläufer für Nutzen haben? Jener will ja von Gott nichts wissen und nicht zu ihm zurückkehren. Gott müßte ihn also auf euer Gebet hin zwingen, zurückzukehren. Das kann Gott nicht, weil er jedem freien Willen gegeben hat und niemals in die freien Entscheidungen eines Geschöpfes mit Zwang eingreift. Sein Heil muß jeder aus freier Entschließung wirken.

 

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Die Auferstehung der Toten ist keine Auferstehung der Leiber

 

Die erste Fahnenflucht wurde begangen bei der großen Geisterrevolution unter Luzifer. Das war die erste ‘Sünde zum Tode’. Die Auferstehung von den Toten besteht also darin, daß die im Reiche der geistig Toten weilenden Geister sich in Reue wieder zum Reiche Gottes erheben. Sie kehren als frühere Deserteure wieder in die alte Heimat zurück.

 

Daß sie zurückkehren können und von dem Fürsten des gottfeindlichen Reiches - Luzifer - nicht mehr mit Gewalt festgehalten werden, haben sie dem Erlöser zu verdanken. Dieser hat durch seinen Sieg über den Fürsten des Totenreiches die Freigabe derer erzwungen, die ihren Abfall bereuen und zu Gott zurückkehren möchten. Er selbst war der erste, der zu den Toten der Hölle hinabgestiegen war, ohne selbst zu den von Gott Abgefallenen zu gehören. Er war auch der erste, der aus der Hölle zum Himmel aufstieg. Vorher war dies keinem Geiste der Tiefe möglich. Wer einmal in der Hölle war, konnte nicht mehr zur Höhe.

 

Die Rückkehr Christi aus der Hölle war die erste ‘Auferstehung von den Toten’. Darauf weist Paulus so oft in seinen Briefen hin. So schreibt er an die Epheser: ‘Daß Christus aber auferstanden ist, welchen Sinn hat es als den, daß er zuerst auch hinabgestiegen war an die Plätze, die tiefer als die Erde sind’ (Eph. 4, 9). - Er meint damit die Höllensphären. Sie sind, wie ich dich bei einer anderen Gelegenheit belehrt habe, tiefer als die irdischen.

 

Und an die Kolosser schreibt er: ‘Nachdem er die Mächte und Gewalten überwunden hatte, triumphierte er über sie. ’ (Kol. 2, 15) Es sind Höllenmächte, gegen die er nach seinem Abstieg in die Hölle im Verein mit den himmlischen Legionen kämpfte und die er überwand, und deren Fürsten - Luzifer - er durch seinen Sieg zwang, diejenigen herauszugeben, die nicht mehr länger Untertanen des Totenreiches sein wollten.

 

Darauf weist Paulus in seinem Brief an die Kolosser hin mit den Worten: ‘Weil ihr zu Christus gehört, seid ihr auch mit ihm auferweckt worden ... Auch euch, die ihr einst tot waret, hat Gott zusammen mit ihm lebendig gemacht’ (Kol. 2, 12-13).

 

Die Kolosser, an die Paulus schreibt, waren einst auch geistig tot und Untertanen Luzifers. Aber später kamen sie zum Glauben an Christus und das Reich Gottes. Durch diesen Glauben gehörten sie Christus an und wurden mit ihm des Reiches Gottes teilhaftig. Wenn es hier von Christus heißt, daß Gott ihn lebendig gemacht habe, so ist das nicht so zu verstehen, als sei Christus auch geistig tot gewesen. Aber er war im Reiche der geistig Toten und äußerlich vom Reiche Gottes getrennt.

 

Also der Wirkung nach war Christus in diesen Höllenspähren einem geistig Toten gleich, wenn er auch selbst nicht geistig tot war. Gott machte ihn insofern wieder lebendig, als er ihm die Kraft zum Siege über die Mächte des Totenreiches verlieh und ihn dadurch in das Reich des himmlischen Lebens zurückführte.

 

‘Die Auferstehung von den Toten’ hat also nicht das Geringste mit einer Wiedererweckung der irdischen Leiber zu tun. Eine ‘Auferstehung des Fleisches’, wie es in den christlichen Glaubensbekenntnissen heißt, gibt es nicht. Darin stand in den ersten christlichen Jahrhunderten auch nicht die ‘Auferstehung des Fleisches’, sondern ‘Auferstehung der Toten’. Dieser Ausdruck bedeutet nichts anderes als die tröstliche Wahrheit, daß alle geistig Toten, einschließlich Luzifer, wieder zu Gott zurückkehren würden.

 

Später hat man diese Worte geändert, als man die falsche Lehre einführte, daß die irdischen Leiber der Verstorbenen wieder lebendig würden, während doch Paulus die richtige Lehre in den Worten wiedergibt: ‘Es wird gesät ein natürlicher Leib, auferweckt ein geistiger Leib’ (1. Kor. 15, 44).

 

Auch der irdische Leib Christi wurde nicht auferweckt. Er war wie alle materiellen Menschenleiber aus dem Od der Erde entstanden und kehrte wie diese auch wieder zur Erde zurück. Nur daß er nicht auf dem Wege der Verwesung in das irdische Od aufgelöst wurde, sondern durch eine Dematerialisierung von Seiten der Geisterwelt.

 

In derselben Weise wie der Leichnam Christi, war auch der Leib eines Henoch und eines Elia in Od aufgelöst worden. Aus Od der Erde ist jeder Menschenleib entstanden; in Od der Erde löst sich auch jeder Menschenleib wieder auf. Von diesem Gesetz gibt es keine Ausnahme. Die Christen von heute denken sich unter ‘Auferstehung von den Toten’ eine Wiederherstellung des irdischen Leibes. Und die Auferstehung Christi am Ostersonntag ist ihnen die Wiedervereinigung seines Geistes mit dem Körper, der drei Tage im Grabe gelegen hatte.

 

Das alles sind große Irrtümer. Denn die Auferstehung Christi von den Toten ist - um dies noch einmal zu wiederholen - nur seine Rückkehr aus dem Reiche der geistig Toten, eine Rückkehr aus der Hölle, in die er als Geist hinabgestiegen war.

 

Das apostolische Glaubensbekenntnis drückt das richtig in den Worten aus: ‘Abgestiegen zu der Hölle, am dritten Tage wieder auferstanden von den Toten’. Klarer würden die Worte lauten: ‘Abgestiegen zu den Toten, am dritten Tage wieder zurückgekehrt von den Toten. ’

 

Die Bezeichnung ‘Auferstehung von den Toten’ wirkt deshalb so verwirrend auf euch, weil ihr bei dem Worte ‘Tod’ nur an das irdische Sterben und bei dem Worte ‘Tote’ nur an Leichen, Gräber und Kirchhöfe zu denken gewohnt seid. Ihr beachtet nicht den Sprachgebrauch der Bibel, wonach das Wort ‘Tod’ die Trennung von Gott bezeichnet und unter ‘Toten’ die von Gott Getrennten zu verstehen sind.

 

Viel haben zu diesem Mißverständnis auch die falschen Übersetzungen einzelner Bibelstellen beigetragen. So die Stelle im Buch Hiob: ‘Ich weiß, daß mein Erlöser lebt und als letzter auf dieser Erde auftreten wird; und danach werde ich, mag auch meine Haut so ganz zerfetzt und ich ohne mein Fleisch sein, meinen Gott schauen. ’ (Hiob 19, 25-26). Diese Worte hat man in ihr Gegenteil verdreht und geschrieben: ‘Ich weiß, daß mein Erlöser lebt und er wird mich hernach aus der Erde aufwecken und ich werde danach mit dieser meiner Haut umgeben werden und in meinem Fleische Gott schauen. ’

 

Eine andere Fälschung habe ich dir bereits früher erklärt. Es ist die Stelle im Matthäus-Evangelium, wo berichtet wird, daß beim Tode Jesu Tote aus den Gräbern hervorgekommen seien, während es in Wirklichkeit hieß, daß durch das Erdbeben Leichen aus den Gräbern herausgeschleudert wurden. Hierher gehört ferner eine Stelle des Johannes-Evangeliums: ‘Die Stunde kommt, ja sie ist schon jetzt da, in der alle, die in den Gräbern sind, die Stimme des Sohnes Gottes hören werden. ’ (Joh. 5, 28 )

 

Was hier mit ‘Gräber’ bezeichnet wird, ist dasselbe, was Petrus in seinem Brief ‘Gefängnis’ nennt, indem er schreibt: ‘Im Geist ist Christus hingegangen und hat den Geistern im ‘Gefängnis’ die Botschaft gebracht’ (1. Petrus 3, 19). - Und an der anderen Stelle: ‘Gott hat die gefallenen Engel in die Unterwelt hinabgestoßen, hinein in die ‘Höhlen’ der Finsternis’ (2. Petrus 2, 4).

 

Daß in der vorhin angeführten Stelle bei Johannes nicht die Gräber auf dem Kirchhof gemeint sein können, geht schon daraus hervor, daß Christus sagt, die Stunde sei jetzt schon da, wo die Toten in den Gräbern seine Stimme hören würden. Also hätten damals bereits die Leiber der Verstorbenen aus den Gräbern kommen müssen. Doch Christus meint mit jenen Worten die ‘geistig Toten’ in den Gefängnissen Satans, die er durch seinen bevorstehenden Abstieg zur Hölle befreien wollte, soweit sie auf die Stimme des Erlösers hören würden.

 

Auch die Tatsache, daß Christus nach seinem irdischen Tode seinen Getreuen in einer materiellen Gestalt erschienen ist, hat zu der falschen Auffassung geführt, er habe seinen früheren menschlichen Leib wieder angenommen. In Wirklichkeit machte er sich in derselben Weise sichtbar, wie sich stets die Geister sichtbar machen, nämlich durch Materialisation ihres geistigen Leibes.

 

Haben nicht viele andere Geister vor Christus das getan? Kamen nicht eines Tages drei Geister in vollkommen menschlicher Gestalt zu Abraham und aßen mit ihm in derselben Weise, wie Christus nach seinem Tode mit seinen Jüngern gegessen hat? Und hat der Erzengel Raphael nicht viele Wochen hindurch den jungen Tobias in einer menschlichen Gestalt begleitet, mit ihm gegessen und getrunken, so daß dieser ihn für einen gewöhnlichen Menschen hielt? War es da also etwas Besonderes, daß Christus sich nach seinem Tode seinen Jüngern zeigte und mit ihnen sprach, aß und trank? Solche Materialisationen von Geistern erlebt ihr auch heute noch. Auch böse Geister können sich in dieser Weise verkörpern.

 

Der wahre Sinn der ‘Auferstehung von den Toten’ wurde erst nach der Himmelfahrt Christi durch die Geister Gottes den Aposteln und Gläubigen klargemacht. Denn sooft Christus während seines irdischen Lebens mit den Aposteln über seine ‘Auferstehung von den Toten’ sprach, verstanden sie nicht, was er damit meinte. ‘Sie sprachen untereinander darüber, was wohl mit der Auferstehung von den Toten gemeint sei’ (Mark. 9, 10).

 

Über die Ansicht der religiösen Führer des jüdischen Volkes der damaligen Zeit bezüglich der ‘Auferstehung von den Toten’ berichtet die Apostelgeschichte: ‘Die Sadduzäer behaupten, es gäbe keine Auferstehung, auch keine Engel und keine Geister, während die Pharisäer beides annehmen’ (Apg. 23, 8).

 

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Die Bedeutung der Taufe

 

Zu einer Rückkehr aus dem Reich der geistig Toten zum Reiche Gottes bedarf niemand irgendwelche menschliche Einrichtungen, keine äußeren Kirchenorganisationen, keine Priester, wie sie die heutigen Religionen, vor allem die katholische, aufweisen. Der von Gott Abgeirrte kann sich jederzeit innerlich mit Gott, seinem Vater, in Verbindung setzen und erhält von ihm ohne menschliche Zwischeninstanzen Verzeihung und Kraft zu einem Leben nach dem Willen Gottes.

 

Deine bisherige Kirche lehrt im Gegensatz hierzu die Notwendigkeit sogenannter ‘Sakramente’ als Mittel zur Erlangung des Heiles. Und da diese Sakramente nur von Priestern gespendet werden können, die von den Bischöfen geweiht sind, so besitzt die katholische Kirche in der Sakramentenlehre das stärkste Machtmittel, die Gläubigen an ihre Kirchenorganisation zu fesseln. Denn ohne das Dazwischentreten eines Priesters ist es nach der Lehre dieser Kirche nicht möglich, zu Gott zu gelangen.

 

Es wird dir beim Lesen des Neuen Testamentes auffallen, daß in der Lehre Christi und der Apostel auch nicht ein einziges Wort enthalten ist, mit dem ihr die Sakramentenlehre begründen könntet. Eure Sakramente in der von euch gelehrten Bedeutung sind menschliche Erfindungen, wie ich dir jetzt zeigen werde.

 

Als erstes und notwendigstes Sakrament gilt euch die Wassertaufe. Ihr behauptet, daß die Taufe aus sich, also ohne Zutun des Täuflings, aus einem Feinde Gottes ein Kind Gottes mache, indem sie sowohl die sogenannte Erbsünde, als auch alle persönlichen Sünden tilge. Darum tauft ihr auch die Kinder, die nicht einmal wissen, daß sie die Taufe empfangen.

 

Das sind ganz irrige Vorstellungen von der Bedeutung der Taufe. Denn in der ersten christlichen Zeit war die Taufe nichts weiter als die Vornahme einer äußeren Handlung zum Zeichen einer inneren Gesinnung. Durch die Taufe wurde also nichts Neues bewirkt, wie ihr lehrt, sondern bloß das nach außen kundgetan, was an innerer Gesinnung im Täufling vorhanden war. So war die Taufe des Johannes für diejenigen, die sie annahmen, ein in der Öffentlichkeit abgelegtes Zeugnis dafür, daß sie den Worten des großen Bußpredigers Glauben schenkten und von ihrem bisherigen schlechten Lebenswandel ablassen wollten. Daß diese Taufe öffentlich gespendet wurde, war das Wesentliche. Alle sollten sehen können, wer die Taufe empfing.

 

Du könntest nun denken, ein äußeres Zeichen für eine innere Gesinnung sei nicht erforderlich. Aber ihr Menschen täuscht euch selbst so oft über eure wirkliche Gesinnung und werdet euch erst dann vollkommen darüber klar, wenn ihr sie äußerlich vor der Öffentlichkeit an den Tag legen sollt. Da zeigt es sich dann nicht selten, daß das vermeintliche Gute in euch doch nicht so groß ist, als ihr im Stillen geglaubt hattet. Unter denen, die zu Johannes kamen und seine Predigt hörten, befanden sich auch viele, die eine Änderung ihrer Gesinnung in sich zu verspüren meinten.

 

Als sie aber die Taufe als äußeres Bekenntnis dieser Gesinnungsänderung vor allem Volke empfangen sollten, da schreckten sie zurück. Es kam die Menschenfurcht, und sie war stärker als das Gute in ihnen. Sie fürchteten das Gespött ihrer Mitmenschen, vor allem der jüdischen Geistlichkeit, die ja Johannes nicht als einen Gesandten Gottes anerkannte.

 

Aus Menschenfurcht lehnten sie also die Taufe ab. Wäre daher dieses äußere Zeichen nicht gewesen, vor dessen Annahme oder Ablehnung sie gestellt wurden, so wäre es ihnen nie zum Bewußtsein gekommen, daß sie tatsächlich nicht reif für das Reich Gottes waren. Denn wer sich aus menschlichen Rücksichten scheut, für das, was er als wahr und recht erkannt hat, auch öffentlich einzutreten und alle irdischen Folgen eines solchen Bekenntnisses auf sich zu nehmen, auf den ist kein Verlaß.

 

Er ist nicht brauchbar für die Sache Gottes; denn das Irdische steht ihm höher. Aus demselben Grunde ließ sich auch Christus von Johannes taufen. Auch er wollte öffentlich bekunden, daß er für die von Johannes gepredigte Wahrheit eintrete.

 

Johannes wählte als äußeres Zeichen der Anerkenntnis seiner Lehre und des Willens zur Lebensbesserung die Taufe in der Form des Untertauchens in Wasser. Er hätte auch ein anderes Zeichen wählen können. aber das Untertauchen in Wasser war das schönste Sinnbild dessen, was er mit seiner Predigt bezweckte. Er lehrte die Reinigung von Sünde durch Änderung der bisherigen schlechten Gesinnung. So wie nun der Getaufte durch Untertauchen äußerlich von Schmutz gereinigt wurde und gewissermaßen als ein neuer Mensch aus dem Wasser stieg, so sollte ihn die Annahme der Wahrheit innerlich reinigen und befähigen, als ein neuer Mensch ein Leben des Gehorsams gegen Gott zu führen.

 

Aus demselben Grunde der Sinnbildlichkeit hat auch Christus die Wassertaufe als äußeres Zeichen der Annahme seiner Lehre beibehalten. Was die öffentliche Taufe als Bekenntnis zum Christentum für die Menschen der ersten christlichen Zeiten an äußeren Folgen hatte, davon vermöget ihr euch heute keine rechte Vorstellung mehr zu machen. Die zum Christentum übertretenden Juden setzten sich dem Haß, der Verfolgung und der wirtschaftlichen Schädigung ihrer früheren Glaubensgenossen, besonders der jüdischen Geistlichkeit aus.

 

Man beschimpfte sie auf der Straße, schleppte sie ins Gefängnis, steinigte sie. Aus der Geschichte des Paulus und des Stephanus kannst du ersehen, mit welchem Fanatismus das damalige Judentum die Judenchristen verfolgte.

 

Ebenso schlimm waren die Christenverfolgungen durch das Heidentum. Die heidnische Religion war Staatsreligion. Die Verehrung der Götter, die Götzenfeste und Götzenopfer waren durch Staatsgesetze vorgeschrieben. Es wurde als eines der größten Verbrechen gegen den Staat und den Herrscher betrachtet, sich von der Götterverehrung und den Opferfesten fernzuhalten. Darauf ruhte Todesstrafe und Einziehung der Güter. Nun aber konnte ein Christ sich selbstverständlich nicht mehr an den Götterfesten und Opfermahlzeiten beteiligen.

 

Wurde er angezeigt, so mußte er sich auf das Schlimmste gefaßt machen. Die Schrecknisse der Christenverfolgungen durch das Heidentum sind dir ja bekannt. Tod und Einziehung ihrer Güter waren das Los vieler Christen. Wieviele der heutigen sogenannten Christen würden wohl bereit sein, eine Taufe zu empfangen, die mit solchen Folgen für Leben und Eigentum verbunden wäre?

 

Doch wer nicht den Mut hat, unter solchen Opfern seinen Glauben zu bekennen, der ist kein wahrer Christ. Die Taufe gab also dem Getauften nichts Besonderes an inneren Gnaden, sondern war bloß das Zeichen, daß er bereit war, alle Folgen eines solchen öffentlichen Bekenntnisses auf sich zu nehmen. Was folgt nun daraus?

 

Vor allem, daß die Taufe von unmündigen Kindern wertlos ist. Sie können ja weder die Wahrheit erkennen noch ein Bekenntnis dafür ablegen. Darum haben die Christen der ersten Jahrhunderte nie Kindern die Taufe gespendet. Deshalb gebot auch Christus seinen Aposteln, zuerst zu lehren und dann erst die zu taufen, die zur Annahme der Wahrheit bereit waren. Ferner folgt daraus, wie irrig die Lehre der christlichen Kirchen ist, die da behaupten, die Taufe reinige ein Kind von der Erbsünde und die ohne Taufe sterbenden Kinder gingen für immer des Reiches Gottes verlustig.

 

Eine Reinigung von Sünden kann nur durch Abwendung des Willens vom Bösen erfolgen und nicht durch irgendeine äußere Handlung. Paulus berichtet von einigen Christen seiner Zeit, daß sie sich für diejenigen taufen ließen, die bereits gestorben waren. Das war christlicher Übereifer von Neulingen im Glauben. Niemand kann sich für einen anderen taufen lassen. Sein Heil hat jeder selbst zu wirken. Da gibt es keine Stellvertretung. Jene Christen meinten es gut.

 

Sie wollten damit bekunden, daß ihre Verstorbenen, wenn sie noch am Leben wären, ebenfalls die Lehre Christi angenommen und als äußeres Bekenntnis die Taufe empfangen hätten. Aus Liebe zu ihren Verstorbenen taten sie es.

 

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Die Sendung des Geistes (Firmung)

 

Als zweites Sakrament führt deine Kirche die ‘Firmung’ an. Der Bischof legt beim Spenden dieses ‘Sakramentes’ dem Firmling die Hand auf, salbt ihn und betet über ihn. Diese äußeren Handlungen sollen nun bewirken, daß der ‘Heilige Geist’ über den Gefirmten kommt, wie er am Pfingstfest über die Apostel kam.

 

Es ist richtig, daß Christus verheißen hat, nach seiner Auferstehung Geister vom Vater zu den Gläubigen zu senden. Aber diese Ausgießung der Geister Gottes hatte er nicht an äußere Zeremonien eines Bischofs geknüpft. Die Boten Gottes sollten zu allen kommen, die innerlich würdig waren, sie zu empfangen. Und wenn in dem Bericht der Apostelgeschichte auch eine Handauflegung in Verbindung mit der Ausgießung der Geister Gottes erwähnt wird, so waren diese Zusammenhänge doch ganz andere, als ihr heute annehmt.

 

Den Getauften oder den Neubekehrten wurde von seiten der Presbyter die Hand aufgelegt zum Zeichen der Aufnahme in die Gemeinde. Da die Presbyter eine große mediale Kraft besaßen, so wurde bei den medial veranlagten Täuflingen die Odkraft durch die Handauflegung so gestärkt, daß nicht selten Kundgebungen der Geister Gottes durch sie erfolgten. Es brauchte dazu kein eigentlicher Trancezustand bei ihnen einzutreten, sondern die Einwirkung der Geisterwelt war oft dieselbe, wie du sie bei den sogenannten ‘Inspirationsmedien’ kennengelernt hast.

 

Die unter dieser Einwirkung Stehenden sprachen Worte des Gebetes oder des Lobpreises Gottes, was euch aus den ersten christlichen Jahrhunderten als ‘Beten im Geiste’ bekannt ist. Auch waren es oft Worte der Ermahnung und Belehrung, durch welche die Umstehenden tief erschüttert wurden.

 

Ferner wurden bei denen, die eine besondere Aufgabe in den christlichen Gemeinden zu erfüllen hatten, die Handauflegung vorgenommen, um dadurch zu bekunden, daß sie als Werkzeuge Gottes zu gelten hatten, nachdem sie von Geisterboten Gottes als solche bestimmt worden waren.

 

Wenn daher der Apostel Paulus seinen Mitarbeiter Timotheus ermahnt, niemandem übereilt die Handauflegung zu erteilen, so meint er damit zweierlei: Einmal sollte er keinem zur Ausbildung als Medium behilflich sein, den er nicht vorher nach seiner inneren Gesinnung und Standhaftigkeit im Glauben erprobt hatte, damit nicht die Gefahr bestand, daß das Medium nachher dem Bösen verfiel und dadurch großen Schaden in der Gemeinde anrichtete.

 

Ferner sollte er bei keinem die Handauflegung zum Zeichen der öffentlichen Anerkennung als Werkzeug für eine bestimmte Aufgabe vornehmen, wenn nicht ein Geist Gottes ihn ausdrücklich für diese Aufgabe benannt hatte.

 

Einer, dem bloß die Heilkraft zuteil geworden war, durfte nur zur Krankenheilung verwendet werden und nicht etwa für das Lehramt. Denn dazu war er weder berufen noch befähigt.

 

‘Sind etwa alle Apostel?’, fragt Paulus im Korintherbrief. ‘Sind alle geistliche Redner? Sind alle Lehrer? Besitzen etwa alle Wunderkräfte? Haben etwa alle die Gabe der Heilung? Reden etwa alle in fremden Sprachen? Können alle die fremden Sprachen in die Muttersprache übertragen?’ (1. Kor. 12, 29-30).

 

Und wenn Paulus an denselben Timotheus die Mahnung richtet, die Gnadengabe Gottes, die ihm durch seine Handauflegung zuerkannt worden sei, zu heller Flamme anzufachen, so meint er die Gabe des Lehramtes. Timotheus war von Paulus auf Weisung eines Geistes Gottes durch Handauflegung als Lehrer der Heilswahrheiten feierlich anerkannt und ausgesandt worden. Aber er wurde kleinmütig und verzagt wegen der großen Schwierigkeiten, die ihm bei Ausübung seines Lehramtes begegneten.

 

Wenn du das Wirken der Geister in der ersten christlichen Zeit mit dem vergleichst, was ihr heute darüber lehrt, dann wirst du finden, wie weit ihr auch in diesem Punkte von der Wahrheit abgeirrt seid. Gottes Geist läßt sich nicht von Menschen durch äußere Handlungen nach menschlichem Belieben austeilen. Er kommt zu denen, die sich ihn innerlich verdienen und nach ihm sehnliches Verlangen tragen, ohne Bischof und bischöfliche Salbung. Der Geist Gottes weht, wo er will und nicht, wo die Menschen wollen, daß er wehen soll.

 

Vor der Erlösung durch Christus war über die ganze Menschheit der Geist der Finsternis ausgegossen. Furchtbar waren die Wirkungen, welche die bösen Mächte auf die Menschen ausübten. Das erkennst du an den vielen Fällen von Besessenheit, die in der Bibel bei den Heilungen Christi erwähnt werden. Anderen fügten die bösen Geister schwere körperliche Schäden zu. Ihr lest in den Evangelien von solchen, die infolge der Einwirkung eines bösen Geistes stumm, taubstumm, blind, fallsüchtig waren.

 

Bald war es ein einzelner der bösen Geister, der sich auf sein Opfer stürzte, bald war es ein ganzes Heer. ‘Unsere Zahl ist Legion’ bekannte einer dieser Geister. Wenn auch die Mehrzahl der Menschen die Macht des Bösen nicht in so offenkundiger Weise an sich erfuhren, wie die von den bösen Geistern körperlich Gequälten, so war doch das Böse auch bei ihnen in der Weise übermächtig, daß es die Erkenntnis der Wahrheit und des Guten verhinderte und die Herzen verstockte.

 

Auch die Erlösung hat an diesem Einfluß der bösen Geister auf die, welche durch ihren Unglauben dem Bösen freiwillig verfallen blieben, nichts geändert. Auf die, welche dem Satan der Gesinnung nach angehören, übt er auch jetzt noch seine Macht in demselben Umfange aus, wie vorher.

 

Auch ihr habt heute viele Besessene. Ihr nennt sie Irrsinnige, die in allen Fällen, wo kein Fehler des Gehirns vorliegt, zu den Besessenen gehören. Bei denen , die zum Glauben an Gott und zum Gehorsam gegen ihn zurückkehren, ist die Macht des Bösen seit der Erlösung gebrochen. Freilich haben auch sie immer noch zu kämpfen und bedürfen, wie Paulus sagt, der Waffenrüstung Gottes, damit sie gegen die listigen Angriffe des Teufels festbleiben. ‘Denn sie haben nicht mit Wesen von Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit den außerirdischen Mächten und Gewalten, mit den Herrschern der Finsternis, mit dem Heer der bösen Geister im Universum’ (Eph. 6, 12).

 

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Die Bedeutung des Abendmahls

 

Das dritte Sakrament der katholischen Kirche führt die Bezeichnung ‘Sakrament des Altares’. Andere christliche Kirchen nennen es ‘Abendmahl’. Paulus nennt es ‘Des Herrn Mahl’. Auch daraus hat man im Laufe der Jahrhunderte etwas ganz anderes gemacht, als es nach der Absicht Christi sein sollte.

 

Opfermahle waren bei den Juden und Heiden gottesdienstliche Gebräuche. Sie bildeten einen wesentlichen Teil ihres Gottesdienstes. Sie schlachteten an geweihter Stätte Tiere, gossen das Tierblut vor der Gottheit aus, verbrannten Teile des Opferfleisches zur Ehre der Gottheit und aßen das übrige in Form eines gemeinschaftlichen Mahles. Doch nicht bloß Tiere opferten sie, sondern auch Früchte, Brot, Öl und Wein und ähnliche Dinge. Auch davon wurde ein Teil der Gottheit zu Ehren vernichtet und der Rest bei der Opfermahlzeit verzehrt.

 

Was vor der Gottheit verbrannt oder ausgegossen wurde, diente, wie du weißt, zur Bereitung des Kraftstromes für die Geisterkundgebungen. Aber auch das, was von den Verehrern der Gottheit verzehrt wurde, galt als geweiht und durch die Gottheit geheiligt.

 

Das Essen und Trinken der Opferreste war das Sinnbild der inneren Gemeinschaft mit der Gottheit selbst. So wie die geweihten Speisen und Getränke durch Aufnahme in den Körper des Genießenden mit diesem eins wurden, so sollten die Teilnehmer an dem Opfermahl auch in Geist und Gesinnung eins werden mit der Gottheit und deren Willen vollziehen.

 

Diese Bedeutung hatten die Opfermahle sowohl bei den Juden, als auch bei den Heiden. Das Passahmahl der Juden am Abend vor dem Auszug aus Ägypten war das Sinnbild dafür, daß sie mit dem Gott in Gemeinschaft bleiben wollten, der sich ihnen durch Mose als Retter kundgetan hatte. Seinen Weisungen wollten sie in Zukunft gehorchen. Das Passahmahl der Israeliten war also das Sinnbild ihrer Rettung durch Gott aus der Knechtschaft Ägyptens unter der Führung des Mose als des Gesandten Gottes.

 

Christus war der durch Mose vorbedeutete und vorherverkündete große Gottesgesandte, der die Menschheit aus der Knechtschaft Satans, des höllischen Pharao, herausführen sollte. Am Vorabend des Tages, an dem er die Befreiung der Menschheit durch sein Sterben und seinen Sieg über die Hölle verwirklichen sollte, feierte er mit seinen Getreuen dasselbe Mahl, das einst Mose am Abend vor der Befreiung des Judenvolkes gefeiert hatte. Zweierlei wollte er ihnen mit diesem Mahl versinnbildlichen:

 

Seinen Abschied im leiblichen Tode - und sein beständiges Vereintbleiben mit ihnen dem Geiste nach.

 

Als sinnbildliche Zeichen wählte er Brot und Wein. Er nahm eine Scheibe Brot, brach sie in Stücke und reichte sie seinen Jüngern zum Genusse mit den Worten: ‘Nehmet hin und esset; das ist das Sinnbild meines Leibes, der für euch in den Tod gegeben wird. Tut dies zum Andenken an mich!’

 

So wie er jetzt die Brotscheibe in Stücke brach, so wurde am folgenden Tage sein irdischer Leib im Tode gebrochen und vom Leben getrennt.

 

Ebenso nahm er den Kelch mit Wein, ließ jeden daraus trinken indem er sprach: ‘Dieser Kelch ist das Sinnbild des Neuen Bundes in meinem Blute, das für euch vergossen wird. Sooft ihr ihn trinkt, denkt an mich!’ So wie der Wein beim Genuß aus dem Kelche floß, so floß am Sterbetag Christi sein Blut aus seinem Körper.

 

Aber in der Hauptsache war dieses Mahl das Sinnbild der geistigen Gemeinschaft, in der Christus trotz seiner irdischen Trennung mit seinen Getreuen bleiben wollte. So wie das unter die Jünger verteilte Brot vorher nur eine einzige Brotscheibe war und die einzelnen Schlucke Wein vorher im Kelche eine Einheit bildeten, so sollten die Jünger sowohl mit Christus, als auch untereinander im Geist und in der Liebe eins sein.

 

Um dieses Einssein hat Christus so innig und ergreifend an diesem Abend gebetet. Sie sollten die Liebe zu ihrem Meister in ihren Herzen bewahren und dadurch mit ihm verbunden bleiben zu einem geistigen Leibe: Christus ist das Haupt und sie die Glieder.

 

Daran sollten die Jünger von nun an denken, sooft sie zusammenkamen, um zum Andenken an ihn das Mahl zu wiederholen, das er als Abschiedsmahl mit ihnen gefeiert hatte. Sie sollten nicht vergessen, daß es ein Mahl der Liebe war, das ihr Herr und Meister am Abend vor seinem irdischen Scheiden mit ihnen gehalten hatte; daß nur derjenige an der Wiederholung dieses Mahles teilnehmen darf, der durch das Band der Liebe mit Gott und den Menschen verbunden ist.

 

Wer diese Liebe nicht im Herzen trägt, kann nicht das Gedächtnismahl der Liebe empfangen. Wer beim Empfang dieses Mahles Haß, Feindschaft, Groll, Neid und sonstige Sünden gegen die Nächstenliebe in seinem Inneren hegt, würde dadurch die größte Heuchelei begehen. Es wäre die schwerste Beleidigung dessen, der dieses Mahl als Gedächtnis der Liebe eingesetzt hat. Darum hat ein jeder, der dieses Mahl der Liebe empfangen will, sich vorher zu prüfen, ob er die Liebe zu Gott und dem Nächsten besitzt, da sonst das Mahl eine Verhöhnung Christi wäre. Das ist die wahre Bedeutung des Abendmahls Christi und der Wiederholung dieses Mahles zum Andenken an ihn.

 

Und was hat man im Laufe der Jahrhunderte aus diesem Mahle gemacht? Man hat die Lehre aufgebracht, Christus habe durch die Worte, die er bei der Überreichung des Brotes und des Kelches gesprochen, das Brot in seinen wirklichen Leib und den Wein in sein wirkliches Blut verwandelt. Brot und Wein seien daher nicht bloß Sinnbilder gewesen, sondern das Brot sei zu Christi lebendigen Leib und der Wein zu seinem lebendigen Blut geworden. Zwar könne man diese Verwandlung äußerlich nicht wahrnehmen. Und diese Verwandlung finde auch heute noch jedesmal statt, sobald der Priester die Worte Christi über Brot und Wein spreche.

 

Es ist diese Lehre wohl das Widersinnigste, was je dem Menschengeiste zu glauben zugemutet worden ist. Nach dieser Lehre wäre also beim letzten Abendmahle im Saale zu Jerusalem die Person Christi in ein und demselben Augenblick dreiundzwanzigmal anwesend gewesen. Sie saß in menschlicher Gestalt vor den Aposteln; jedes Stück Brot, das die elf Jünger aßen, war dieselbe lebendige Person Christi und jeder Schluck Wein, den die elf tranken, war wiederum Christus mit Leib und Seele, mit Fleisch und Blut.

 

Es ist unbegreiflich, wie Menschen einen solchen Wahn aufbringen können. Kein Mensch und kein Geist kann sich selbst vervielfältigen. Auch Gott nicht. Niemand - auch Gott nicht - kann als Persönlichkeit gleichzeitig an mehreren Orten sein. Niemand kann sich in etwas anders verwandeln und gleichzeitig das bleiben, was er ist. Christus konnte sich nicht selbst essen. Denn da Christus auch selbst von dem Brote aß, das er seinen Jüngern darreichte, so verzehrte er sich nach eurer Lehre selbst. Ich finde keinen Ausdruck in eurer Sprache, um diese Lehre als Ausfluß höchster menschlicher Verblendung zu brandmarken.

 

Dazu lehrt ihr, daß die Priester täglich diese Verwandlung von neuem vornehmen. Wenn sie über Brot und Wein die Worte sprechen: ‘Dies ist mein Leib - dies ist mein Blut!’, sollen alle Brotteile und Weintropfen in die Person Christi verwandelt werden. Eure Priester nehmen damit eine Macht für sich in Anspruch, die selbst Gott nicht hat, weil auch er das in sich Unmögliche nicht möglich machen kann.

 

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Ihr mögt noch sooft beteuern, das sei ein unbegreifliches Geheimnis und mögt es das Geheimnis des Glaubens nennen, das ändert an der Unwahrheit dieser Lehre nichts. Mit dem Worte ‘Geheimnis’ kann man jeden menschlichen Wahn verdecken. Worte findet man immer, auch wenn man sich unter den Worten nichts Vernünftiges denken kann.

 

Über eins muß ich mich bei dieser Lehre besonders wundern: Ihr lest doch die Bibel. Ist euch dabei denn nicht aufgefallen, daß in dem ganzen Neuen Testament auch nicht die geringste Spur eurer widersinnigen Lehre enthalten ist? Wenn bei dem Abendmahl des Herrn Brot und Wein in den wahrhaftigen Christus verwandelt worden wäre, dann würden die Apostel nicht müde geworden sein, auf dieses unbegreifliche Geschehen immer wieder hinzuweisen.

 

Sowohl die Evangelien hätten über dieses Wunder aller Wunder ausführlich berichtet, als auch die Apostel hätten in ihren Briefen die ersten Christen immer wieder auf dieses Gedächtnismahl hinweisen müssen.

 

Aber nirgends wird etwas davon erwähnt. Der Apostel Johannes, der beim Abendmahl an der Seite seines Meisters ruhte und als erster von ihm einen Bissen jenes gesegneten Brotes empfing, erzählt in seinem Evangelium überhaupt nichts von der Darreichung des Brotes und Weines durch Christus. Er erzählt die Fußwaschung. Er erzählt den Verrat des Judas. Und er sollte über dieses unbegreiflichste und gewaltigste Geschehen im Leben Jesu verschwiegen haben?

 

Die Apostel erwähnen in ihren Briefen nichts vom Abendmahl. Die Apostelgeschichte teilt bloß mit, daß die ersten Christen an der Lehre der Apostel, an der Gemeinschaft, am Brotbrechen und am Gebet festhielten. Also hier wird die Feier des Abendmahls als ein ‘Brotbrechen’ erwähnt und nicht als das, was ihr heute daraus gemacht habt. Sie brachen das Brot als Sinnbild des Todes Christi und der Liebe, die sie in der Gemeinschaft miteinander und mit Christus bestätigten. Es war Brot, was sie brachen und aßen. Aber bei dem Genuß dieses Brotes waren sie mit ihren Gedanken und Gebeten bei dem, der ihnen verheißen hatte: ‘Wo auch nur zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. ’ Der Genuß des Brotes und des Weines war für sie ein heiliges Sinnbild ihrer geistigen Vereinigung mit ihrem Erlöser.

 

Der Apostel Paulus, der eine große Anzahl von Briefen an die Gemeinden geschrieben hat, ist der einzige, der in seinem ersten Brief an die Korinther das Abendmahl erwähnt.

 

Aber auch er würde darüber nichts gesagt haben, wenn er nicht durch die äußeren Umstände dazu gezwungen gewesen wäre. Man hat ihm nämlich mitgeteilt, daß es in der korinthischen Gemeinde bei der Abendmahlsfeier sehr schlimm zuging. Die ersten Christen gestalteten die Abendmahlsfeier zu einer vollständigen Mahlzeit, wie dies ja auch bei dem Abendmahl Christi in Jerusalem der Fall war. Denn bevor Christus den Jüngern Brot und Wein zum Gedächtnis reichte, hatte er mit ihnen das Osterlamm nebst allem Dazugehörigen gegessen und Wein dazu getrunken.

 

So aßen nun auch die ersten Christen bei ihren Abendmahlsfeiern zuerst Fleischgerichte mit den verschiedensten Zutaten. Auch sie tranken dazu Wein. Und erst zum Schluß dieser Mahlzeit brachen sie Brot und tranken aus einem gemeinschaftlichen Kelch Wein zum Gedächtnis Christi.

 

Auch diese Christen waren schwache Menschen mit denselben Fehlern wie ihr. Das zeigte sich leider auch bei der Abendmahlsfeier in Korinth. Sie wurde in Privathäusern abgehalten. Nun war der Eigentümer des Hauses, in dem die Feier stattfand, nicht in der Lage, die Mahlzeit für alle Teilnehmer zu stellen. Denn die ersten Christen waren meist arme Leute. Darum mußte sich jeder sein Essen und seinen Wein für die gewöhnliche Mahlzeit, die der Abendmahlsfeier vorausging, selbst mitbringen.

 

Nun kam es vor, daß die Armen nur ein kärgliches Essen bei sich hatten oder überhaupt nichts aßen, sondern sich bloß am Schluß an der eigentlichen Abendmahlsfeier beteiligten. Dabei mußten sie oft zusehen, wie die Bessergestellten ihr reichliches Mahl verzehrten und Wein dazu tranken und bisweilen im Weingenuß die Grenzen des Erlaubten überschritten und sich betranken.

 

Solche Zustände konnten natürlich nicht geduldet werden; nicht bloß deswegen, weil die dabeisitzenden Armen Anstoß daran nahmen, sondern vor allem, weil sie mit dem Geist der Abendmahlsfeier unvereinbar waren.

 

Als daher Paulus gehört hatte, daß sich Vorfälle dieser Art in der Gemeinde zu Korinth ereigneten, griff er ein und machte den Korinthern darüber scharfe Vorhaltungen. Dabei mußte er notgedrungen auch über den eigentlichen Sinn des Abendmahls zu ihnen sprechen.

 

Zunächst tadelte er sie wegen der Vorkommnisse bei der Abendmahlsfeier. ‘Wenn ihr an demselben Ort zusammenkommt, so heiße ich das, was ihr tut, nicht das Herrenmahl feiern. Denn ein jeder nimmt zuvor seine eigene Mahlzeit zu sich, und dabei leidet der eine Hunger und der andere betrinkt sich. Habt ihr denn nicht eure eigenen Häuser, wo ihr essen und trinken könnt? Oder meint ihr, ihr brauchtet keine Rücksicht zu nehmen auf die Gemeinde Gottes und ihr dürftet die Unbemittelten beschämen? Was soll ich zu solchen Dingen sagen? Soll ich euch etwa loben? In diesem Punkte gewiß nicht’ (1. Kor. 11, 20-22).

 

Und nun weist er sie auf die Bedeutung des Abendmahls hin. Er brauchte ihnen nicht viel darüber zu erklären. Denn er hatte sie schon früher mündlich darüber belehrt. Er führt ihnen die von Christus beim ersten Abendmahl gesprochenen Worte an und faßt ihre Bedeutung in den Worten zusammen: ‘Sooft ihr das Brot esset und den Kelch trinket, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt. ’

 

Das Abendmahl ist also ein Essen des Brotes und ein Trinken des Kelches als Sinnbild des Todes Christi, der aus Liebe zu den gefallenen Geistern sein Leben hingab. Wer daher bei einer Feier zum Gedächtnis Christi die Sinnbilder des Leibes und Blutes des Erlösers in einer so unwürdigen Weise behandelt, wie dies manche Christen in Korinth taten, der versündigt sich nicht bloß an diesen Sinnbildern, sondern an Christus selbst.

 

Denn wer die Feier zu Ehren eines Herrschers schändet, der verunehrt den Herrscher selbst und wird wegen Majestätsbeleidigung bestraft. ‘Wer daher in unwürdiger Weise das Brot ißt und den Kelch des Herrn trinkt, der versündigt sich am Leibe und Blute des Herrn. ’

 

Darum soll niemand Brot und Wein als Sinnbild des Leibes und des Blutes Christi genießen, der nicht vorher bei sich festgestellt hat, ob seine Gesinnung der Gesinnung des Erlösers ähnlich ist. ‘Jedermann prüfe sich also selbst und esse dann erst von dem Brote und trinke aus dem Kelche; denn wer da ißt und trinkt, der zieht sich selbst durch sein Essen und Trinken ein göttliches Strafgericht zu, wenn er den Leib des Herrn nicht gebührend würdigt. ’

 

Wer Brot und Wein als Sinnbilder der größten und heiligsten Liebestat der Schöpfung als etwas Gleichgültiges und Gewöhnliches behandelt, sie in Trunkenheit und unter anderen Ärgernis erregenden Begleitumständen genießt, der muß von Gott bestraft werden. Denn nicht einmal ihr Menschen laßt es euch gefallen, daß jemand ein Andenken, das ihr ihm gabt, in entehrender Weise behandelt.

 

Zu dieser entehrenden Behandlung der Sinnbilder des Todes und der Liebe Christi gehört vor allem auch die unwürdige innere Verfassung der Teilnehmer am Abendmahl. Wo ein Gedächtnismahl der Liebe gefeiert wird, da darf nicht das Gegenteil der Liebe in den Herzen der Anwesenden zu finden sein. Mit Streitsucht, Feindschaft, Bitterkeit und ähnlichen Sünden gegen die Nächstenliebe im Herzen kann man nicht das Mahl der Liebe genießen.

 

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Auch hierin hatten die Korinther schwer gefehlt. Denn Paulus gibt als ersten Grund, weshalb die Abendmahlsfeier ihnen keinen Segen, sondern nur geistigen Schaden bringe, den Umstand an, daß Spaltungen und Streitigkeiten bei ihnen herrschten, sie sich also gegen die Nächstenliebe verfehlten. Wo die Abendmahlsfeier äußerlich und innerlich in so unwürdiger Weise gehalten wurde wie in der Gemeinde von Korinth, da brauchte man sich nicht darüber zu wundern, daß die Teilnehmer nach den Worten des Apostels ‘schwach und krank’ waren und bei manchen von ihnen schon das Schlimmste, nämlich der geistige Schlaf der Gleichgültigkeit gegen Gott eingetreten war.

 

Wie du siehst, weiß Paulus nichts davon, daß Brot und Wein etwas anderes sein sollen, als Sinnbilder des Leibes und Blutes Christi. Wäre das Brot nicht mehr Brot, wie ihr lehrt, sondern Christus selbst, dann würde Paulus es mit aller Deutlichkeit gesagt haben. Was würde dieser feurige Christusjünger wohl für Worte gegen die Korinther gebraucht haben, wenn das Brot des Abendmahls Christus selbst wäre.

 

Schon vorher hatte Paulus in demselben Briefe bei Besprechung der Götzenopfer das Abendmahl der Christen erwähnt. Er stellt dort einen Vergleich an zwischen der Teilnahme an den Opfermahlen zu Ehren der Götzen und der Teilnahme am Abendmahl zu Ehren Christi.

 

Der Sinn seiner Worte ist folgender: Die Heiden setzen sich durch den Genuß des Götzenfleisches in Verbindung mit den bösen Geistern. Das Opferfleisch als solches ist nichts Besonderes. Es ist Fleisch und bleibt Fleisch, wie jedes andere Fleisch. Aber die Gesinnung, in der die Heiden das Fleisch opfern und genießen, ist es, durch die sie in Verbindung mit den bösen Geistern treten.

 

Die Christen setzen sich durch den Genuß von Brot und Wein in Verbindung mit Christus. Brot und Wein werden dadurch in sich nichts Besonderes, sondern bleiben Brot und Wein. Nur die Gesinnung, in der sie das gesegnete Brot und den gesegneten Wein genießen, ist es, durch die sie in Verbindung mit Christus kommen.

 

Darum darf kein Christ an den Opfermahlen der Heiden teilnehmen, weil er sich durch eine solche Teilnahme in Verbindung mit den bösen Geistern setzen würde. ‘Ihr könnt nicht zugleich den Kelch des Herrn und den Kelch der bösen Geister trinken; ihr könnt nicht zugleich am Tisch des Herrn und am Tisch der bösen Geister Gäste sein’(1. Kor. 10, 21).

 

Ebensowenig, wie das Opferfleisch der Heiden in böse Geister verwandelt wird, ebensowenig wird bei den Christen Brot und Wein in Christus verwandelt. In beiden Fällen wird allerdings eine Verbindung mit der Geisterwelt hergestellt, - bei den Heiden eine Verbindung mit den bösen Geistern unter dem Sinnbild des Opferfleisches und des Opferweines; bei den Christen eine Verbindung mit Christus unter dem Sinnbild von Brot und Wein.

 

Wie ferner bei den Opfermahlen der Heiden die Teilnehmer nicht bloß mit dem einen bösen Geiste in Gemeinschaft traten, zu dessen Ehren das Opfermahl gehalten wurde, sondern mit der Gesamtheit der bösen Geisterwelt, die ja ein einheitliches Ganzes bildet, so traten auch die Christen durch den Genuß von Brot und Wein nicht bloß mit Christus als einem Einzelgeist in Verbindung, sondern mit allen Geistern des Reiches Gottes, dessen König Christus ist.

 

Paulus gebraucht zur Bezeichnung dieser großen Gemeinschaft den Ausdruck ‘Leib des Herrn’. Christus ist das Haupt, und die ganze geschaffene Geisterwelt des Guten einschließlich der gottesgläubigen Menschen sind die Glieder dieses geistigen Leibes. Wer also mit Christus in Gemeinschaft steht, der hat auch Gemeinschaft mit den Gliedern Christi. Diese Gemeinschaft wird beim Abendmahl besonders durch das eine Brot versinnbildlicht. So wie das genossene Brot vorher ein Ganzes war, so sollen die vielen, unter die es verteilt wurde, eins sein durch das Band der Liebe: ‘Weil es ein einziges Brot ist, sind auch wir trotz unserer Vielheit ein einziger Leib: Denn wir alle teilen uns in das einzige Brot’ (1. Kor. 10, 17).

 

Das Bild, daß alle, die Christus angehören, mit ihm einen geistigen Leib bilden, braucht Paulus sehr häufig in seinen Briefen. Es ist dasselbe, was ihr in eurem Glaubensbekenntnis mit ‘Gemeinschaft der Heiligen’ bezeichnet.

 

Um eure falsche Lehre von der Verwandlung des Brotes und Weines in die Person Christi aufrecht zu halten, versteift ihr euch zunächst auf die von Christus angeblich gebrauchten Worte: ‘Das ist mein Leib - das ist mein Blut. ’ Ihr betont, daß es heißt ‘ist’ und nicht ‘bedeutet’. Aber woher wißt ihr, daß Christus in seiner Sprache ein Wort gebraucht hat, das eurem ‘ist’ entspricht? Ihr kennt ja die von Christus in der aramäischen Sprache gebrauchten Worte gar nicht und besitzt auch den ursprünglichen griechischen Text des Neuen Testamentes nicht mehr.

 

In Wirklichkeit hat Christus beim Abendmahl keine Worte gebraucht, die etwas anderes bedeuten als den Hinweis auf Brot und Wein als Sinnbilder seines am folgenden Tage eintretenden Todes als Erlösungstat für die Rettung der Welt.

 

Doch wir wollen einmal annehmen, er habe tatsächlich gesagt: ‘Das ist mein Leib - das ist mein Blut!’, so weiß doch wohl jeder Bibelkenner, daß Christus nur in Sinnbildern gesprochen hat, wie er selbst mit den Worten bestätigt: ‘Dies habe ich euch in sinnbildlichen Reden verkündet. Aber es kommt die Zeit, wo ich nicht mehr in Bildern zu euch reden werde’ (Joh. 16, 25).

 

Und wann sprach er diese Worte? Wie du dich überzeugen kannst, gerade beim letzten Abendmahl, wenige Stunden vor seinem Tode. Als Mensch redete er alles in Sinnbildern. ‘Dies alles redete Jesus in Sinnbildern zum Volke und ohne Sinnbilder redete er nichts’ (Matth. 13, 34)

 

Auch am Abend des Abschiedes von seinen Jüngern redete er nicht bloß von Brot und Wein als Sinnbildern seines Todes, sondern in einem anderen Sinnbild zeigte er das Lebensverhältnis zwischen ihm und seinen Jünger: ‘Ich bin der Weinstock und ihr seid die Reben’ (Joh. 15, 5).

 

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Wenn ihr nun Brot und Wein nicht als Sinnbilder gelten lassen wollt, dann dürft ihr auch nicht die Worte vom Weinstock und den Reben sinnbildlich nehmen, sondern müßt sagen: ‘Dadurch, daß Christus die Worte sprach: Ich bin der Weinstock und ihr seid die Reben’ wurde Christus in einen Weinstock und seine Jünger in Reben verwandelt. ’ Denn es ist in beiden Fällen dieselbe Ausdrucksweise, und die eine Verwandlung ist nicht schwieriger als die andere; nämlich beide wären gleich möglich.

 

Es ist begreiflich, daß die katholische Kirche alles nur von ferne Verwendbare aus der Bibel zusammensucht, um ihre ungeheuerliche Lehre zu stützen. So nimmt sie auch andere Sinnbilder in ihrer wörtlichen Bedeutung, wo Christus sich das ‘Brot’ nennt, das vom Himmel gekommen ist, und auch, wo er sagt, daß sein Fleisch wahrhaftig eine Speise und sein Blut wahrhaftig ein Trank sei.

 

Das alles ist geistig zu verstehen, was ja auch Christus selbst immer wieder betonte. ‘Der Geist ist es, der das Leben schafft, das Fleisch hilft dazu nichts. Die Worte, die ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben’ (Joh. 6, 63).

 

Er sagt von sich, daß es seine ‘Speise’ sei, den Willen seines himmlischen Vaters zu erfüllen. Der Samariterin am Jakobsbrunnen versprach er ‘Wasser’ zu geben, das zum ewigen Leben fließe. Das alles sind sinnbildliche Ausdrücke, die nie im wörtlichen Sinne genommen werden dürfen, da sonst die größten Torheiten zum Vorschein kämen.

 

Christus ist nicht ein wirklicher Weinstock und seine Jünger sind keine wirklichen Reben. Das Abendmahlsbrot ist nicht sein wirklicher Leib und der Wein nicht sein wirkliches Blut. Alles ist geistig und sinnbildlich zu verstehen. Und so verstanden es auch die Apostel und alle Christen der ersten Jahrhunderte.

 

Der Gottesdienst, dessen Mittelpunkt die angebliche Verwandlung von Brot und Wein in die Person Christi ist, wird von den Katholiken ‘Messe’ genannt. Man bezeichnet sie auch als die Erneuerung des Kreuzestodes Christi. Es gibt keine Erneuerung des Kreuzestodes Christi - auch keine unblutige. Wie ihr euch wohl eine unblutige Erneuerung des Kreuzestodes denkt? Nun, in Wirklichkeit denkt ihr euch überhaupt nichts dabei, weil sich nichts Vernünftiges darunter denken läßt. Die Messe ist entstanden durch eine Erweiterung der Gebete der Abendmahlsfeier der ersten christlichen Zeit. Sie hat jedoch im Laufe der Jahrhunderte alles eingebüßt, was das Abendmahl zu einem Gemeinschaftsmahl und einem Gedächtnismahl des Herrn machte

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So enthält also die sogenannte Messe an Gutem weiter nichts als eine Reihe von Gebeten, die jeder für sich ebenso gut in seinem Kämmerlein beten kann. Er bedarf dazu keines Priesters. Das große Vertrauen des katholischen Volkes auf die Wirkung der bezahlten Messen ist daher leider eine große Selbsttäuschung.

 

Gebt dem Volke die Abendmahlsfeier der apostolischen Zeit wieder! Denn diese Feier ist eine heilige und segenbringende Handlung. Ihr sollt sie recht oft halten. Dafür eignen sich besonders die Vorabende eurer hohen Feste oder die Tage der Feste selbst. Auch an anderen Tagen, die für euch von Bedeutung sind, mögt ihr euch zu einer solchen Feier zusammenfinden.

 

Ihr könnt dies ohne fremde Hilfe, in eurer eigenen Familie. Ihr braucht dazu keine sogenannten ‘Priester’ oder sonstige Religionsdiener und keine Kirchen. Es wird sich in jedem Kreis von Gläubigen jemand finden, der es versteht, die Abendmahlsfeier in würdiger Weise vorzunehmen.

 

Wegen der Wichtigkeit der Sache möchte ich dir den Verlauf einer solchen Feier kurz schildern. Als Brot nehmt ihr am besten ungesäuertes Brot, in eurer Sprache ‘Matzen’ genannt. Mit Rotwein oder auch Weißwein füllt ihr einen Glas- oder Kristallbecher. Beides stellt ihr auf einen weißgedeckten Tisch. Das Gefäß mit Wein deckt ihr bis zum Gebrauche zu, damit der Wein durch nichts verunreinigt wird. Ebenso kann man das Brot mit einem reinen Tüchlein überdecken.

 

Außerdem mögt ihr nach dem Beispiel der ersten Christen ein einfaches Kreuz ohne Christuskörper auf den Tisch stellen. Hinter das Kreuz sieben Kerzen, und zwar so, daß die mittlere Kerze dicht hinter das Kreuz zu stehen kommt.

 

Wenn ihr zur festgesetzten Stunde versammelt seid, beginnt ihr mit einem zu dieser Feier passenden Lied. Dann betet der, welcher die Feier leitet, ein Gebet mit seinen eigenen Worten und liest dann den einen oder anderen Psalm, der sich für diese Stunde eignet. Auch kann er aus mehreren Psalmen diejenigen Verse auswählen, die er für passend findet. Darauf folgt eine entsprechende Lesung aus der Heiligen Schrift. Sollte einer der Anwesenden befähigt sein, eine kurze Ansprache zu halten, so wird dies von Nutzen sein.

 

Darauf verbringen die Teilnehmer einige Minuten in stiller Sammlung, indem sie ihre Sünden und Fehler überdenken und in wahrer Reue Gott um Verzeihung bitten. Dann betet der Versammlungsleiter oder alle zusammen den Psalm: ‘Aus der Tiefe rufe ich zu dir’.

 

Nach Beendigung dieses Bußpsalms tritt der Leiter an den Tisch und betet mit selbstgewählten Worten, daß Gott Brot und Wein segnen möge, damit deren Genuß allen Teilnehmern zum Heile gereiche. Darauf bricht er jedem der Anwesenden ein Stück von der Brotscheibe ab und reicht es dem einzelnen hin mit den Worten: ‘Nehmet hin und esset! Das ist das Sinnbild des Leibes Christi, unseres Erlösers, der zu unserer Rettung am Kreuze gestorben ist. ’

 

Das spricht er nur einmal langsam, während er das Brot herumreicht, das die Teilnehmer in die Hand nehmen und sofort essen. Als letzter nimmt der Austeiler selbst ein Stück und ißt es.

 

Ebenso reicht er im Anschluß daran den Kelch herum mit den Worten: ‘Trinket alle daraus! Das ist das Sinnbild des Blutes unseres Herrn Jesu Christi, das einst geflossen ist zur Vergebung unserer Sünden. ’ Zuletzt trinkt er selbst aus dem Kelche. Dann spricht er ein Dankgebet. Ein Lied schließt die Feier.

 

Ist ein Tieftrancemedium anwesend, so wird der aus ihm sprechende Geist die Leitung der Feier übernehmen und das Erforderliche veranlassen. Es ist durchaus nicht verboten, im Anschluß an das Abendmahl eine irdische Feier mit einem Mahle zu veranstalten und in recht froher Stimmung zusammenzubleiben. Denn ihr sollt frohe Menschen sein und die innere Freude auch äußerlich an den Tag legen. Ihr sollt nicht bloß die geistigen Gaben Gottes, sondern auch die irdischen mit Dank gegen Gott in Freude und Frohsinn genießen, ohne die Grenzen des Erlaubten dabei zu überschreiten.

 

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Buße - Beichte - Lossprechung

 

Die katholische Kirche hat ein Sakrament der Buße. Nach der Lehre des Neuen Testamentes bedeutet ‘Buße’ eine ‘Änderung der Gesinnung’. Johannes der Täufer predigte Buße zur Vergebung der Sünden. Und von Christus heißt es: ‘Von dieser Zeit an begann Jesus die Heilsbotschaft mit den Worten zu verkünden: Tuet Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!’ (Matth. 4, 17).

 

Die Worte ‘Tuet Buße!’ lauten in der Bibel nach wörtlicher Übersetzung: ‘Ändert eure Gesinnung!’ Buße ist also eine geistige Umkehr vom Bösen zum Guten und zu Gott. Wer das Böse, das er bis dahin getan hat, nicht mehr tut, und das Gute, das er bis dahin unterlassen, zu tun beginnt, bei dem ist eine Gesinnungsänderung eingetreten. Er gehört zu denen, die Buße tun.

 

Die Katholiken verbinden mit dem Sakrament der Buße einen viel weiteren Begriff. Es genügt ihnen nicht eine Umkehr des Menschen in Gesinnung und Tat; die katholische Kirche fordert vielmehr als unerläßliche Bedingung für eine solche Umkehr und für eine Versöhnung mit Gott das Bekenntnis aller einzelnen schweren Sünden vor einem katholischen Priester. Nur dieser hat nach ihrer Lehre die Macht, an Gottes Statt die Sünden zu vergeben.

 

Ohne priesterliche Lossprechung gibt es für sie keine Sündenvergebung. Dadurch bindet sie die Gläubigen fest an das Priestertum und die kirchliche Organisation. Mit diesem geistigen Machtmittel übt sie eine absolute Herrschaft über die Seelen aus.

‘Niemand kann Sünden vergeben, als Gott allein. ’ Mit diesem Ausspruch hatten die Schriftgelehrten Christus gegenüber recht. Kein Mensch und kein Priester kann eine Lossprechung erteilen. Auch Christus konnte es nicht.

 

Wohl kann Gott einem Menschen als Werkzeug Gottes in einem bestimmten Fall einen Auftrag geben, einem Sünder zu sagen, daß Gott ihm seine Sünden verziehen habe. Einen solchen Auftrag gab Gott dem Propheten Nathan. Er sandte ihn zu David, um ihm mitzuteilen, daß er ihm die Sünde des Ehebruches und Mordes vergeben habe.

 

Ebenso hatte Christus in den einzelnen Fällen, in denen er Sündern die Vergebung der Sünden mitteilte, einen speziellen Auftrag Gottes erhalten. Er verkündete die Sündenvergebung nicht aus sich und nach eigenem Ermessen. Er verkündete sie nur denen, die ihm Gott durch seine Geisterboten als der Vergebung würdig bezeichnet hatte. Das bestätigt Christus, indem er seinen Gegnern ausdrücklich sagt, der Vater habe ihm den Auftrag dazu erteilt. Nicht einen Auftrag für alle Fälle nach dem Belieben Christi, sondern in jedem einzelnen Fall.

 

Der katholische Priester behauptet nun, von seinem Bischof die Gewalt bekommen zu haben, nach eigenem menschlichen Ermessen den Gläubigen die Lossprechung zu erteilen oder zu versagen.

 

Aber wie will er denn wissen, ob Gott dem einen die Sünden vergeben hat und dem anderen nicht? Oder seid ihr so töricht, zu glauben, Gott vergebe deswegen einem Sünder, weil ein Priester ihm die Lossprechung erteilt, und versage einem anderen die Verzeihung, weil ein Priester sie ihm versagt hat? Oder überbringen dem katholischen Priester, wie beim Propheten Nathan und bei Christus, Geisterboten den Auftrag, in dem einen Falle die Sünden zu vergeben und in dem anderen Falle nicht? Oder hat er sonst eine überirdische Gabe, dies zu erkennen? Kann er in den Herzen der Beichtkinder lesen, ob Gott ihnen die Sünden vergeben hat?

 

Die katholischen Priester müssen gestehen, daß sie nichts dergleichen besitzen. Wie können sie denn anderen mitteilen, daß Gott ihnen die Sünden vergebe, wenn sie nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür haben, ob ihre Mitteilung auf Wahrheit beruht? Der Priester vermag weder in das Herz des Sünders zu schauen, noch den Willen Gottes zu erkennen. Und wenn ihr sagt, die Lossprechung gelte bloß für den Fall, daß das Beichtkind seine Sünden wahrhaft bereue und den ernstlichen Willen habe, sich zu bessern, so besteht das Törichte der priesterlichen Lossprechung eben darin, daß der Priester in keinem Falle weiß, ob jene Bedingung bei dem Beichtkind erfüllt ist.

 

Er kann also in keinem Falle sagen: ‘Ich spreche dich los von deinen Sünden. ’ Er kann höchstens sagen: ‘Gott möge dich lossprechen von deinen Sünden!’ Um einen solchen Wunsch dem Sünder gegenüber auszusprechen, braucht man nicht Priester zu sein. Das kann jeder Mensch. Es ist eben bloß ein Wunsch ohne jede Wirkung. Aber der Priester sagt ausdrücklich: ‘Ich spreche dich los von deinen Sünden. ’

 

Damit spricht er ein richterliches Urteil aus, von dem er in keinem Falle weiß, ob es vor Gott Rechtskraft besitzt oder nicht. Was würdet ihr von einem irdischen Richter sagen, der Urteile ohne jede Rechtskraft verkünden würde? Nicht wahr, das wäre eine lächerliche Komödie. Dasselbe ist die katholische Sündenvergebung durch einen Priester, wie dir dein gesunder Menschenverstand sagen muß.

 

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Die Wahrheit ist die: Wer seine Sünden aufrichtig bereut und sich zu Gott wendet, dem vergibt Gott, einerlei ob ein Priester ihm vergeben hat oder nicht. Und wer nicht bereut, dem wird von Gott keine Vergebung zuteil, wenn ihm die Priester auch noch so oft die Lossprechung erteilen. Eure Lehre der Sündenvergebung durch Priester ist daher eine der großen menschlichen Irrungen, die sich im Laufe der Zeit in das Christentum eingeschlichen haben.

 

Zum Beweis dafür, daß die katholischen Priester die Gewalt haben, die Lossprechung von Sünden zu erteilen, beruft sich die katholische Kirche auf eine gefälschte Bibelstelle. Auf diese Fälschung habe ich dich bereits in meinem ersten Zusammentreffen mit dir hingewiesen. Es ist die Stelle: ‘Wenn ihr anderen die Sünden vergebet, so werden sie ihnen vergeben. Wenn ihr sie behaltet, so werden sie ihnen behalten’ (Joh. 20, 23).

 

Du weißt bereits, daß im griechischen Text ein einziges Wörtchen in dieser Stelle ausgelassen und dadurch der ganze Sinn entstellt ist. Anstatt des Wortes ‘ihnen’ stand im Urtext ‘euch selbst’. Die Stelle heißt also richtig: ‘Wenn ihr anderen die Sünden vergebet, so werden sie euch selbst vergeben. Wenn ihr sie behaltet (oder nicht vergebt), dann werden sie euch selbst behalten (oder nicht vergeben). ’

 

In diesen Worten verkündet Christus dieselbe Lehre, die in der Bitte des Vaterunsers enthalten ist: ‘Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern’ (Matth.6, 9) und die er im direkten Anschluß an das Vaterunser in den Worten ausgesprochen hat: ‘Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben; wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben’ (Matth. 6, 14). Weil eine Gewalt der Sündenvergebung, wie sie die katholische Kirche für sich in Anspruch nimmt nicht besteht und nicht bestehen kann, ist sie auch niemals in den ersten christlichen Zeiten gelehrt oder ausgeübt worden.

 

Deshalb wurde früher von den Christen auch nie ein Sündenbekenntnis vor einem Priester verlangt. Die Menschen des ersten Christentums wurden aufgefordert, entsprechend der Lehre Christi, einander die Sünden zu bekennen; nämlich die Sünden, die sie gegeneinander begangen hatten. Sie sollten das Unrecht, das sie ihren Mitmenschen zugefügt hatten, diesen eingestehen und dadurch die Versöhnung herbeiführen.

 

Dies ist ja auch der einzige und schnellste Weg der Aussöhnung. Wenn dich jemand beleidigt hat und er kommt zu dir und gesteht sein Unrecht ein, dann reichst du ihm gern die Hand zur Versöhnung. Dazu fordert ja auch Christus mit den Worten auf: ‘Wenn du deine Gabe zum Altar bringst und dich dort erinnerst, daß dein Bruder etwas wider dich habe, so laß deine Gabe dort vor dem Altare und geh zunächst hin und versöhne dich mit deinem Bruder. Alsdann komm wieder und opfere deine Gabe’ (Matth. 5, 23-24).

 

Wäre zur Sündenvergebung das Bekenntnis vor einem Priester und dessen Lossprechung erforderlich, dann würden Christus und die Apostel es nicht unterlassen haben, immer wieder darauf hinzuweisen. Denn es wäre das Wichtigste der ganzen christlichen Lehre gewesen, weil ja ohne Sündenvergebung niemand in das Reich Gottes eingehen kann.

 

Aber weder Christus noch die Apostel kennen die Beichte vor einem Priester oder deren Lossprechung. Beichte und priesterliche Lossprechung sind Menschensatzungen, die dem Gläubigen den Weg zu Gott nicht erleichtern, sondern bedeutend erschweren, indem sie ihn in falsche Sicherheit wiegen. Er beichtet und empfängt die Lossprechung des Priesters und meint nun, damit sei zwischen ihm und Gott wieder alles in Ordnung.

 

Damit wird er das Opfer einer großen Täuschung. Jeder Irrtum in den Heilswahrheiten ist mit einem Irrweg zu vergleichen, der den Wanderer dem Ziel nicht näher bringt, sondern vom Ziele immer weiter entfernt.

 

In deiner bisherigen Religion spielen auch die sogenannten äußeren ‘Bußübungen’ keine geringe Rolle. Sie schreibt Enthaltung von gewissen Speisen an bestimmten Tagen vor, ordnet Fasttage an, hält körperliche Kasteiungen für einen höheren Grad der Vollkommenheit, empfiehlt Wallfahrten und fordert von ihren Priestern und Ordensleuten als eine höhere Stufe der Vollkommenheit das ehelose Leben.

Alle diese Dinge haben mit dem rechten Bußbegriff und einer inneren Vollkommenheit nichts zu tun.

 

Christus hat nie freiwillig gefastet oder sich kasteit. Als er in der Wüste fastete, war es ein Zwang, dem er sich nicht entziehen konnte. Denn in der Wüste gab es nichts Eßbares. Darum werdet ihr in der Lehre oder in den Briefen der Apostel kein Wort finden, durch das die Menschen zur Enthaltung von Speisen oder zu leiblichen Kasteiungen aufgefordert werden. Im Gegenteil, derartige Dinge werden als wertlos bezeichnet. So sagt Paulus den Korinthern: ‘Der Genuß oder Nichtgenuß von Speise wird für unsere Stellung zu Gott nicht maßgebend sein’ (1. Kor. 8, 8).

 

Und an die Kolosser schreibt er: ‘Wenn ihr mit Christus den Geistermächten der Welt abgestorben seid, warum laßt ihr euch, als ob ihr noch mit der Welt lebtet, Satzungen aufbürden, wie: Fasse dies nicht an, iß jenes nicht, rühre dies nicht an.

 

Alles derartige ist doch dazu da, daß es durch den Verbrauch der Vernichtung anheimfalle. Solche Satzungen sind Menschengebote und Menschenlehren, die zwar im Ruf besonderer Weisheit infolge einer selbstgemachten Frömmigkeit und äußerlicher Demut und Kasteiung des Leibes stehen, aber ohne wirklichen Wert sind und nur zur vollen Befriedigung des Fleisches dienen’ (Kol. 2, 20-23).

 

Alle den Menschen auferlegte äußeren Satzungen in den christlichen Religionen stammen nicht von Christus, sondern, wie Paulus an Timotheus schreibt, ‘von denen, die vom wahren Glauben abgefallen sind, indem sie sich irreführenden Geistern und Lehren zuwenden, die von Dämonen stammen, verführt durch das heuchlerische Gebaren von Lügenlehrern, die ein Brandmal der Schuld im eigenen Gewissen tragen.

 

Es sind die Leute, die das Heiraten verbieten und Enthaltsamkeit von Speisen verlangen, die doch dazu geschaffen sind, daß die Gläubigen und alle, welche die Wahrheit voll erkannt haben, sie mit Danksagung genießen. Denn alles von Gott Geschaffene ist gut, und nichts ist verwerflich, was man mit Danksagung hinnimmt; es wird ja durch Gottes Wort und durch Gebet geheiligt’ (1. Tim. 4, 1-5).

 

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Falsche Vollkommenheitsideale

 

Die katholische Kirche gehört auch zu denen, die so großen Wert auf die Enthaltsamkeit von Speisen an gewissen Tagen legt. Sie ordnet eine einmalige Sättigung durch ihre Fastengebote an. Ihren Priestern und Ordensleuten verbietet sie das Heiraten und erklärt den Ordensstand als den vollkommensten Stand. Auch sie hat sich Lehren zugewandt, die von den Dämonen stammen. Das alles sind Menschensatzungen, die nach den Worten des Apostels zwar im Ruf besonderer Weisheit infolge einer selbstgewählten Frömmigkeit und äußerlicher Demut und Kasteiung des Leibes stehen, aber ohne wirklichen Wert sind.

 

Sie haben keinen Wert für das Seelenheil der Menschen, und darum hat keine Kirche das Recht, solche Satzungen ihren Gläubigen aufzuzwingen und deren Übertretung als ‘schwere Sünden’ zu brandmarken.

 

Zwar sagt deine Kirche bezüglich ihres Gebotes der Ehelosigkeit der Priester und Ordensleute, daß sie niemand dazu zwinge. Denn sie nötige keinen, Priester zu werden oder in den Ordensstand einzutreten.

 

Gewiß, sie zwingt keinen dazu, Priester, Mönch oder Nonne zu werden. Aber wenn einer es als seinen Beruf erkannt zu haben glaubt, als Priester Verkünder der Heilswahrheiten zu werden, so zwingt sie ihn zur Ehelosigkeit und stellt ihn vor die Wahl, entweder dem erkannten Beruf zu entsagen oder die nicht von Gott gewollte, sondern durch Kirchensatzung geforderte Ehelosigkeit zu wählen. Er steht also unter dem größten geistigen Zwang, den man auf einen Menschen ausüben kann.

 

Und wenn die Kirche auch niemand äußerlich zwingt, in einem religiösen Orden einzutreten und infolgedessen ehelos zu leben, so übt sie doch den größten seelischen Druck dadurch aus, daß sie das Ordensleben als das Ideal der Vollkommenheit hinstellt. Gerade die besten Menschen betrachten es als ihre Pflicht, das Ideal der Vollkommenheit zu erreichen. Da ihnen dies jedoch fälschlich als eheloses Ordensleben hingestellt wird, so fühlen sie sich in ihrem Streben nach Vollkommenheit dem unabwendbaren Zwang unterworfen, ehelos zu bleiben.

 

Man sage nicht, Gott gebe demjenigen die Kraft zur unverletzten Ehelosigkeit, der den Beruf zum Priester- oder Ordensstand in sich fühle. Das ist eine große Selbsttäuschung. Gott gibt bloß die Kraft zur Erfüllung dessen, was der Wille Gottes ist, aber nicht zu dem, was Menschen in selbstgewählter äußerer sogenannter Frömmigkeit sich oder anderen gegen Gottes Willen auferlegen. Das Gute und Vollkommene ist stets nur das, was dem Willen Gottes entspricht und vom Menschen in jedem Augenblick frei gewollt ist.

 

Nie jedoch ist etwas gut oder vollkommen, was unter irgendeinem äußeren Zwang geschieht oder was vielleicht beim ersten Schritt frei gewollt, nachher aber als äußerer Zwang bis zum Lebensende weitergetragen werden muß. Nicht einmal Gott übt auf irgend einen Menschen einen Zwang aus, seinen Willen zu erfüllen. Und da sollte eine Kirche im Namen Gottes einem Menschen die Freiheit der Selbstbestimmung rauben dürfen, die Gott selbst nie antastet?

 

Das Böse herrscht stets durch Zwang und Knechtung, das Gute durch Freiheit. Nur das Böse hat die Knechtschaft in die Religion hineingetragen. Die Sucht, über andere schrankenlos gebieten zu können, hat die Unterdrückung der persönlichen Freiheit unter dem Deckmantel höherer Vollkommenheit in die katholische Kirche eingeführt. Das ehelose Priestertum sowie das Ordensleben mit den Gelübden der Armut, der Keuschheit als Ehelosigkeit und des vollkommenen Gehorsams gegen die geistlichen Oberen sind die stärksten äußeren Machtmittel der katholischen Religion zur Festigung der kirchlichen Organisation.

 

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Weder Christus noch die Apostel wissen etwas von einem Priestertum, wie es die katholische Kirche hat; sie kennen keine geistlichen Orden. Sie haben nichts dergleichen gelehrt oder eingesetzt. Sie kennen kein Gelübde der Armut und der Keuschheit als Ehelosigkeit oder gar des vollkommenen Gehorsams unter einem geistlichen Oberen als Vollkommenheitsideale.

 

Sie kennen keine freiwillige Armut im Sinne der katholischen Kirche. Sie gründeten keine Ordensgemeinschaften und lehrten auch nicht, solche zu gründen, damit Menschen bei ihnen eintreten und ihr Vermögen ihnen zur Verfügung stellen sollten.

 

Sind denn die Ordensleute wirklich arm? Sind sie nicht vielmehr für ihr ganzes Leben jeder Nahrungssorge enthoben? Ist nicht täglich der Tisch für sie gedeckt? Und das nennt ihr Armut? Wenn alle Menschen so viel hätten, dann gäbe es keine Armen mehr. Und wenn eine solche Armut zum Ideal der Vollkommenheit gehört, weshalb sind denn so viele Klöster so reich an irdischen Gütern? Wenn die Armut das Ideal des einzelnen sein soll, dann muß sie auch das Ideal der Gemeinschaft sein.

 

Und warum übt denn euer Priestertum, das die freiwillige Armut als einen der höchsten Grade der Vollkommenheit predigt, nicht selbst diese Armut? Ein Prediger des Ideals muß doch wohl dieses Ideal zuerst an sich selbst verwirklichen. Oder ist vielleicht euer Priestertum arm? Ist der Papst arm? Sind die Bischöfe arm? Sind die Priester arm? Wenn es allen Menschen irdisch so gut ginge wie diesen Predigern des Armutsideals, dann gäbe es nirgend mehr Armut.

 

Ihr beruft euch auf die Worte Christi an den reichen Jüngling, um zu beweisen, daß freiwillige Armut zur Vollkommenheit gehöre. Doch ihr gebt diesen Worten eine ganz unrichtige Deutung. Wenn Christus zu dem Jüngling sagt: ‘Willst du vollkommen sein, so gehe hin und verkaufe alles, was du hast und gib das Geld den Armen; so wirst du einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!’, so galt diese Mahnung bloß diesem Jüngling. Denn er hatte sein Herz an Geld und Gut gehängt.

 

Das wurde ihm zum Fallstrick und verhinderte seinen Eintritt in das Reich Gottes. Als der Jüngling wegen dieser Mahnung Christus den Rücken wandte, sagte der Meister zu seinen Jüngern: ‘Kinder, wie schwer ist es doch für Menschen, die sich auf Geld und Gut verlassen, in das Reich Gottes einzugehen. ’

 

Nicht jeder, der viele irdische Güter besitzt, ist im Sinne Christi reich, sondern nur der, welcher sein Herz an den Mammon hängt und ihn zu seinem Gott macht. Abraham, Isaak, Jakob, Hiob, David waren sehr reich an materiellen Dingen. Und doch gehören sie nicht zu den Reichen, die Christus meint. Ihr Reichtum war ihnen kein Hindernis auf dem Wege zu Gott. Ihnen würde Christus nie gesagt haben, daß sie alles verkaufen sollten, um vollkommen zu werden. Anders war es bei dem reichen Jüngling. Ihn hielt seine Anhänglichkeit an sein Besitztum ab, dem Rufe Gottes zu folgen. Lieber verzichtete er auf das Reich Gottes, als auf sein Vermögen.

 

Bei allen Menschen finden sich Hindernisse, wenn es sich darum handelt, Gott näher zu kommen. Sie sind so verschieden, wie die Menschen selbst. Ein jeder hat das Hindernis zu beseitigen, das ihm im Wege steht. Das ist auch der Sinn der Worte Christi: ‘Wenn dein Auge dich ärgert, so reiß es aus und wirf es von dir. ’ Wenn irgend etwas in deinem Leben dir hinderlich ist, den Willen Gottes zu erfüllen, und wäre es dir so lieb, wie dein Auge, so trenne dich davon. Bei dem reichen Jüngling war sein Reichtum das Hindernis.

 

Darum mußte er sich davon trennen, indem er alles verkaufte und den Erlös den Armen gab. Ist jedoch der Reichtum für jemand kein Hindernis in seinem Aufstieg zu Gott, so hat er auch keine Veranlassung, auf Hab und Gut zu verzichten. Und wenn alle ihr Besitztum verkaufen müßten, um vollkommen zu sein, dann dürfte niemand Güter erwerben. Denn wenn das Behalten von Geld und Gut bei jedem gegen die Vollkommenheit wäre, dann würde auch der Erwerb irdischen Vermögens gegen die Vollkommenheit verstoßen. Dann dürften erst recht nicht die Kirchen und Klöster Güter erwerben und besitzen.

 

Auch Christus war vor seinem öffentlichen Auftreten nicht arm. Er besaß mehrere Häuser, die er sich durch fleißige Arbeit erworben hatte. Er verkaufte sie vor Beginn seiner Lehrtätigkeit und gab den Erlös denjenigen seiner Freunde, bei denen er während seines öffentlichen Wirkens Wohnung nahm. Wenn er infolgedessen während seiner Lehrtätigkeit auch keinerlei Eigentum mehr besaß, so brauchte er doch bei niemand zu betteln.

 

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Ehelosigkeit ist nicht von Gott gewünscht

 

Auch die vollkommene Keuschheit in der Form der Ehelosigkeit gilt deiner bisherigen Kirche als Ideal der Vollkommenheit. Die vollkommene Keuschheit soll und kann jeder üben. Aber sie hat mit Ehelosigkeit nichts zu tun. Denn die Ehe ist nichts Unkeusches. Verheiratete können sehr keusch und Unverheiratete sehr unkeusch sein, auch wenn sie Priester oder Ordensleute sind. Die wahre Keuschheit besteht lediglich in dem rechten Maßhalten in den Dingen, die mit dem Naturgesetz des Geschlechtslebens zusammenhängen.

 

Wie Mäßigkeit im Essen und Trinken nicht darin beruht, daß man Hunger und Durst gewaltsam unterdrückt, sondern darin, daß man bei Aufnahme von Speise und Trank die Grenzen des Erlaubten nicht überschreitet, so ist es auch beim Geschlechtsleben. Der Geschlechtstrieb ist als Naturgesetz vom Schöpfer in alles Geschaffene hineingelegt. Und was Gott geschaffen hat, ist gut und soll von Menschen nicht gewaltsam unterdrückt, sondern in den von Gott bestimmten Grenzen gebraucht werden.

 

Das Gesetz der Fortpflanzung gilt für jeden Menschen. Die Familiengründung ist ein Auftrag Gottes, dem sich niemand ungestraft entziehen darf. Denn die irdische Zeugung ist der Weg, auf dem die von Gott abgewichenen Geister in den einzelnen Naturstufen höher steigen sollen, um zur Vollendung zu gelangen. Es ist eine Fügung der Weisheit Gottes, daß diejenigen der gefallenen Geister, die sich bis zu einer bestimmten irdischen Stufe emporgearbeitet haben, auf dem Weg der Fortpflanzung ihren Geschwistern aus den tieferen Naturstufen zu höheren hinauf helfen.

 

Wenn irdische Geschwister zusammen in eine Grube stürzen, so reicht derjenige von ihnen, der zuerst in der Höhe ist, dem anderen die Hand, damit auch sie aus der Grube befreit werden. Das ist Geschwisterpflicht.

 

Von diesem Gesichtspunkt der Weisheit und des Erbarmens Gottes sollt ihr das Gesetz des Geschlechtslebens betrachten. Gott hat den Geschlechtstrieb deshalb so stark gestaltet, weil die Fortpflanzung ein Teil des Erlösungsplanes Gottes ist und die Geschöpfe sich der Pflicht, an der Ausführung dieses Planes mitzuwirken, nicht so leicht sollten entziehen können. Es ist daher klar, daß es sich hierbei um eine Pflicht handelt, von deren Erfüllung nur die schwerwiegendsten Gründe den Menschen befreien können. Darum ist das Gelübde der Ehelosigkeit ein schwerer Verstoß gegen den Willen Gottes. Weder die katholischen Priester noch die Ordensleute haben vor Gott einen hinreichenden Grund, ehelos zu bleiben.

 

Ich weiß, daß man zur Rechtfertigung der Ehelosigkeit das siebente Kapitel des ersten Korintherbriefes anführt. Paulus gibt darin verschiedene Gründe an, weshalb es besser sei, ehelos zu bleiben. Er erteilt den Rat, daß nur derjenige heiraten solle, dem die Ehelosigkeit zur Gefahr werde.

 

Diese Ansicht des Apostels war falsch. Er hatte auch keinerlei Auftrag Christi, eine solche Lehre zu verkünden. Dessen war sich Paulus auch vollkommen bewußt. Es wird dir nämlich beim Lesen des siebenten Kapitels des ersten Korintherbriefes etwas auffallen, was du sonst nie in den Briefen dieses Apostels findest: Nämlich die immer wiederkehrende Betonung, daß es bloß die eigene Meinung sei, die er den Korinthern inbetreff der Ehelosigkeit mitteilte, und daß er nicht im Auftrag Christi rede.

 

Daher das stets wiederkehrende: ‘Sage ich. ’ - ‘Den unverheirateten Männer und besonders den Witwen sage ich. ’ - ‘Den Verheirateten gebiete nicht ich, sondern der Herr. ’ - ‘Den übrigen aber sage ich, nicht der Herr. ’- ‘Inbetreff der unverheirateten Mädchen habe ich kein ausdrückliches Gebot des Herrn, sondern spreche nur meine Meinung aus. ’ - Und zum Schluß des Kapitels betont er nochmals: ‘Das ist meine Ansicht!’

 

Seine Ansicht war falsch, wenn er auch hinzufügte, er glaube doch auch, einen Geist Gottes zu besitzen.

 

Paulus selbst war ehelos. Seine Ehelosigkeit fand nach seiner Ansicht ihren hinreichenden Grund darin, daß er bei seiner über weite Gebiete sich erstreckenden Lehrtätigkeit viel und lange auf Reisen sein mußte. Hätte er Familie gehabt, so wären ihm solche Reisen unmöglich gemacht worden. Er hätte Frau und Kinder nicht mitnehmen, aber auch nicht Monate und Jahre lang allein lassen können. Seine eigene Ehelosigkeit machte ihn in diesem Punkte einseitig und zum Fanatiker. Wo Menschen sind, findet ihr auch immer menschliche Fehler. Auch bei den Aposteln müßt ihr diese in Kauf nehmen.

 

Über seine falsche Ansicht inbetreff der Ehelosigkeit wurde Paulus nachher von Christus belehrt. Er mußte sie in einem an alle Gemeinden gerichteten Brief richtigstellen. Von diesem Brief, in dem auch eine Reihe anderer Stellen seiner früheren Schreiben, die zu Mißverständnissen Anlaß gegeben hatten, aufgeklärt wurde, habe ich dir bereits am ersten Abend Mitteilung gemacht. Ich sagte dir, daß dieser Brief später vernichtet wurde, weil die darin enthaltenen Klarstellungen und Berichtigungen der späteren Kirche und ihrer Lehre nicht paßten.

 

Wie sehr Paulus infolge der Belehrung und Zurechtweisung seines Meisters seine Meinung über die Ehelosigkeit änderte, könnt ihr aus seinen Schreiben an Timotheus und Titus ersehen. Er, der an die Korinther geschrieben hatte, daß er wünsche, sie wären alle ehelos wie er selbst, duldet nicht, daß ein Eheloser oder eine Ehelose irgendeine Stellung in der Gemeinde bekleidete. Nach seinem Brief an die Korinther hätte man doch erwarten müssen, daß er im Gemeindedienst gerade die Ehelosen bevorzugen würde.

 

Aber nein, alle mußten verheiratet sein. ‘So muß denn der Bischof eines Weibes Mann sein ... einer, der seinem Hause gut vorsteht, indem er seine Kinder im Gehorsam hält mit aller Würde; denn wenn einer seinem eigenen Hause nicht vorzustehen weiß, wie sollte er für die Gemeinde Gottes sorgen können. ’ - ‘Ebenso müssen auch die Gehilfen ein jeder eines Weibes Mann sein und die Leitung ihrer Kinder und ihres eigenen Hauses gut versehen’ (1. Tim. 3, 2+4-5+12). - Auch an Titus richtete er dieselbe Mahnung, daß er keinen Unverheirateten als Ältesten in einer Gemeinde anstellen solle, sondern nur solche, die eines Weibes Mann seien und gläubige Kinder hätten (Tit. 1, 5-6).

 

Während er in seinem Brief an die Korinther den Witwen gesagt hatte, er wünsche, daß sie ehelos blieben, schreibt er an Timotheus: ‘Es ist mein Wille, daß jüngere Witwen wieder heiraten, Mütter werden und ihrem Haushalt vorstehen’ (1. Tim. 5, 14).

 

Wenn Paulus das ‘eines Weibes Mann’ so scharf betont, so heißt das nicht, daß der Mann nicht zum zweiten Male verheiratet sein dürfe. Denn wenn er den Witwen eine zweite Heirat anrät, wie er es in seinem Schreiben an Timotheus tut, so steht sicherlich dem Witwer dasselbe Recht zu. Jener Ausdruck ‘eines Weibes Mann’ hat folgenden Grund: Manche von den heidnischen Männer, die zum Christentum übertraten, hatten vorher neben der eigenen Frau auch noch Nebenfrauen.

 

Und das war öffentlich bekannt. Wegen der Unzuträglichkeiten, die daraus entstehen konnten, duldete Paulus nicht, daß solche Männer im Gemeindedienst verwendet wurden. Er wollte dafür nur verheiratete Männer haben, die sich bei Christen und Nichtchristen eines guten Rufes erfreuten. Das schreibt er ja auch ausdrücklich an Timotheus: ‘Er muß sich auch bei den Nichtchristen eines guten Rufes erfreuen, damit er nicht in übles Gerede komme und der Schlinge des Verleumders verfalle’ (1. Tim. 3, 7).

 

Ein Jahrtausend hindurch war die Ehe, die Paulus den Ältesten, Bischöfen und Mitarbeitern seiner Zeit zur Pflicht machte, auch den katholischen Priestern gestattet. Es war nicht ein höherer Gesichtspunkt der Religion, der das Papsttum veranlaßte, den Geistlichen die Ehelosigkeit aufzuzwingen. Ein solcher war überhaupt nicht denkbar, sonst würde er schon in der ersten christlichen Kirche zur Vorschrift der Ehelosigkeit geführt haben. Ausschlaggebend dafür war später nur ein rein weltlicher Gesichtspunkt, nämlich die Verstärkung der Macht des Papsttums.

 

Denn ein von allen Familienbeziehungen losgelöster Geistlicher ist ein viel willfährigeres Werkzeug der kirchlichen Organisation, als ein Priester, der an Frau und Kindern eine seelische und auch materielle Unterstützung hat. Dazu bestand die Wahrscheinlichkeit, daß der ehelose Priester sein Vermögen der Kirche vermachte. Die Gefahren der Ehelosigkeit, die einen Apostel Paulus veranlaßten, ehelose Mitarbeiter im Dienste der Religion abzulehnen, sind zu allen Zeiten dieselben. Sie waren damals nicht größer als heute. Der Vorwand größerer Sittenreinheit und Hingabe an die Sache Gottes bei einem ehelosen Priestertum ist eben bloß ein Vorwand, der sich seither als trügerisch erwiesen hat.

 

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Die persönliche Verantwortung

 

Was von dem Gelübde der vollständigen Armut und der steten Keuschheit als Ehelosigkeit gilt, das gilt in gleichem Maße von dem Gelübde des vollkommenen Gehorsams gegen menschliche Obere. Auch dies ist gegen Gottes Willen und bloß eine Erfindung menschlicher Herrschsucht.

 

Gott hat jedem Geist bei der Schöpfung als höchste Gabe die Willensfreiheit geschenkt. Diese Freiheit der persönlichen Entscheidung bei allem, was er tut oder unterläßt, beschränkt Gott bei niemand. Es ist auch nicht sein Wille, daß sie von menschlicher Seite beschränkt wird. Denn jeder Mensch ist für das, was er tut, in jedem Augenblick seines Lebens persönlich verantwortlich.

 

Die Verantwortung kann ihm niemand abnehmen. Er kann sich Gott gegenüber niemals darauf berufen, daß er seinen Willen und die persönliche Entscheidung einem anderen Willen untergeordnet habe. Sobald daher ein Mensch zur Reife der Vernunft gelangt ist, darf er niemals seinen Willen in blindem Gehorsam dem Willen eines anderen Menschen unterstellen, weder einer weltlichen noch einer geistlichen Obrigkeit. Blinden Gehorsam soll man bloß Gott gegenüber leisten. Wenn es in der Bibel heißt: ‘Gehorsam ist besser als Opfer’, so beziehen sich diese Worte nur auf den Gehorsam gegen Gott, aber niemals auf den Gehorsam gegen Menschen.

 

Zwar berufen sich die menschlichen Oberen, besonders die geistlichen, so gerne auf dieses Bibelwort, um blinden Gehorsam von ihren Untergebenen zu erlangen. Auch hat man die falsche Lehre aufgestellt, daß ein blinder Gehorsam gegenüber einem geistlichen Oberen den Gehorchenden von jeder persönlichen Verantwortung in den Dingen befreie, die er im Gehorsam vollführe. Nur eine Sünde dürfe er nicht im Gehorsam begehen.

 

Das ist ein großer Irrtum. Denn der Mensch ist nicht bloß für das Böse, das er tut, persönlich verantwortlich, sondern ebensosehr für das, was er an Gutem unterläßt. Ja, die Unterlassung des Guten kann oft eine viel größere Sünde sein, als das Begehen einer sündhaften Tat.

 

Wenn ein geistlicher Oberer einem Untergebenen befiehlt, einen Diebstahl zu begehen, so darf nach eurer Lehre der Untergebene nicht gehorchen. Verbietet er ihm jedoch z. B. einem Mitmenschen, dem der Untergebene Hilfe bringen könnte, zu helfen, so müßte der Untergebene die Hilfe unterlassen. Und doch wäre diese Unterlassung in den Augen Gottes vielleicht eine viel größere Sünde, als der Diebstahl. Der Untergebene könnte sich im letzteren Falle Gott gegenüber nicht darauf berufen, daß er wegen der Gehorsamspflicht gegen seinen Oberen das Gute nicht hätte tun können, zu dem ihn das eigene Gewissen drängte. Er muß vielmehr unter allen Umständen seinem Gewissen Folge leisten. Das Gewissen eines anderen kann nie das eigene Gewissen ersetzen.

 

Jedem Menschen gibt Gott seine besondere Aufgabe. Diese muß er erfüllen und darf sich nicht durch menschliche Befehle und Satzungen daran hindern lassen. Daraus folgt, daß niemand seinen Willen dem Willen eines anderen durch ein Gelübde des Gehorsams unterstellen darf. Das Gelübde des Gehorsams, das eure Priester und Ordensleute ablegen, ist daher wider Gottes Willen.

 

Auch den weltlichen Machthabern gegenüber kommt bloß ein Gehorsam in Frage, der sich auf diejenigen weltlichen Gesetze erstreckt, die mit dem Gesetze Gottes nicht in Widerspruch stehen. Ihr beruft euch auf die Worte des Apostels Paulus am Anfang des 13. Kapitels des Römerbriefes, um die Pflicht des Gehorsams gegen menschliche Obrigkeiten zu begründen. Ihr habt aber den Sinn dieser Worte gar nicht verstanden und sie vollständig falsch in eure Sprache übersetzt.

 

Denn Paulus spricht darin überhaupt nicht von menschlichen Mächten, sondern von den geistigen, die Gott einem jeden zuteilt. Jedem Menschen sind Geister Gottes zu seiner Leitung und Führung beigegeben, dem einen in größerer, dem anderen in geringerer Anzahl. Das hängt von der Größe der Aufgabe ab, die ein Mensch nach dem Willen Gottes zu erfüllen hat. Diese Geister Gottes haben nicht bloß den Auftrag, euch zu beschützen, innerlich zu ermahnen, zu warnen, zu belehren, zum Guten anzuspornen.

 

Sie haben auch das Recht, euch zu bestrafen. Sie führen das Strafschwert Gottes. Denn die Strafen, die Gott verhängt, vollzieht er durch seine Geister. Das ist dir ja aus vielen Stellen der Bibel bekannt.

 

Nun möchte ich dir die Worte des Apostels Paulus in der richtigen Übersetzung mitteilen : ‘Jede Seele sei den Geistermächten untertan, unter deren Leitung sie steht. Denn es gibt keine gottgewollten Geistermächte außer denen, die von Gott dafür bestimmt sind. Wer sich also dieser Geistermacht widersetzt, stellt sich dem Willen Gottes entgegen. Und die sich widersetzen, ziehen sich dadurch ein Strafurteil zu. Denn diese Mächte sind nicht Gegenstand der Furcht für die, die das Gute tun, sondern bloß für die, welche das Böse vollführen.

 

Willst du also eine solche Macht nicht zu fürchten brauchen, so tue das Gute; dann wirst du von ihr Lob empfangen. Denn sie ist dir als eine Dienerin Gottes für das Gute zugeteilt. Wenn du aber das Böse tust, dann hast du Grund zur Furcht. Sie trägt das Strafschwert nicht umsonst. Denn sie ist auch eine Dienerin Gottes, die dem göttlichen Zorn zu Recht verschafft bei dem, der das Böse tut. Darum muß man ihr Gehorsam leisten, nicht bloß aus Furcht vor dem göttlichen Zorn, sondern der Stimme des Gewissens folgend.

 

Darum bringt auch die euch auferlegten geistigen Opfer! Denn jene Mächte sind Beauftragte Gottes, die zu diesem Zwecke beständig bei euch ausharren. Tuet allen gegenüber eure Schuldigkeit! Fordert der eine Opfer von euch, so bringet sie; fordert er die Ausführung eines Werkes, so führt es aus; flößt er euch Furcht vor etwas ein, so fürchtet euch davor; zeigt er euch etwas als wertvoll, so haltet es dafür! Bleibt keinem gegenüber in irgendeinem Punkte im Rückstande. Ihr tut in allem eure Schuldigkeit, wenn ihr einander liebt. Denn wer den anderen liebt, hat das ganze Gesetz erfüllt. ’

 

Wie konntet ihr nun diese Worte auf die weltlichen Herrscher beziehen? Glaubt ihr denn im Ernst, daß jede menschliche Obrigkeit von Gott eingesetzt wird? Waren etwa die zahllosen Könige und Fürsten, die bis jetzt lebten und in so vielen Fällen Werkzeuge des Bösen waren, von ‘Gottes Gnaden’ oder nicht vielmehr von ‘Teufels Gnaden’? Konnte man auf die, welche die größten Grausamkeiten, Ungerechtigkeiten und Unterdrückungen gegen das arme Volk begingen, die Worte aus der oben angeführten Stelle anwenden:

 

‘Sie sind Gottes Diener zu eurem Besten’? Ihr Menschen verschafft den weltlichen und geistlichen Machthabern ihre Stellung aufgrund von Menschensatzungen - nicht Gott. Ein Geist Gottes ist weder bei euren Fürstenkrönungen, noch bei den Papst- und Bischofswahlen tätig.

 

Wenn ihr in eurer Übersetzung des vorliegenden Textes von ‘Steuern und Abgaben’ sprecht und darum meint, es handle sich um irdische Herrscher, denen ihr diese entrichten sollt, so vergeßt ihr, daß es auch geistige Abgaben gibt, die ihr Gott schuldet. Es sind dies die Früchte des Geistes. So wie die jährlichen Abgaben eines Baumes in seinen Früchten besteht, so sollt auch ihr als Abgaben für Gott die Früchte bringen, welche die euch beigegebenen Geister Gottes in unablässiger Tätigkeit in euch zur Reife bringen wollen.

 

Wie du siehst, sind die Vollkommenheitsideale der katholischen Kirche - freiwillige Armut in Ordensgemeinschaften, Keuschheit als Ehelosigkeit und blinder Gehorsam gegen geistliche Obere - in Wirklichkeit große Irrtümer, von denen das erste Christentum nichts wußte.

 

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Im Zusammenhang mit der Lehre deiner bisherigen Kirche über Buße und Sündenvergebung muß ich noch eine sehr sonderbare Lehre dieser Kirche erwähnen. Es ist die Lehre vom Ablaß. Sie ist ein Anhängsel der Lehre von der Sündenvergebung. Denn wenn eine Kirche Sünden vergeben kann, warum sollte sie nicht auch Sündenstrafen erlassen können. Sie beansprucht damit also ein Begnadigungsrecht. Aber wie nur Gott Sünden vergeben kann, so kann auch nur Gott begnadigen.

 

Besonders merkwürdig ist die Erklärung, welche die katholische Kirche für ihr Begnadigungsrecht gibt. Sie spricht von einem ‘Kirchenschatz’, der von den überschießenden Verdiensten Christi und der Heiligen angefüllt sein soll. Und von diesen Verdiensten nimmt sie nun in der Form des Ablasses einen Teil zum Ausgleich der fehlenden Verdienste reuiger Sünder, so daß deren Sündenstrafen entweder ganz oder teilweise erlassen werden. Ein gänzlicher Erlaß geschieht nach ihrer Lehre durch einen vollkommenen Ablaß und ein teilweiser durch einen unvollkommenen.

 

Diese Lehre vom Ablaß ist aus verschiedenen Gründen widersinnig. Zunächst kann kein Geschöpf Gottes mehr leisten, als es Gott schuldig ist, weder ein Geist, noch ein Mensch. Vor Gott, von dem es heißt, daß nicht einmal der Himmel rein ist in seinen Augen, ist auch der vollkommenste Geist nur ein Knecht, der bloß seine Schuldigkeit tut, auch wenn er das Höchste leistet, was in seiner Macht steht. Überschüssige Verdienste gibt es bei ihm nicht.

 

Auch Christus hatte bei dem, was er vollbrachte, nicht mehr geleistet, als er sollte. Hätte er weniger getan, so würde er seine hohe Aufgabe nicht erfüllt haben. Er wäre der Hölle unterlegen und von Gott abgefallen. Mehr als den Willen Gottes kann niemand tun. Und wenn er ihn erfüllt, dann tut er bloß seine Pflicht und Schuldigkeit. Er kann davon an andere, die ihre Schuldigkeit nicht tun, auch nicht das geringste abgeben. Sein Heil hat ein jeder selbst zu wirken.

 

Das ist der zweite Grund, weshalb die Zuwendung des Verdienstes des einen an einen anderen unmöglich ist. Was nach euren menschlichen Gesetzen der Gerechtigkeit nicht angängig ist, gilt in demselben Maße von der Gerechtigkeit Gottes. Wie eure menschlichen Richter niemals einem Verletzer des Gesetzes deswegen seine Strafe ermäßigen, weil andere das Gesetz treu beachten, so wird auch einem Sünder nie deswegen etwas von seiner Strafe geschenkt, weil andere die Gebote Gottes hielten. Wo bliebe sonst seine Gerechtigkeit?

 

Und wie denkt ihr euch eigentlich einen solchen Kirchenschatz der überschießenden Verdienste anderer? Meint ihr vielleicht, das geistige Leben in Gott könne in einer Schatzkammer aufgespeichert werden, wie eure irdischen Kirchenschätze, so daß es je nach Bedarf für andere hervorgeholt werden könne? Wie unvernünftig ihr Menschen doch so oft in eurem Denken seid. Und wie über alle Maßen töricht ist in deiner bisherigen Kirche die Handhabung des Ablasses.

 

Könnt ihr als vernünftige Menschen es für möglich halten, daß ein Nachlaß von Sündenstrafen an lächerliche äußerliche Bedingungen geknüpft ist? Solltest du deswegen, weil du ein Gebet an einem gesegneten Rosenkranz verrichtest, ein Nachlaß der Strafe erlangen, aber nicht dann, wenn du ohne einen Rosenkranz in der Hand zu Gott betest? Solltest du einen vollkommenen Nachlaß aller deiner Sündenstrafen erhalten, weil du an einem bestimmten Tage und in einer bestimmten Kirche ein bestimmtes Gebet verrichtest - und dieses Nachlasses verlustig gehen, wenn du dasselbe oder gar ein besseres Gebet in deinem Kämmerlein betest?

 

Sollten dir deswegen in deiner Todesstunde alle Sündenstrafen erlassen werden, weil du ein gesegnetes Sterbekreuz in der Hand hast oder ein geweihtes Skapulier trägst, mit dem deine Kirche einen sogenannten vollkommenen Ablaß verbunden hat? Glaubst du wirklich, daß Sterbekreuz und Skapulier dich retten können, wenn du ohne diese Dinge dem Strafgericht Gottes anheimfielest? Kannst du wirklich glauben, daß mit bestimmten Gebeten, Besuch von Wallfahrtsorten und ähnlichen Dingen ein Strafnachlaß verbunden ist, den deine Kirche nach Belieben bestimmen und abstufen kann? Ist es nicht vielmehr eine Lästerung des großen und heiligen Gottes, seine Erweise des Erbarmens und der Liebe als an solche Lächerlichkeiten geknüpft zu betrachten?

 

Nicht Menschen, nicht Päpste und Bischöfe können Nachlaß von Sündenstrafen erteilen; Gott allein ist derjenige, der jedem vergilt nach seinen Werken.

 

Die innere Umkehr des Sünders zu Gott und seine Werke der Liebe sind Maßstäbe, die Gott bei seinem Verzeihen und Begnadigen anwendet. Wer sich in Reue zu Gott wendet, erhält Verzeihung seiner Sünden; und wenn er sich Mühe gibt, die Werke der Liebe zu vollbringen, indem er seinen Mitmenschen verzeiht und ihnen nach Kräften hilft, dann werden ihm auch die für die Sünden verdienten Strafen erlassen.

 

Darum sagt Christus bei Maria Magdalena: ‘Ihr wird viel vergeben, weil sie viel geliebt hat; und wem weniger vergeben wird, der hat auch weniger geliebt. ’ Hier ist selbstverständlich nicht die Geschlechtsliebe gemeint, sondern die Gottes- und Nächstenliebe.

 

Wer viel Liebe seinen Mitmenschen erweist, dem wird auf dem Wege der Begnadigung auch viel von der für seine Sünden verdienten Strafe erlassen. Auf die Waagschale werden die Sündenstrafen gelegt und auf die andere die Werke der Nächstenliebe. Soviel wie die Schale der Strafen schwerer wiegt als die Schale der Werke der Liebe, so viel hat der Sünder abzubüßen. Wem also wenig an Strafe erlassen wird, der hat auch wenige Werke der Liebe aufzuweisen.

 

Maria Magdalena hatte viel gesündigt. Aber sie war auch stets hilfsbereit, wenn es galt, den Notleidenden und unschuldig Verfolgten beizuspringen. Darum wurde ihr, nachdem sie sich von ihrem Sündenleben abgewendet hatte, eine sehr weitgehende Begnadigung zuteil.

 

Nun spricht allerdings Christus von einer Sünde, die weder in diesem noch im anderen Leben vergeben wird. Das Wort ‘vergeben’ hat auch hier, wie an so vielen anderen Stellen der Bibel, die Bedeutung ‘begnadigen’. Bei der Sünde, die Christus meint, gibt es keine Begnadigung. Die Strafe dafür muß ganz abgebüßt, der ‘letzte Heller bezahlt werden. ’ Diese Sünde hat er in folgenden Worten angegeben: ‘Jede Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben werden; aber die Lästerung des Geistes wird nicht vergeben werden.

 

Und wenn jemand ein Wort wider den Menschensohn sagt, wird es ihm vergeben werden; wer aber etwas wider den heiligen Geist sagt, dem wird es weder in dieser Welt noch in der zukünftigen vergeben werden’ (Matth. 12, 31-32).

 

Wer die Wirkung des Geistes Gottes kennengelernt, wessen Seele durchstrahlt worden ist von der Wahrheit, die Gottes Geister unter der Kraftwirkung Gottes ihm mitgeteilt, und wer trotzdem aus irdischen Rücksichten die Wahrheit ablehnt, der begeht die Sünde wider den Geist, für deren Strafe es keine Begnadigung gibt.

 

Der Grund für die Ablehnung einer Begnadigung liegt in der Natur dieser Sünde. Denn wenn die höchsten Beweise der Wahrheit, die Gottes Geister liefern können, einen Menschen nicht zur Annahme der Wahrheit bewegen, obschon er in seinem Inneren die Wahrheit als Wahrheit erkennt und fühlt, welches andere Mittel gibt es denn da noch, ihn zur Annahme der Wahrheit zu bringen? Da bleibt nur noch eins: Er muß durch vollständige Abbüßung der schweren Strafe für diese Sünde zuerst innerlich mürbe gemacht werden. Er muß elend und hungrig werden, wie der verlorene Sohn. Erst dann wird er reif dafür, daß ihm von Gott nach einmal die Wahrheit angeboten wird.

 

Das jüdische Priestertum, die Pharisäer und Schriftgelehrten begingen diese Sünde wider den Geist. Sie hörten die Lehre Christi und sahen täglich mit eigenen Augen die Bestätigung seiner Lehre durch die Kraftwirkungen des Geistes Gottes, durch die er die Kranken heilte, Tote erweckte und andere Wundertaten vollbrachte. Größere Beweise der Wahrheit konnten nicht gegeben werden. Aber trotzdem nahmen seine Gegner die Wahrheit nicht an. Sie lästerten vielmehr die Geister Gottes, die in Christus wirkten, indem sie dieselben als ‘Teufel’ erklärten.

 

So würdest auch du die Sünde wider den Geist begehen, wenn du nach den empfangenen überwältigenden Beweisen der guten Geisterwelt die dir geschenkten Wahrheiten aus Menschenfurcht oder anderen Gründen von dir weisen würdest.

 

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Die Heiligenverehrung

 

Bei allen anderen Sünden macht Gott von dem Mittel der Begnadigung einen viel reicheren Gebrauch, als die Menschen es verdienen, soweit sie nur den guten Willen aufbringen und sich Mühe geben, sich zum Guten zu wenden. Alle Menschen und sündigen Geister sind auf diese Begnadigung angewiesen. Denn kein Mensch ist sündenlos und tritt unbefleckt aus diesem Leben ins Jenseits. Es gibt darum auch keine menschlichen ‘Heiligen’ in dem Sinne, wie deine bisherige Kirche es lehrt.

 

Die katholische Kirche versteht unter einem ‘Heiligen’ etwas ganz anderes, als das Urchristentum darunter verstanden hat. Die Apostel gebrauchen in ihren Briefen sehr häufig das Wort ‘Heilige’. Sie meinen damit jeden, der die Lehre Christi als göttliche Wahrheit annimmt und sich bemüht, sein Leben nach dieser Lehre einzurichten. Darum reden sie die Glieder der Christengemeinden mit ‘Heilige’ an. Sie wollen damit nicht zum Ausdruck bringen, daß die ersten Christen keine Sünden begingen. Sie tadeln sie vielmehr in fast jedem Brief wegen ihrer täglichen Sünden und menschlichen Verirrungen. Sie wußten, daß kein Mensch ohne Sünde ist. ‘Wenn wir behaupten, keine Sünden zu haben, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns’, sagt der Apostel Johannes .

 

Deine Kirche ist in diesem Punkte anderer Ansicht. Sie behauptet, daß diejenigen, die sie als ‘Heilige’ verehrt, entweder ihr ganzes Leben sündenfrei gewesen seien, wie die Mutter Jesu, oder daß sie doch von dem Tage ihrer Bekehrung an keine Sünden mehr begingen. Sie lehrt, daß diese ‘Heiligen’ bei ihrem irdischen Tode sofort zur Anschauung Gottes gelangt seien und daß Gott ihre Heiligkeit durch Wunder bestätigt habe. Sie nimmt ferner für sich die Macht in Anspruch, unfehlbar erklären zu können, ob jemand als ‘Heiliger’ zu verehren sei. Die Heiligkeit liegt in dem Willen und in der Gesinnung eines Menschen.

 

Da kein Mensch, auch kein Papst, die Gesinnung eines Menschen erkennen und unfehlbar beurteilen kann, so bedarf es keines weiteren Beweises, daß eine Heiligsprechung durch Menschen nie den Anspruch auf Wahrheit erheben kann. Gott allein spricht heilig, sonst niemand. Nur Gott kennt das Menschenherz. Von keinem könnt ihr sagen, ob er der Liebe oder des Hasses Gottes würdig ist. Es ist eine ungeheure menschliche Überhebung, mit Unfehlbarkeit sagen zu wollen, daß dieser oder jener Mensch bei Gott ist.

 

Denn neben der wahren Heiligkeit gibt es auch die Scheinheiligkeit, und oft sind beide nicht voneinander zu unterscheiden. Und was die angeblichen Wunder betrifft, die Gott durch die Heiligen gewirkt haben soll, so ist zunächst eine große Zahl davon in das Reich der Dichtung zu verweisen. Andere euch wunderbar erscheinende Vorgänge in ihrem Leben beruhten auf verschiedenen medialen Gaben, durch die sie in Verbindung mit der Geisterwelt standen, ohne daß ihr heute angeben könnt, ob es die gute oder böse Geisterwelt war, die sich bei ihnen kundgab.

 

Die Zauberer zur Zeit des Mose in Ägypten und der Magier Simon in Samaria, den seine Zeitgenossen die ‘große Kraft Gottes’ nannten, haben mehr sogenannte Wunder gewirkt, als irgendein Heiliger der katholischen Kirche. Und doch war es das Böse, das in ihnen wirksam war, wenn auch unter dem Deckmantel des Guten.

 

Gott hat kein Interesse daran, euch durch Wunderzeichen kundzutun, wer heilig ist. Denn er will keine Heiligenverehrung, keine Verehrung von Reliquien der Heiligen, keine Wallfahrten zum Grabe eines Heiligen oder zu sonstigen Heiligtümern. Denn das alles ist feiner Götzendienst.

 

Warum wollte Satan den Leichnam des Mose haben? Er wollte ihn dem israelitischen Volke zu derselben Verehrung übergeben, die ihr den Überresten eurer ‘Heiligen’ erweist. Und warum hat Michael mit Satan gerungen, ihm den Leichnam des Mose zu entreißen? Aus demselben Grunde, aus dem ihr auch heute keine Heiligen- und Reliquienverehrung und keine Wallfahrten haben sollt. Das israelitische Volk würde dadurch einen großen Teil der Ehre Gott entzogen und mit der Leiche des Mose einen ähnlichen Kult getrieben haben, wie ihr ihn heute mit den Überresten eurer Heiligen treibt.

 

Wenn ihr auch sagt, ihr verehrtet in den Heiligen Gott selbst, so ist das bloß Schein. In Wirklichkeit setzt das katholische Volk auf die Heiligen, ihre Bilder, Statuen und Reliquien einen großen Teil des Vertrauens, das es nur auf Gott setzen sollte. Mit demselben Rechte hätte Gott ja auch die Leiche des Mose den Israeliten überlassen können.

 

Die ersten christlichen Jahrhunderte kannten keine Heiligenverehrung, auch keine Marienverehrung, die in deiner Kirche, wie du selbst wohl feststellen konntest, mehr gepflegt wird, als die Verehrung Gottes. Das ‘Gegrüßet seist du, Maria’ wird viel mehr gebetet, als das ‘Vaterunser’. Denk an euer Rosenkranzgebet, das ja der Gebetsersatz bei allen Gelegenheiten ist.

 

Christus, die Apostel und die ersten Christen kannten nur eine Verehrung Gottes und keine Verehrung von Geistern des Reiches Gottes. Auch sie hatten damals Menschen, die nach menschlicher Ansicht als große ‘Heilige’ gestorben waren: Einen Johannes den Täufer, von dem Christus sagt, er sei der größte, der je vom Weibe geboren, einen Stephanus, der als Märtyrer starb, einen Apostel Jakobus, um nur einige von denen zu nennen, die in den biblischen Zeiten starben. aber es fiel den Aposteln nie ein, diese als Heilige auch nur zu erwähnen, geschweige denn, sie mit einer gottesdienstlichen Verehrung zu umgeben, wie dies heute geschieht.

 

Auch Maria wird nie von den Aposteln erwähnt. Die ganze Heiligenverehrung ist eine menschliche Erfindung viel späterer Zeiten. Der Apostel Paulus spricht sich gegen die aus, die sich in Verehrung von ‘Engeln’ gefallen. Unter ‘Engel’ versteht er alle bei Gott weilenden Geister, also dasselbe, was ihr mit ‘Heilige’ bezeichnet.

 

Alle von Gott geschaffenen heiligen Geister haben das, was sie besitzen, nicht aus sich und können von sich aus nicht das Geringste den Menschen geben. Alles kommt von Gott. Darum sei auch Gott allein die Ehre! Das ist auch der Grund, weshalb die guten Geister Gottes, die sich euch kundtun, jedesmal den Dank ablehnen, den ihr ihnen aussprecht. Stets, wenn du dich bei ihnen bedanken wolltest, erhieltest du die Antwort: ‘Danke Gott!’

 

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Die Bedeutung der Krankensalbung (Letzte Ölung)

 

Ihr habt in der katholischen Kirche ein Sakrament, das ihr ‘Letzte Ölung’ nennt. Auch im ersten Christentum hatte man eine Salbung mit Öl bei Kranken. Doch hatte sie eine ganz andere Bedeutung, als ihr heute mit der ‘Letzten Ölung’ verbindet. Ihr wendet die Krankensalbung nur in lebensgefährlichen Krankheiten an und bezweckt damit vor allem eine Vergebung der Sünden des Kranken. Nebenbei auch eine Besserung seines Krankheitszustandes. Bei den ersten Christen jedoch wurde die Krankensalbung als körperliches Heilmittel angewandt, dessen Wirksamkeit davon abhing, daß der Kranke die Sünde aus seinem Herzen tilgte.

 

Im Briefe des Apostels Jakobus heißt es: ‘Ist einer unter euch krank, so lasse er die Ältesten der Gemeinde zu sich rufen; diese sollen über ihn beten, nachdem sie ihn im Namen des Herrn mit Öl gesalbt haben; dann wird das gläubige Gebet den Ermatteten retten und der Herr ihn aufrichten, und wenn er Sünden begangen hat, wird ihm Vergebung zuteil werden. Bekennet also einander die Sünden und betet für einander, damit ihr geheilt werdet; das inständige Gebet eines Gerechten hat große Kraft’ (Jakobus 5, 14-16).

 

Die sogenannten ‘Ältesten’ der ersten christlichen Gemeinden waren begnadete Männer. Sie hatten die Heilkraft, da der Besuch der Kranken eine ihrer wichtigsten Aufgaben war. Durch die Salbung mit Öl übertrugen sie unter Gebet die Heilkraft auf den durch Krankheit Geschwächten. Durch das Gebet setzt sich der Mensch in innige Verbindung mit Gott als der Quelle der Heilkraft. Und je inniger diese Verbindung ist, um so größer ist die Kraft, die dem Betenden aus dieser Kraftquelle zuströmt.

 

Nun weißt du aus den Heilungen Christi, daß manche Krankheiten eine Strafe für Sünden sind, besonders der Sünden gegen die Nächstenliebe. Darum sagte Christus immer wieder zu den Geheilten: ‘Sündige nicht mehr, damit dir nicht Schlimmeres widerfahre. ’ Darum mußte zuerst die Sünde als Ursache der Krankheit entfernt werden. Das geschah dadurch, daß der Kranke den gegen seine Mitmenschen begangenen Fehltritt demjenigen bekannte, gegen den er gefehlt hatte.

 

Er ließ ihn, wenn möglich, zu diesem Zweck an das Krankenbett rufen, und es erfolgte die Aussöhnung. Darum mahnt ja auch der Apostel Jakobus: ‘Bekennet also einander eure Sünden, damit ihr geheilt werdet. ’ Nicht einem beliebigen Menschen sollten sie ihre Sünden bekennen, auch nicht einem Priester, sondern dem, gegen den sie gefehlt hatten. War die Aussöhnung mit dem Beleidigten erfolgt, dann vergab auch Gott dem Kranken seine Sünde, und seine Krankheit schwand durch die Heilkraft des Ältesten, der sie unter Gebet und Ölsalbung auf den kranken Körper übertrug.

 

In den Worten des Apostels ist die erhabenste Krankenheilung beschrieben, die es für einen Menschen geben kann. Es war eine Krankenheilung, die Leib und Seele des Kranken gesund machte.

 

Und was habt ihr heute aus dieser Krankensalbung und Krankenheilung gemacht? Nach eurer Lehre muß das Öl von einem Bischof geweiht sein. Nur ein von einem Bischof geweihter Priester kann die Salbung mit diesem Öl vornehmen, indem er dabei ein ihm vorgeschriebenes Gebet spricht. Und da meint ihr, daß eine solche Salbung die Verzeihung der Sünden des Kranken herbeiführe. Ihr spendet diese Salbung sogar einem Bewußtlosen und meint, selbst in diesem Zustand bewirke sie die Vergebung der Sünden.

 

Euer gesundes Denken müßte euch doch sagen, daß eine solche Ölsalbung auf den Seelenzustand des Bewußtlosen keine Wirkung ausüben kann. Auch bei den ersten Christen bewirkte nicht die Salbung die Sündenvergebung, sondern die vorher erfolgte Sündenvergebung räumte das Hindernis der Heilung hinweg, so daß nun die Heilsalbung ihre Wirkung bei dem Kranken betätigen konnte.

 

Da bei eurer heutigen Krankensalbung in den meisten Fällen all die Vorbedingungen fehlen, die in den ersten Christengemeinden vorhanden waren, so ist die sogenannte ‘Letzte Ölung’ in den meisten Fällen eine rein äußerliche Zeremonie ohne jegliche innere Wirkung.

 

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Das Priestertum der ersten Christen und das heutige

 

Auch eine ‘Priesterweihe’ gab es im Urchristentum nicht. Das Wort ‘Priester’ ist entstanden aus dem griechischen Wort ‘Presbyter’ der alten Kirche. Es bedeutet ‘Ältester’. Es sind damit jedoch nicht Älteste den Jahren nach gemeint, sondern die innerlich Reifsten in der Sache Gottes. Von ihnen galt das Wort aus dem Buche der Weisheit: ‘Nicht das lang dauernde Alter ist der Ehre wert und es wird nicht die Zahl der Jahre gemessen; nein, das wahre graue Haar ist für die Menschen die Einsicht und das wahre Greisenalter ein fleckenloses Leben. ’ (Weish. 4, 8-9)

 

Darum wurden die Presbyter der ersten christlichen Kirchen nicht von Menschen für ihre Aufgaben ausgewählt, da Menschen die innere Würdigkeit eines Mitmenschen nicht beurteilen können. Sie wurden in den gottesdienstlichen Versammlungen der Christen durch die sich kundgebenden Geister Gottes als diejenigen bezeichnet, die Gott für seine Zwecke bestimmt hatte. Von den Gliedern der christlichen Gemeinden wurden sie durch Handauflegung in feierlicher Weise als die anerkannt, die im Auftrage Gottes ihres Amtes walteten.

 

Und worin bestand ihre Tätigkeit? Hatten sie vielleicht größere geistige Befugnisse als gewöhnliche Christen? Hatten sie geistliche Vollmachten, die sie den Mitchristen gegenüber ausübten, so daß diese in ihrem Verhältnis zu Gott und in der Erlangung des Heils von ihnen abhängig gewesen wären?

 

Nichts von alledem. Man kannte damals kein Priestertum, wie ihr es heute habt. Damals gab es keine Priester mit besonderer geistlicher Gewalt, die nur sie hätten ausüben können. Es gab keine Priester, die sogenannte Sakramente spendeten, Sünden vergaben oder andere geistigen Gnaden vermittelten. Es gab kein Bischöfe, die andere zu Priestern weihten und ihnen geistige Vollmachten übertrugen.

 

Das Amt eines ‘Ältesten’ oder ‘Presbyters’ umfaßte eine ganz andere Tätigkeit. Wo Menschen sich zu einem bestimmten Zweck vereinigen und zusammenkommen, da muß ein Leiter sein, der die äußere Ordnung aufrechthält und dafür sorgt, daß alles so gehandhabt wird, wie es zur Erreichung des gesteckten Zieles erforderlich ist. So war es auch bei den ersten Christen. Sie kamen zusammen zum Gottesdienst, zur Feier des Abendmahls, zur gegenseitigen Erbauung und Stärkung im Glauben. Da war es notwendig, daß jemand da war, der diese Versammlungen anberaumte, sie vorbereitete, die Stunde festsetzte, das ganze leitete und dafür Sorge trug, daß alles in schöner Ordnung und Eintracht verlief. Denn Gott ist ein Gott der Ordnung in seiner ganzen Schöpfung.

 

Wie er in der Geisterwelt Führer und Leiter bestimmt hat, welche die Ausführung seiner Anordnungen zu überwachen haben, so will er auch, daß es in der menschlichen Heilsordnung Leiter gibt, die alles so einrichten, daß die Glieder der Heilsgemeinschaft möglichst großen geistigen Nutzen ernten. Diese Aufgabe hatten die Presbyter. Sie sorgten zunächst für die äußere Ordnung. Sie bestimmten, in welchem Hause die gottesdienstlichen Versammlungen abgehalten wurden, sorgten dafür, daß der Raum entsprechend eingerichtet und mit allem Notwendigen versehen wurde; sie setzten die Zeit der Zusammenkünfte fest und sahen überall nach dem Rechten.

 

Aber in dem inneren Leben der Gemeinde erwuchsen ihnen noch wichtigere Aufgaben. In den Gottesdiensten wurde durch die sich kundgebenden Geister vieles angeordnet, was für das geistige Fortkommen der Gemeinde von Wichtigkeit war. Der Presbyter hatte nun dafür zu sorgen, daß jene Anordnungen und Aufträge pünktlich und gewissenhaft ausgeführt wurden.

 

Da die wahre Religion eine Religion der tätigen Nächstenliebe ist, so wurde bei den Christen ein großer Wert auf die Hilfe gelegt, die den wahrhaft Hilfsbedürftigen in der Gemeinde gewährt werden sollte. Da war es der Presbyter, der in ständiger Fühlung mit den Familien seiner Gemeinde blieb und mit ihnen alles besprach, was sie leiblich und seelisch bedrückte. Er war der treueste Freund aller. Alle hatten deswegen ein unbegrenztes Vertrauen zu ihm, weil er von den Geisterboten Gottes als derjenige bestimmt worden war, der Freud und Leid mit ihnen teilen sollte und dem sie alles anvertrauen konnten.

 

Infolge seiner Erwählung durch die Geisterwelt besaß er auch die Gottesgabe, ihnen stets das für sie Beste in Rat und Tat zu gewähren. Er stellte fest, wo Hilfe nottat, besuchte die Kranken und menschlich Verlassenen, Witwen und Waisen und trug dafür Sorge, daß von den anderen christlichen Familien die erforderliche Hilfe geleistet wurde.

 

Die ersten Christen brachten zu den Versammlungen sehr viele materielle Gaben der verschiedenen Art mit und übergaben sie dem Ältesten, damit er sie an die Notleidenden austeile. Da der Älteste auch die Gabe der Heilung hatte und so ein großer Helfer der Kranken war, so war es natürlich, daß er sich durch seine Tätigkeit auch rein menschlich die Liebe und Zuneigung der Mitchristen erwarb.

 

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Aus dem großen Vertrauen heraus, das alle zu ihm hatten, sprachen sich die Glieder der Gemeinde auch über das bei ihm aus, was sie an geistigen Bedrängnissen zu tragen hatten, bekannten ihm dabei auch manche Fehltritte und baten ihn um seinen Rat. Er richtete sie auf, tröstete und ermunterte sie, betete mit ihnen und war allen ein geistiger Vater und wahrer Hirte.

 

Die ersten Christengemeinden bestanden in der Form der Nachbarschaften. Eine gewisse Anzahl von Familien, die in einem gewissen Umkreis wohnten, bildeten eine Gemeinde. Sehr groß durfte sie nicht sein, da sonst der beschränkte Raum eines Privathauses ihre Zusammenkünfte nicht hätte fassen können. Darum war die Zahl der Gemeinden an einem größeren Orte oder in einem größeren Bezirk oft recht groß. Jede von ihnen hatte ihren eigenen Presbyter.

 

Nun kam es häufig vor, daß in der einen Gemeinde fast nur materiell besser gestellte Familien waren, während eine andere Gemeinde fast nur hilfsbedüftige Familien umfaßte. Und da gerade die wohlhabenden Familien mit ihrem irdischen Vermögen recht viel Gutes tun wollten aber in der eigenen Gemeinde keine Gelegenheit dazu hatten, so stellte sich bald folgende Notwendigkeit heraus: Es mußte eine Verbindung der einzelnen Gemeinden miteinander in der Weise hergestellt werden, daß einer bestimmt wurde, der sich mit den Presbytern des ganzen Bezirkes in Verbindung zu setzen hatte.

 

Bei ihnen sollte er feststellen, wie groß die Zahl der Hilfsbedürftigen war und welche Hilfsmittel im ganzen zur Verfügung standen. So konnte ein Ausgleich der Gaben und Hilfeleistungen in die Wege geleitet werden. Denn die Presbyter führten ein genaues Verzeichnis sowohl über die Zahl der Armen, als auch über den Umfang der zur Verfügung stehenden Hilfsmittel ihrer Gemeinde.

 

Derjenige nun, der den Ausgleich und die Verteilung der Mittel und Hilfeleistungen des gesamten Bezirkes auf die einzelnen Gemeinden dieses Bezirkes vornahm, nannte man ‘Episcopos’, woraus euer heutiges Wort ‘Bischof’ entstand. Es bedeutet: ‘Aufsichtführender. Er hatte mit den Gliedern der Einzelgemeinden nichts zu tun. Seine Aufgabe bestand darin, daß er mit den Presbytern seines Bezirkes zusammenkam, mit ihnen die Zusammenarbeit auf dem Gebiete der christlichen Hilfe besprach und organisierte und die Hilfsmittel an die einzelnen Presbyter zur weiteren Verteilung überbringen ließ.

 

Daß bei solchen Besprechungen der Presbyter mit dem ‘Episcopos’ oder Bischof auch andere wichtige Fragen der Seelsorge behandelt wurden, ergab sich von selbst. Der Bischof wurde, wie der Presbyter, nicht von Menschen gewählt, sondern durch Kundgebungen der Geister Gottes bestimmt. Sein Einfluß auf das Leben der christlichen Gemeinden war naturgemäß ein sehr großer. Aber es war ein Einfluß, der aus seiner inneren Würdigkeit und seinem vorbildlichen Leben entsprang. Darum wurde er in allen wichtigen Fragen um sein Urteil gebeten.

 

Auch die Geisterwelt wies die Presbyter in allen die Gesamtheit der Christengemeinden betreffenden Fragen an den Bischof ihres Bezirkes. Und dieser wurde von Gottes Geist belehrt, was er tun solle.

 

Wie jedoch der Einfluß, den ihr Menschen auf eure Mitmenschen erlangt, von euch so leicht mißbraucht wird, so geschah es auch später in den christlichen Gemeinden. Es kam die Zeit, wo die Geister Gottes aus der christlichen Kirche ausgeschaltet wurden. Nun wurden die Presbyter und Bischöfe nicht mehr von der Geisterwelt bestimmt, sondern von einflußreichen Menschen. Herrschsucht und andere menschliche Untugenden schlichen sich ein.

 

Denn wo die Geister Gottes fehlen, da wirken andere Geister, die nicht das Heil der Menschheit wollen, sondern ihr Verderben. Das Gute herrscht durch Freiheit - das Böse durch Zwang. Die Urkirche, in der die Geister Gottes das Szepter führten, war eine Kirche der Freiheit der Kinder Gottes. Die spätere Kirche, welche die Geister Gottes ausschaltete, wurde unter dem Einfluß der bösen Mächte, die in ihr wirksam wurden, eine Kirche der geistigen Knechtschaft, in der die Leiter sich Gewalten anmaßten, die gegen den Willen Gottes verstießen und infolge dieser Gewalten den Gläubigen den direkten Weg zu Gott versperrten.

 

So ist es bis heute in der katholischen Kirche geblieben. Die Katholiken sind fest an die Rockschöße des katholischen Priestertums gebunden. Denn ohne Inanspruchnahme dieses Priestertums gibt es nach der Lehre dieser Kirche keine Sündenvergebung, kein Kommen des Geistes Gottes, kein Abendmahl des Herrn, keine Krankensalbung und keine gültige Ehe. Letztere hat sie ebenfalls zu einem Sakrament gestempelt, über das ich dir nach meinen vorhergehenden Darlegungen über die Ehe nichts weiter mehr zu sagen habe.

 

Wenn Christus heute wieder auf die Erde käme, würde er noch einmal die Klage aussprechen müssen: ‘Mich erbarmet des Volkes!’

 

Sollen die jetzigen christlichen Kirchen wieder Träger der wahren Lehre Christi werden, dann müssen sie zurückkehren zum Gottesdienst der Urkirche. Es ist freilich keine Hoffnung, daß eine Rückkehr zum Christentum Christi von seiten der Leiter der heutigen christlichen Kirchen angebahnt wird. Sie muß vom Volke ausgehen. Das Volk, dem so viele Menschensatzungen im Namen der Religion aufgebürdet wurden, muß wieder lernen, auf dieselbe Weise seinen Gott zu suchen und dessen Willen zu erfüllen, wie es die ersten Christen unter Anleitung der Geister Gottes getan haben.

 

Denn auch heute gilt noch der Satz, den die christliche Urkirche sich zur Richtschnur nahm: ‘Wo die Geister Gottes sind, da ist die Wahrheit!’

 

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Der Geisterverkehr in der Nachapostolischen Zeit

 

Kommt einmal etwas vor, von dem man sagen möchte:
"Siehe, das ist etwas Neues", so ist es doch längst dagewesen
in den Zeit- räumen, die hinter uns liegen.
Pred.1, 10

 

 

Die Kundgebungen der Dämonen im heidnischen Götzendienst

Zwischen der Welt des Heidentums, in die das Christentum eintrat, und dem Christentum entspann sich ein gewaltiger Kampf. Bei diesem Kampfe auf Leben und Tod war es die allgemeine Überzeugung der Christen der nachapostolischen Zeit, daß die bösen Geistermächte die wirklichen Beherrscher des ganzen Heidentums waren und daß die weltlichen Machthaber und ihre Untertanen nur die menschlichen Werkzeuge jener bösen Mächte bildeten.

 

Die Hölle sah ihre bisherige Herrschaft über die Menschheit durch die Geisterwelt des Guten bedroht, die sich im Christentum kundgab. "Hier galt es einen Kampf mit einem höheren Herrn, als dem Kaiser in Rom, mit stärkeren Gewalten, als seinen Statthaltern und Beamten. Die Macht dieser Gewalten war schon da, als noch kein römisches Reich existierte. Sie erstreckte sich auch in die dunklen Provinzen des Reiches, wo römische Verwaltung nur zum Schein bestand. Sie reichte hinein in die Menschenherzen und ihre Gedanken, die keiner Verwaltung unterstehen."

 

"Das Leben des Staates, wie der einzelnen war voll von Beziehungen zu dieser jenseitigen Welt der Geister, welche die Heiden Götter, Heroen oder Dämonen nannten. Das Leben des Staates spielte sich unter ihrem Schutze ab. Ein großer Teil öffentlichen gemeinsamen Handelns mit Opfern und Festen galt ihrer Verehrung" (Weinel S. 2 u. 3).

 

Wenn die Götzenbilder auch äußerlich tot waren, so war man überzeugt, daß hinter jenen Statuen von Stein und Holz wirkliche Geistwesen lebten, die sich kundgaben. Von ihnen sagt der Christ und Märtyrer Justin: "Jene Bilder tragen Gestalt und Namen der erschienenen schlechten Dämonen." - Diesen Dämonen galt die Verehrung der Heiden. "In alten Zeiten sind die Dämonen (in menschlichen Medien) erschienen und haben mit Frauen Ehebruch getrieben und Knaben geschändet und den Menschen Schreckbilder gezeigt, so daß diejenigen erschraken, welche diese Vorgänge nicht verstanden; sie nannten sie Götter und gaben ihnen den Namen, den sich ein jeder Dämon beilegte. Sie taten es von der Furcht getrieben, weil sie nicht wußten, daß es böse Dämonen waren" (Justin 1.5, 2).

 

Aber nicht bloß in der Vergangenheit waren die bösen Geister wirksam, sondern die Christen der ersten Jahrhunderte sahen täglich die Kundgebungen dieser Geister mit eigenen Augen.

 

Da waren zunächst mancherlei Krankheiten, bei denen ein anderer Geist als der des Kranken aus den Leidenden sprach und handelte. Der Wahnsinnige hatte einen Dämonen in sich. Der Hysterische und Epileptische waren besessen. Das war allgemeiner Volksglaube bei Juden, Heiden und Christen.

 

Diese unsichtbaren Geistwesen sprachen auch aus menschlichen Medien. Der Christ Tatian schildert ein weibliches Medium des Apollo mit folgenden Worten: "Nachdem sie Wasser getrunken hat, gerät sie in Raserei, und durch Weihrauch kommt sie von Sinnen, und du meinst, sie sage wahr" (19.p. 86). - Das Rasen ist stets ein Zeichen, daß ein niederes Geistwesen von einem Medium Besitz ergriffen hat. Die hohen Geister geben sich kund unter den Zeichen der Ruhe und des Friedens.

 

Das Rasen der Baalspriester nach den Berichten der Bibel, die rasenden Bewegungen der Bacchantinnen bei den Götzenfesten der Römer und Griechen, die tanzenden Derwische unserer Zeit, sowie die große Zahl ähnlicher Erscheinungen bei den heutigen Medien sind auf die Einwirkung böser Geistwesen zurückzuführen.

 

Jene Geistwesen konnten auch von den Hellsehern der damaligen Zeiten geschaut werden. Menschen, welche die Gabe des Hellsehens oder andere mediale Fähigkeiten besaßen, durch die sie mit der Geisterwelt in Verbindung treten konnten, nannte man damals "Pneumatiker". Dieses Wort ist abgeleitet von dem griechischen Wort "Pneuma", das Geist bedeutet . In der heutigen Zeit, die nichts mehr von den Gesetzen des Geisterverkehrs kennt, deutet man das Wort "Pneumatiker" als "Geistbegabten" und erweckt dadurch die Meinung, als sei der eigene Geist jener Menschen die Ursache wunderbarer Wirkungen.

 

In Wirklichkeit waren jedoch die "Pneumatiker" entweder vollständige "Medien" oder Menschen mit einer medialen Veranlagung oder solche, die mit der Gabe des Hellsehens und Hellhörens ausgestattet waren. Also nicht bloß jene waren "Pneumatiker", die mit der guten Geisterwelt Berührung hatten, sondern auch diejenigen, welche mit den bösen Geistwesen in Verbindung standen. Die Gesetze, nach denen sich diese Verbindung vollzog, waren ja in beiden Fällen dieselben.

 

"Die Dämonen werden auch den Menschen sichtbar, indem sie sich ihnen zeigen, damit man glauben soll, sie seien etwas Rechtes". - "Leicht und oft werden ihre luft- und feuerartigen Körper allerdings nur von den 'Pneumatikern' gesehen; aber die Tatsache, daß man sie sieht und häufig sieht, steht fest", sagt Tatian (Or. 15 p. 70).

 

Die hier erwähnten luft- und feuerartigen Körper der Dämonen sind die Odkörper. Alle Geister besitzen sie. Nur ist ihr Aussehen bei den einzelnen Geistwesen verschieden, je nach der Sphäre, in der sich der Geist befindet.

 

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Das Reden der Götzenbilder

 

Auch redeten die Götzenbilder selbst und wirkten Wunder. Das konnten auch die Christen nicht leugnen, da diese Tatsache allgemein bekannt war. Gerade hieraus leiteten die Heiden ihre Überzeugung ab, daß die Götzen, die sie verehrten, lebendige Geistwesen waren, die über eine große Kraft verfügten. Sie sagen: "Aus welchem Grunde vollbringen einige Bilder Wunderwirkungen, wenn es nicht Götter sind, für die wir Bildsäulen errichten? Es ist doch nicht wahrscheinlich, daß die leblosen unbeweglichen Bilder selbst Kraft entwickeln können, ohne daß sie einer bewegt?" -

 

Der Christ Athenagoras entgegnet: "Daß in einzelnen Plätzen und Städten und Völkern im Namen der Bilder Wunderwirkungen geschehen, leugnen auch wir Christen nicht. Nur halten wir sie nicht für Götter" (Athenagoras leg. 23 p. 116). - Von einer Bildsäule eines gewissen Neryllinus in Troas erzählt er: "Man glaubt, daß sie wahrsage und Kranke heile. Die Einwohner von Troas opfern ihr daher und schmücken sie mit Gold und bekränzen sie.

 

Ebenso soll in Parion von den Bildsäulen des Alexander und des Proteus die eine weissagen; der anderen aber, der des Alexander, feiert man auf Staatskosten Opfer und Feste, wie einem Gott, der erhören kann." Athenagoras leugnet diese Wirkungen nicht. Nur sagt er, daß diejenigen, die sie vollbringen, böse Geister seien.

 

"So erlebte und erfuhr man die Wirkungen und in ihnen den Beweis für die Existenz einer geheimnisvollen Welt geistiger Wesen hinter den Dingen dieser Welt - geistiger Wesen, die mächtiger, wissender, aber auch ruchloser waren, als die Menschen. Hinter und über dem römischen Reich erhob sich das Reich dessen, welcher der wahre Herr der Welt war, der Zeus, der Teufel. und gerade in diesem Römerreich, dessen führende Kreise dem Christentum so heftigen Widerstand entgegensetzten, schien jenes Geisterreich sich sein mächtigstes Bollwerk geschaffen zu haben" (Weinel, S. 12).

 

Mit Entsetzen erfuhren die Christen am eigenen Leibe die Wirkung des unsichtbaren Machthabers der Welt und seiner Werkzeuge.

 

Und was war der Zweck des Teufels und seiner Dämonen mit all seinem Anstürmen gegen die Christen? Er wollte sie fortlocken von Gott in den Irrtum der Vielgötterei. Er wollte sie fortschleudern von ihrem geistigen Leben und in den geistigen Tod stürzen. "Denn nichts anderes erstreben die sogenannten Dämonen, als die Menschen wegzuführen von ihrem Gott und Schöpfer und seinem Erstgeborenen, dem Christus. und die, welche sich über das Irdische nicht zu erheben vermochten, haben sie an irdische, von Menschen gemachte Dinge gebunden (Bildsäulen) und tun es noch" (Justin 1, 58). -

 

"Die Dämonen haben dies dadurch erreicht, daß sie durch Erfindung von Mythen und Mysterien den Heilsplan Gottes mit der Menschheit nachgeäfft haben. Sie haben denen, die nach Gottesgemeinschaft trachteten, durch ihre Gebilde einen angenehmen, aber seelenverderbenden Ersatz der wahren Offenbarung geschaffen" (Justin 1, 56).

 

Die bei den Götzenfesten durch die Götzenbilder redenden bösen Geister erzeugten die für menschliche Ohren vernehmbare Stimme dadurch, daß sie das ihnen zur Verfügung stehende Od zur Bildung der sogenannten "direkten Stimme" verwendeten. Es war in der Tat eine Nachahmung des Sprechens Gottes durch die Odwolke über der Bundeslade im Offenbarungszelt. Denn dies erfolgte ebenfalls als "direkte Stimme", wie es in meinen früheren Darlegungen ausführlich klargelegt ist. Und wie bei dem Sprechen Gottes die erforderliche Odwolke durch das Od des Opferblutes und die Räucherungen beschafft wurde, so war auch das Blut der heidnischen Götzenopfer und die dabei vorgenommene Räucherung die Odquelle für die "direkten Stimmen" der bösen Geister.

 

Bei der großen Gefahr, die den Christen ständig durch den Teufel und sein Heer drohte, war die Furcht vor diesen finsteren Mächten weit verbreitet. Es waren nicht Schatten und Phantasiegebilde, um die es sich handelte, wie es den meisten modernen Menschen erscheint, auch nicht mit Zähigkeit festgehaltene, unbewiesene Glaubenssätze, wie sie die heute lebenden Christen in ihren Religionen haben, sondern die bösen Geister waren erlebte, täglich sich kundgebende Gewalten, welche auf Schritt und Tritt geheimnisvoll, aber machtvoll wirkend ins Leben eingriffen (Weinel, S. 24).

 

Wir müssen uns einen Christen vorstellen, wie ihn in dem Hause, in dem er lebt, die Laren und Penaten (Bilder und Götzen) von den Wänden anstarren; wie auf den Straßen und Plätzen die Bilder ihm zu drohen scheinen; wie er an den Tempeln vorübergeht, wo in dem dunklen Haus hinter den hellen Säulenreihen die geheinmnisvollen Gewalten ihr Wesen treiben, Scharen von Menschen zu sich ziehend. Unter diesen Bildern gab es viele, deren scheußliche Gestalt mit ihrer wundersam grotesken Mischung von Menschen- und Tierleibern abstieß und doch denjenigen mit Grausen erfüllte, der hinter ihnen eine persönliche Geistermacht lebendig und wirksam wußte.

 

Weit gefährlicher aber waren die Dämonen, wenn sie dem zart schimmernden Marmor Leben einhauchten, wenn die schönheitsfrohen Glieder der griechischen Götter und Göttinnen der sinnverlockende Zauber wurden, durch den die Teufel die Menschen knechteten. Der Christ erkannte mit Entsetzen, daß all diese lebensvolle Schönheit Gott gestohlen war, um sie zur Sünde zu gebrauchen; daß alle Majestät, welche die Göttergestalten umfloß, ein Raub an Gottes Herrlichkeit und an seiner Herrschaft über die Menschenherzen war.

 

Und wenn der Christ dann bei Familienfeiern, bei den Festen der Stadt und der Provinz voll Grauen die ungeheure Macht des Abfalls von Gott erfuhr; wenn er sah, wie bei solchen Festen die schlimmsten Schandtaten der Dämonen und Heroen auf der Bühne sich abspielten, wie die Leidenschaften der Menschen und Götter Habgier, Haß, Rachgier und Sinnenliebe, und was ihnen folgt: Krieg, Mord und Ehebruch, vor den Augen von alt und jung, der Reifen wie der Unreifen, in verführerischem Zauber sich entfalten:

 

Dann zog ein Schauer der Verachtung und des Hasses gegen diejenigen durch sein Herz, welche die Seelen der Menschen durch ihre Gaukeleien und Schreckbilder von dem wahren Gott und seiner ewigen Güte und Reinheit weggelockt hatten."

 

"Glücklich der Christ, der nur diese Empfindungen kannte. Aber wenn sich die Schönheit der Bilder und der Menschen, wenn sich der Sinnenreiz der Schauspiele ihm ins Herz schlich, wenn bei den Kämpfen der Gladiatoren die im Menschen schlummernde Blutgier auch in ihm erwachte, dann hörte er mit Schrecken und Entsetzen dieselben finsteren Mächte aus den Regungen seines eigenen Trieblebens bald in süßem Schmeicheln, bald in wildem Locken zu sich reden.

 

Er glaubte sie nicht bloß zu hören. Je mehr er auf sich achtete, je mehr er sich versenkte in das Erleben der Geisterwelt, je mehr er ein 'Pneumatiker' wurde, desto klarer und öfter hörte er diese Stimmen, ja er sah die Gestalten der bösen Geister leiblich und erlebte körperlich ihre peinigende Gegenwart."

 

"Und blieb er seinem Gotte treu, so wartete auf ihn vielleicht das Schlimmste. In einer Zeit der Verfolgung entfalteten Satan und seine Geister ihre höchste Macht. Mit Abscheu und bangem Entsetzen erfuhr er dann die Grausamkeit dieser wildgewaltigen Feinde an den Qualen seiner Freunde, oder er erlebte sie in den peinigenden Schmerzen, die seinen eigenen gefolterten Leib zerrissen." (Weinel, S.24 u.25).

 

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Das Wirken der Geister Gottes

 

Was für eine Kraft war es nun, welche die Christen befähigte, die bösen Geistermächte zu überwinden? Die Christen selbst antworten uns: Es ist ein heiliger Geist, ein Geist Gottes, der sie wirkt. Die Geister Gottes kamen zu ihnen in derselben Weise, wie sie zu den ersten christlichen Gemeinden kamen. So sagt Justin von den Christen seiner Zeit: "Sie empfangen Gaben, ein jeder nach Würdigkeit, erleuchtet durch den Namen dieses Christus.

 

Denn der eine empfängt einen Geist der Einsicht, der andere einen Geist des Rates, der andere einen der Kraft, der andere einen Geist der Heilung, der andere einen Geist des Vorherwissens, dieser einen Geist der Lehre, jener einen Geist der Furcht Gottes" (Justin, Dial. 39 p. 132). - "Bei uns kann man Frauen und Männer sehen, welche Gnadengaben von einem Geist Gottes haben" (Justin, Dial. 88 p. 318).

 

In seinem Gespräch mit dem Juden Tryphon sagt Justin: "Bei uns sind noch bis jetzt prophetische Gaben vorhanden, woraus ihr erkennen könnt, daß das, was vor alten Zeiten in eurem Geschlecht war, jetzt zu uns kam. Und wie auch falsche Propheten zu der Zeit lebten, da die heiligen Propheten bei euch auftraten, so gibt es auch jetzt bei uns falsche Lehrer" (Justin, Dial. 82 p. 296).

 

Gegen diejenigen, welche die Kundgebungen der Geister Gottes aus der Religion verweisen wollten, tritt Irenaeus auf. Er spricht den Standpunkt der ganzen christlichen Kirche der damaligen Zeit aus, wenn er gegen die Religionsgemeinschaft der Aloger sagt: "Sie machen die Gabe des Geistes zunichte, welche in der Endzeit nach dem Willen des Vaters über das ganze Menschengeschlecht ausgegossen ist. Sie wollen jene Form des Evangeliums nicht zulassen, welche im Johannes-Evangelium dargestellt ist, wo der Herr versprochen hat, die Geisterwelt zu senden. Und sie verwerfen sowohl das Evangelium, als auch den prophetischen Geist."

 

Wenn Irenaeus den Ausdruck "Endzeit" gebraucht, so meinten die Christen damit die Zeit vom Erscheinen Christi an bis zum Weltende. Unter "prophetischem Geist" verstanden die Christen einen Geist, der durch ein menschliches Medium die Wahrheiten Gottes verkündete, wie dies in den ersten christlichen Gemeinden der Fall war. Nach dem alt-christlichen Grundsatz konnte man die Wahrheit nur dort lernen, wo Geister Gottes sich kundgaben. Dieser Grundsatz wurde in die Formel gekleidet: "Wo die Gnadengaben Gottes bestehen, dort muß man die Wahrheit lernen."

 

Da die Verbindung mit der guten Geisterwelt unter denselben Gesetzen und Vorbedingungen sich vollzog und noch vollzieht, wie die mit den bösen Geistern, so sind die Kundgebungen beider Geisterwelten äußerlich gleichartig. Nur aus dem Inhalt der Kundgebungen und dem Benehmen der Geistwesen in den menschlichen Medien kann man erkennen, ob sie von guten oder bösen, hohen oder niederen Geistwesen stammen. Aber die Kundgebungen selbst betrachtete damals sowohl der Jude wie der Heide und der Christ, der katholische Christ sowohl wie der nicht-katholische, in gleicher Weise als Wirkungen unsichtbarer Geistwesen.

 

"Erblickt ein Christ in einer Vision einen Engel oder einen Dämon, Christus oder den Teufel, hat ein Heide oder ein Gnostiker eine Vision, so ist nicht, wie für manche moderne Theologen, bei einem Juden Selbsttäuschung, was bei einem Christen wahres Erleben ist, sondern in jedem der angegebenen Fälle sind für jene Zeit übermenschliche, unsichtbare Geistwesen in Erscheinung getreten. Und das Erlebnis kann sich jedesmal ganz in der gleichen Form abspielen" (Weinel, S. 64).

 

"Die Wirkungen des heiligen Geistes und der Dämonen sind aber nicht nur im allgemeinen gleichartige Vorgänge, sondern derselbe Vorgang kann bald als Wirkung des guten, bald als Wirkung des bösen Geistes beurteilt werden, je nach dem dogmatischen Standpunkt (Glaubensstandpunkt) des Verfassers. Was der Gnostiker (eine christliche Sekte) für gute, heilige Geistwirkung hält, beurteilt der katholische Christ als Blendwerk der Dämonen und umgekehrt" (Weinel, S. 64).

 

"Wo die pneumatischen Vorgänge auf demselben seelisch-leiblichen Gebiet auftreten, ist es höchst auffallend, wie gleichartig sie in allen Jahrhunderten gewesen sind. Der mittelalterliche mönchische Mystiker, der Quäker im protestantischen England, der hugenottische Inspirierte, der Wunderarzt des 19. Jahrhunderts, erlebt und tut dann ganz dasselbe, wie die Pneumatiker der werdenden Kirche" (Weinel, S. 65).

 

"Innerhalb des Gebietes der pneumatischen (medialen) Erscheinungen gibt es nach christlicher Überzeugung keine neutrale Wirkung. Der Geist, welcher wirkt, ist entweder ein böser oder ein guter" (Weinel, S. 67).

 

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Trancezustände der christlichen Medien

 

Die Art und Weise, wie die Geister in den nachapostolischen Zeiten sich kundgaben, ist dieselbe, wie sie in den früheren Kapiteln dieses Buches über die Medien dargelegt wurde.

 

Die Geister bedienten sich der Medien zum Sprechen. Es gab sowohl "Teiltrancemedien", bei denen der eigene Geist alles hört, was das fremde Geistwesen durch das Medium spricht, als auch "Tieftrancemedien", bei denen ein anderer Geist redete, während das Medium selbst in vollständig bewußtlosem Zustand sich befand.

 

Ein Medium, das in Teiltrance sprach, schildert seinen eigenen Zustand mit folgenden Worten: "Stets empfand ich dabei eine außerordentliche Erhebung zu Gott, bei welchem ich daher beteuere, daß ich weder durch irgend jemand bestochen oder verleitet, noch durch eine weltliche Rücksicht bewogen bin, durchaus keine anderen Worte als solche zu sprechen, welche der Geist oder der Engel Gottes selbst bildet, indem er sich meiner Organe bedient.

 

Ihm allein überlasse ich daher in meinen Ekstasen die Lenkung meiner Zunge, indem ich mich nur bestrebe, meinen Geist auf Gott zu richten und die Worte zu merken, welche mein Mund ausspricht. Ich weiß, daß alsdann eine höhere und andere Macht durch mich spricht. Ich denke darüber nicht nach und weiß vorher nicht, was ich reden werde. Meine Worte kommen mir daher wie die Rede eines anderen vor, aber sie lassen einen tiefen Eindruck in meinem Geist zurück" (Weinel, S.77 u. 78).

 

Oft auch betet ein Geist unter Benutzung eines Mediums in Teiltrance. Ein Beispiel des "Betens im Geist" berichtet höchst anschaulich das Martyrium des Polykarp. Hier ist auch das große Ergriffensein treffend geschildert. Polykarp begibt sich aus dem Obergemach des Hauses, wohin man ihn geflüchtet hatte, zu der Truppenabteilung hinunter, befiehlt, den Soldaten zu essen vorzusetzen, und bittet sie dann um eine Stunde Verzug für ein ungestörtes Gebet.

 

"Als sie es ihm gestatteten, trat er hin und betete, voll der Gnade Gottes (im Geiste) so sehr, daß er zwei Stunden lang nicht schweigen konnte und alle Zuhörer erschraken, viele es aber bereuten, daß sie gekommen waren zu einem solch gottbegnadeten Greis, um ihn festzunehmen." Er konnte nicht schweigen. Denn nicht er selbst redete, sondern etwas anderes sprach aus ihm und ließ ihn nicht zum Schweigen kommen. Dabei vernimmt er nichts von dem, was um ihn vorgeht.

 

Er ist unempfindlich gegen die Müdigkeit, die dem alten Manne doch sonst das Stehen unmöglich gemacht hätte. Alle Anwesenden sahen, daß Polykarp nicht selbst sprach, sondern daß ein anderer aus ihm redete. Eine solche Wahrnehmung hat für den Zuschauer immer etwas Schreckhaftes, wie überhaupt in allen Fällen, wo die jenseitige Geisterwelt mit Menschen in sinnlich wahrnehmbarer Weise in Berührung kommt, vor allem, wenn es das erstemal ist, wo der Mensch so etwas erlebt.

 

Solch ein Beter, wie Polykarp, war ohne Zweifel der schwäbische Pfarrer Blumhardt, bei dessen Gebet die Kranken die Geister der Krankheit von sich weichen fühlten (Weinel, S. 83).

 

Das Stadium der "Tieftrance" oder der eigentlichen "Ekstase" war sehr oft bei den Medien der Montanisten vorhanden. Von Montanus erzählt sein Gegner Eusebius, es sei ihm berichtet worden, "Montanus, ein Neugetaufter, habe, von unmäßigem Ehrgeiz getrieben, dem bösen Feind Einlaß in sein Inneres gewährt. Er sei von einem Geist erfüllt worden und habe plötzlich, in Besessenheit und Ekstase geraten, in einem Erregungszustand zu reden und fremdartige Worte auszustoßen begonnen. Auch zwei von ihm erweckte Frauen hätten gesprochen "in bewußtlosem Zustande und ganz plötzlich und fremdartig, ähnlich wie Montanus, von demselben bösen Geist erfüllt."

 

Der Geist, der aus Montanus redet, erklärt diesen medialen Zustand mit folgenden Worten: "Siehe, der Mensch ist wie ein Lyra (Musikinstrument), und ich fliege hinzu wie ein Plektrum (durch das auf das Musikinstrument geschlagen wurde)."

 

Damit gibt dieser Geist in der richtigen Weise das Verhältnis an, in dem der Geist, der aus einem Medium spricht, zu dem Medium steht. Das Medium ist bloß Werkzeug in der Hand des Geistes. Es ist das Klavier und der fremde Geist ist der Klavierspieler. So ist es bei allen echten Medien ohne Ausnahme.

 

Das abfällige Urteil, das bei Eusebius über die Geistwirkungen in der montanistischen Religionsgemeinschaft, die doch auch eine christliche war, in den oben angeführten Sätzen gefällt wird, ist das Urteil eines religiösen Gegners. Und bekanntlich sind Religionskämpfe stets die erbittertsten, bei denen die Gegner von den Waffen der Lüge und der Verleumdung und der Entstellung der Wahrheit zu allen Zeiten den ausgiebigsten Gebrauch gemacht haben.

 

Daß bei den Montanisten die Geisterkundgebungen nicht von der Art gewesen sein können, wie die katholischen Gegner sie hinstellen, geht schon allein aus der Tatsache hervor, daß Tertullian, der gelehrteste und ernsteste Kirchenlehrer der damaligen Zeit, aus der katholischen Religionsgemeinschaft zu der montanistischen übergetreten ist. Wer die Werke dieses Kirchenlehrers kennt, dem ist es ohne weiteres klar, daß die bei den Montanisten zutage getretenen Geistwirkungen etwas Ernstes und Heiliges gewesen sein müssen, sonst hätte sich dieser Mann ihnen nicht angeschlossen.

 

Da die Geistwirkungen bei den Montanisten unter den Christen sehr viel Aufsehen erregten und der bisherigen christlichen Religionsgemeinschaft, die man die katholische nannte, dadurch großen Abbruch taten, stellte man plötzlich von Seiten der damaligen katholischen Kirchenleiter den Grundsatz auf, daß ein wahres Werkzeug Gottes nicht in der Ekstase, also nicht in Tieftrance spreche. Und doch war es allgemein bekannt, daß zu allen Zeiten zahlreiche Menschen als Werkzeuge Gottes in Ekstase gesprochen hatten.

 

So sagt der katholische Athenagoras aus derselben Zeit: "Die Propheten haben in der Bewußtlosigkeit der Exstase, indem sie ein göttlicher Geist in Tätigkeit versetzte, das ausgesprochen, was ihnen eingeflößt wurde, wobei sie ein heiliger Geist benutzte, wie ein Flötenspieler seine Flöte bläst" (Athenag.leg. p. 42). Und an einer anderen Stelle sagt er, der Geist habe die "Sprachorgane der Propheten wie Instrumente in Bewegung gesetzt." In der justinischen Coh. ad. Graec. heißt es:

 

"Das göttliche, aus dem Himmel herabkommende Plektrum hat die gerechten Männer wie ein Instrument, eine Zither oder Lyra, benutzt." Auch Justin und Theophilus gebrauchen dieselben Bilder. Es ist also das nämliche, was der aus Montanus sprechende Geist gesagt hatte. Im Montanismus war die Art der Geisterkundgebungen dieselbe, wie bei den ersten christlichen Gemeinden.

 

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Die Unterscheidung der Geister

 

Das Buch: "Der Hirte des Hermas", ein durch und durch spiritistisches Buch, genoß in der nachapostolischen Zeit ein so großes Ansehen, daß man es an die Heilige Schrift anreihte. Darin wird auch ausführlich erklärt, wie man die Sprechmedien der guten Geister von denen der bösen unterscheiden könne. Aus seinen Ausführungen geht mit voller Deutlichkeit hervor, daß man an der Form des Sprechens "den Geist von oben" und den irdischen Geist nicht zu unterscheiden vermag. Außer an dem Inhalt des Gesprochenen sind nach Hermas folgende Kennzeichen für ein Sprechen guter Geister durch ein Medium maßgebend:

 

"Kein Geist, von Gott gegeben, läßt sich befragen." Er läßt sich also nicht als Orakel menschlicher Neugierde benutzen. Selbstverständlich darf der Mensch in den Dingen, die der sich kundgebende Geist vorgetragen hat, auch Fragen an den Geist richten, sobald er die Kundgebung nicht verstanden hat oder ihm der eine oder andere Punkt daraus unklar geblieben ist. Die gute Geisterwelt verlangt in einem solchen Falle sogar, daß die Zuhörer solche Fragen stellen.

 

Er teilt ja seine Belehrungen, Anweisungen und Ermahnungen zum Besten der Anwesenden mit und hat daher den sehnlichsten Wunsch, daß seine Worte richtig verstanden und aufgefaßt werden. Darum will er auch, daß man nötigenfalls Fragen stellt. Oft fordern die Geister sogar die Anwesenden auf, Fragen zu stellen, selbst solche, die mit dem soeben Kundgegebenen in keinem Zusammenhang stehen. Das geschieht in den Fällen, wo der Geist weiß, daß einer der Anwesenden eine Frage stellen möchte, die sich allerdings nie auf rein materielle Dinge beziehen darf.

 

Ein zweites Kennzeichen für die Anwesenheit eines guten Geistes in einem Medium ist: "Nicht Menschen können bestimmen, ob und wann der Geist spricht, sondern er spricht nur dann, wann Gott es will, daß er rede." Es ist daher bei dem guten Geisterverkehr nicht möglich, ein Medium in Trance zu versetzen, damit eine Geisterkundgebung erfolgen soll. Sie erfolgt, wann sie erfolgen soll. Menschen können sie nicht herbeiführen. Wohl können Menschen durch Beschaffung der erforderlichen Odkraft die Vorbedingungen für eine Geisterkundgebung sicherstellen. Ob aber eine solche Kundgebung erfolgt, hängt nicht von ihnen ab.

 

Den Vorgang selbst deutet Hermas mit den Worten an: "Der Engel des prophetischen Geistes, der bei ihm wohnt, füllt den Menschen, und der Mensch, erfüllt mit einem heiligen Geiste, spricht zu der Gemeinde, wie der Herr will."

 

Von den montanistischen Medien als Tieftrancemedien wird der bei allein Tieftrancemedien eintretende Zustand mit den Worten angedeutet. "Sie beugen das Antlitz zur Erde." Es scheint hiermit auf den Eintritt der Tieftrance angespielt zu werden. Denn bei dem Austritt des eigenen Geistes des Mediums fällt der Körper vornüber und wird erst von dem eintretenden fremden Geist wieder emporgerichtet. Das Austreten oder Weggehen des Geistes des Mediums ist in dem Worte "Ekstase" genau wiedergegeben.

 

Denn "Ekstase" heißt "Austritt". Nach dem Eintritt des fremden Geistes gehen die Kundgebungen in aller Ruhe vor sich, wenn das Geistwesen ein gutes ist. Hat jedoch ein böser Geist von dem Medium Besitz ergriffen, so treten sehr häufig Zustände ein, die selbst auf den in diesen Dingen Unerfahrenen den Eindruck dämonischer Besessenheit machen. "Rasen ist ein Werk der Dämonen" sagt der Christ Tatian.

 

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Das Hellsehen und Hellhören der damaligen Medien

 

Auch das Hellsehen, Hellhören und Hellempfinden, wozu auch die Empfindungen des Geschmacks- und Geruchssinns gehören, ist eine häufige Erscheinung bei den Christen der ersten Jahrhunderte.

 

In dem Buch des Hermas nimmt das Hellsehen und Hellhören einen großen Raum ein. Denn das meiste nimmt Hermas hellsehend und hellhörend wahr. Eine weibliche Gestalt, die er sieht und hört, erklärt ihm die jenseitigen Wahrheiten. Sie ist seine Führerin, wie es bei dem hellsehenden Dante die Beatrice war. Denn auch Dante hat die Hauptsache dessen, was er in seiner "Göttlichen Komödie" niederschrieb, hellsehend geschaut.

 

Der Märtyrer Polykarp schaut hellsehend sein Todesschicksal. Auf dem Landgut, wohin er entflohen war, weilte er mit einigen wenigen und tat "Tag und Nacht" nichts anderes, als daß er betete für alle und die Gemeinden der ganzen Welt, wie er es zu tun pflegte. Und als er betete, hatte er ein Gesicht, drei Tage, bevor er gefangengenommen wurde: Er sah sein Kopfkissen im Feuer verbrennen. Da drehte er sich um und sagte zu denen, die bei ihm wahren. "Es ist von Gott bestimmt, daß ich lebend verbrannt werden soll."

 

Am häufigsten ist bei den hellsehenden Gottesgläubigen das Schauen jenseitiger Gestalten und Gefilde, überhaupt ein Schauen des Geisterreiches als eine Welt gleich der irdischen, nur geistig anstatt materiell.

 

Daß auch heidnische Hellseher derartige Visionen hatten, ist selbstverständlich. Denn das Hellsehen ist eine Gabe des menschlichen Geistes infolge einer entsprechenden Gestaltung des seinen Geist umgebenden Ods, so daß er ähnlich sieht, wie ein körperloser Geist . Das, was der Hellseher schaut, ist als Bild ebenso wahr, wie die Bilder der materiellen Welt, die unser körperliches Auge schaut. Die Geisterwelt kann diese Bilder nach Belieben vor den Augen des Hellsehers entstehen lassen.

 

Das Od ist das Material, aus dem sie geformt werden. Es kommt nur auf die innere Einstellung des Hellsehers an, ob die gute oder die böse Geisterwelt bei seinem Schauen jenseitiger Dinge tätig ist. Bei dem Hellsehen, das sich auf Diesseitiges bezieht und von der Odstrahlung der irdischen Geschöpfe abhängig ist, spielt die innere Gesinnung des Hellsehers keine Rolle. Darum konnten die heidnischen Hellseher diesseitige Schicksale ebensogut schauen, wie christliche, wenn die Christen ihnen auch vorwarfen, daß auch dies von den Dämonen bei jenen bewirkt werde.

 

Die Urkunden der ersten christlichen Jahrhunderte sind voll von solchen Tatsachen des Hellsehens und Hellhörens. Als Polykarp in Smyrna als Märtyrer starb, hörte Irenaeus , der sich gerade in Rom aufhielt, eine Stimme wie eine Trompete, welche sagte: "Polykarp ist Blutzeuge geworden."

 

Was das mediale Schreiben betrifft, so behaupten viele der führenden christlichen Männer jener Zeit, bei ihren Schreiben von der Geisterwelt inspiriert worden zu sein.

 

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Die Ausbildung der damaligen Medien

 

Die Ausbildung der Medien in der nachapostolischen Zeit war dieselbe, wie bei den Medien der ersten Christengemeinden. Sie erfolgte bei den gottesdienstlichen Versammlungen. Nach Hermas tritt der pneumatische Zustand eines Propheten ein unter allgemeinem Gebet der Gemeinde. Die Gemeinde betete, indem sich alle Anwesenden als Sinnbild der Einheit die Hände reichten.

 

Der dadurch erzeugte geschlossene Odstrom lieferte der Geisterwelt das Material zur Ausbildung der Medien und zu ihren Kundgebungen durch die fertigen Medien. - Wer die Ausbildung von Medien selbst sah, dem sind die aus jenen Zeiten berichteten medialen Vorgänge vollkommen klar. Denn es sind dieselben wie heute.

 

Wenn Eusebius berichtet, daß die Kirche es nicht gestattete, sich zum Propheten machen zu lassen oder sich selbst dazu zu machen, so sind auch diese Vorgänge für den Kenner sehr verständlich. Denn ebensogut wie ein Mensch in den gottesdienstlichen Versammlungen zum Medium werden konnte, so war dies auch möglich, wenn sich ein medial Veranlagter mit einigen anderen zu einem Privatgottesdienst vereinigte oder auch für sich allein zu geistigen Sammlung hinsetzte.

 

Nur der eine Unterschied war vorhanden, daß die Ausbildung eines Mediums in einer größeren harmonischen Versammlung schneller vor sich ging, als im Beisein von nur wenigen oder gar bei vollständigem Alleinsein des Mediums. Denn die konzentrierte Odkraft einer großen Versammlung ermöglicht die Arbeit der Geisterwelt an den Medien in viel wirksamerer Weise, als die bedeutend schwächere Odkraft einiger weniger oder die Odkraft eines Alleinstehenden.

 

Aber nach und nach wird die Odkraft auch bei dem einzelnen, der sich innerlich zu sammeln versteht, so stark, daß seine Ausbildung als Medium, wenn auch in längerer Zeit, erfolgen kann.

 

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Die spätere „Kirche“ verbietet den Geisterverkehr

 

Das Verbot der späteren christlichen, besser gesagt katholischen Kirche, sich selbst zu einem Medium auszubilden oder mit Hilfe anderer dies zu erreichen, stammt aus einer Zeit, wo die Geisteinwirkungen auch in den gottesdienstlichen Versammlungen aufgehört hatten, weil die Leiter der Kirche diese Dinge mit Gewalt unterdrückten.

 

Der Grund hierfür war damals derselbe, der heute bei den christlichen Kirchen vorliegt, wenn sie sich gegen den Spiritismus feindselig verhalten. Die Leiter einer zur geschlossenen weltlichen Organisation gewordenen Kirche können die Konkurrenz einer Geisterwelt nicht gebrauchen.

 

Schon zur Zeit des Irenaeus war die alte Kirche zu einem festen irdischen Gefüge geworden. Das geistliche Beamtentum regierte die Gläubigen. Die Bischöfe wurden nicht mehr von den sich kundgebenden Geistern Gottes bestimmt, sondern von Menschen ernannt oder gewählt. Auch begnügten sie sich nicht mehr mit der dienenden Aufgabe des Episkopos der ersten Christen, sondern betrachteten sich als Träger der überlieferten Glaubenswahrheiten und als deren rechtmäßige Ausleger.

 

Wo aber Menschen, die nicht von einem Geiste Gottes dazu ausgewählt werden, Hand an das Heilige legen, da folgt die Entweihung auf dem Fuße. Dasselbe gilt von den späteren "Presbytern", im Gegensatz zu den "Presbytern" der apostolischen Zeit.

 

Wenn man auch rein religionsgeschichtlich den Unterschied zwischen dem Urchristentum und der späteren "katholischen Kirche" in wenigen Worten kennzeichnen soll, so muß man sagen: "Im Urchristentum hatten die Geister Gottes alles zu sagen und die Menschen nichts. In der späteren katholischen Kirche hatten die Menschen alles zu sagen und die Geister Gottes nichts."

 

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Die Wirkungen der Geister im Leben eines evangelischen und eines katholischen Pfarrers des 19. Jahrhunderts

 

 

Die Erlebnisse des evangelischen Pfarrers Blumhardt

 

Über Johann Christoph Blumhardt, einen der bedeutendsten Pfarrer der evangelischen Kirche Deutschlands im 19. Jahrhundert, der von 1805 bis 1880 lebte, hat Friedrich Zuendel eine Lebensbeschreibung verfaßt. (Friedrich Zündel: Johann Christoph Blumhardt. Ein Lebensbild. Brunnen-Verlag, Gießen 1926. - Die im vorliegenden Kapitel angeführten Tatsachen habe ich diesem Buche entnommen und die Seitenangaben beziehen sich auf dieses Buch. Der Verfasser)

 

Darin nimmt die Schilderung von Kundgebungen der Geisterwelt im Leben und der Seelsorge Blumhardts einen breiten Raum ein. Die berichteten Tatsachen sind deshalb für das Verständnis des Geisterverkehrs in der jetzigen Zeit von so großer Wichtigkeit, weil an der Echtheit der Kundgebungen nicht im geringsten gezweifelt werden kann und weil die Geschehnisse dieselben sind, wie sie zu allen Zeiten der Menschheit erfolgten.

 

Blumhardt hat seine Berührung mit der Geisterwelt in einer Denkschrift an seine Kirchenbehörde wahrheitsgetreu geschildert, nichts hinzugesetzt und nichts weggelassen. Das beweist das Vorwort, das er seiner Denkschrift beifügte:

 

"Indem ich mitfolgenden Aufsatz meiner Kirchenbehörde übergebe, fühle ich mich zu der Erklärung gedrungen, daß ich mich noch gegen niemanden so kühn und unumwunden über meine Erfahrungen ausgesprochen habe ... War daher bei weitem das meiste bisher Geheimnis geblieben, das ich in meiner Brust bis ins Grab unenthüllt bewahren konnte, so stand es mir völlig frei, für diesen Aufsatz beliebige Auswahl zu treffen; und es wäre mir eine Kleinigkeit gewesen, eine Darstellung zu geben, die sich ohne allen Anstoß von jedermann hätte lesen lassen können.

 

Das konnte ich aber nicht über mich bringen; und obwohl ich fast bei jedem Abschnitt zittern wollte, ob es nicht übereilt und unvorsichtig wäre, alles so bar heraus zu sagen, so lautete es doch immer in mir: Heraus damit!"

 

"So sei es denn gesagt; und ich tue es auf den Namen Jesu, der Sieger ist. Eben hier ehrlich und offen zu sein, achtete ich nicht nur als Schuldigkeit gegen meine hochverehrte Kirchenbehörde, welche alles Recht zu einer Offenheit um mich verdient hat, sondern auch gegen meinen Herrn Jesum, dessen Sache allein es ist, die ich zu verfechten hatte. Indem ich aber hier zum ersten Male ohne jeden Rückhalt mich ausspreche, liegt mir freilich der Wunsch nahe, es möchten diese Mitteilungen mehr als Privatmitteilungen angesehen werden, als lege ein vertrauter Freund seine Geheimnisse in den Schoß seiner Freunde nieder."

 

"Eine zweite Bitte möchte auch verzeihlich sein: Es mögen die verehrten Leser öfters das Ganze lesen, ehe sie ein Urteil fällen. Indessen vertraue ich dem, der die Herzen in seiner Gewalt hat und wie auch die Urteile ausfallen mögen, so bleibt mir die Beruhigung, ohne Hehl die Wahrheit gesprochen zu haben und obendrein die felsenfeste Gewißheit: 'Jesus ist Sieger!'"

 

Eine weitere Beleuchtung seiner Denkschrift gibt Blumhardt in einer Verteidigungsschrift gegen einen Dr. de Valenti in folgenden Worten:

 

"Ich hätte können freilich, möchte man sagen, klüger sein und in meinem Bericht das, was man mir als den ungemessensten Eigendünkel auslegen konnte, füglich weglassen, weil man ja längst gewohnt ist, Geschichten von dämonischen Erscheinungen, namentlich von Somnambulen, ohne einen vernünftigen Ausgang sich schließen zu sehen. Aber ich habe das alles wohl gefühlt und man glaube ja nicht, daß ich in der Dummheit allzu ehrlich gewesen sei.

 

Wenn ich berichten mußte, und dazu war ich beauftragt, so wollte ich nicht gegen die Wahrheit es so darstellen, als ob eben da einmal wieder eine dämonische Charlaterie oder Sonderbarkeit vorgekommen sei, wie man sie in den letzten Jahrzehnten schon so oft gehört und gesehen hat. Ich hätte mich geschämt, in die Reihe der abenteuerlichen Sonderlinge mich einreihen zu lassen, welche so häufig nur ein irriges Spiel mit Erscheinungen und Ereignissen aus der anderen Welt treiben; ich stand in der Furcht Gottes bei jener Sache, und wenn letztere ein viel ernsteres Gewand bekam, als alle Geschichten ähnlicher Art sonst haben, so mußte ich eben das schon zu meiner Selbstrechtfertigung meiner Behörde deutlich machen.

 

Schrieb ich einmal etwas, so mußte ich alles schreiben, und so sagte ich offen und ohne Vorbehalt heraus, wie ich handelte und dachte; so konnte ich auch um so getroster jedes Resultat erwarten, und war ich etwa verkehrt oder im Irrtum oder im Eigendünkel, so sollte das meine Behörde wissen oder zu beurteilen imstande sein. Denn ich will einmal nicht in einem stummen Eigensinn mich verrammeln, wie es allerdings in gegewärtiger Zeit manche falsche Richtungen und dämonische Geistlichkeiten tun, da die Betrogenen im Verborgenen mancherlei ausbrüten und niemanden, der nicht schon ganz ihnen angehört, in ihre Heimlichkeiten hineinschauen lassen.

 

Meine Sache sollte ans Licht und im Lichte geprüft werden - aber wohlgemerkt, nur als eine Art Beichtgeheimnis gegenüber meiner Behörde. Dieser wollte ich es sagen und vorerst sonst niemandem. Ich habe auch Wort gehalten."

 

In seiner Pfarrei hatte Blumhardt eine arme Familie Dittus. Sie bestand aus fünf Geschwistern: Drei Schwestern und zwei Brüdern. Die eine der Schwestern hieß Gottliebin und war 25 Jahre alt. Im Frühjahr 1840 waren die Geschwister in das Erdgeschoß eines ärmlichen Hauses in Möttlingen, der Pfarrei Blumhardts, eingezogen. Schon bald glaubte Gottliebin Dittus unerklärliche Vorgänge bei sich zu verspüren. Es kam ihr vor, als sähe und höre sie manches Unheimliche im Hause.

 

Gleich am ersten Tage, wo sie das Haus bezogen hatten, hatte Gottliebin beim Tischgebet einen Anfall bekommen, bei dem sie bewußtlos zu Boden fiel. Oft hörte man ein immer wiederkehrendes Gepolter und Geschlürfe in der Kammer, Stube und Küche. Das setzte sowohl die Geschwister Dittus, als auch die im oberen Stock wohnenden Hausleute in Schrecken. Aber keiner hatte den Mut, etwas zu sagen. Gottliebin fühlte, wie ihr nachts die Hände gewaltsam übereinandergelegt wurden. Sie sah Gestalten und Lichter.

 

Pfarrer Blumhardt hörte nur hier und da von der Sache und schenkte ihr keine Aufmerksamkeit.

 

Dieser Spuk hatte schon über zwei Jahre gedauert, da wurde Blumhardt durch Verwandte der Gottliebin auf den jammervollen Zustand des Mädchens aufmerksam gemacht und um Hilfe gebeten. Das Gepolter war inzwischen in dem Hause so furchtbar geworden, daß man es weit in der Nachbarschaft hörte, gerade als wären Handwerksleute in dem Hause beschäftigt. Gottliebin sah besonders häufig die Gestalt eines zwei Jahre vorher gestorbenen Weibes aus Möttlingen mit einem toten Kind auf den Armen.

 

Dieses Weib, dessen Namen Gottliebin zuerst nicht nannte, stand immer an derselben Stelle vor ihrem Bette, bewegte sich zuweilen zu ihr hin und wiederholte oft die Worte: "Ich will Ruhe haben" oder; "Gib mir Papier, so komme ich nicht wieder!"

 

Blumhardt ordnete nun an, daß eine Freundin bei der Gottliebin schlafen solle, um ihre Gedanken von derartigen Dingen abzulenken. Aber auch sie hörte nachts das Gepolter. Beide sahen ein Licht aufflackern. Sie gingen dem Lichtschein nach und fanden unter einem Brett einen rußigen Bogen Papier. Das darauf Geschriebene war unleserlich. Daneben lagen drei Kronentaler und etliche Papiere, die inmwending ebenfalls mit Ruß überzogen waren.

 

Von da an war es ruhig im Hause. Blumhardt glaubte schon, daß die Gespenstergeschichte damit ihr Ende erreicht hätte.

 

Allein nach 14 Tagen fing das Gepolter von neuem an und nahm von Tag zu Tag zu. Der Arzt Dr. Späth, dem Gottliebin alles anvertraute, blieb mit einigen Personen zweimal in der Stube über Nacht. Was er da erlebte, übertraf alle seine Erwartungen. Das Aufsehen, das diese Sache machte, zog immer weitere Kreise, und viele Neugierige von nah und fern stellten sich ein, wie immer, wenn es sich darum handelt, gerade auf diesem Gebiet eine Sensation zu erleben.

 

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Da entschloß sich Blumhardt, dem Skandal ein Ende zu machen und zu diesem Zweck etwas Durchgreifendes zu tun. Mit sechs der ernstesten und vertrauenswürdigsten Männer seiner Pfarrei wollte er die Vorgänge prüfen. Mit ihnen zusammen ging er an einem Abend zu dem Hause. Er selbst blieb in der Stube, um Gottliebin zu beobachten. Die anderen verteilten sich je zwei und zwei in und um das Haus.

 

An diesem Abend wurden nun diese sieben Männer Zeugen davon, daß innerhalb dreier Stunden 25 Schläge auf eine gewisse Stelle der Kammer erfolgten, die so gewaltig waren, daß der leere Stuhl dort aufsprang, die Fenster klirrten und der Verputz von der Oberdecke herunterfiel. Die Bewohner des ganzen Ortes vernahmen ebenfalls diese furchtbaren Schläge, die sich draußen anhörten wie ein Neujahrsschießen.

 

Als Gottliebin, die wiederum jenes Weib mit dem toten Kind auf den Armen sah, an Blumhardt die Frage richtete, ob sie ihm den Namen nennen solle, lehnte dies Blumhardt entschieden ab.

 

Am folgenden Tag wurde Blumhardt mitgeteilt, Gottliebin liege in tiefer Ohnmacht und sei dem Tode nahe. Er eilte hin und fand sie ganz starr auf dem Bette liegen, die äußere Haut an Kopf und Armen glühend und zitternd, sonst dem Anschein nach am Ersticken. Die Stube war gedrängt voll Menschen, und ein Arzt von einem Nachbarorte, der eben im Dorfe war, versuchte sie zum Leben zu bringen, ging jedoch kopfschüttelnd und ratlos weg. Nach einer halben Stunde erwachte sie. Blumhardt vernahm von ihr, daß sie wieder die Gestalt des Weibes mit dem toten Kinde gesehen habe, aber sofort bewußtlos umgefallen sei.

 

Nun brachte er das Mädchen aus dem Hause weg und ließ es bei einer zuverlässigen Familie Wohnung nehmen. Dort durfte niemand, nicht einmal ihre Geschwister, sie besuchen.

 

Seine inneren Empfindungen schildert Blumhardt mit folgenden Worten: "Ein besonderes Grauen hatte ich vor Erscheinungen des Somnambulismus, die so häufig ein ärgerliches Aufsehen erregen und so wenig Gutes bisher gestiftet haben. Und da immerhin ein geheimnisvolles und gefährliches Feld sich hier eröffnete, so konnte ich nicht umhin, in meinen einsamen Gebeten die Sache dem Herrn zu empfehlen, ihn bittend, doch ja vor allen Torheiten und Verirrungen, in welche man verwickelt werden könnte, mich und andere zu bewahren.

 

Tiefbekümmert waren wir, daß der Teufel noch so viel Macht haben sollte und daß solche von niemand erkannte Satansnetze über die Menschheit sollten ausgebreitet sein. Unser herzliches Mitleid betraf nicht bloß die arme Person, deren Jammer wir vor uns sahen, sondern wir jammerten und seufzten vor Gott über die Millionen, die von Gott abgewichen, in die heimlichen Bande der Zauberei verstrickt werden. Wir beteten, daß Gott doch wenigstens in diesem Falle uns Sieg geben und Satan unter unsere Füße treten wolle."

 

Aber auch in der anderen Wohnung, in der sich jetzt Gottliebin befand, begann die Sache von neuem. Gottliebin verfiel, sobald man etwas an Gepolter und Schlägen vernahm, sofort in heftige Zuckungen. Diese wurden immer stärker und andauernder.

 

Eines Tages, als die Krämpfe so heftig wurden, daß die Bettstelle auseinander ging, sagte der anwesende Arzt Dr. Späth unter Tränen: "Man sollte meinen, es sei gar kein Seelsorger im Orte, daß man die Kranke so liegen läßt. Das ist nichts Natürliches."

 

Blumhardt ließ sich diese Worte des Arztes zu Herzen gehen und besuchte Gottliebin häufiger. Als er einmal mit Dr. Späth zusammen bei ihr war, zitterte ihr ganzer Leib, jeder Muskel am Kopf und an den Armen war in glühender Bewegung, wiewohl sie sonst starr und steif dalag. Dabei floß häufig Schaum aus ihrem Munde. So lag sie schon mehrere Stunden da. Der Arzt, der noch nie etwas Ähnliches erlebt hatte, schien ratlos zu sein. Da erwachte sie plötzlich, konnte sich aufrichten, Wasser trinken, und kaum konnte man glauben, daß sie die nämliche Person sei.

 

Mit jedem Tag wurde es Blumhardt klarer, daß hier etwas Dämonisches im Spiele sei. Wie auf eine innere Eingebung hin trat er nun eines Tages bei einer solchen Gelegenheit auf die Kranke zu, faltete ihre vom Starrkrampf befallenen Hände mit Gewalt zum Gebete, rief ihr in ihrem bewußtlosen Zustande ihren Namen laut ins Ohr und sprach: "Lege die Hände zusammen und bete: Herr Jesu, hilf mir! Wir haben lange genug gesehen, was der Teufel tut; nun wollen wir auch sehen, was Jesus vermag." Nach wenigen Augenblicken erwachte sie, sprach betend die Worte nach, und alle Krämpfe hörten auf, zum großen Erstaunen der Anwesenden.

 

Das war für Blumhardt, wie er selbst bekennt, der Wendepunkt seines Lebens. Darauf hatte die Kranke mehrere Stunden Ruhe. Da aber wiederholten sich die Krämpfe in noch viel schlimmerer Weise. Wiederum ließ Blumhardt sie die Bitte aussprechen: Herr Jesu, hilf mir! Und wieder ließen die Krämpfe augenblicklich nach.

 

Später, als Blumhardt sie wieder besuchte, stellten sich neue Zustände bei ihr ein. Die Kranke gebärdete sich wütend gegen ihn, versuchte ihn zu schlagen jedoch ohne ihn zu berühren. Endlich schlug sie die Hände aufs Bett nieder, wobei es den Anschein hatte, als ob eine geistige Macht durch die Fingerspitzen ausströmte. So ging es noch eine Zeit weiter, dann trat Ruhe ein.

 

Aber auch diese war nur von kurzer Dauer. Bald hörte man wieder ein Klopfen wie mit Fingern um sie her, dann bekam sie plötzlich einen Schlag auf die Brust und sank zurück. Auch sah sie die weibliche Gestalt wieder, die sie in der vorigen Wohnung gesehen. Diesmal nannte Gottliebin dem Pfarrer den Namen der Gestalt. Es war eine vor einigen Jahren gestorbene Witwe, die Blumhardt aus der Seelsorge noch in guter Erinnerung hatte. Sie hatte bei ihren Lebzeiten ein gedrücktes Wesen, suchte Frieden und fand ihn nicht.

 

Da betete Blumhardt laut und erwähnte den Namen Jesus. Sogleich rollte Gottliebin die Augen, schlug die Hände auseinander, und eine Stimme ließ sich hören, die man sofort für eine fremde halten mußte, nicht wegen des Klanges, sondern wegen des Ausdrucks und der Haltung in der Rede. Es rief: "Den Namen kann ich nicht hören." Alle Anwesenden erschauderten. Blumhardt schreibt: "Ich hatte noch nie etwas derart gehört und wandte mich in der Stille zu Gott, er möge mir Weisheit und Vorsicht schenken.

 

Endlich fragte ich: 'Hast du keine Ruhe im Grabe?' Es antwortete: 'Nein.' - 'Warum nicht?' Antwort: 'Das ist meiner Taten Lohn. Ich habe zwei Kinder gemordet und im Acker begraben.' - 'Weißt du denn jetzt keine Hilfe mehr? Kannst du nicht beten?' Antwort: 'Beten kann ich nicht.' - 'Kennst du Jesum, der Sünden vergibt?' Antwort: 'Den Namen kann ich nicht hören.' - 'Bist du allein?' Antwort: 'Nein.' - 'Wer ist denn bei dir?' Die Stimme antwortete zögernd, dann rasch herausfahrend: 'Der Allerärgste.' -

 

Die Redende klagte sich sodann der Zauberei an, um derentwillen sie des Teufels Gebundene sei. Schon siebenmal sei sie ausgefahren, jetzt aber gehe sie nicht mehr. Ich fragte sie, ob ich für sie beten dürfe, was sie erst nach einigem Bedenken gestattete. Ich gab ihr zu verstehen, daß sie im Leibe der Gottliebin nicht bleiben dürfe. Sie schien wehmütig zu flehen, dann wieder trotzig zu werden. Ich aber gebot ihr auszufahren, worauf Gottliebin die Hände stark aufs Bett niederschlug. Dann war sie wieder frei."

 

Einige Tage später wiederholte sich die Besessenheit. Bald war es, als führen in bestimmter Zahl Hunderte von Dämonen aus, wobei sich das Gesicht der Person jedesmal veränderte und eine neue drohende Miene gegen Blumhardt einnahm. Auch bekamen die Männer, die Blumhardt stets mitnahm, manche Stöße und Faustschläge, ohne daß sie sahen, wer ihnen diese versetzte. Blumhardt selbst durften die Dämonen, wie sie sagten, nichts tun.

 

Gottliebin raufte sich die Haare, schlug sich die Brust, warf den Kopf an die Wand und suchte auf allerlei Weise sich zu verletzen. Es war, als ob die Szenen immer schrecklicher würden und als ob Blumhardts Einwirkung die Sache nur verschlimmerte. "Was ich", sagte er, "in Geist und Gemüt damals ausgestanden habe, läßt sich nicht in Worten beschreiben."

 

"Mein Drang, der Sache ein Ende zu machen, wurde immer größer. Obwohl ich jedesmal befriedigt scheiden konnte, da ich fühlte, daß die dämonische Macht sich fügen müsse, und da die Person jedesmal vollkommen recht war, so schien die finstere Macht sich immer wieder zu verstärken und mich zuletzt in ein großes Labyrinth verstricken zu wollen, mir und meiner amtlichen Wirksamkeit zum Schaden und Verderben. Alle Freunde rieten mir, zurückzutreten.

 

Aber ich mußte mit Schrecken daran denken, was aus der Person werden könnte, wenn ich meine Hand von ihr abzöge, und wie sehr ich von jedermann, wenn es übel erginge, als der Verursacher dastehen müsse. Ich fühlte mich in einem Netze, aus dem ich mich ohne Gefahr für mich und andere unmöglich durch bloßes Abtreten wieder herauswinden konnte. Zudem schämte ich mich vor mir und meinem Heilande, zu dem ich so viel betete und dem ich so viel anvertraute und der mir so viele Beweise seiner Hilfe gab - ich gestehe es offen -, dem Teufel nachzugeben.

 

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'Wer ist der Herr?' mußte ich mich oft fragen. Und im Vertrauen auf den, der Herr ist, hieß es in mir immer wieder: Vorwärts! Es muß zu einem guten Ziele führen, wenn es auch in die tiefste Tiefe hinuntergeht, es sei denn, daß es nicht wahr wäre, daß Jesus der Schlange den Kopf zertreten habe."

 

Die Zustände, in denen es war, als führen Dämonen aus, steigerten sich. Zugleich traten aber andere unheimliche Erscheinungen ein, die sich sogar körperlich fühlbar machten. So fühlte sich Gottliebin in einer Nacht und im Schlafe von einer brennenden Hand am Halse gefaßt, die alsbald große Brandwunden zurückließ. Bis die Tante, die im gleichen Zimmer schlief, das Licht anzündete, waren bereits gefüllte Brandblasen um den ganzen Hals herum entstanden.

 

Der Arzt, der am folgenden Morgen kam, konnte sich nicht genug darüber wundern. Auch sonst bekam sie bei Tage und bei Nacht Stöße auf die Seite oder auf den Kopf, oder es faßte sie an den Füßen, daß sie plötzlich auf der Straße oder auf der Treppe oder wo es sonst war, hinstürzte, so daß sie Beulen oder andere Schäden davontrug.

 

Am 25. Juni 1842, als Blumhardt zu einem Kinderfest mußte, vernahm er bei seiner Rückkehr, Gottliebin sei nahezu wahnsinnig. Er ging zu ihr, und es schien ihr bald wieder gutzugehen. Nachmittags aber nahmen die Ereignisse eine außerordentliche Gestalt an. Die Kranke wurde so angegriffen, daß sie wie tot dalag; es wiederholte sich nun jener Eindruck vom Ausfahren von Dämonen in einer Weise, die das bisher Erlebte weit hinter sich ließ und den Eindruck eines Sieges von ungeahnter Ausdehnung bei Blumhardt erweckte. Es kam auch mehrere Wochen lang nichts mehr vor, und Gottliebin konnte gehen, wohin sie wollte.

 

Da kam die Kranke eines Tages blaß und entstellt zu ihm, um ihm etwas zu klagen, was sie bisher aus Schüchternheit vor ihm verborgen hatte. Sie erzählte ihm von einem Leiden, das sie an einem jeden Mittwoch und Freitag befalle und das mit so schmerzlichen und starken Blutungen verbunden sei, daß diese Plage, wenn sie nicht aufhöre, ihr Tod sein müsse. Ihre Schilderungen über andere mit diesem Leiden verbundene Erlebnisse entziehen sich jeder Mitteilung und waren derart, daß Blumhardt hier die allerschauerlichsten Phantasien des Volksaberglaubens verwirklicht sehen mußte.

 

"Vorderhand", schreibt Blumhardt, "brauchte ich ordentlich Zeit dazu, mich zu sammeln, um zu der traurigen Überzeugung zu kommen, daß die Finsternis so viele Macht über die Menschen solle bekommen haben. Mein nächster Gedanke war: 'Jetzt bist du fertig, jetzt geht's in die Zauberei und Hexerei hinein; und was willst du gegen diese machen!' Wenn ich aber das jammernde Mädchen ansah, so schauderte es mich vor der Möglichkeit der Existenz jener Finsternis und vor der Unmöglichkeit der Hilfe.

 

Es fiel mir ein, daß es Leute gebe, denen man geheimnisvolle Künste zur Abwehr von allerlei dämonischen Übeln zuschrieb und sympathische Mittel, welchen immer unbedingt Hohe und Niedere huldigen. Sollte ich etwa nach dergleichen Dingen mich umsehen? Das hieße, wie ich längst überzeugt war, Teufel mit Teufel vertreiben."

 

"Soll gläubiges Gebet nicht auch wider obige Satansmacht, worin sie nun bestehen möge, etwas auszurichten vermögen? Was sollen wir arme Menschlein machen, wenn hier nicht direkte Hilfe von oben zu erflehen ist? Gibt es eine Zauberei und Hexerei, ist es da nicht Sünde, sie unangetastet ihr Spiel treiben zu lassen, wenn eine Gelegenheit sich zeigt, ihr mit Ernst die Spitze zu bieten?"

 

Blumhardt rief daher der Kranken zu: "Wir beten, sei es, was wolle, wir probieren es. Wir verspielen wenigstens nichts mit dem Gebet. Und auf Gebetserhörung weist uns die Schrift auf fast jeder Seite; der Herr wird tun, was er verheißt!"

 

Blumhardt besuchte die Kranke am folgenden Tage. Es wurde ein für ihn und die bei ihm waren, unvergeßlicher Tag. Nach mehrmonatlicher Dürre zog an diesem Abend zum erstenmal ein Gewitter herauf. Gottliebin war von einer wahren Wut befallen, sich das Leben zu nehmen. Sie raste durch die Stuben und begehrte wild ein Messer. Dann lief sie auf den Speicher, sprang auf das Gesims des Fensterladens hinauf und stand bereits außerhalb des Ladens in freier Luft, nur noch mit einer Hand nach innen sich haltend, als der erste Blitzstrahl des nahenden Gewitters ihr ins Auge fiel, sie aufschreckte und sie aufweckte. Sie kam zur Besinnung und rief:

 

"Um Gottes willen, das will ich nicht." Der lichte Augenblick aber verschwand wieder, und im wiederkehrenden Delirium erfaßte sie einen Strick und band ihn künstlich um das Gebälke mit einer Schleife, die sich leicht zusammenzog. Schon hatte sie den Kopf beinahe ganz hineingezwängt, als ein zweiter Blitzstrahl durch das Fenster ihr Auge traf, der sie wie vorhin wieder zur Besinnung brachte. Ein Tränenstrom floß am folgenden Morgen aus ihren Augen, als sie den Strick an dem Balken erblickte, den sie bei der besten Besinnung so künstlich umzuwinden nicht imstande gewesen wäre.

 

Am gleichen Tage, abends um 8 Uhr, wurde Blumhardt gerufen, und er fand sie ganz im Blute schwimmend. Ihre sonstigen furchtbaren Bedrängnisse seien mit Stillschweigen übergangen. Blumhardt fing an, mit Ernst zu beten, nachdem er ohne viel Erfolg einige Trostworte gesprochen, während draußen der Donner rollte. Das wirkte nach einer Viertelstunde so entscheidend, daß alles weg war. Bald kam sie ganz zu sich, und Blumhardt entfernte sich auf einige Augenblicke, bis sie ganz umgekleidet war.

 

Die Kranke bekam unvermutet einen neuen Anfall, gerade wie sonst, wenn Dämonisches sie überfiel. Da aber brach plötzlich der ganze Zorn und Unmut der Dämonen los, und es wurden eine Menge Äußerungen folgender Art vernommen, meist mit heulender und wehklagender Stimme: "Jetzt ist alles verspielt, jetzt ist alles verraten, du verstörst uns ganz; der ganze Bund geht auseinander; alles ist aus, alles kommt in Verwirrung; du bist schuld daran mit deinem ewigen Beten; du vertreibst uns doch noch.

 

Wehe, wehe, alles ist verspielt; unser sind 1067 und derer, die noch leben, sind auch viele, aber die sollte man warnen; o weh ihnen, wehe, sie sind verloren, Gott verschworen, ewig verloren." Das Gebrüll der Dämonen, die zuckenden Blitze, die rollenden Donner, das Plätschern der Regengüsse, der Ernst der Anwesenden, die Gebete von meiner Seite, auf welche die Dämonen in oben beschriebener Weise ausfuhren - das alles bildete eine Szene, die sich kaum jemand auf eine der Wirklichkeit entsprechende Weise wird vorstellen können."

 

Blieb auch diese Plage nun völlig aus, so traten doch bald immer wieder andere Erscheinungen dämonischer Art auf. Doch zeigte sich unter den sich jetzt kundgebenden Dämonen ein Unterschied. Die einen waren trotzig, voll Haß gegen Blumhardt, sprachen oft Worte aus, die wert gewesen wären, aufgezeichnet zu werden. Sie hatten ein Grauen vor dem Abgrund, dem sie jetzt sich nahe fühlten und sagten unter anderem: "Du bist unser ärgster Feind; wir sind aber auch deine Feinde; dürften wir, wie wir wollten!

 

O wenn doch kein Gott im Himmel wäre!" Daneben schrieben sie doch alle Schuld ihres Verderbens sich selber zu. Schauerlich war das Benehmen eines Dämonen, der früher im Hause der Gottliebin von ihr gesehen worden war und jetzt als Meineidiger sich zu erkennen gab. Er verzog das Gesicht, hob starr drei Finger in die Höhe, schauderte plötzlich zusammen und stöhnte. Solche Szenen, denen Blumhardt gern mehr Zuschauer gegönnt hätte, kamen viele vor. Die meisten Dämonen jedoch, die sich vom August 1842 bis Februar 1843 und später kundgaben, gehörten zu denen, die mit heißester Begierde nach Befreiung aus den Banden des Satans schmachteten.

 

Es kamen dabei auch die verschiedensten Sprachen zum Ausdruck, aber die meisten waren keine europäischen Sprachen. Sonderbar und mitunter komisch anzuhören waren in einzelnen Fällen die Versuche solcher Dämonen, deutsch zu reden, besonders auch, wenn sie Begriffe, deren deutschen Ausdruck sie nicht wußten, zu umschreiben sich bemühten. Dazwischen hinein ließen sich Worte vernehmen, die Blumhardt keiner der genannten Arten von Dämonen zuschreiben konnte. Denn sie klangen als aus einer höheren Region stammend. Es waren Worte der Belehrung und des Hinweises auf Gott, die teils den Anwesenden galten, teils an die Dämonen selbst gerichtet waren, um sie auf ihr gottfeindliches Treiben aufmerksam zu machen.

 

Blumhardt wußte lange nicht, wie er sich den einzelnen Arten von Geistern gegenüber zu verhalten hatte, besonders gegen die schwer leidenden Geistwesen, die ihn um Hilfe anflehten. "Ich gab lange Zeit ihren Reden kein Gehör", sagte Blumhardt, "und kam oft in großes Gedränge, wenn ich den schmerzvollen Ausdruck im Gesicht, die flehentlich emporgehobenen Hände und den heftigen Tränenstrom sah, der aus ihren Augen floß und dabei Worte der Verzweiflung und der Angst und die Bitte hörte, die einen Stein hätte erweichen sollen.

 

So sehr ich mich daher sträubte, auf irgendeine Erlösungsmanier einzugehen, weil ich für die Nüchternheit meines evangelischen Glaubens fürchtete, so konnte ich doch zuletzt nicht umhin, eine Probe zu machen, besonders da diese Dämonen weder durch Drohung noch durch Anmahnungen sich zum Weichen bringen ließen. Der erste Dämon, bei dem ich es wagte, war jenes Weib, durch das die ganze Sache in Gang gekommen schien. Sie zeigte sich wieder in der Gottliebin und rief fest und entschieden, sie wolle des Heilands und nicht des Teufels sein.

 

Dann sagte sie, wieviel durch die bisherigen Kämpfe in der Geisterwelt verändert worden sei. Mein Glück aber sei es gewesen, daß ich allein beim Worte Gottes und dem Gebet geblieben sei.

 

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Wenn ich zu geheimnisvoll wirkenden Mitteln meine Zuflucht genommen hätte, wie sie vielfältig unter den Leuten üblich seien und auf welche es die Dämonen auch bei mir angelegt hätte, so wäre ich verloren gewesen. Das sagte sie, bedeutungsvoll den Finger erhebend und schloß mit den Worten: 'Das war ein fürchterlicher Kampf, den du unternommen hast.' Dann flehte sie dringend, ich möchte für sie beten, daß sie vollends aus der Gewalt des Teufels befreit würde."

 

Blumhardt sah von Tag zu Tag mehr ein, daß bei der Kundgebung der leidenden, aber gutgesinnten Geister eine göttliche Leitung waltete. Es kam dabei auch keinerlei Unruhe vor. Doch scheinen ihm die wirklichen Zusammenhänge verborgen geblieben zu sein, nach denen sich das alles abspielte.

 

Nur ein sehr interessanter Fall soll nach dem Bericht Blumhardts hier noch erwähnt sein. Einer der Geister bat darum, daß ihm ein Aufenthalt in der Kirche gewährt werden möge. Blumhardt gab ihm zur Antwort: "Du siehst, daß der Herr es ist, der dir den Weg zeigt, und daß es also nicht auf mich ankommt. Gehe hin, wo der Herr dich hingehen heißt." Dann fuhr der Geist fort: "Dürfte ich nicht in Ihr Haus gehen?" Diese Bitte überraschte Blumhardt, und an Frau und Kinder denkend, war er nicht geneigt, die Bitte zu gewähren.

 

Doch er besann sich und sagte: "Nun denn, wenn du niemand beunruhigst und Jesus es dir erlaubt, mag es geschehen." Da kam eine Stimme aus dem Munde der Kranken, die rief: "Nicht unter Dach! Gott ist ein Richter der Witwen und Waisen!" Der Geist fing an zu weinen und bat, wenigstens in den Garten Blumhardts gehen zu dürfen, was ihm jetzt von der göttlichen Kontrolle gestattet zu werden schien. Es war so, als ob durch diesen Geist bei seinen Lebzeiten als Mensch Witwen oder Waisen um ihr Obdach gekommen seien.

 

Die Erlebnisse, die Blumhardt in seiner Denkschrift weiter mitteilte, sind in seiner Lebensbeschreibung von Zuendel absichtlich weggelassen. Zuendel begründet es damit, daß er meint, Fernstehenden könnten die schauerlichen und qualvollen Kunststücke der Finsternis, die da zutage traten, den Eindruck der großen göttlichen Hilfe zu überragen und zu beeinträchtigen scheinen, die Blumhardt dabei erlebte. Es wäre jedoch sicherlich besser gewesen, wenn Zuendel alles berichtet hätte. Denn die Wahrheit braucht nie das Tageslicht zu scheuen.

 

Bei dem, was Zuendel nicht erwähnte, handelt es sich um die Macht der bösen Geister, materielle Substanz in geistige Substanz zu verwandeln, sie in diesem Zustand an andere Plätze, z.B. in einen menschlichen Körper zu bringen und sie dort wieder zur festen Substanz zu verdichten. Die Gesetze einer solchen "Dematerialisierung" und "Materialisierung" sind bei der Odlehre in diesem Buch eingehend besprochen worden. Blumhardt bezeichnete diese Vorgänge mit dem volkstümlichen Ausdruck "Zauberei".

 

Doch hören wir jetzt den Bericht Blumhardts selbst. Er sagt: "Soviel Unbegreifliches und Unerhörtes im Bisherigen auch schon erzählt worden ist, so habe ich das Ärgste noch vor mir. Ich bleibe bei meiner Ehrlichkeit und fahre fort, das mitzuteilen, was mir noch in Erinnerung ist und bin überzeugt, daß der Herr auch bei dieser Darstellung seine Hand über mir haben wird. Ihm zur Ehre, als dem Sieger über alle finsteren Kräfte, alles zu erzählen, ist auch meine einzige Rücksicht."

 

"Mit dem 8. Februar 1843 begann eine neue Epoche in der Krankheitsgeschichte. Denn von jetzt an kamen noch schlimmere Erscheinungen und Wirkungen der verschiedenartigsten Zauberei zu meiner Beobachtung. Schauerlich war es für mich, wahrzunehmen, daß alles, was bisher zu dem lächerlichsten Volksaberglauben gerechnet wurde, als wirkliches Geschehen vor meine Augen trat. Unzählige Dinge wurden in die Gottliebin hinein gezaubert, um sie zu töten. Es fing mit Erbrechen von Sand und kleinen Glasstücken an.

 

Dann kamen allerlei Eisenstücke, namentlich alte und verbogene Bretternägel zum Vorschein. Einmal fielen nach langem Würgen des Mädchens vor meinen Augen nacheinander zwölf solcher Nägel in das vorgehaltene Wachbecken. Ferner Schuhschnallen von verschiedener Größe und Gestalt, oft so groß, daß man kaum begriff, wie sie durch den Hals hindurchkommen konnten. Auch ein besonders großes und breites Eisenstück, bei welchem ihr der Atem ausging, so daß sie mehrere Minuten wie tot dalag. Außerdem kamen in unzähligen Mengen Stecknadeln, Nähnadeln und Stücke von Stricknadeln heraus, oft einzeln, oft auch in Massen, mit Papier und Federn zusammengebunden.

 

Es sah öfters aus, als ob Stricknadeln quer durch den Kopf gezogen wären, von einem Ohr bis zum anderen. Einmal kamen mehrere fingerlange Stücke zum Ohr heraus; ein andermal konnte ich es unter Handauflegung fühlen und hören, wie Nadeln im Kopf zerbrachen oder sich drehten und zusammengebogen wurden. Die einen wahren stählerne Nadeln, die langsam in kleineren Stücken sich gegen den Schlund hinbewegten und zum Munde herauskamen; die anderen waren von Eisen und ließen sich biegen und fanden, drei- bis viermal gebogen, doch ganz, ihren Ausweg durch den Mund.

 

Auch aus der Nase zog ich viele Stecknadeln hervor. Einmal kamen 15 solcher Nadeln auf einmal und mit solcher Heftigkeit zur Nase heraus, daß alle in der vorgehaltenen Hand der Gottliebin steckenblieben. Ein andermal klagte sie über Kopfschmerzen, und als ich ihr die Hand auflegte, sah ich überall weiße Punkte vorschimmern. Es waren zwölf Stecknadeln, die bis zur Hälfte noch im Kopfe steckten und einzeln von mir herausgezogen wurden, wobei sie jedesmal durch ein Zucken die Schmerzen kundgab. Nähnadeln zog ich ferner aus allen Teilen des oberen und unteren Kiefers hervor. Sie fühlte dabei zuerst unerhörte Zahnschmerzen. Man konnte lange nichts sehen, bis man endlich die Spitzen fühlte.

 

Nur unter großer Anstrengung konnte ich sie herausziehen. Zwei alte, fingerlange und verbogene Drahtstücke zeigten sich sogar in der Zunge, und es kostete Zeit und Mühe, bis sie völlig herausgenommen waren. Ferner waren um den ganzen Leib unter der Haut zwei lange, vielfach verbogene Drahtstücke eingewunden. Ich brauchte zusammen mit meiner Frau wohl eine Stunde dazu, bis sie ganz entfernt waren. Mehr als einmal fiel sie dabei, wie dies überhaupt oft der Fall war, in Ohnmacht.

 

Es kamen aus allen Teilen des Oberleibes ganze und halbe Stricknadeln so häufig hervor, daß ich deren Zahl wohl auf 30 schätzen darf. Sie kamen teils quer, teils senkrecht heraus und manchmal mitten aus der Herzgrube. Wenn die Nadeln oft schon zur Hälfte heraus waren, hatte ich doch noch eine halbe Stunde mit aller Kraft zu ziehen, um sie ganz zu entfernen. Auch andere Dinge, Nadeln verschiedener Art, große Glasstücke, Steinchen und einmal ein langes Eisenstück kamen aus dem Oberleib."

 

"Ich kann es wahrlich niemand übelnehmen, der mißtrauisch gegen meine Mitteilungen wird; denn es geht zu sehr über alles Denken und Begreifen. Aber bei diesen Beobachtungen, die fast ein ganzes Jahr dauerten, hatte ich immer mehrere Zeugen. Ich mußte schon deswegen streng darauf halten, solche Zeugen bei mir zu haben, um üblen Gerüchten vorzubeugen. Ich kann daher kühn und frei diese Sachen erzählen, da ich völlig sicher bin, daß nicht der geringste Betrug obwaltete noch obwalten konnte.

 

So oft ich sie in jener Zeit besuchte, gerufen oder ungerufen, regte sich wieder etwas und arbeitete sich aus irgend einem Teile des Leibes hervor. Der Schmerz war jedesmal fürchterlich und fast immer so, daß sie mehr oder weniger die Besinnung verlor. Sie sagte: 'Das mache ich nicht durch, das ist mein Tod!'"

 

"Alle diese Gegenstände konnten bloß unter Gebet aus ihr entfernt werden. Wenn sie zu klagen anfing, daß sie irgendwo Schmerzen fühle, so brauchte ich ihr nur unter Gebet die Hand aufzulegen, und sie fühlte alsbald, daß die Sache sich bewegte oder drehte und einen Ausgang suchte. Durch die äußere Haut ging es am schwersten, und man fühlte es oft lange, wie sich von innen heraus etwas vordrückte. Blut floß nie; auch wurde keine Wunde verursacht. Höchstens konnte man noch eine Weile die Stelle erkennen, aus der sich etwas herausgearbeitet hatte. Doch das war nur der Fall, wenn die Entfernung der Gegenstände unter Gebet vorgenommen wurde. Bisweilen jedoch schnitt sie sich in meiner Abwesenheit, von Schmerz überwältigt, mit einem Messer die Haut auf, und diese Wunden waren fast nicht mehr zu heilen."

 

"Auch lebendige Tiere kamen aus ihrem Munde: Heuschrecken, Fledermäuse, Frösche und einmal eine Natter. Die Natter verursachte ihr nachher eine Wunde am Halse und stach sie so heftig in den Fuß, daß das Bluten fast nicht aufhören wollte."

 

"Ich kann diese Seite des Kampfes nicht schließen, ohne wenigstens noch einen Fall der schauderhaftesten Art zu erzählen. Zu Anfang Dezember 1843 hatte Gottliebin ein Nasenbluten, das gar nicht aufhören wollte. Wenn sie eine Schüssel voll Blut verloren hatte, fing es von neuem an. Es ist unbegreiflich, wie sie bei einem so ungeheuren Blutverlust überhaupt noch am Leben bleiben konnte. Auffallend war, daß das Blut zugleich einen sehr scharfen Geruch hatte und immer besonders schwarz aussah.

 

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Eines Tages, als ich von einem anderen Ort heimkehrte, kam mir jemand entgegengelaufen und sagte, ich möchte doch schnell zu der Gottliebin kommen. Ich eilte und sah überall die Leute voll Schrecken zum Fenster herausschauen und hörte sie rufen: 'Herr Pfarrer, es tut Not!' Ich trat in die Stube der Gottliebin. Aber ein erstickender Blutdunst wollte mich wieder heraustreiben. Sie saß in der Mitte der kleinen Stube, hatte vor sich einen Kübel, der wohl zur Hälfte mit Blut und Wasser gefüllt war. Durch die ganze Länge der Stube vor ihr und hinter ihr floß eine breite Blutlache. Sie selbst war über und über so mit Blut bedeckt, daß man die Kleider kaum mehr erkannte.

 

Das Blut rieselte lebhaft aus beiden Ohren, aus beiden Augen, aus der Nase und sprudelte sogar oben auf dem Kopf in die Höhe. Es war das Gräßlichste, das ich je gesehen habe. Im Augenblick war ich ratlos. Doch faßte ich mich. Ein kurzes und tiefes Gebet brachte vorerst das Bluten zum Stillstand. Dann ließ ich ihr das Gesicht waschen, das nicht mehr zu erkennen war, ebenso den Kopf. Darauf befühlte ich eine Stelle des Kopfes, an der sich etwas befinden sollte.

 

Oberhalb der Stirne gewahrte ich einen kleinen, aber verbogenen Nagel, der sich emporbohrte. Am Hinterkopf drehte und arbeitete sich innerhalb der Haut etwas weiter herab. Endlich kam ein verbogener Bretternagel zum Vorschein. Das Bluten hatte von nun an ein Ende, und am Abend fühlte sie sich ziemlich wohl und gestärkt."

 

"Gottliebin konnte sich aus früherer Zeit gut erinnern, daß sie bisweilen auf das Essen einer Suppe oder anderer Speisen sogleich etwas Eigentümliches im Hals oder Leib gefühlt habe. Einmal warf sie Überbleibsel von einem solchen essen einem Huhn vor, das augenblicklich rasend umherlief und nach einer Weile wie erstickend tot umsank. Sie öffnete Kopf und Hals des Huhnes, und da steckten zu ihrem Schrecken eine Menge Schuhnägel.

 

Wie aber konnten solche Sachen in den Kopf und Leib kommen? Gottliebin erzählte, daß sie nachts öfters die Geister von Personen aller Arten und Stände zu sich ans Bett kommen sah. Diese hätten ihr entweder etwas wie Brot in den Mund gereicht oder andere Stellen ihres Leibes berührt. Alsbald habe sie Veränderungen in sich gefühlt, und nachher seien dann die Gegenstände aus ihr hervorgekommen. Jener Bretternagel und der kleine Nagel, die das heftige Bluten verursachten, wurden ihr abends mitten auf der Straße von einem Geist, der einen geistlichen Ornat trug und dort wartete, auf eine besondere Weise in den Kopf geschafft, wobei sie nicht den geringsten Widerstand leisten konnte; und bald darauf fing das Bluten an.

 

Eines Nachts traten drei Männer als Geister vor sie, die in einem Glas eine giftige Essenz in der Hand hielten. Sie konnte sich wiederum nicht bewegen. Der eine öffnete ihren Mund, der andere hielt sie am Kopf und der dritte wollte ihr die Flüssigkeit eingießen. Doch gelang es ihm nur, ihr ein wenig davon in den Mund zu schütten. Um sie zu ersticken, wurde ihr nun wieder der Mund geschlossen und zugehalten. Der Dampf der Flüssigkeit ging jedoch durch die Nase heraus. Sie war nur imstande, während dies geschah, ein kurzes Gebet zu seufzen.

 

Als die Männer merkten, daß sie nichts ausrichteten, schütteten sie ihr den Inhalt des Glases über den Kopf und entfernten sich. Am Morgen war die Nachthaube der Gottliebin von einem gelblichen, häßlich riechenden Stoffe zerfressen und ließ sich leicht zerbröckeln. Einmal, als sie in ihrer Kammer schlief, hatte sie abends ihren Rock an die Kammertüre gehängt. Die Schwester, die mit ihr in demselben Bette lag, wußte genau, was in der Rocktasche war und daß Gottliebin nicht aus dem Bette aufstand.

 

Gottliebin aber sah des Nachts eine Gestalt zu ihrem Rock gehen, aus der Tasche ein blechernes Geldbüchschen, wie es die Bauersleute haben, nebst anderem herausnehmen und dann vor sie hintreten. Am anderen Morgen wurden von ihr unter heftigem Würgen Geldstücke und das Büchschen erbrochen."

 

"Endlich, als diese Erscheinungen unerschöpflich zu werden drohten, raffte ich meine ganze innerliche Kraft im Gebet zusammen und flehte zu Gott, er möge, da er die Kraft sei, die alles aus nichts gemacht habe, nun diese Gegenstände in nichts verwandeln, damit die Kunst des Teufels gänzlich zunichte werde. Diese Art war mein Kämpfen mehrere Tage lang, und der Herr, der verheißen hat: 'Alles, was ihr in meinem Namen bitten werdet, das will ich euch geben', hat Wort gehalten. Es gelang."

 

Aber auch diesem vermeintlichen Ende folgten nun noch einmal entsetzliche Krankheitserscheinungen bei der Gottliebin, die absichtlich auf ihren Tod zu zielen schienen. Als sie einmal sich selbst in unglaublich furchtbarer Weise verwundet hatte, wurden die Wunden wieder wunderbar geheilt. Aber plötzlich brachen sie wieder auf, und eine Freundin kam in größter Bestürzung zu Blumhardt mit der Meldung, jede Minute könne der Tod eintreten.

 

"Da stürzte ich", erzählt Blumhardt, "in meinem Zimmer auf die Knie nieder und redete kühne Worte. Diesmal wollte ich, so stark war ich geworden, im Augenblick dem Teufel nicht einmal die Ehre antun, selbst hinzugehen, sondern ließ durch die Freundin sagen: 'Gottliebin soll sich selbst aufmachen und zu mir kommen. Sie könne es im Glauben.' Es stand nicht lange an, so kam sie die Treppe herauf. Wie es aber mir dabei wurde, kann mir niemand nachfühlen."

 

Den Schluß der Geschichte erzählt Blumhardt mit folgenden Worten: "Es schien sich alles, was nur je früher vorgekommen war, noch einmal zusammenzudrängen. Das Mißlichste war, daß sich in diesen Tagen die finsteren Einwirkungen auch auf den halbblinden Bruder und eine andere Schwester Katharina ausdehnten, und ich also mit dreien zugleich den verzweifelten Kampf durchzumachen hatte, wobei deutlich der innere Zusammenhang zwischen diesen dreien zu erkennen war.

 

Den Verlauf des einzelnen kann ich nicht mehr genau erzählen. Es war viel zu mannigfaltig, als daß ich es im Gedächtnis hätte behalten können. Aber Tage waren es, wie ich keine mehr zu erleben hoffte. Denn es war soweit gekommen, daß ich sozusagen alles aufs Spiel zu setzen wagen mußte, wie wenn es hieße 'siegen oder sterben'. So groß übrigens auch meine Anstrengung war, so fühlbar war mir ein göttlicher Schutz. Der Bruder war am schnellsten wieder frei, und zwar so, daß er sogleich tätige Hilfe im Nachfolgenden leisten konnte.

 

Die Hauptsache kam aber diesmal nicht an Gottliebin, welche im letzen Akt nach vorausgegangenen Kämpfen gleichfalls völlig frei zu sein schien, sondern an ihre Schwester Katharina, die früher nicht das mindeste derart erfahren hatte, nun aber so rasend wurde, daß sie nur mit Mühe festgehalten werden konnte. Sie drohte, mich in tausend Stücke zu zerreißen, und ich durfte es nicht wagen, ihr nahezutreten.

 

Sie machte unaufhörlich Versuche mit eigener Hand, wie sie sagte, sich den Leib aufzureißen oder lauerte listig umher, als wollte sie etwas Gräßliches an denen, die sie hielten, verüben. Dabei rasselte und plärrte sie so fürchterlich, daß man Tausende von Lästermäulern sich in ihr vereinigt denken konnte. Am auffallendsten war, daß sie ganz bei Besinnung blieb, indem man mit ihr reden konnte, sie auch bei scharfen Ermahnungen sagte, sie könne nicht anders reden und handeln. Man möchte sie nur recht festhalten, damit nichts durch sie geschehe.

 

Auch nachher hatte sie noch von allem, selbst von den gräßlichsten Mordversuchen, bestimmte Erinnerungen, und diese wirkten so niederschlagend auf sie, daß ich mich mehrere Tage ihrer besonders annehmen mußte, bis nach fleißigem und ernstlichem Beten ihr die Erinnerungen allmählich schwanden. Daneben ließ sich dennoch der Dämon aus ihr ebenso bestimmt vernehmen, der sich diesmal nicht als einen abgeschiedener Menschengeist, sondern als einen vornehmen Satansengel ausgab, als das oberste Haupt aller Zauberei. Er behauptete, daß mit dem, daß er in den Abgrund fahren müsse, der Zauberei der Todesstoß gegeben werde, an dem sie allmählich verbluten müsse."

 

"Plötzlich gegen 12 Uhr um Mitternacht dröhnte aus der Kehle des Mädchens zu mehreren Malen, ja wohl eine Viertelstunde andauernd, nur ein Schrei der Verzweiflung mit einer erschütternden Stärke, als müßte das Haus zusammenstürzen. Grausenerregenderes läßt sich nicht denken. Und es konnte nicht fehlen, daß die Hälfte der Bewohner des Ortes nicht ohne besonderen Schrecken Kenntnis von dem Kampfe bekam. Dabei befiel Katharina ein so starkes Zittern, daß es war, als wollten sich alle ihre Glieder voneinander abschütteln.

 

Unter Äußerung von Angst und Verzweiflung mischten sich in der dämonischen Stimme ein riesenhafter Trotz, eine Herausforderung gegen Gott, ein Zeichen zu tun, damit er nicht so gemein wie andere Sünder seine Rolle niederlegen, sondern gewissermaßen unter Ehren in die Hölle fahren müsse. Solch schauerliches Gemisch von Bosheit, Verzweiflung, Trotz und Hochmut ist wohl schwerlich je irgendwo erblickt worden. Endlich kam der ergreifendste Augenblick, welchen unmöglich jemand genügend sich vorstellen kann, der nicht Augen- und Ohrenzeuge war.

 

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Um 2 Uhr morgens brüllte der angebliche Satansengel, wobei das Mädchen den Kopf und Oberleib über die Lehne des Stuhles zurückbog, mit einer Stimme, die man kaum bei einer menschlichen Kehle für möglich halten sollte, die Worte heraus 'Jesus ist Sieger! - Jesus ist Sieger!' Worte, die, soweit sie ertönten, auch verstanden wurden und auf viele Personen einen unauslöschlichen Eindruck machten. Nun schien die Macht und Kraft des Dämons mit jedem Augenblick mehr gebrochen zu werden. Er wurde immer stiller und ruhiger, konnte immer weniger Bewegungen machen und verschwand zuletzt ganz unmerklich, wie das Lebenslicht eines Sterbenden erlischt, jedoch erst gegen 8 Uhr morgens."

 

Damit war der zweijährige Kampf zu Ende.

 

Was Blumhardt erlebt hatte, waren die Kundgebungen der bösen und niederen Geisterwelt durch menschliche Medien. Es war an und für sich nichts Neues. Nur für ihn war es neu. Hätte er sich dieser in der Gewalt des Bösen befindlichen Medien nicht angenommen, so würde es ihnen ergangen sein, wie es täglich so vielen ergeht, die man in vollständiger Unkenntnis der Vorgänge sich selbst überläßt. Sie wären entweder im Irrenhaus gelandet oder hätten durch Selbstmord ihrem Leben ein Ende gemacht. Die Insassen der Irrenanstalten sind zum großen Teil die Opfer der niederen Geisterwelt. Und dieselben unheimlichen Mächte sind oft auch bei den Selbstmördern tätig.

 

Gottliebin Dittus war "Tieftrancemedium". Auf welche Weise sie sich dazu entwickelte, dafür finden sich in den Angaben des Blumhardt keine Anhaltspunkte. Es ist wahrscheinlich, daß sie mit ihren anderen Geschwistern zusammen das sogenannte "Tischrücken" betrieben hatte und daß ihre angeborene Medialität auf diesem Wege immer stärker sich entfaltete.

 

Die Bewußtlosigkeit trat dann bei ihr ein, wenn der eigene Geist von den fremden Geistwesen aus ihr verdrängt wurde und jene Geistwesen von ihr Besitz ergriffen. Beim Austritt des eigenen Geistes fiel sie wie tot hin und wurde wieder aufgerichtet durch den Geist eines Dämons, der in ihren Körper eingetreten war und seine Kundgebungen machte.

 

Die starken Klopftöne wurden durch das Od erzeugt, das Gottliebin infolge ihrer starken Medialität an die Geisterwelt abgab und womit diese die dröhnenden Schläge hervorrief, die den Beobachtern so unerklärlich vorkamen. die Schläge wurden um so lauter, je größer die Odkraft war, die sich bei dem Medium ansammelte. Die Odkraft des Mediums wurde durch die Odmenge verstärkt, welche die anwesenden Menschen ausstrahlten.

 

Da auch Blumhardt, ohne es zu wissen, über bedeutende mediale Kräfte verfügte, so waren die Kundgebungen der Geisterwelt durch das Medium in seiner Gegenwart stärker als in seiner Abwesenheit. Auch die Materialisationen und Lichterscheinungen wurden von den Dämonen mit Hilfe des medialen Ods der Gottliebin hervorgebracht.

 

Ihr Schwester Katharina war kein Tieftrancemedium, sondern bei ihr stellte sich bloß Teiltrance ein. Infolgedessen war ihr Geist nicht ganz aus dem Körper verdrängt, sondern hörte alles, was der fremde Geist durch sie redete, und sie konnte sich daher aller Vorgänge nachher erinnern, wenn sie auch nicht imstande war, die Kundgebungen selbst zu verhindern, da sie sich ganz in der Gewalt des fremden Geistwesens befand.

 

Blumhardt lernte nach und nach die einzelnen Arten der Geister unterscheiden. Vor allem wurde ihm die wichtige Tatsache zur Gewißheit, daß bei dem Erscheinen höherer Geister und schwer leidender Geistwesen, die aber guten Willens sind, eine göttliche Kontrolle herrscht, so daß alles in schönster Ordnung vor sich geht. Diese Kontrolle bestimmt, welche Geister zugelassen werden. Darum leisteten diese von der höheren Kontrolle zugelassenen leidenden Geister auch keinen Gehorsam, als Blumhardt sie anfangs ohne Hilfe fortschicken wollte.

 

Sie waren ja auf höhere Anordnung in das Medium eingetreten, um durch Blumhardt belehrt und auf Gott hingewiesen zu werden. Sie hatten daher ein Recht auf diese Belehrung, und es war Pflicht Blumhardts, ihren Bitten zu willfahren. Leider hat Blumhardt erst spät diese Pflicht erkannt.

 

Das Lehrreiche an diesen Vorgängen war für Blumhardt die unleugbare Tatsache, daß es einen Verkehr mit der Geisterwelt gibt. Die Geschehnisse, die sich vor seinen Augen abspielten, waren keine Sinnestäuschungen und können von niemand in das Reich der Fabel verwiesen werden. Denn sie spielten sich in voller Öffentlichkeit ab, und eine große Zahl von Augen- und Ohrenzeugen konnte sie bestätigen.

 

Die Wirklichkeit der Geschehnisse war auch der Grund, weshalb die Kirchenbehörde Blumhardt ersuchte, eine Denkschrift über die Vorgänge an sie einzureichen.

 

Blumhardt sah bloß die unleugbaren Tatsachen vor sich und lernte erst nach und nach einige Zusammenhänge auf diesem Gebiete kennen. Die ewigen Gesetze, nach denen die Verbindung mit der Geisterwelt vor sich geht, scheinen ihm bis zu seinem Tode unbekannt geblieben zu sein. Darum erkannte er auch nicht den Weg, auf dem sowohl das israelitische Volk, als auch die ersten Christen zur Verbindung mit der guten Geisterwelt gelangten.

 

Das Sprechen der bösen und schwer leidenden Geister durch menschliche Medien hat er in erschütternder Weise erlebt. Aber die wunderbaren Kundgebungen der hohen Geister Gottes durch Sprechmedien blieben ihm versagt. Auch das hat seinen tiefen Grund. Denn alles Geschehen hat seine Zeit. Sicherlich waren die Zeitverhältnisse, in denen Blumhardt lebte, zu einer derartigen absichtlich herbeigeführten Verbindung mit der guten Geisterwelt nicht geeignet.

 

Sicherlich würde Blumhardt bei der Einstellung seiner Kirche zu solchen Dingen sein ganzes Wirken und seine Stellung gefährdet haben. Hatte er ja schon Anfeindungen von seiner Kirchenbehörde genug auszustehen, als nachher sich die guten Geistwirkungen bei ihm und seinen Pfarrangehörigen zeigten, auf die ich gleich zu sprechen komme. Ein Mehr auf diesem Gebiete, wie es ein Abhalten guter spiritistischer Zusammenkünfte gewesen wäre, würde ohne Zweifel das schärfste Vorgehen der evangelischen Kirchenleiter gegen Blumhardt veranlaßt haben. Auch die Geisterwelt Gottes paßt ihr Wirken den Umständen an, die ihnen in den Zeitverhältnissen entgegentreten.

 

Hatte Blumhardt die Ausgießung der Geister der Finsternis auf die Menschheit an einigen Beispielen in erschreckender Weise gesehen und persönlich erlebt, so sollte er aber auch in noch wunderbarerer Form die Ausgießung der Geister Gottes an sich und seiner Gemeinde erfahren. Sie erinnerte an die Ausgießung der göttlichen Geister in den ersten christlichen Zeiten.

 

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Die Geister der Buße und der Gesinnungsänderung waren das erste Geschenk von oben, das Blumhardt nach treu überstandenem Kampfe gegen die bösen Mächte für seine ganze Pfarrei und die Umgebung empfing. Nach und nach kamen alle und bekannten, von einer unwiderstehlichen inneren Gewalt genötigt, die Sünden ihres Lebens. Blumhardt wurde innerlich von einem Geiste Gottes eingegeben, wem er die Vergebung der Sünden verkünden solle. Es war also nicht ein gewöhnliches Beichten und Lossprechen, wie es in der katholischen Kirche Sitte ist, sondern eine Reinigung von Sünden infolge einer Offenbarung eines Geistes Gottes.

 

Darum war der Wahlspruch Blumhardts von da an: "Bitten wir und hoffen wir auf eine neue Ausgießung des Heiligen Geistes."

 

Auch kam der Geist der Heilung auf Blumhardt. Durch seine Handauflegung, sein Gebet, seine Nähe wurden die schwersten Krankheiten geheilt. Dabei zeigte es sich, daß die meisten chronischen Krankheiten die Wirkung böser Geistermächte sind, wie dies ja auch die Bibel lehrt. Wichen diese Mächte von den Kranken, so trat auch die Heilung unverzüglich ein. Das Wunderbare dieses Geschehens möge man in dem Buche Zündels nachlesen.

 

Ich schließe diese Darstellung der Wirkungen der bösen und der guten Geisterwelt im Leben Blumhardts mit seinen Worten in einem seiner Briefe:

 

"Wenn etwa einer untersuchen möchte, ob alles, was der Herr bei mir tut, persönlich sei oder sich nachahmen lasse, so muß ich gestehen, daß infolge meiner Kämpfe mir allerdings etwas Persönliches geworden ist, daß nicht jeder so plötzlich auch haben kann. Indessen ist meine Überzeugung, daß es allgemeiner werden muß und daß man überhaupt um die Erneuerung der ursprünglichen Kräfte in deren ganzem Umfang bitten darf.

 

Bei mir wird eigentlich vorderhand nur der Beweis geliefert, daß man diese Bitte tun darf. Aber ehe gleichsam der Himmel sich auftut, wird es nicht, und es ist eine falsche Meinung, als ob man nur wieder glauben dürfte, um sogleich alles wieder zu haben, was die apostolische Zeit hatte. Nein, die Kräfte sind in Wahrheit wieder zurückgenommen worden und können nur langsam wieder erlangt werden. Der Unglaube und Abfall der Christenheit von mehr als einem Jahrtausend hatte eine Ungnade von seiten des Herrn zufolge, wie auch einen Überschwang der satanischen Kräfte.

 

Darum können wir nicht so ohne weiteres wieder anfangen; versuchen wir es, so stoßen wir bald auf eine durchbrochene Mauer. Sie sehen daraus, wie verschieden ich von den Irwingianern bin, die, den jetzigen Zustand der Christenheit übersehend, alles wiederhaben wollen. Das erste, was not tut, ist eine neue Bekehrung der Christenheit, jedoch von völligerer Art, als man es im kleinen sieht. Daß dies werde, muß ernstlicher gekämpft, biblischer gepredigt, dringlicher gebetet werden.

 

Wird ein Geist der Buße ausgegossen im großen, wie ich es im kleinen an meiner Gemeinde erfahren habe, da sich dann sogleich die ersten Spuren der Geistesgaben offenbarten, so gibt sich eins ums andere, bis allerdings eine apostolische Zeit wiederkehrt, neben welcher sich dann freilich der eigentliche Widerchrist aufmachen wird."

 

Diese Ausführungen Blumhardts sind etwas unklar und nur zum Teil richtig. Die Wahrheit ist folgende: Jeder Mensch, ob Christ oder Nichtchrist, kann mit der guten Geisterwelt in Verbindung kommen, wenn er sie im Ernste will und sie in der Weise sucht, wie es in diesem Buche geschildert ist. Was jeder aus dem guten Geisterverkehr empfängt, ist eine Belehrung über den wahren Weg, der zu Gott führt. Es ist die Predigt der Wahrheit, die ihm zuteil wird.

 

Ob dann noch weitere Kräfte der Geister Gottes bei ihm in Wirksamkeit treten, hängt bei jedem davon ab, ob er sein Leben nach der ihm mitgeteilten Wahrheit gestaltet und in welchem Maße er es tut. Wer bloß die Predigt der Wahrheit von der Geisterwelt entgegennimmt, sich aber nicht danach richtet, der erhält keine weiteren Geschenke von oben. Er verliert vielmehr auch noch die Verbindung mit den guten Geistern, die ihm zuerst zuteil geworden war, indem sich keine guten Geister mehr kundgeben.

 

Wer jedoch die Wahrheit in sich aufnimmt und sein Inneres danach umzugestalten sich bemüht, bei dem machen sich auch die Geisterkräfte bemerkbar, die wir bei den ersten Christen finden, und zwar so, wie es seiner Lebensaufgabe entspricht. Denn auch bei den ersten Christen hatte nicht jeder die gleichen Gaben. Auch waren die einzelnen Gaben nicht dazu bestimmt, daß derjenige, der sie besaß, bloß für sich Nutzen davon haben sollte, sondern damit sie zum allgemeinen Wohl der Gesamtheit dienten.

 

Diese Tatsache wird ja auch von dem Apostel Paulus stets so scharf betont. Auch heute wird der kleinsten Gemeinde gottesgläubiger und gottsuchender Menschen dasselbe von Gottes Geistern gewährt, was die ersten Christen empfingen. Voraussetzung ist bloß, daß man mit allen Kräften nach dem Guten strebt und die Einflüsse des Bösen von sich abwehrt. Ob der Kreis, der dies tut, ein großer oder ein kleiner ist, wird niemals für die Wirkung der Geisterwelt Gottes maßgebend sein.

 

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Die Erlebnisse des katholischen Pfarrers Vianney

 

Ein ähnliches Bild von den Wirkungen der bösen und guten Geisterwelt, wie wir es bei dem evangelischen Pfarrer Blumhardt sahen, tritt uns bei dem katholischen Pfarrer Vianney von Ars entgengen.

 

Johannes Baptista Maria Vianney lebte von 1786 bis 1840. Seine Lebenszeit fällt also noch zu einem großen Teil in die des Pfarrers Blumhardt. Während Blumhardt in der deutschen Pfarrei Möttlingen seine segensreiche Wirksamkeit entfaltete, lebte und wirkte Vianney in der kleinen Gemeinde Ars in Frankreich. Wegen seiner geringen Begabung konnte Vianney nur unter großen Anstrengungen seine Weihe zum Priester erreichen.

 

Schon als Kind gab sich Vianney täglich der inneren Sammlung im Gebet hin. Diese innere Konzentration übte er, ähnlich wie Blumhardt, sein ganzes Leben. Sie brachte bei ihm die medialen Gaben zur Entfaltung, welche die Vorbedingung für die Wirkungen sind, die von der Geisterwelt auf die Menschen ausgeübt werden. Dasselbe gilt von Blumhardt.

 

Während der evangelische Pfarrer Blumhardt zuerst die dämonischen Kundgebungen durch das Medium Gottliebin Dittus in seiner Pfarrei erlebte und nachher erst die Wirkungen sowohl der guten, als auch der bösen Geisterwelt an seiner eigenen Person erfuhr, war der Pfarrer von Ars allein die Persönlichkeit, an der die Kundgebungen der Geister sich zeigten. Bei anderen Personen seiner Umgebung oder seiner Pfarrei machten sich derartige Wirkungen nicht bemerkbar.

 

Im übrigen sind die Geschehnisse bei beiden dieselben. Sowohl Blumhardt, als auch Vianney erlebten die Betätigung der Dämonen in derselben Weise. Auch die Wirkungen der guten Geister waren bei beiden dieselben. Beide empfingen einen Geist der Heilkraft in sehr hohem Maße. Beide hatten die Gabe des Hellsehens in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Beide konnten den inneren Zustand eines Menschen hellsehend wahrnehmen. Über die Pfarreien beider Seelsorger wurde in wunderbarer Weise der Geist der Bekehrung ausgegossen, die sich nach und nach auf weite Kreise der entfernteren Bezirke erstreckte.

 

Zu beiden pilgerten die durch ein sündenbeladenes Leben gequälten Menschen zu vielen Tausenden, um ihre Vergehen zu bekennen und die Zusicherung der Verzeihung Gottes zu erlangen. Beide wußten durch eine innere Erleuchtung, wem sie die Zusicherung der Verzeihung geben konnten. Die Übereinstimmung in all diesen Dingen erstreckt sich bei diesen beiden Männern bis in die kleinsten Einzelheiten, so daß man das Walten einer göttlichen Gesetzmäßigkeit daraus erkennen kann. Auch die dämonischen Kundgebungen erfolgten bei beiden nach denselben geistigen Gesetzen.

 

Doch lassen wir nun die Tatsachen aus dem Leben Vianneys selbst reden.

 

Beginnen wir mit dem Dämonischen, das sich bei Vianney kundgab. In der Lebensbeschreibung wird der Teil, der von den dämonischen Einflüssen handelt, mit den Worten eingeleitet: "Doch möge hier zunächst ein Wort für diejenigen gesagt sein, die versucht sind, in dieser Hinsicht zu zweifeln oder bei der Lesung der folgenden Seiten zu lächeln. Sie werden nicht die ersten sein, die das tun. Ja, sie werden nicht einmal etwas in dieser Beziehung denken oder aussprechen, was nicht schon vor ihnen zu Lebzeiten Vianneys die Welt gedacht oder gesagt hat und was nicht mit noch größerem Nachdruck als die Weltleute, die Geistlichkeit damals ausgesprochen hat.

 

Kaum hatte nämlich das Gerücht, der Pfarrer von Ars werde von den Teufeln heimgesucht, sich zu verbreiten begonnen, als ein großes Gelächter in allen umliegenden Pfarrhäusern anhob. Alsbald setzten die 'guten' Mitbrüder dem Pfarrer von Ars auseinander, daß er ein großer Träumer sei, der ein krankes Gehirn habe; daß ferner die Hölle, aus der seine Dämonen kämen, ganz einfach der Fleischtopf sei, in welchem er seine Kartoffeln verschimmeln lasse. 'Mein lieber Pfarrer', sagten sie ihm, 'leben Sie wie jedermann; nähren Sie sich besser, dann wird Ihr Kopf wieder gesund, und Sie werden sehen, wie die Teufel verschwinden.'"

 

Vianney lebte nämlich sehr bescheiden und fast nur von Kartoffeln, die er sich am ersten Wochentage für die ganze Woche kochte und dann kalt aß, die nicht selten am Ende der Woche schimmlig geworden waren.

 

"Weit davon entfernt, jener schwache Geist zu sein, der solchen Hirngespinsten zum Opfer fällt, wie es sich seine Amtsbrüder eingeredet hatten, war Pfarrer Vianney von Natur aus so wenig leichtgläubig, daß er selbst zuerst nicht annehmen wollte, es seien Teufel, die ihn quälten. Erst dann, als er vergebens nach einer Erklärung für die seltsamen Geräusche gesucht hatte, die ihn immer wieder während der Nacht störten, begriff er ihre Herkunft und Art."

 

"Eines Tages hörte er heftig gegen seine Haustüre stoßen. Er öffnete das Fenster und fragte: 'Wer ist da?' Niemand antwortete ihm. Als das Geräusch sich an seiner Treppentüre wiederholte, stellte er dieselbe Frage. Abermals blieb er ohne Antwort. Da ihm damals prächtige Gewänder für seine Kirche geschenkt worden waren, die er im Pfarrhause aufbewahrte, so dachte er, es hätten Diebe bei ihm einzubrechen versucht. Er hielt es für gut, Vorsichtsmaßregeln zu treffen.

 

Deshalb bat er einige mutige Männer, Wache zu stehen. Sie kamen denn auch während mehrerer Nächte und hörten denselben Lärm. Doch entdeckten sie nichts. Man paßte im Glockenturm auf, indessen gleichfalls ohne Erfolg. Man hörte heftige Stöße, ohne etwas zu sehen. Die Wächter waren sehr erschrocken. Selbst dem Pfarrer wurde recht bange. Eines Nachts im Winter, als er wieder starke Schläge gegen die Türe vernommen hatte, sprang er eilends aus dem Bett, stieg in den Hof hinab, indem er überzeugt war, daß die Übeltäter, wenn es sich um solche handelte, ihre Spur im frischgefallenen Schnee zurückgelassen hätten und daß man sie so endlich fassen könne.

 

Aber er sah niemanden, hörte nichts mehr und bemerkte auch keine Fußspur im Schnee. Da nun zweifelte er nicht mehr, daß der Satan ihn verfolgen wollte."

 

"Von dem Tage an, wo er überzeugt war, daß die nächtlichen Ruhestörer Dämonen seien, hatte er viel weniger Angst."

 

"Indessen richteten sich die Hauptabsichten der Dämonen zweifellos darauf, seine seelsorgerliche Tätigkeit minder fruchtbar zu machen, indem sie seinem überanstrengten Leibe die nötige Nachtruhe raubten. Alles schien bei diesen Plagen gar trefflich darauf eingerichtet zu sein, daß ihm das Schlafen ganz unmöglich gemacht würde. Meistens vernahm Vianney eines von jenen eintönigen Geräuschen, die mehr als alles andere, wie man weiß, zur Schlaflosigkeit veranlassen.

 

Bald war es ein Geräusch, wie wenn ein Balken durchgesägt oder durchgebohrt würde. Bald schien es, als ob man eine Reihe Nägel einklopfe. Es kam ihm auch vor, als ob Regimenter Soldaten an seiner Tür vorbeizogen; als ob eine Schafherde über seinem Haupt dahintrampelte; als ob ein Pferd über seine Fliesen galoppierte; als ob jemand auf seinem Tisch trommelte; als ob man in seiner Nähe Eisenreifen um ein Faß festschlage; als ob alle Wagen von Lyon über seine Diele rollten; als ob eine lärmende Versammlung in unbekannter Sprache in seinem Hofraum sich unterhalte.

 

Diese letzte Plage dauerte mehrere Nächte hintereinander. Ein anderes Mal hörte er seine Türe öffnen und sich in barscher Weise bei seinem Familiennamen anreden. Dann hatte er eine Fülle von spöttischen Grobheiten zu ertragen, unter denen am häufigsten die Bezeichnung 'Kartoffelfresser' vorkam. Ferner wurden seine Möbel hin- und herbewegt. Es wurde an seinen Vorhängen mit solcher Wucht gerissen, daß er darüber verwundert war, sie am anderen Morgen noch heil zu finden" (S. 66-70).

 

Groß waren auch die inneren Anfechtungen, die er von seiten der Bösen zu erdulden hatte und mit denen sie ihn zur Verzweiflung zu treiben suchten. Bei Blumhardt treffen wir dieselben Erscheinungen. Leider sind die in seiner Denkschrift enthaltenen dämonischen Einwirkungen, soweit sie seine Person angingen, absichtlich in seiner Lebensbeschreibung unterdrückt worden, wie ich dies bereits früher erwähnte.

 

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Sowohl bei Blumhardt, als auch bei Vianney hatten jene dämonischen Machenschaften den einzigen Zweck, das Wirken dieser Männer in der Führung ihrer Mitmenschen zu Gott ganz zu vernichten oder doch zu beschränken. Darum suchten sie Blumhardt in das ihm unbekannte Gebiet des Dämonischen durch die Gottliebin Dittus zu verstricken und ihn, als ihnen das nicht gelungen war, nachher durch äußere und innere Anfechtungen zu verwirren und mutlos zu machen.

 

Bei Vianney hatten sie es zunächst auf die Einflößung der Mutlosigkeit und Verzweiflung abgesehen und benutzten dazu als Werkzeuge die katholischen Geistlichen der Nachbarbezirke, die einen solchen Feldzug der gemeinsten Verleumdung und Verdächtigung gegen den armen Pfarrer von Ars eröffneten und zehn Jahre lang durchführten, daß jeder andere einem solchen Kampfe hätte erliegen müssen. Als dies nicht zum Ziele führte, versuchten es die Dämonen mit einer Schwächung seiner Gesundheit durch Entziehung des Schlafes.

 

Von diesem Versuch ließen sie während seines ganzen Lebens nicht ab. Erst in seinen letzten Lebensjahren scheint er nachts nicht mehr belästigt worden zu sein. Noch ähnlicher wie im Punkte der dämonischen Erlebnisse sind sich beide Männer in dem, was ihnen an Göttlichem von seiten der guten Geister zuteil wurde. Hier haben sie alles gemeinsam.

 

Beiden wurden die hohen Gottesgaben erst zuteil, als sie ihre schweren Prüfungen im Kampfe mit den bösen Mächten und deren menschlichen Werkzeugen bestanden hatten. Diesen Kampf hat jeder zu bestehen, der als Werkzeug Gottes zum Heile seiner Mitmenschen arbeiten und die zu diesem Zwecke erforderlichen Gotteskräfte erlangen will. Auch Christus mußte diesen Kampf bestehen.

 

Auch seine öffentliche Tätigkeit mit den Beweisen der Gotteskraft, die in ihm wirksam war, begann erst, als er 40 Tage und 40 Nächte das Dämonische und seine furchtbaren Wirkungen an sich erfahren hatte und dagegen standhaft geblieben war. Der Knecht ist nicht über dem Meister.

 

Die Bekehrungen infolge der Ausgießung eines Geistes der Buße als innere Umkehr hatten in der Pfarrei Blumhardts denselben Verlauf, wie in der Pfarrei Vianneys. Und aus beiden Pfarreien erstreckten sie sich in gleicher Weise nach und nach bis in die entferntesten Gegenden Die erste Wirkung der Geister der Buße ist in den Herzen der Menschen ein inneres Erschrecken über die Sünden und Vergehen des vergangenen Lebens und über die dadurch herbeigeführte Gottesferne.

 

Dieses innere Erschrecken über sich bei einem vom Geiste der Buße berührten Menschen ist so groß, daß er keine Ruhe mehr findet, bis er sein Inneres einem gottestreuen Menschen offenbart und dessen Urteil gehört hat. Eine unsichtbare Gewalt treibt sie unwiderstehlich, bis sie die Gottesnähe in ihrem Herzen fühlen und die darin enthaltene Gewißheit haben, daß ihre Sünden vergeben sind. ein solches Gefühl des Glückes strömt dann in ihr Herz, daß es keine menschlichen Worte gibt, ein solches Glück zu beschreiben. Man möge in den Lebensbeschreibungen dieser beiden Männer nachlesen, was die Bekehrten innerlich empfunden haben.

 

Die Seelen, die seiner Hilfe nicht bedurften, erkannte Vianney auf den ersten Blick. Er bat sie freundlich, seine Zeit nicht zu beanspruchen, und zu manchem sagte er: "Gehen Sie ruhig heim, Sie haben mich nicht nötig."

 

Die kranken Seelen zu heilen, die mit sich selbst nicht fertig werden konnten, war das Hauptziel des Pfarrers von Ars. Die Heilung der Körper war in seinen Augen viel nebensächlicher.

 

Vielen gab Vianney Auskunft über das jenseitige Los ihrer Verstorbenen, sobald dies für ihr eigenes Seelenheil nützlich erschien. Aber auch in die Zukunft schaute er hellsehend. Man kann sagen, daß so, wie zu seinen Lebzeiten über nichts so viel gesprochen wurde, als über seine Kämpfe mit den bösen Geistern, alle Welt nach seinem Tode von seinen Voraussagungen zu reden anfing. Seine Vorhersagen betrafen fast immer nur das Wohl des einzelnen und nicht das öffentliche Wohl. Manchen Bekehrten sagte er ihren nahen Tod voraus. In anderen Fällen benachrichtigte er dritte Personen von dem bevorstehenden Tode eines ihrer Angehörigen, damit sie sich bereithalten möchten.

 

Auch sah er im Geiste ferne Ereignisse, welche die Personen angingen, mit denen er gerade sprach. Als er eines Tages einen Mann in der auf ihn wartenden Menge erblickte, sagte er zu ihm: "Kehren Sie schnell nach Lyon zurück, Ihr Haus steht in Flammen!" Und so war es. Ein anderes Mal schickte Vianney eine Bäuerin, die eben ihr Sündenbekenntnis abgelegt hatte, schleunigst heim, denn eine Schlange sei in ihr Haus gekrochen. Die Frau eilte in ihr Haus zurück und durchsuchte es nach allen Richtungen, fand aber nichts.

 

Schließlich kam sie auf den Gedanken, auch ihren Strohsack zu schütteln, den sie zum Auslüften in die Sonne gelegt hatte. Sie sah aus demselben eine Schlange hervorkriechen. Einem jungen Mädchen, das er in der Kirche stehen sah, sagte er, sie möge ohne Säumen heimkehren, denn sie werde dort dringend erwartet. Als sie nach Hause kam, fand sie ihre bisher vollständig gesunde Schwester tot daliegen. - Es kam eine Frau nach Ars zur Beichte, die sich von einem "Zauberer" eine Flasche mit einem angeblichen Wundermittel hatte geben lassen. Als Vianney ihr Sündenbekenntnis gehört hatte, bemerkte er ihr: "Sie sagen mir ja nichts von der Flasche, die sie in einem Gebüsch vor Ars versteckt haben."

 

Noch häufiger zeigte sich bei ihm das Schauen der innersten Gedanken und Gefühle anderer. Diese Gabe trat regelmäßig hervor, sobald es sich um besonders schwierige Bekehrungen handelte. Fast täglich ereigneten es sich, daß er seinen Beichtstuhl verließ und gerade jene Personen, die am eiligsten oder am unglücklichsten waren, zu sich heranwinkte, damit sie zuerst an die Reihe kamen.

 

Es kamen auch solche, die seine Gabe auf die Probe stellen wollten. Mit großer Beschämung gingen sie von dannen. Einer bekannte ihm schlimme Sünden, die er sich erdichtet hatte. Vianney hörte ihn ruhig an und sagte dann: "Sie haben in der Tat viel schwere Schuld auf der Seele; aber das Böse, das Sie in Wirklichkeit getan haben, besteht nicht in jenen Sünden, die Sie mir soeben erzählt haben, sondern es sind folgende Sünden", und nun offenbarte Vianney zur großen Bestürzung des Betrügers alle Schandtaten seiner Vergangenheit.

 

Vianney heilte, beriet, tröstete und bekehrte aus der Ferne diejenigen, die nicht persönlich zu ihm kommen konnten und darum Vermittler oder auch Briefe schickten.

 

Alle bisher geschilderten Einzelzüge im Bilde der bei Vianney wirkenden Kräfte der Geisterwelt finden sich in derselben Art und in demselben Umfang, und man kann sagen, bis in die kleinsten Linien genau bei Blumhardt. Und es ist schwer, festzustellen, bei wem von beiden die Zahl der Tausenden, die zu ihnen strömten und die wunderbaren Wirkungen jener Kräfte an sich erfuhren, größer war, ob bei Vianney oder bei Blumhardt.

 

Auch das ereignete sich bei beiden, was man eine wunderbare Brotvermehrung nennen könnte. Bei Blumhardt kam es vor, daß bei dem großen Andrang der Fremden, die von den Pfarrkindern Blumhardts gastlich aufgenommen und beherbergt wurden, sich Mangel an Nahrung einstellte. Aber ein besonderer Segen waltete bei diesen Speisungen. Eine Familie, die nicht genug hatte 14 Personen zu sättigen, machte mit derselben Speise 42 Personen satt, und es blieb noch Speise übrig. Von Vianney wird ein noch augenscheinlicheres Wunder berichtet, für das seine ganze Pfarrei Zeuge wurde.

 

Er hatte ein Heim für arme Kinder. Eines Tages waren alle Nahrungsmittel ausgegangen. Auf dem Speicher lagen nur noch einige Handvoll Brotfrucht. Schon hatte er sich schweren Herzens entschlossen, die Kinder zu entlassen. Er betete zu Gott noch einmal um Hilfe. Als er nun auf den Speicher kam, war er hoch mit Korn angefüllt. Die ganze Pfarrei stieg auf den Speicher, um das Korn zu sehen. Dieses Ereignis machte in der ganzen Gegend ein großes Aufsehen. Auch der Bischof kam später und ließ sich zeigen, wie hoch der Speicher angefüllt war.

 

Wenn wir nun diese beiden Männer als Werkzeuge Gottes nebeneinanderstellen, dann muß uns etwas sehr Wichtiges dabei auffallen. Wir haben hier zwei Männer, deren kirchliches Glaubensbekenntnis wesentlich verschieden ist. Auf der einen Seite steht ein katholischer Pfarrer als Anhänger von Heiligen- und Reliquienverehrung, der die Krankenheilungen auf die heilige Philomena zurückführte; ein Mann, der die Messe feierte und die Beichte als notwendiges Sakrament der Sündenvergebung betrachtet, der an die Gegenwart Christi im Altarssakrament glaubt und an allen anderen Lehren seiner Kirche festhält - und auf der anderen Seite der evangelische Pfarrer Blumhardt als schroffer Gegner des Glaubensbekenntnisses eines Vianney.

 

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Er lehnt Heiligen- und Reliquienverehrung, Messe und Altarssakrament, katholische Beichte und katholische Sündenvergebung, Papsttum und alles, was damit zusammenhängt, als nicht von Gott gewollt, sondern aus menschlichen Irrtümern herrührend, mit aller Entschiedenheit ab. Und doch sind beide in der Hand Gottes ebenbürtige Werkzeuge der Befreiung der Menschheit von der Sünde und Satan und ihrer Führung zum Vaterhaus Gottes. Beide erhalten die höchsten Gaben, die Christus seinen Gläubigen verheißen hat, trotz ihrer Gegensätzlichkeit im kirchlichen Glaubensbekenntnis.

 

In einem Punkte stimmen beide überein: In dem tiefen Gottesglauben und in dem darin verankerten unerschütterlichen Gottvertrauen sowie in der großen Liebe zu Gott und den Menschen. Vor Gott ist also das sonstige kirchliche Glaubensbekenntnis eines Menschen von keiner Bedeutung. Er betrachtet es bloß als ein äußeres Kleid, das man den Menschen umgehängt hat, das jedoch die geistige Persönlichkeit nicht beeinflußt, wenn in ihr Gottesglaube und Gottesliebe wirksam sind. Er läßt den Menschen dieses Kleid, das aus den Flicken menschlicher Irrtümer zusammengenäht ist, solange es die Aufgabe nicht verhindert, die er dem Menschen zugeteilt.

 

Wenn man nun fragen wollte, weshalb die gute Geisterwelt jene Männer nicht über die Irrtümer in ihren religiösen Anschauungen aufgeklärt und ihnen die Wahrheit vermittelt habe, so ist die Antwort darauf nicht schwer.

 

Zunächst war eine solche Belehrung nicht notwendig, weil die konfessionellen Irrtümer der Arbeit nicht im Wege standen, zu der beide von Gott berufen waren. Sie sollten die Menschen ihrer näheren und ferneren Umgebung zur Einkehr in sich und zur Rückkehr zu Gott bewegen. Dem stand weder das katholische noch das evangelische Glaubensbekenntnis im Wege.

 

Vor allem aber konnte eine Aufklärung über religiöse Irrtümer deshalb von seiten der Geisterwelt nicht erfolgen, weil sie sowohl einem Blumhardt, als auch einem Vianney die Erfüllung ihrer Aufgaben unmöglich gemacht hätte. So hätte der evangelische Pfarrer Blumhardt infolge neuer Wahrheitserkenntnisse auch eine Änderung in seiner Lehre vornehmen müssen. Damit würde er sich außerhalb der evangelischen Kirche gestellt und dadurch sowohl sein Amt, als auch seinen Wirkungskreis verloren haben.

 

Das gilt in noch höherem Maße von dem katholischen Pfarrer Vianney. Wäre seine Glaubenseinstellung auch nur in einem Punkte von der seiner Kirche abgewichen, so wäre er in ganz kurzer Zeit für immer erledigt.

 

Unter Katholiken konnte an der Aufgabe der Rettung von Seelen nur arbeiten, der in das Gewand des katholischen Bekenntnisses gekleidet war, wie Blumhardt nur als Mann des evangelischen Glaubens unter seinen Glaubensgenossen Aussicht auf Erfolg hatte.

 

Ohnedies wurde das Wirken beider schon über die Maßen von ihren Amtsbrüdern angefeindet, trotzdem jeder seiner Kirche treu ergeben war. Welche Kämpfe würden erst gegen sie eingesetzt haben, wenn sie in dem einen oder anderen Punkte von der Lehre ihrer Kirche abgewichen wären?

 

Besonders bei Vianney kannten die Angriffe seiner Amtsbrüder keine Grenzen. Wie schon vorher angedeutet, wurde er zehn Jahre hindurch von ihnen maßlos verfolgt, bekrittelt, geschmäht, verdächtigt, verleumdet und selbst mit äußerster Gewalt bedroht. Als die katholische Geistlichkeit seiner näheren und ferneren Umgebung sah, wie ihre Pfarrkinder ebenfalls zu Vianney eilten und mehr auf dessen Urteil gaben, als auf das der eigenen Geistlichen, kamen die Regungen des Neides und der Eifersucht.

 

Sie nannten ihn den unwissenden Priester, der nur mit Mühe ein wenig Latein gelernt habe und beinahe aus dem Priesterseminar zurückgeschickt worden wäre. Vor allem die Begeisterung, mit der die Leute von dem Pfarrer von Ars sprachen, brachte den Haß der anderen Geistlichen zum Überlaufen. Man verleumdete ihn in der schändlichsten Weise. Die Pfarrer verboten ihren Pfarrkindern, nach Ars zur Beichte zu gehen und drohten ihnen im Falle, daß sie doch hingingen, mit dem Ausschluß von den Sakramenten und der Verweigerung der Lossprechung, selbst in der Sterbestunde.

 

Sonntag für Sonntag schmähten sie von der Kanzel herab gegen den Pfarrer von Ars. Vianney sagte später einmal: "Man ließ das Evangelium auf der Kanzel in Ruhe und statt dessen predigte man gegen den armen Pfarrer von Ars." Während die einen über seine Unwissenheit spotteten, verdächtigten die anderen seinen Lebenswandel. Briefe ohne Unterschrift liefen in großer Zahl bei ihm ein, in denen man ihm die größten Gemeinheiten in den ekelhaftesten Ausdrücken vorwarf. Auch suchte die Geistlichkeit das Volk gegen ihn aufzuhetzen. Wenn er morgens seine Haustür öffnete, fand er daran Zettel geklebt, auf denen man ihn anklagte, die Nacht in den unsittlichsten Ausschweifungen verbracht zu haben.

 

Hier wie auch bei Blumhardt wiederholte sich dasselbe, was die jüdische Geistlichkeit gegen Christus ins Werk setzte. "Was sollen wir tun? Seht, das ganze Volk läuft ihm nach, diesem Weintrinker und Gesellen der Sünder und der Dirnen." (Matth. 11,19) Das Wort von dem "geistlichen Neid" und die Wahrheit, daß ein Geistlicher seinem Mitgeistlichen ein Teufel ist, bestätigte sich auch bei diesen beiden Geistlichen.

 

Wenn die Angriffe der Amtsbrüder gegen Blumhardt auch nicht das Maß der Gemeinheit erreichten, wie es bei Vianney der Fall war, so hat doch auch er sehr viel Leid und Verfolgung von ihnen zu erdulden gehabt.

 

Entbrannte bei diesen beiden Männern trotz ihrer kirchlichen Glaubenstreue ein solcher Kampf auf Leben und Tod, was würde da erst geschehen sein, wenn man ihnen ein Abweichen von der kirchlichen Lehre hätte nachweisen können?

 

Gott und seine Geisterwelt richten sich bei der Auswahl und Zubereitung ihrer Werkzeuge auch nach den Zeitverhältnissen und der religiösen Atmosphäre, die in den Kreisen herrscht, in denen sie wirken sollen. Alle menschlichen Ansichten und Irrtümer läßt die Geisterwelt Gottes unberührt, solange sie nicht ein ernstliches Hindernis für die Erreichung des von ihr gesteckten Zieles bilden. Von den irrigen Ansichten in Glaubenssachen wurde bei Vianney durch die sich kundgebenden guten Geister keine einzige hinweggeräumt, weil sie der Aufgabe, die er zu erfüllen hatte, nicht im Wege standen.

 

Nur als er in seiner falschen Beurteilung der körperlichen Bußübungen, die er als Gott besonders wohlgefällig betrachtete, seinen Körper mit solchen Bußübungen quälen wollte, griff die Geisterwelt mit einer Belehrung ein. Nun mußte sie es, da eine Schwächung seiner Körperkraft auch geringere Leistungen in seiner Wirksamkeit zur notwendigen Folge gehabt hätte. Durch eine gebieterische Stimme, die er hellhörend wahrnahm, wurde er an seine wahre Aufgabe erinnert.

 

Vianney selbst sagt darüber: "Ich weiß nicht, ob es wirklich eine Stimme war, die ich hörte, oder ob ich es geträumt habe; aber wie dem auch sein mag, ich erwachte davon. Diese Stimme sagte mir, es sei Gott wohlgefälliger, die Seele eines einzigen Sünders zu retten, als alle möglichen Opfer zu bringen. Damals hatte ich mir nämlich Bußübungen zu meiner eigenen Heiligung vorgenommen."

 

Vianney, der katholische Pfarrer von Ars, wurde von seiner Kirche heiliggesprochen. Wenn Menschen einen Menschen überhaupt heiligsprechen könnten, dann müßte der evangelische Pfarrer Blumhardt ebenfalls heiliggesprochen werden. Denn er stand in seiner Gesinnung, seiner Wirksamkeit und den staunenerregenden Gaben von oben seinem katholischen Amtsbruder nicht nach.

 

Das Lebensbild dieser beiden Männer zeigt, daß die guten und die bösen Geisterkräfte auch heute noch in derselben Weise bei den Menschen wirksam sind, wie zu allen früheren Zeiten und daß sie nach den gleichen Gesetzen sich vollziehen.

 

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rodiehr Juli 2012


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