FRIEDRICH JÜRGENSON
Sprechfunk mit Verstorbenen
Praktische Kontaktherstellung mit dem Jenseits

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SIEBENUNDVIERZIGSTES KAPITEL

Hoffnung für alle Trauernden und Einsamen - Was man nicht erwarten sollte - Wie die "Totensprache" verstanden werden kann -Ein paar technische Ratschläge - Vorsicht vor den eigenen Einbildungen und Wunschträumen! - Der Beginn einer neuen Epoche der Menschheit

Seite 241 Ich bin überzeugt: wer wirklich aus innerer Notwendigkeit, aus Liebe, Sehnsucht und Sorge um das Schicksal seiner verstorbenen Lieben eine Verbindung sucht, wer wirklich mit reinem Herzen und großer Geduld sich am Brückenbau zwischen Jenseits und Diesseits beteiligen will, für den wird sich der Schlagbaum öffnen.

Damit soll aber nicht gesagt sein, daß die Suchenden nun auf Anhieb eine Verbindung mit der erwünschten verstorbenen Person herstellen können. Nicht alle Jenseitigen lassen sich sofort erreichen. Nicht alle sind wach und sich der Veränderung bewußt, die mit ihnen beim Tode vor sich gegangen ist. Es bedarf nicht nur endloser Geduld, sondern man darf sich auch nicht gleich durch Mißerfolge entmutigen lassen.

Auch besteht die Möglichkeit, daß bei solchen Versuchen, bestimmte Verstorbene zu erreichen, sich andere Personen, vielleicht Verwandte oder Freunde, plötzlich melden können. Dies ist auf jeden Fall ein guter Anfang, von dem aus es heißt, geduldig weiterzusuchen.

Ein großer Teil des Gelingens hängt von uns selber ab. Es kommt viel auf die Art und Weise an, wie wir die Kontakte aufnehmen. Gerade dabei können wir hemmend oder fördernd wirken. Am besten ist es, sich ganz natürlich zu verhalten, alle pathetischen, hochgeschraubten, feierlichen Stimmungen zu vermeiden.

Lieber freudig erregt sein als salbungsvoll und verkrampft. Wir sollten nie vergessen, daß die Verstorbenen Menschen sind wie wir. Das Wort "Geister" sollten wir lieber nicht benutzen, denn dieser Seite 242 Begriff ist mit einer endlosen Kette von falschen Vorstellungen verbunden. Wer sich all dieser Verzerrungen bewußt werden kann, hat es leichter, sich der Bewußtseinsebene der Verstorbenen zu nähern.

Wie oft habe ich auf meinen Tonbändern die gleichen Behauptungen in zahlreichen Variationen festgehalten und mit welch intensivem Nachdruck wurden sie von den sogenannten Toten gesprochen, gerufen, rezitiert und gesungen: "Wir leben! Wir leben! Wir Tote - wir leben!" oder: "Friedel! Die Toten leben, weil sie eben keine Toten sind!" oder: "Wir sind MENSCHEN! Die Toten sind Menschen!..."

Ich werde nie vergessen, wie mir einmal durch den Chor aus Verdis "Traviata" ein entzückender Reim gebracht wurde, der mich tief gerührt und mir viel Freude geschenkt hatte. Durch diese im humoristischen Ton vorgetragenen, jedoch gleichzeitig ernst gemeinten Strophen wurde mir wieder einmal jener Abgrund bewußt, den wir Lebenden zwischen den Toten und uns errichtet haben.

Das Gedicht schloß mit: "Man kann nicht bei Friedrich gespenstisch sein, man fühlt sich bei Friedel als Mensch..."

Und noch eins: erwarte keiner, daß die Verstorbenen erbauliche Predigten halten. Es genügt, daß wir es verstanden haben, seit Jahrtausenden über Liebe, Bruderschaft, Freiheit und Gleichheit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit so laut zu predigen, bis uns das Hören und Sehen für die Wirklichkeit und Wahrheit vergangen ist.

Auch spielt es dabei keine Rolle, ob unsere religiös-philosophischen Systeme oder wir selbst versagt haben. Tatsache ist, daß wir eine Welt des Elends und der Konflikte errichtet haben, in der zwei Großmächte sich gegenseitig mit Superwasserstoffbomben die Nerven kitzeln.

Erwartet also nicht von den Toten politisch-moralische oder ethisch-philosophische Traktate. Alle diese geistigen Spiegelfechtereien haben im Jenseits ihre Bedeutung verloren; Seite 243 wir müssen sie, ob es uns paßt oder nicht, mit unserem Scheckbuch am Sterbebett zurücklassen.

Wenn wir die schlichte Sprache der Toten verstehen wollen, müssen wir von der Tyrannei unseres Intellekts loskommen, denn dort, wo Überheblichkeit und Kälte des Geistes herrschen, erstarren die Regungen des Herzens.

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Die Sprache der Toten ist die ungeschminkte Bildersprache des Unterbewußtseins. Frei von jeglichen Kompromissen, ganz gleich, ob sie durch falsche Artigkeit, stilistische Verbrämungen oder durch irgendwelche moralische Bedenken verursacht sind, vermittelt die "Totensprache" direkt die Wahrheit des Gemütes.

So ähnlich sprechen Kinder, die noch nicht vom Geist der Heuchelei bestochen sind. Wir sollten selber wie Kinder werden, nicht kindisch, sondern kindlich wie Menschen, die sich von der schweren Last der Vergangenheit endlich befreit haben, denn ohne eine veränderte Geisteshaltung werden wir nie das Neue erfassen können.

Man hat mir öfters die Frage gestellt, auf welche Weise man am besten mit den Verstorbenen in Verbindung treten kann. Wie ich schon früher gesagt, kommt es ausschließlich auf unsere Beweggründe an, allerdings auch auf unsere Geduld und Beharrlichkeit. Da das Ganze eine sehr subtile Angelegenheit ist, so können hier keinerlei genaue Gebrauchsanweisungen oder fertige Rezepte gegeben werden. Dagegen bin ich gerne bereit, das Ergebnis meiner siebenjährigen Erfahrungen mit dem Leser zu teilen.

Erst ein paar technische Ratschläge: Ein gediegenes, nicht zu kleines Tonbandgerät - zwei Spuren genügen - hat den Vorteil, daß es auch bei mehrmaligen Vor- und Rückschaltungen nicht zu schnell abgenutzt wird. Man benutze in der Regel die höhere Geschwindigkeit (19 cm/sec - 7¼ i.p.s.). Dadurch ergibt sich nicht nur die beste Tonqualität, sondern es steht einem frei, die Einspielung des besseren Verstehens wegen in einer verlangsamten Geschwindigkeit abhören und kontrollieren zu können.

Seite 244 Eine zu große Zuhörerschaft erweist sich meistens als störend. Man stelle das Mikrophon in zwei bis drei Meter Abstand und schalte auf normale Lautstärke ein. Man sei völlig ungezwungen, spreche aber nicht zu hastig durcheinander und versuche hier und da kleine Pausen zu machen.

Zweckmäßig beginnt man die Aufnahme mit dem Ansagen des Datums, der Stunde und der Namen der Anwesenden. Man lasse das Band jeweils nicht länger als 3 bis 4 Minuten laufen, denn das Abhören längerer Einspielungen nimmt sehr viel Zeit in Anspruch.

Bevor ich auf die wichtigsten Einzelheiten eingehe, möchte ich eine Warnung aussprechen. Je sachlicher und wachsamer wir sein können, um so weniger werden wir uns von unseren Wunschträumen irreführen lassen; denn es gibt keinen größeren Feind als unser eigenes von Wünschen beseeltes Denken! Man hört zu gerne das, was man sich sehnlichst wünscht. Ich habe zahlreiche Tonbänder zur Kontrolle zugeschickt bekommen, die, wie es hieß, "Geisterstimmen" enthalten sollten, in Wirklichkeit aber nicht die geringsten Spuren transzendenter Stimmphänomene aufwiesen.

Bei leisen Stimmen lausche man lieber fünfzig Mal, als daß man sich voreilig oder zu leicht auf bekannte Silbenassoziationen festlegt, die sich später als Fehldeutungen herausstellen.

Die Kunst des Lauschens ist eine schwere Kunst. Sie muß langsam erlernt werden. Sie gilt nicht nur bei den Tonbandaufnahmen, sondern sie muß täglich, ja stündlich geübt werden. Wer von uns ist heute im Zeitalter der aufreibenden Hetze noch imstande, die Konzentration und Geduld aufzubringen, um ausgeglichen und aufmerksam jedem, der uns anspricht, zuhören zu können? Sind wir in Wirklichkeit nicht ständig mit unseren eigenen sich jagenden Gedanken beschäftigt?

Die Kunst des Lauschens erfordert vier Dinge: Gelöstheit, Wachsamkeit, das Schweigen der Gedanken und innere Stille.

Seite 245 Die Zivilisation von heute bietet uns fast keine Gelegenheit mehr zu Muße und Besinnlichkeit. Im Gegenteil - mit ihren technischen Errungenschaften hat sie durch die ständigen Reizüberflutungen das menschliche Gehör seiner natürlichen Sensibilität beraubt.

Das gilt aber nicht nur für die Städte, sondern auch auf dem Lande ist es heutzutage nicht viel anders. Alle diese Geräusche, ganz gleich ob sie durch Düsenflugzeuge, Kraftfahrzeuge, Motorräder, Radios, Traktoren, Motorsägen oder gewöhnlichen Straßenverkehr verursacht werden, üben eine betäubende, direkt nerventötende Wirkung auf das Aufnahmevermögen unserer Gehirne aus.

So werden nicht nur das Trommelfell und der Gehörnerv abgestumpft, sondern unser Gehirn verliert die Fähigkeit, Tonfeinheiten und zarte Geräusche aufnehmen zu können. Wenn man bedenkt, daß heute Zahnärzte anstatt mit Betäubungsspritzen und Betäubungsmitteln ihre Patienten durch Geräusche und Musik für den Schmerz unempfindlich zu machen imstande sind, so wird man verstehen, welche verheerende Einwirkung ständig vorhandene Geräusche auf das menschliche Gehör ausüben müssen.

Wenn wir beim Abhören der Tonbänder gute Erfolge erzielen wollen, so sollten wir unser Ohr so wenig wie nur irgend möglich durch laute Radio- oder Fernsehmusik belasten. Sucht die Ruhe - wenn möglich - in der Natur. Lauscht den Stimmen der Vögel, des Windes und der Wellen, lauscht einfach in die Stille eines Raumes hinein; das tut gut.

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Nun verhält es sich meistenteils so, daß bei günstigen Verhältnissen die Stimmen meist gleich zu Anfang der Einspielung hereinkommen. Manches Mal kann es ein kurzer Satz, ein Name, Gruß oder Ausruf sein. Erwartet nicht zuviel am Anfang. Es gibt auch Tage, an denen sich überhaupt keine Stimmen einspielen lassen. Werdet deswegen nicht ungeduldig und versucht nicht, Einspielungen mit Gewalt zu erzwingen.

Seite 246 Ich erinnere mich, wie einmal, nachdem mich zwei Wissenschaftler besucht hatten, Kerstens Stimme plötzlich auf dem Band erklang und in gebrochenem Schwedisch kurz, aber sehr bestimmt ausrief: "Wir wollen kommen ohne Zwang!"

Der spontane Moment ist der entscheidende. Gerade auf diesem Gebiet, wo zwei Dimensionen sich berühren und wo wir noch vor unerforschten Faktoren stehen, gerade hier läßt sich nichts, aber auch nicht das Geringste erzwingen. Zu große Vorbereitungen und Erwartungen führen zu mageren Ergebnissen.

Wenn aber bei den Tonbandaufnahmen eine gelöste und unbefangene Stimmung von großer, ja beinahe entscheidener Bedeutung ist, so sollte beim Abhören der Einspielungen eine nüchterne Sachlichkeit herrschen. Worauf es vor allem ankommt, ist Wachsamkeit des Geistes und eine gute körperliche Kondition.

Daß die Verstorbenen unsere Gedanken lesen können, ist eine schlichte Tatsache, der man sich recht bald bewußt wird. Jedoch liegt darin nichts Unbehagliches, nichts, was einen hemmen oder hindern könnte, natürlich zu sein. Im Gegenteil: die Gewißheit, ganz man selbst sein zu dürfen, ohne sich dabei von sehenden Augen kritisiert zu fühlen, wirkt befreiend und löst eine ungezwungene Haltung aus.

Doch wenn auch die Toten unsere Schwächen kennen und uns aus Taktgefühl und Verständnis nicht kritisieren, so sei damit noch keinesfalls gesagt, daß sie unsere Schwächen unterstützen würden, geschweige denn, daß es uns gelingen könnte, durch List und Spitzfindigkeit ihnen eine Handlung abzuzwingen, die mit ihrer Absicht nicht übereinstimmt.

Was nun die Radioverbindungen betrifft, so wäre es voreilig, Anweisung darüber zu geben, bevor der Verbindungsweg über das Mikrophon erlernt worden ist. Außerdem läßt sich eine Radioverbindung ohne Hilfe eines jenseitigen Assistenten überhaupt nicht verwirklichen. Doch nehme ich an, daß für diejenigen, die gleich Seite 247 mir bereit sind, sich gänzlich diesem Brückenbau zu widmen, sich der Assistent ebenfalls einfinden wird.

Abschließend möchte ich noch folgendes herausheben. Wir Lebenden, noch auf diesem irdischen Plan Befindlichen sollten nie vergessen, daß uns durch diesen Brückenbau zum erstenmal die Gelegenheit gegeben wurde, auf rein physikalisch-objektive Weise das Problem des Todes nach und nach lösen zu können.

Alle Ausdrücke wie bahnbrechend, epochemachend, einzigartig usw. reichen nicht aus, die Bedeutung dieses Geschehens für unsere Zeit richtig zu kennzeichnen. Wir wissen, daß der Mensch ohne Beziehungen zur Umwelt sich nicht verwirklichen kann. In der Isolierung bleibt es ein steriles Nichts ohne Entwicklungs- und Fortschrittsmöglichkeiten.

Da aber das Leben vom Tod nicht getrennt werden kann und das Dies- und Jenseits eine Einheit darstellen, wir aber seit Jahrtausenden eine trennende Mauer zwischen den Toten und uns errichtet haben, so konnte sich unsere Entwicklung nur einseitig gestalten. Wir haben hartnäckig versucht, auf einem Bein durch das Dasein zu hüpfen und haben eine Welt von intellektuellen Krüppeln geschaffen.

Daß nun heute diese Verbindungsbrücke zum Jenseits Wirklichkeit geworden ist, beruht vor allem auf dem Einsatz der Verstorbenen, denn nur durch die Initiative von einer höheren Lebensebene aus konnte sich diese Verbindungsmöglichkeit ergeben. Allerdings hätte sich vor 100 Jahren eine entsprechende Verbindung nicht realisieren lassen, da die technischen Voraussetzungen - Tonbandgerät, Radio - noch nicht vorhanden waren.

Was meinen Anteil an dieser Arbeit anbelangt, so ist er nur von vorbereitender Bedeutung. Ich habe übrigens meine Belohnung bereits im voraus erhalten, denn keine Arbeit hat mit bisher so viel Freude, Überraschung und Kopfzerbrechen bereitet wie dieses wundersame Puzzlespiel.

Und noch einmal: Das Problem des Todes verbirgt den Schlüssel zum Dasein. Mit dieser Lösung verschwindet Seite 248 nicht nur die würgende Angst vor dem Tode selbst, sondern es löst sich gleichzeitig jene endlose Kette des Leidens, die mit dem Tode verbunden ist.

Allerdings werden wir gründlich umdenken müssen. Viele Denk- und Gefühlsgewohnheiten werden verschwinden. Es wird viel Zeit kosten und viel Widerstand geben. Zum Schluß aber wird das Grab seinen makabren Charakter verlieren. Dann wird keiner mehr die Toten im schwarzen Trauergewand auf den Kirchhöfen besuchen wollen, wenn man zu Hause ihre lebenden Stimmen hören kann.

Ich habe dieses Buch vor sieben Jahren in Schweden zu schreiben angefangen, an einem milden, windstillen Oktobermorgen. Ich wohnte damals noch in meiner stillen Waldhütte, von wo ich einen farbenfrohen Ausblick über den angrenzenden Waldhügel hatte. Heute schließe ich diese Zeilen in Pompeji ab.

Es ist ein frischer Oktobermorgen, sonnig, wolkenlos und etwas windig. Vor kurzer Zeit war über die Campania ein heftiges Unwetter gezogen mit peitschenden Regengüssen, Sturm und Gewitter. Nun aber grünt und wächst alles mit neuer Kraft, und es duftet herrlich nach Ozon, Rosmarin und feuchter Erde.

Die Trauben meiner Pergola beginnen zu reifen. Sie hängen in schweren, blauschwarzen Dolden über mir und schaukeln sachte im Winde.

Pompejis reingewaschene Mauern haben einen neuen Glanz erhalten. Der Staub ist weg, und die Pflastersteine der Via del Abbondanza sind mit zahlreichen Wasserpfützen bedeckt.

Von der Brüstung meiner Terrasse aus kann ich die Gruppen der vorbeiziehenden Touristen überblicken, ihre Stimmen aber dringen kaum herauf. Hier oben herrscht noch ländlicher Frieden, und es tut mir richtig leid, daß ich bald von hier aufbrechen muß.

Unter mir schlummert Pompejis noch nicht ausgegrabener Stadtteil. Sonderbar, gerade hier sollte ich vor sieben Jahren mit der Ausgrabung eines Hauses "Casa Svedese" beginnen. Seite 249 Stattdessen aber bin ich in das Dunkel einer unbekannten Grotte geistig-seelischer Art eingedrungen.

Heute aber, da die "Brücke" schon ziemlich gefestigt dasteht, bin ich zum gleichen Ausgangspunkt zurückgekehrt. Zufall? Schicksalsfügung? Karma?... Wie wenig wissen wir doch darüber, auf welch geheime Weise das Leben seine Muster webt!

Doch das eine steht fest! Das Geheimnis des Lebens und des Todes liegt in der Tiefe unseres Bewußtseins verborgen, in dessen Dunkel wir jedoch ohne Selbsterkenntnis nicht eindringen können.

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