FRIEDRICH JÜRGENSON
Sprechfunk mit Verstorbenen
Praktische Kontaktherstellung mit dem Jenseits

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VIERUNDDREISSIGSTES KAPITEL

Am Sterbebett einer Freundin - Von der Macht, die Not und Tod in strahlende Freude zu verwandeln vermag

Seite 175 Gegen Ende September erhielt ich die Nachricht, daß eine mir nahestehende ältere Dame im Sterben lag. Die Kranke hatte übrigens in ihren wachen Augenblicken mich öfters beim Namen gerufen. Ich begab mich am nächsten Tage in das Krankenhaus mit einem sehr beklommenen Herzen, denn ich ahnte, daß es wohl unser letztes Wiedersehen sein würde.

Es war bereits Abend geworden, als ich den Einzelraum im Spital betrat. Schon allein die Atmosphäre, die in solchen Isolier- oder Sterbezimmern herrscht, ist dermaßen beklemmend, daß man beinahe rein körperlich das Leiden und die Hoffnungslosigkeit jener vom Tode Gezeichneten zu empfinden glaubt.

Der Raum war spärlich beleuchtet. Die kleine Nachtlampe warf einen fahlen Schein auf den am Bette errichteten Transfusionsapparat. Mein Blick wurde unwillkürlich von einer gläsernen Retorte gefesselt, in der eine hellrosa Flüssigkeit langsam pulsierte, die ihrerseits vermittels eines dünnen Gummiröhrchens mit der Vene der Patientin verbunden war.

Die Kranke befand sich in einem halb bewußtlosen Zustand, sie fieberte und atmete hastig, dazwischen aber hörte man sie halblaut jammern. Es klang wie der hilflose Schmerzensruf eines kleinen Kindes. Ich setzte mich dicht an das Bett heran und betrachtete ergriffen die mir wohlbekannten Gesichtszüge. Ohne die Schlafende zu wecken, fühlte ich vorsichtig den Puls ab.

Er schlug unregelmäßig, blieb manches Mal länger stehen, und hastete dann plötzlich in fieberhaftem Takt weiter. Offenbar litt die Kranke große Schmerzen, die irgendwie in Perioden zu kommen Seite 176 schienen, denn dann stieß sie jene kraftlosen Klagerufe aus, die mich ganz starr vor Entsetzen machten.

Wie damals bei Hugo wurde ich wieder von jenem würgenden Gefühl der Machtlosigkeit überwältigt. Etwas bäumte sich in mir wild auf, etwas schrie in mir verzweifelt: "Hilf doch! - Rette ihr Leben! - Stille ihre Schmerzen!" Es war furchtbar, nicht helfen zu können und den Todeskampf eines lieben Menschen machtlos mit ansehen zu müssen.

Ich weiß nicht mehr, wie das Ganze weiterging; ich entsinne mich nur, daß ich plötzlich von so einem gewaltigen Mitleid ergriffen wurde, daß es in mir überhaupt keinen Platz mehr für andere Gefühle und Gedanken gab. Alles hatte sich wie mit einem Zauberschlage verändert, und das ganze Sterbezimmer schien mit freudiger Spannung erfüllt zu sein.

Die Kranke hatte die Augen geöffnet und ihr Blick war fragend auf mich gerichtet. Ich verstand blitzartig - ich sollte sprechen, von dem berichten, was ich über das Jenseits wußte und was die Sterbende bereits zu erahnen begann.

Ich glaube, es war das sonderbarste Gespräch, das ich je geführt habe. Ich, der aus der Fülle meines Herzens sprach, und sie, die da schweigend und gespannt meinen Worten und Gebärden folgte. Hier und da nickte sie zustimmend. Ich glaube, es war mehr die Wahrheit des Gefühles als die Worte, die uns verband und einander restlos verstehen ließ.

Es war, als hätte etwas Unvergängliches uns aus dem Strom der Zeit und des Leidens herausgegriffen; es war ein Zustand, der sich mit Worten nicht beschreiben läßt. Viel später, als die Kranke gestorben war, habe ich öfters über jenes wundersame Erlebnis nachdenken müssen, über jene unergründliche Macht, die sogar die Schrecken des Todes in strahlende Freude verwandeln konnte, und ich gelobte mir, ihr nie einen Namen geben zu wollen.

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